Leben im Traum - Volker Borbe - E-Book

Leben im Traum E-Book

Volker Borbe

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Beschreibung

Stell dir vor, du könntest dich im Traum frei bewegen! Wäre das nicht toll? Du könntest alles machen was du willst! Wirklich alles!! Und, ob du es glaubst, oder nicht, der Max, der kann es! Ja! Wirklich! Er lebt im Traum! Mit seinen 10 Jahren übersteht er Abenteuer, die sich viele Erwachsene noch nicht einmal vorstellen können! Eines Tages findet er auf dem Speicher seiner Großeltern ein geheimnisvolles uraltes Manuskript! Nun verändert sich sein Leben dramatisch! Er erfährt nämlich, daß der Traum gleichzeitig auch der Himmel ist! Ja! Wirklich! Er kann sich also auch im Himmel völlig frei bewegen! Wow!! Damit muß sich doch was anfangen lassen! Dann müßte er dort doch eigentlich auch seinen Papa finden können! Der war schließlich, schon kurz vor seiner Geburt, bei einem Bootsunfall verunglückt! Und sein Papa wäre doch bestimmt in den Himmel gekommen! Oder... Ist er etwa gar nicht gestorben?? Ja.. Aber..Wie soll er ihn dann finden?? Es beginnt die ungewöhnlichste Rettungsaktion, die je ein Mensch erlebt hat! Die ständig anwachsenden Fähigkeiten von Max bedeuten für seine Mutter und seine Großeltern und natürlich auch für seine Freunde Tamara und Fred immer neue Überraschungen! Und das gleich zwei Geheimdienste hinter Max seinen Fähigkeiten her sind, vereinfacht die Sache auch nicht gerade! Also! Tauche ein in eine Traumwelt jenseits aller Vorstellungskraft und erlebe darin die unglaublichsten Abenteuer!

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EPUB

Seitenzahl: 942

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Leben im Traum

Ein Fantasy - Abenteuerroman

© 2018 Volker Borbe

Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:    978-3-7469-6731-8

Hardcover:    978-3-7469-6732-5

e-Book:         978-3-7469-6733-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Vorwort:

Das Leben! Erzählt mir nichts über das Leben! Im Leben ist nun wirklich alles möglich! Wirklich alles? Oh nein! Es gibt Dinge im Leben, die sind aber auch gleich so was von unmöglich, das sie nur noch im Traum wahr werden können!

Empfohlen ab ca. 10 Jahren

Durch 200 ca. halbstündige Kapitel ist das Buch auch sehrgut zum Vorlesen oder als Bettlektüre geeignet.

1.

Gleich hatte er es geschafft! Der Anblick würde wie immer gigantisch sein! Max flog mit letzter Kraft über den Gipfel des Bergmassivs! So hoch wie heute war er noch nie zuvor gewesen! Einzelne Bäume konnte man sogar auf dem Berggipfel kaum noch erkennen! So hoch war er schon!

<Noch ein paar Meter höher! Das muss doch zu schaffen sein!> dachte sich Max. Er war schweißgebadet von der Anstrengung. Direkt vor ihm kam die scheinbar bodenlos steil abfallende Felswand in Sicht. Genau dort wollte er heute hin! Todesmutig ließ er sich über die Kante hinaustreiben! Er musste schlucken, als er es wagte direkt nach unten zu sehen. Sein ganzer Körper kribbelte vor Aufregung! Alles in ihm schrie danach wieder zurück zum sicheren Berggipfel zu fliegen! Dorthin, wo der Boden nicht so unendlich weit von einem entfernt ist wie es hier gerade der Fall war!

Doch Max ließ sich weitertreiben. Weiter als jemals zuvor entfernte er sich dabei vom Gipfel des Berges! Mutig drehte er sich einmal im Kreis um sich alles ganz genau anzusehen. Er war begeistert. „Das ist es! Das Gefühl völliger Freiheit! Hier, hoch oben in der Luft!“ jubelte er. Er genoss das Gefühl in vollen Zügen. Stolz bemerkte er, dass er das Kribbeln in seinem Körper voll im Griff hatte. Tapfer blickte er wieder in die Tiefe. <Andere würden sich jetzt bestimmt in die Hosen machen vor Angst! Aber ich nicht!> Grinsend wischte er sich die Schweißperlen vom anstrengenden Herflug von der Stirn.

Eigentlich hätte er sich für den Weg hierher ja gar nicht anstrengen müssen! Aber im Laufe der Zeit hatte er festgestellt, dass dieses Erlebnis so noch viel schöner war. Und nur darauf kam es ihm schließlich an!

„Maximilian mein Schatz! Es ist Zeit zum Aufstehen!“

Seine Mutter zog die Vorhänge in seinem Zimmer auf, öffnete das Fenster und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. Max war sofort wach und richtete sich bockig auf.

„Ach Mama! Du weißt es doch inzwischen! Ich heiße doch Max! Und nicht Maximilian!“ Schmollend sah er sie mit seinen zerzausten Haaren an, die ihm kreuz und quer nach allen Seiten abstanden. Der nächtliche Flug im Traum war scheinbar wirklich sehr anstrengend gewesen.

„Max hört sich doch auch viel erwachsener an!“ belehrte er sie völlig überzeugt. „Und ich bin doch schon 10!“ Über beide Backen grinsend sah er sie an.

„Du wirst 10!“ korrigierte sie ihn. „Und zwar in genau zwei Tagen.“ Lächelnd fuhr sie im durch die zerzausten Haare und versuchte sie in eine erwachsenengerechte Form zu bringen. Mit ihren klaren blauen Augen, die er ganz offensichtlich von ihr geerbt hatte, sah sie ihn liebevoll an. „Und aus Erfahrung weiß ich nun mal, das ich dich viel schneller aus den Federn kriege, wenn ich dich Maximilian nenne.“ schmunzelte sie.

„Wenn es nach dir ginge, würdest du wahrscheinlich auch den ganzen Tag lang schlafen.“ Grinsend gab Max ihr Recht. „Irgendwann muss man doch auch mal munter sein und etwas Schönes erleben!“ ermahnte sie ihn. Lächelnd gab sie ihm noch einen Kuss auf die Stirn und ging wieder in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten.

Wenn du wüsstest, was ich für schöne Erlebnisse habe, wenn ich schlafe.“ sagte Max leise zu sich selber und grinste breit. Schon mit 8 Jahren hatte er nämlich festgestellt, dass er in der Lage war, seine Träume selber zu gestalten! Zuerst war es nur ein „Nein.“ gewesen, wenn der Traum nicht seinen Vorstellungen entsprach. Doch im Laufe der Zeit hatte er es gelernt, sich dort völlig frei zu bewegen!

Das war natürlich eine Freiheit, die es im wirklichen Leben gar nie geben konnte! Aus diesem Grund ging er abends immer gerne freiwillig ins Bett .Worüber sich seine Mutter natürlich sehr freute. Und morgens wollte er natürlich immer gerne länger schlafen. Womit seine Mutter so ihre Probleme hatte. „Na schön! Dann stehe ich halt auf.“ murmelte Max ergeben und schlürfte gemächlich rüber ins Bad. Eigentlich hatte er ja noch vorgehabt, sich mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit in die Tiefe zu stürzen! Und dann in einer jubelnden Menschenmenge wie Supermann zu landen und sich feiern zu lassen! Er grinste. Diesmal musste der Gedanke an den Blick in die Tiefe genügen. Ergeben zuckte er mit den Schultern. Er konnte den Traum ja jederzeit wieder träumen.

Als er schließlich gewaschen und angezogen in der Küche ankam, war seine Mutter schon zur Arbeit unterwegs. Er bekam ein schlechtes Gewissen. Normal konnte er sich wenigstens noch von ihr verabschieden. Aber er hatte wohl doch zu lange rumgetrödelt.

Der Tisch war wie immer liebevoll gedeckt. Hungrig nahm er sich ein Brot, legte eine Scheibe Wurst drauf und biss herzhaft hinein. Erst jetzt bemerkte er den Zettel, der aufrecht an der Milchflasche lehnte.

Hallo Sohnemann! Der Kühlschrank ist leer.

Ich gehe nach der Arbeit gleich einkaufen.

Du bist zum Mittagessen bei Oma und Opa angemeldet.

Ich hole dich dort vor dem Abendessen ab.

Gruß Mutti.

„Aha! Deswegen habe ich hier noch keine Geburtstagsgeschenke gefunden! Sie ist spät dran dieses Jahr!“ Er grinste verstehend, während er sich noch ein Glas Milch einschenkte. Seine Mutter wusste schließlich genau, dass er wenige Tage vor seinem Geburtstag immer jeden Winkel der Wohnung nach Geschenken durchsuchte! Aus diesem Grund hatte sie wohl diesmal den Einkauf erst so spät eingeplant. Max war wegen ihrer Arbeit einfach zu lange alleine zu Hause. Da war es doch klar, dass er solche Gelegenheiten ausnutzte! Aber er war ja auch selber schuld, wenn sie es ihm diesmal nicht so leicht machte. Erst letztes Jahr hatte er sich nämlich verraten, weil er sich schon vor dem Auspacken der Geschenke für den jeweiligen Inhalt bedankt hatte! Dieser Fehler würde ihm diesmal nicht mehr passieren! Wenn er dieses Jahr überhaupt die Chance bekam den Inhalt seiner Geschenke vorher zu erfahren! Rasch schlang er sein Frühstück hinunter und räumte, nach kurzem Überlegen, sogar den Tisch wieder auf! <Man muss sich immer von seiner besten Seite zeigen, wenn man Geschenke bekommen möchte!> dachte er vorausschauend.

Er erschrak, als er auf die Küchenuhr blickte. Nun musste er sich aber beeilen, um noch rechtzeitig zur Schule zu kommen! Schnell schnappte er sich seinen Schulranzen und rannte raus zu seinem Fahrrad.

Mit einem lauten Knall fiel die Haustüre hinter ihm ins Schloss.

2.

Max legte eine schöne lange Bremsspur vor dem Fahrradständer seiner Schule hin. Der graue Betonklotz war schon aus weiter Entfernung als Lernfabrik erkennbar. Die Schule stand abseits, mitten auf einer grünen Wiese. Eine Reihe von Hecken und Sträuchern lockerte das Ganze ein wenig auf.

„Hi Max!“ begrüßte ihn ein schlanker, sommersprossiger Junge in seinem Alter. Er hatte schon, auf einem der vielen Fahrradhalter sitzend, auf ihn gewartet.

„Hi Fred!“ grüßte Max noch schwer atmend von der schnellen Herfahrt zurück. Neugierig blickte er sich um. Normalerweise warteten sie doch zu zweit auf ihn. „Tamara schon gesehen heute?“ fragte er verwundert, während er sein Rad am Fahrradständer abschloss.

Er, Fred und Tamara waren nämlich die besten Freunde. Und dann waren sie auch noch in der gleichen Klasse! Das brachte natürlich einige Vorteile mit sich, was zum Beispiel das Abschreiben bei Klassenarbeiten betraf. Doch die Lehrer bekamen das schnell mit und hatten die drei möglichst weit auseinander gesetzt. Nun mussten sie sich mit heimlicher Zeichensprache behelfen, was natürlich lang nicht so große Erfolge mit sich brachte.

„Tamara ist schon oben und schreibt noch ihren Aufsatz fertig.“ Mühsam stand Fred von seinem unbequemen Sitz auf und streckte sich erstmal ausgiebig. „Aufsatz?“ Max wurde hellhörig. „Was für einen Aufsatz den?“ fragte er bestürzt. Er wusste genau, dass in seinem Ranzen kein ausgearbeiteter Aufsatz war! Da brauchte er sich gar nicht erst die Mühe zu machen und nachzusehen!

„Na ja..“ Fred hatte irgendwie gar keine Lust es ihm zu erklären. „Du weißt doch, dass war der mit dem Thema: Was mein Vater arbeitet.“ Fred winkte lässig ab. „Keine Sorge, Max. Dir hat man diese Hausaufgabe doch erlassen!“ Neugierig schielte er zu seinem Freund. Man wusste schließlich nie wie Max reagierte, wenn das Gespräch seinen Vater betraf! Max kannte seinen Vater nämlich gar nicht. Er war leider schon vor seiner Geburt gestorben. Ertrunken. Bei einem Bootsausflug der Bankangestellten. Deswegen gibt es auch kein Grab. Das hatte ihm seine Mutter so erklärt.

Max wollte lieber glauben, dass sein Papa ein gefeierter Kampfpilot gewesen war! Der mit wichtigen Unterlagen an Bord mit Mach 2 übers Meer gedüst und dabei leider abgeschossen worden war! Er bekam immer leuchtende Augen, wenn er das jemandem so erzählen konnte!

„Und ein Grab gibt es nicht, weil er nie gefunden wurde! Offiziell gilt er als vermisst!“ sagte er dann immer und schaute dabei völlig überzeugt. Dies war das Einzigste, was davon stimmte! Man hatte seinen Vater wirklich nie gefunden! Aber nach einigen Jahren, hatte man schließlich die Hoffnung aufgegeben, und ihn offiziell für tot erklärt. Die Lehrer wussten natürlich Bescheid. Deswegen hatten sie ihm auch diese Hausaufgabe erlassen. So musste er sich nun verdrossen eine Stunde lang die Berufe anderer Väter anhören. Aber ein Kampfpilot war sonst keiner darunter!

Zum Glück ging dieser grässliche Vormittag schnell vorüber. Auch das sie, nach fast jeder Stunde, die Zimmer wechseln mussten, war äußerst lästig! Dann mussten sie nämlich in dem breiten Treppenhaus häufig sogar mehrere Stockwerke hoch oder runtergehen, weil in der nächsten Stunde irgendwas benötigt wurde, was im anderen Raum eben nicht vorhanden war.

Auch hier hatte Max schon häufiger geträumt, dass er sich in den freien Bereich in der Mitte vom Treppenhaus hingestellt hatte und an seinen staunenden Mitschülern vorbei, einfach nach oben geflogen war! Er grinste verschmitzt, als er nun daran dachte. Doch jetzt musste er, wie alle anderen auch, mit seinem schweren Ranzen mühsam Stufe um Stufe nach oben gehen. Diese Träume in der Nacht wollte er wirklich nicht mehr missen! Vor allem seit er sie selber gestalten konnte!

DING DONG! Das laute, scheppernde Läuten der Schulglocke beendete für heute den Unterricht. Alle beeilten sich ihre Schulbücher in ihre Taschen zu stopfen, um möglichst schnell diesen ungeliebten Ort wieder zu verlassen. „Tamara, Fred ! Ihr kommt doch zu meinem Geburtstag, oder?“ Hoffnungsvoll sah Max seine Freunde an. „Klar kommen wir!“ Fred rieb sich beim Gedanken an das Essen schon mal den Bauch. Auch Tamara nickte sofort. Mit einer schnellen Handbewegung strich sie sich ihre langen blonden Haare aus dem Gesicht. „Weißt du denn schon wieder was du bekommst?“ fragte sie schelmisch grinsend. Auch letztes Jahr waren sie beide ja dabei gewesen, und hatten seine „hellseherischen Fähigkeiten“ mitbekommen! „Nein.“ Max schüttelte bedauernd den Kopf. „Meine Mutti geht erst heute einkaufen. Ich glaube, das macht sie diesmal mit Absicht!“ Lässig winkte er ab. „Aber ich habe ja noch zwei Tage Zeit!“ „Diesmal schaffst du es nicht deine Geschenke zu erraten, wetten? “ Fred sah ihn mit leuchtenden Augen an. „Ok!“ Max ging sofort darauf ein. Das gilt! Um ein Päckchen Kaugummi! Wie immer!“ Fred nickte grinsend und gab ihm zur Besiegelung der Wette die Hand. „Morgen gebe ich dir Bescheid!“ behauptete Max lässig. Er war sich seiner Sache sehr sicher. <Wenn meine Mum heute einkaufen geht, brauche ich ja nur aufzupassen, wo sie alles hinlegt!> dachte er zufrieden. Breit grinste er Fred an. Diese Kaugummis hatte Fred, seiner Meinung nach, schon so gut wie verloren! „Ach! Ihr immer mit euren Wetten!“ Tamara rollte verärgert mit den Augen und verließ schon mal genervt das Klassenzimmer. Max und Fred grinsten sich nur an. Die Wette galt!

3.

Die Großeltern vom Max wohnten zum Glück auch nicht weit von der Schule entfernt in einem schönen freistehenden Haus mit Garten. Mit dem Fahrrad brauchte er nur 10 Minuten bis dorthin. <Wenn ich fliege, bin ich bestimmt viel schneller dort!> dachte sich Max. Die Strecke musste er sich in der nächsten Zeit unbedingt mal aus der Luft ansehen! <Ob ich im Traum wohl auch Zeiten stoppen kann?> fragte er sich. Schwer atmend radelte er die Strecke in Rekordzeit. Es war ein Glück, dass sie alle so nah beieinander wohnten. Nur so konnte seine Mutter schließlich arbeiten gehen und Geld verdienen. Oma und Opa waren ja bereits im Ruhestand. Seine Oma hatte früher in einer großen Küche gearbeitet. Deswegen schmeckten bei ihr auch die großen Portionen so gut. Da konnte man auch unangemeldet vorbeikommen. Es war immer genügend zu essen da.

Sein Opa war früher als Professor an einer großen Schule gewesen und hatte dort irgendwas Geistliches unterrichtet. Genaueres wusste Max aber nicht. Es war ihm aber auch völlig egal. Mit geistlichen Dingen beschäftigen sich ja eh nur die Alten. Auch sein Opa war schon lange im Ruhestand. Max kannte es gar nicht anders.

Den großen Garten, der rund ums Haus gelegen und mit einer dichten Hecke eingerahmt war, brauchten sie vor allem für Omas Hobby. Sie züchtete nämlich Brieftauben! Und sie nahm mit ihnen sogar an Wettkämpfen teil! Oftmals saßen sie stundenlang im Garten und schauten in den Himmel, ob ihre Taube auch wirklich wieder heimfindet. Das ist nämlich gar nicht so sicher! Anhand der Ankunftszeit und der Entfernung konnte man dann die Geschwindigkeit ausrechnen mit der die Taube geflogen sein musste. Und der Besitzer der schnellsten Taube bekam dann meistens einen Pokal. Oma hatte auch schon einen! Auf den war sie natürlich ganz stolz!

Wie immer legte Max eine schöne lange Bremsspur hin, als er bei Oma und Opa ankam. „Elfriede! Dein Lieblingsenkel ist soeben eingetroffen!“ rief eine fröhliche Stimme in Richtung Haus. Max grinste ihn an. Diese Stimme gehörte seinem Opa Oswald. Der nutzte gerade die Gelegenheit, vor dem Mittagessen im Vorgarten noch schnell nach dem Rechten zu sehen. Mit der großen Heckenschere schnippelte er abstehende Äste von der Hecke ab. Der große Berg an Schnittgut zu seinen Füssen verriet, dass er am Vormittag ziemlich fleißig gewesen sein musste. „Ach! Das ist gut!“ freute sich Elfriede. Sehen konnte man sie gerade nicht, aber das Küchenfenster stand offen, um den Dampf von den Kochtöpfen besser abziehen zu lassen. „Kommt dann bitte gleich rein! Das Essen ist bald fertig!“

„Hallo Opa! Habe ich noch kurz Zeit um nach meiner Taube zu sehen?“ Noch völlig außer Atem sah er seinen Opa bittend an. Seine Oma hatte ihm nämlich letztes Jahr zu seinem Geburtstag ein besonders kleines Frühstücksei in den Eierbecher getan. Aber bevor er es aufklopfen konnte, hatte sie ihm erklärt, dass es sich dabei um ein Taubenei handelte! Und sie hatte es ihm dann zum Geburtstag geschenkt! Aus diesem Ei war dann später eine wunderschöne weiße Taube geschlüpft! Für die war natürlich nur er zuständig! Das war im letzten Jahr das einzigste Geburtstagsgeschenk gewesen, welches er nicht schon vorher gekannt hatte! Und seine Oma hatte lange Zeit jede Gelegenheit genutzt um ihn schmunzelnd daran zu erinnern.

„Natürlich darfst du Sir Henry noch schnell Hallo sagen.“ erlaubte Oswald leise, damit es seine Frau nicht hören konnte. Vorsichtig holte er mit seinen dreckigen Händen ein Taschentuch aus der Arbeitshose und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn. Nachdenklich sah er um sich auf den Boden. Auch er würde wohl noch einige Zeit brauchen, um die ganzen abgeschnittenen Äste wegzuräumen. Und das wollte er eigentlich auch noch gerne vor dem Mittagessen schaffen. „Aber dann schnell Hände waschen und ab zu Tisch!“ Er klatschte mehrmals in die Hände um seinen Enkel zur Eile anzutreiben. Das ließ sich Max nicht zweimal sagen! Mit einem Satz war er bei der Gartentür und rannte ums Haus herum zum Taubenschlag. Knarzend öffnete sich die alte, von Wind und Wetter arg mitgenommene Holztüre, nachdem Max vorsichtig den einfachen Metallriegel geöffnet hatte. Seine Taube erkannte man schon von weitem. Es war schließlich die einzigste weiße Taube im ganzen Schlag! Er hatte sie Sir Henry getauft, weil sie mit ihrem weißen Gefieder so edel aussah. Gar nicht wie eine gewöhnliche Taube.

Der Taubenschlag an sich war ein größerer Holzschuppen, in dem sich zur Zeit 15 Brieftauben befanden! Vom Platz her könnten aber gut 30 Tauben untergebracht werden! Aber das war Oma dann doch zu viel Arbeit. Die meisten davon gehörten ihr auch gar nicht. Sie versorgte sie nur, während ihre Besitzer im Urlaub waren. Max nahm sich eine Handvoll Körner aus dem großen abgedeckten Eimer, der am Boden stand und hielt sie in die Höhe. „Sir Henry! Na komm!“ rief er gespannt. Aber Sir Henry kam nicht. Er saß auf seiner Holzstange und machte keinerlei Anstalten seinem Wunsch nachzukommen.

Eigentlich war er noch nie von selber angeflogen gekommen. Aber Max war sich sicher, früher oder später würde er es lernen. Er musste nur geduldig mit ihm üben. Jetzt fehlte ihm dafür aber die Zeit. Daher ging er einfach zu ihm hin und ließ ihn die Körner von der Hand picken. Das machte er auch erst seit Kurzem, und Max freute sich, ihm wenigstens schon etwas beigebracht zu haben. Oma war ja dagegen Sir Henry handzahm zu machen. „Eine Brieftaube ist doch kein Haustier!“ sagte sie immer entrüstet wenn sie ihn dabei erwischte. Doch Max versuchte es trotzdem immer wieder. Schließlich war sein Sir Henry ja keine gewöhnliche Brieftaube!

„Maaax! Das Essen ist fertig!“ Omas Stimme von der Terrassentür aus klang ziemlich energisch und duldete keinen Widerspruch. „Komme schon, Oma!“ Schnell ließ er die restlichen Körner auf den Boden fallen, wo sich sofort alle Tauben gleichzeitig darauf stürzten. Und Max sauste los. Erst jetzt bemerkte er, was er selber für einen Kohldampf hatte!

4.

Fred und Tamara wohnten nicht weit voneinander entfernt und gingen meistens zusammen von der Schule nach Hause. So auch heute, nachdem sie sich von Max verabschiedet hatten. Der war ja mit seinem Fahrrad weiter zu seinen Großeltern gefahren. „Sag mal Tamara.“ Fragend sah Fred sie an als sie bei ihr vor der Wohnungstür angekommen waren. „Was schenken wir denn dem Max zum Geburtstag? Hast du vielleicht eine Idee?“ Er lächelte verlegen. Ihm war jedenfalls noch nichts eingefallen. Und der Geburtstag kam doch immer näher! „Also, wenn ich an eure Wettleidenschaft denke, kommt eigentlich nur eines in Frage!“ antwortete sie grinsend. „Ja? Was denn?“ Neugierig sah Fred sie an. „Na! Ein Kaugummiautomat, natürlich!“ Herzhaft lachend rannte sie ins Haus.

5.

Es gab ein lautes Geräusch als Max den eisernen Haken, der an einer zwei Meter langen Holzstange befestigt war, in den Metallring an der Decke einführte. Dann zog er mit aller Kraft daran und mit einem lauten Quietschen öffnete sich die Speicherluke. Nun brauchte er nur noch lässig die Verriegelung der zweigeteilten Holzleiter zu lösen. Diese war an der Innenseite der Luke zum Vorschein gekommen. Und schon kam, mit einem lauten Knattern, der untere Teil der Leiter bis zum Boden runtergefahren. „Ich bin noch ein wenig auf dem Speicher!“ rief Max laut nach unten zu seinen Großeltern. „Wir haben es gehört!“ kam fröhlich die Stimme seiner Oma zurück. „Wenn du was Wertvolles findest, machen wir Halbe – Halbe!“ versprach Opa und lachte. Max mochte diesen Speicher! Nach dem Essen hatte er beim Abräumen geholfen, und hatte sogar freiwillig den Taubenschlag ausgefegt! Auch seine Hausaufgaben hatte er, ohne zu murren, erledigt. Oma und Opa genügte ein kurzer Blick um sich darüber zu verständigen, dass hier wohl jemand seine Geschenke nicht aufs Spiel setzen wollte! Dieser Speicher nun, war für Max schon immer etwas ganz Besonderes gewesen! Zuerst mal war es gar nicht so einfach da hin zu gelangen! Seine Großeltern hatten ihm nie geholfen dort hinzukommen. Er hatte sich den Weg selber erarbeiten müssen. Sie hatten immer gesagt, „Wenn du da wirklich hinauf willst, musst du es selber schaffen! Da oben ist es finster und staubig! Da wollen wir nicht hin!“ Und so hatte er schon mit 8 damit angefangen mit der langen und schweren Holzstange nach dem Eisenring an der Decke zu haschen! Wie hatte er sich gefreut, als es ihm dann nach vielen Versuchen endlich gelang den Haken an der Decke einzuhängen! Nun aber da drunter zu stehen und mit beiden Händen daran zu ziehen, erforderte doch einiges an Mut! Max brauchte dazu einige Besuche bei seinen Großeltern. Stückchenweise hatte er es immer wieder versucht, bis er es sich endlich traute die Luke ganz aufzuziehen! Zur Belohnung, dass er es endlich geschafft hatte, zeigte ihm Opa dann noch, wie die Leiter entriegelt wurde. Seit dieser Zeit gehörte der Besuch des Speichers immer zum festen Ritual jedes Großelternbesuches!

Der Speicher war, wie ihn seine Großeltern beschrieben hatten. Finster und staubig! Aber in Max seinen Augen auch düster und geheimnisvoll! Es gab nur ein kleines, mit Spinnweben umrahmtes Kippfenster, durch das man auf die Straße runterschauen konnte. Wenn man zum Beispiel auf der im Eck liegenden staubigen Matratze rumgehüpft war, konnte man am Fenster frische Luft schnappen bis sich der Staub wieder gelegt hatte! Durch die unverkleideten Dachziegel pfiff so stark der Wind, dass man nie das Gefühl hatte alleine zu sein. Aber das Wichtigste, waren die Unmengen an Sachen, die hier oben wahrscheinlich schon seit Urzeiten lagerten! Häufig fand Max zum Beispiel alte Schwarz-weiß Bilder. Die zeigte er ihnen dann immer begeistert und erntete jedes Mal überraschte Rufe wie. „Oh! Oswald! So jung warst du mal!“ oder „ Ach ja! Da waren wir ja auch mal in Urlaub!“ Speicherbesuche waren interessant und spannend!

Auch heute hoffte Max wieder etwas Besonderes zu entdecken. Auf dem Speicher stand nämlich auch ein uralter Holzschrank! Den hatte er schon vor einiger Zeit aufbekommen. Inzwischen war der Geruch nach verstaubten Kleidern und Mottenkugeln nicht mehr ganz so stark. Max öffnete ihn schließlich regelmäßig. Er hatte natürlich kein Interesse an den Kleidern oder den am Boden gestapelten alten Strickzeitschriften. Oh nein! Ihn interessierte einzig und alleine das Fach im Schrank! Das, welches eine Klappe dran hatte! Dass es sich dabei überhaupt um eine Klappe handelte, hatte er auch erst neulich festgestellt. Bisher hatte er es nämlich für eine altmodische Verzierung gehalten.

Dann war ihm aber an der Unterseite ein Metallstreifen aufgefallen, der wie ein bewegliches Scharnier aussah. Das musste einfach eine Klappe sein! Er hatte nun schon häufiger daran gerüttelt, aber sie ließ sich nicht so einfach öffnen. Es war klar, dass Max nun auch dieses Geheimnis lüften wollte! Diesmal wollte er es sich ganz genau ansehen und sich viel Zeit dafür nehmen.

Also! Unten kann man das Scharnier sehen.“ Nachdenklich fuhr er mit dem Finger drüber und nickte bestätigend. „Die Klappe muss also oben aufgehen!“ Neugierig sah er sich die Klappe nun genauer an. Da war zwar eine Verzierung dran, die man als Griff benutzen konnte, aber sie ging trotzdem nicht auf. Wild rüttelte er daran. „Also, ein wenig Spiel hat sie!“ stellte er zufrieden fest. „Festgeschraubt ist sie auf jeden Fall nicht!“ Noch mal sah er sich alles ganz genau an. Ein Schlüsselloch war aber nirgends zu entdecken. „Also abgeschlossen ist sie auch nicht.“ war er sich sicher. Nachdenklich kratzte er sich am Kopf. Vorsichtig ging er an der Seite mit einem Schraubenzieher dran, den er oben gefunden hatte. „Vielleicht ist sie ja nur verklemmt!“ murmelte er hoffnungsvoll. Aber er merkte schnell, die Tür war nicht verklemmt!

„Irgendeine Verriegelung ist da eingebaut!“ Max ärgerte sich gewaltig. „Das ist auf jeden Fall eine Geheimtür!“ rief er völlig überzeugt. „Ich muss jetzt nur noch rauskriegen wie sie funktioniert!“ Ärgerlich versuchte er an der Verzierung zu drehen! Aber nichts ging. Sie war fest mit der Platte verschraubt. „Was muss da bloß Wichtiges drin sein? Wenn es so gut geschützt wird?“ fragte er sich. Ungeduldig zappelte er herum. Er war es schließlich nicht gewohnt sich mit Geheimtüren zu beschäftigen! Und hier bei seinen Großeltern auf eine zu stoßen, hatte er nun wirklich nicht erwartet!

Einfach seinen Opa zu fragen kam natürlich nicht in Frage. Schließlich war er ja selber schon fast 10 Jahre alt! Das musste er auf jeden Fall alleine lösen! Und vielleicht hatte Opa dieses Versteck ja auch extra genutzt um etwas vor ihm zu verstecken! Max grinste. Da wäre er ja schön blöd, ihn auch noch um Hilfe zu bitten! Max überlegte, wie groß das verborgene Fach wohl sein konnte. Er nickte zufrieden. Auf jeden Fall dürfte es groß genug sein für ein anständiges Geburtstagsgeschenk!

Sein Herz klopfte stark, als er sich nach dieser Erkenntnis wieder verstärkt mit dem Problem beschäftigte. „Irgendeine Verriegelung ist da drin.“ bestätigte er sich selber nochmal. Doch über der Klappe war nur das nächste Holzfach mit einer Zierleiste vorne dran. Mutlos griff er nach der Zierleiste. Auf einmal merkte er, dass sich diese seitlich verschieben ließ! Überrascht schaute er genauer hin und verschob die Leiste seitlich soweit es ging. Und die Klappe ließ sich öffnen! Puterrot vor Anspannung und Freude öffnete er sie langsam. Er hatte es tatsächlich geschafft!

6.

Seit einer Stunde war seine Mutter jetzt schon wegen seinem Geburtstagsgeschenk unterwegs.

Sie hatte sich dieses Jahr etwas ganz Besonderes ausgedacht. Und zwar eine Transportbox für seinen Sir Henry! Der hatte nämlich demnächst seine ersten Ausflüge vor sich. Aber natürlich sollte es für einen so besonderen Vogel auch eine besondere Box sein. Also hatte sie sich in einer Schreinerei eine aus Holz anfertigen lassen. Weiß lackiert und mit vielen Bohrungen darin, damit auch ja genügend Luft reinkam. Nun war sie noch in einem kleinen Laden, den sie zufällig in der Fußgängerzone entdeckt hatte. - Wilhelm Kramer - stand in großen Einzelbuchstaben über der Tür. Und auf dem Firmenschild über dem Schaufenster war zu lesen. - Drucke, Gravuren, Schlüssel und Dienstleistungen aller Art -. Es war wirklich nur ein kleiner Laden. Der einzige Raum war vollgestellt mit allen möglichen kleinen Maschinen, die der noch junge Herr Kramer für seine Arbeiten benötigte. Alle Wände standen voll mit Schränken. Hunderte von Schubladen enthielten all die Dinge, die man vielleicht noch mal gebrauchen konnte. Doch, Herr Kramer war auf alles gut vorbereitet. Hier wollte sie jetzt noch ein schönes Namensschild für die Box anfertigen lassen.

„Sir Henry?“ fragte Herr Kramer und sah sie erstaunt an. Schnell wischte er seine schmutzigen Finger an einem ebenfalls nicht gerade sauberen Lappen ab und steckte ihn in die Außentasche seiner grauen Arbeitsjacke. Nun nahm er einen weißen Zettel und einen Stift und setzte zum Schreiben an.

„Der Name des Vogels ist wirklich Sir Henry?“ vergewisserte er sich nochmal. Sie nickte ungeduldig. „Es ist eine Brieftaube. Eine weiße Brieftaube.“, ergänzte sie. „Und der Name ist Sir Henry, ja.“ Herr Kramer nickte ergeben, während er den Namen auf das Blatt schrieb. Der Kunde ist schließlich König. „Also gut. Morgen Abend ist es fertig.“ versprach er, nachdem er kurz in seinen Terminkalender gesehen hatte. Fragend sah er sie an, ob sie damit einverstanden war. Verlegen lächelte sie ihn an. „Können sie es vielleicht, als Geschenk eingepackt, bei uns vorbeibringen?“ fragte sie zaghaft. „Ich zahle es ihnen auch!“ sagte sie schnell, als sie sah wie er bereits das Gesicht verzog. „Mein Sohn ist nämlich Experte im Auffinden von versteckten Geschenken!“ Entschuldigend lächelte sie ihn an. Herr Kramer dachte an sein Firmenschild, auf dem er auch Dienstleistungen aller Art versprach und nickte wieder ergeben. „Also gut! Geht in Ordnung. Geben Sie mir dann noch Name und Adresse. Und bitte im Voraus bezahlen!“ Nun lächelte er sie entschuldigend an. „Aber natürlich!“ Befreit atmete sie auf. „Ich heiße Renate. Renate Buttermilch. Alleengasse 9.“ Bedächtig schrieb er nun auch Name und Adresse auf. „Also, ich trinke am liebsten Vollmilch!“ sagte Herr Kramer als er kassierte und lächelte sie an. Renate Buttermilch lächelte höflich zurück. Sie sagte aber nichts dazu. Witze über ihren Namen war sie schließlich gewohnt.

7.

Vorsichtig öffnete Max die Klappe! Sie blieb waagerecht liegen und konnte sogar auch als Ablage genutzt werden. Sein Herz klopfte ziemlich stark! So spannend war es hier schon lange nicht mehr gewesen! Im Fach lag wirklich etwas drin! Tief atmete er durch um seinen Pulsschlag wieder etwas zu beruhigen. Ganz vorsichtig griff er hinein und holte eine alte, aber wertvoll aussehende Ledermappe heraus! Neugierig betrachtete er sie von allen Seiten. Also wie ein Geburtstagsgeschenk sah es eigentlich nicht aus. Sein Opa wusste schließlich genau, dass er mit so einer alten Mappe nicht in der Schule auftauchen konnte! Trotzdem wollte er natürlich unbedingt wissen, was sie enthielt! An der offenen Seite war sie auch noch mit dicken braunen Lederbändern zugeschnürt. Innen konnte man viele gelbliche Blätter erkennen. „Die ist ja wirklich uralt! Die hat ja noch nicht mal einen Reißverschluss!“ Kopfschüttelnd öffnete er behutsam die Riemen und holte vorsichtig ein Blatt heraus. Es waren schwere und dicke Blätter! So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen! Die Schrift war mit verschnörkelten Buchstaben sehr aufwendig gestaltet. Max fuhr mit den Fingern über die Buchstaben. Überrascht sah er es sich genauer an. Es sah auch nicht nach einem Druck aus! Eher wie von Hand gemalt! Er schaffte es trotz der altertümlichen Schrift zumindest die Überschrift zu entziffern.

>> LEben Im Traum. Alle Fragen - Alle Antworten <<

Max bekam vor Überraschung große Augen! Die Wörter Leben im Traum hatten ihn gefesselt! Ihm wurde richtig heiß als er daran dachte! Das war doch genau das, was er jede Nacht tat! Darin kannte er sich doch aus! Ob er die Papiere Opa zeigen sollte? Ängstlich dachte er darüber nach. Vielleicht würde er sich darüber ärgern, dass er sein gutes Geheimfach geöffnet hatte! Schnell überflog er den Text. Aber diese alte Schrift alleine zu entziffern, würde er wohl nicht schaffen! „Opa wird sich bestimmt nicht ärgern!“ sprach sich Max selber Mut zu. „Opa ärgert sich nie!“ Und er nickte überzeugt. Vorsichtig packte er das Blatt wieder in die Mappe und beeilte sich damit nach unten ins Wohnzimmer zu kommen.

„Na? Hast du wieder was Interessantes gefunden?“ Sein Opa begrüßte ihn ohne von seiner Zeitung aufzublicken. Dass Max auf dem Weg nach unten war, hatte er schließlich schon durch die laut knarzende Speichertreppe gehört gehabt. „Oh ja!“ rief Max begeistert. Suchend blickte er sich um. „Wo ist denn Oma?“ Kurz sah Oswald ihn an. Doch er blickte schnell wieder zu seiner Zeitung, damit Max nicht zu viel über seine Antwort nachdachte. „Sie wollte sich irgendwo mit deiner Mutter treffen.“ erklärte er. „Zum Einkaufen. Und dann wollten sie gemeinsam zurückkommen.“

Umständlich blätterte er um, als ob das wesentlich wichtiger wäre, als so ein alltäglicher Einkauf. Doch Max ließ sich nicht so einfach täuschen. <Aha! Hier sind also auch noch keine Geschenke versteckt!> dachte er betrübt. Er sah seine Chancen schwinden, die Wette mit Fred zu gewinnen. „Du Opa!“ Max erinnerte sich, warum er eigentlich runtergekommen war. „Ich hab da was gefunden!“ Erwartungsvoll reichte er ihm die Mappe! Oswald wurde kreidebleich als er sie sah! Max bekam sofort ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Anscheinend war es seinem Opa gar nicht recht, dass er diese Mappe entdeckt hatte! „Herrje!“ rief Oswald fassungslos. „Die habe ich ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen!“ Begeistert sah er seinen Enkel an. Der atmete erstmal auf. Sein Opa schien sich nun wohl doch darüber zu freuen! „Ich hatte noch, bis kurz vor deiner Geburt, einige Jahre lang damit gearbeitet!“ Beinahe zärtlich strich er über das Leder. „Und dann habe ich sie wohl irgendwo verlegt! Ich konnte sie der Uni gar nicht mehr zurückgeben! Und ich habe sie damals wirklich wochenlang gesucht! Weil sie nämlich sehr wertvoll ist!“ Wieder fuhr er zärtlich über das Leder. Max bekam große Augen. Hatte er tatsächlich so einen wertvollen Fund gemacht?

„Da ist mir wohl damals ein sehr gutes Versteck entfallen, nicht wahr?“ fragte Oswald lächelnd. Max nickte nur und lächelte verlegen zurück. Verraten wollte er aber nichts! <So ein Geheimversteck, ist doch mehr etwas für einen 10 jährigen Enkel!> dachte er sich. Vielleicht konnte er es ja mal gebrauchen! „Du Opa?“ begann Max vorsichtig, während der weiter versonnen den Einband streichelte. „Was sind denn das für Papiere? Was steht denn da drin?“

Oswald blickte nur widerwillig vom Einband auf und winkte ab. „Ach! Das wird dich wohl nicht interessieren Max. Im Großen und Ganzen hat es wohl was mit dem Schlafen und dem Träumen zu tun! Also nichts, womit sich ein 10 jähriger gerne beschäftigt!“ Er lächelte seinen Enkel überzeugt an, und wollte die Tasche schon wieder vorsichtig beiseitelegen. Doch damit war Max ja gleich überhaupt nicht einverstanden! „Oh! Doch Opa!“ Er nickte überzeugend. „Das würde mich schon interessieren!“ Mit leuchtenden Augen sah er ihn an.

Haufenweise Gedanken schossen ihm mit einem Mal durch den Kopf! Uralte, wertvolle Unterlagen! Aus der Uni! Über das Thema Leben im Traum! SEINEM Thema!! Und.. , und Opa hatte als Professor damit gearbeitet! Jahrelang !! Also! Wenn da nichts Wichtiges für ihn drinstand! Das konnte er sich ja gar nicht vorstellen! Er musste ihn einfach überzeugen ihm mehr zu erzählen! „Du hast gesagt, wir machen Halbe – Halbe! Wenn ich etwas Wertvolles finde!“ sagte Max gewitzt. Das war ihm zum Glück gerade wieder eingefallen!

„Also!“ Bestimmend hob er den Zeigefinger. „Du behältst die Papiere!“ sagte er in Gönnerlaune. „Und kannst sie wieder zurückgeben. Und dafür sagst du mir was drinsteht!“ „Bitte!“ fügte er noch schnell hinzu und sah seinen Opa hoffnungsvoll an. Oswald war nun doch einigermaßen überrascht über das Interesse seines Enkels. So eine Begeisterung war er von ihm gar nicht gewohnt! Ja! Es war sogar sehr schwer ihn überhaupt für etwas zu begeistern! Einmal wollte er seinem Enkel ein ganz besonderes Erlebnis bereiten. Er lud ihn zu einem Rundflug mit einer Propellermaschine ein! Aber anstatt ihm vor Freude um den Hals zu fallen, wie es jedes andere Kind zweifellos getan hätte, hatte er dankend abgelehnt! Er wollte lieber nur ein Eis essen gehen! Und nun stand er auf einmal erwartungsfroh vor ihm und war kaum noch zu bremsen! Oswald wirkte nachdenklich.

Nun ja, er hatte genügend Lebenserfahrung, um zu wissen, dass es nur selten die Gelegenheit gab sich mit seinem 10 jährigen Enkel vernünftig zu unterhalten! Er musste lächeln, als er bemerkte, dass dies die erste Gelegenheit überhaupt war! Normalerweise war Max längst wieder unterwegs, wenn man mal zwei Sätze hintereinander aussprechen wollte! Und als ehemaliger Professor, der für seine fesselnden Vorträge bekannt gewesen war, reizte ihn diese Aufgabe auch schon immer mehr!

„Also gut Max! Du hast Recht!“ Oswald nickte überzeugt. „Wir machen Halbe – Halbe! Wie versprochen! Du hast mir diese wertvollen Unterlagen wieder beschafft. Dafür bin ich dir wirklich sehr dankbar!“ Tief sah er seinem Enkel in die Augen. „Und dafür bringe ich dir alles bei, was du davon wissen möchtest, ok?“ Max konnte nur nicken. Und als ihm Oswald die Hand hinhielt und er sie ergriff war ihm richtig feierlich zumute! So kannte er seinen Opa gar nicht! Er hatte sich irgendwie verwandelt! Und irgendwie hatte er das Gefühl, dass sich hier nicht Opa und Enkel die Hand gaben, sondern Professor und Student!

„Also Max! Dann setz dich schon mal hin .Ich bin gleich wieder da!“ Oswald stand auf um seine gerade gelesene Zeitung wegzuräumen und kam kurz darauf mit zwei Paar weißen Stoffhandschuhen wieder, welche sie anzogen. Max hielt es für besser seinem Opa nicht zu berichten, dass er die Blätter vorhin ohne Handschuhe angefasst hatte! Vorsichtig holte sein Opa das oberste Blatt aus dem Lederordner. Das Blatt was sich Max auch schon angesehen hatte! <Hoffentlich hatte ich saubere Finger!> dachte Max. Ihm wurde richtig heiß! <Wenn da jetzt ein dicker fetter Fingerabdruck von mir drauf ist, erfahre ich bestimmt nichts mehr von ihm!> war er sich sicher. Zum Glück konnte er nichts auf dem Blatt entdecken. „Hier!“ rief Oswald laut. Max erschrak! War da etwa doch ein Fingerabdruck? „Nimm es mal vorsichtig in die Hand.“ Max atmete auf und gehorchte. Wieder kam ihm das Blatt unnatürlich dick und schwer vor. „Dieses Blatt besteht nicht aus Papier. Wie du vielleicht denkst.“ begann Opa. „Sondern es ist eine behandelte Tierhaut!“ Max bekam große Augen. <Tierhaut? Warum den kein Papier?> wollte er gerade fragen, da kam auch schon die Antwort.

„Zu der Zeit, wo diese Seiten beschrieben wurden, gab es nämlich noch gar kein Papier! Es war noch nicht erfunden!“ Oswald lächelte, während Max ihn mit großen Augen ansah. „Man nennt dieses Material übrigens Pergament. Dieses Wort hast du sicherlich schon mal gehört, oder?“ Max nickte überzeugend. Doch, dass es Pergamentpapier gab, hatte er schon mal gehört. Nur dass es sich dabei um behandelte Tierhäute handelte, hatte er noch nicht gewusst.

„Fahr mal mit dem Finger drüber! Du dürftest, durch die Handschuhe hindurch, Erhöhungen spüren!“ Max tat es und nickte. Die waren ihm vorhin ja auch schon aufgefallen. „Die damaligen Farben waren noch nicht so fein wie heute.“ erklärte Opa. „Desto größer ist die Leistung der Mönche zu bewerten, die diese Seiten von Hand gemalt haben! Einen Buchdruck gab es früher natürlich auch noch nicht.“ Max nickte. Das konnte er sich gut vorstellen.

„Alle Bücher, und auch Manuskripte wie dieses hier..“ Oswald deutete auf die Seiten „ .mussten in langjähriger Handarbeit einzeln hergestellt werden! Und immer wenn etwas zu zerfallen drohte und damit unwiederbringliches Wissen in Gefahr war verloren zu gehen, musste entschieden werden, ob es gerettet, also neu geschrieben werden sollte, oder nicht.“ Oswald sah seinen aufmerksam zuhörenden Enkel fragend an. „Kannst du noch folgen?“ Max nickte eifrig. <Mann! Ist das spannend!> dachte er und hörte weiter begierig zu. „Daher konnten nur die wichtigsten Informationen über die Jahrhunderte gerettet werden! Und die wichtigsten Informationen betrafen meistens den menschlichen Glauben!“ „ Also ist das hier so etwas wie eine Bibel?“ fragte Max enttäuscht.

Insgeheim hatte er Angst, sein Opa könnte sein Interesse missverstehen, und ihn sonntags wieder mal in so eine langweilige Kirche mitschleifen. Dazu hatte er nun wirklich keine Lust! <Lieber länger schlafen> dachte sich Max und grinste schon wieder.

„Oh! Das hier ist mehr als nur ein Bibeltext!“ erklärte Oswald energisch. Wieder streichelte er liebevoll über das Leder. „Der Verfasser dieses Manuskripts, leider ist sein Name nicht mit überliefert worden, ist seiner Zeit sehr weit voraus gewesen!“ Oswald nickte überzeugend. „Er begnügte sich nämlich nicht damit nur Texte zu kopieren und zu erhalten! Nein, er hinterfragte auch die Inhalte!“

Max sah ihn fragend an. Das war ihm nun doch zu hoch. „Um es einfacher auszudrücken. Er nahm anscheinend alle beweisbaren Informationen die er in seinen alten Büchern finden konnte und er erstellte daraus ein eigenes Manuskript! Frei nach dem Motto: Wenn es einen Gott und ein Himmelreich wirklich geben sollte, müsste es so funktionieren!“ Und er deutete dabei auf die Ledermappe, wo ein ganzer Stapel von alten Tierhäuten nur darauf wartete seine Geheimnisse preiszugeben! Max nickte verstehend. Er hatte zwar keine Ahnung, was das mit dem Träumen zu tun haben sollte, was ihn eigentlich interessierte, aber es hörte sich doch sehr interessant an.

„Und?“ fragte Max neugierig. „Gibt es nun einen Gott?“ Wie häufig hatte er diese Frage schon im Religionsunterricht auch von seinen Mitschülern gehört! Doch immer bekam man als Antwort entweder ein „Natürlich! - Wenn man an ihn glaubt!“ oder ein gelächeltes „Wer weiß?“ Mit beiden Antworten konnte man nichts anfangen. Entweder gibt es einen Gott, dann ist er aber auch da wenn man nicht an ihn glaubt! Oder es gibt ihn nicht! Und dann wäre man doch blöd, wenn man an ihn glaubt! Fred hatte mal dazu gesagt, „Da könnte man seine Sonntage auch anders verbringen!“ Und die ganze Klasse hatte sich darüber kaputtgelacht!

Alle waren sie dieser Meinung, wenn sie solche Antworten auf ihre konkreten Fragen erhielten. Doch nun hatte er die Frage seinem Opa gestellt! Das alte Manuskript vor ihnen stand vor seiner ersten Bewährungsprobe! Würde er nun auf seine klare Frage eine klare Antwort bekommen? Gespannt schaute er zu seinem Opa. „Denk an das Motto!“ erinnerte der ihn. „Wenn es einen Gott oder ein Himmelreich geben sollte, müsste es so funktionieren!“ <Also wieder keine klaren Antworten!> dachte Max enttäuscht. Sein Opa bemerkte die Enttäuschung sofort. „Du!“ Sanft stupste er seinen Enkel an. „Wenn der Verfasser des Manuskripts direkten Kontakt mit Gott gehabt hätte, hätte er sich bestimmt gleich seine Telefonnummer geben lassen!“ scherzte er.

Max musste lachen. „Da wäre bestimmt nur der Anrufbeantworter dran gegangen! Bei den vielen Anrufen!“ spann Max lachend die Idee weiter. Dass es damals kein Telefon gab, wusste er natürlich längst. „Genau Max!“ bestätigte Oswald begeistert. „Wie du richtig erkannt hast, wäre da wohl einiges los! Der Verfasser ist daher einen anderen Weg gegangen. Frei nach dem Motto ..“ „Wenn es einen Gott oder ein Himmelreich geben sollte, müsste es so funktionieren!“ fiel ihm Max ins Wort. „Ach?“ Erstaunt sah Oswald seinen Enkel an. „Du hast das Manuskript also schon gelesen?“ fragte er und beide mussten laut lachen.

<Hey!> dachte Max. <Das macht ja richtig Spaß, sich so mit Opa zu unterhalten!> Vergnügt sah er ihn an. „Ok! Geht es noch? Machen wir noch weiter?“ fragte Opa. „Ich habe dir noch keine Antwort auf deine Frage geliefert!“ Max nickte. Klar wollte er noch mehr hören!

„Also! Nach dieser Ausarbeitung hier, die, wie gesagt, auf reinen Tatsachen beruhen sollen! Aber das darfst du jederzeit selber beurteilen.“ merkte er an, „Sollte Gott…“ Er machte eine kurze Pause. „wenn es ihn wirklich gibt !..“ Längere Pause. Max schaute ihn bereits erwartungsvoll an. „ .. ein denkendes Wesen sein!“

„Uff !“ Max hatte nach der langen Ankündigung, irgendetwas Unglaubwürdiges erwartet! Aber das empfand er eigentlich als selbstverständlich! <Ein denkendes Wesen? Natürlich musste Gott ein denkendes Wesen sein!> Er hatte sich ja noch nie so direkt damit befasst. Aber das konnte er doch akzeptieren! Also nickte er zustimmend.

„Und er muss seine Umwelt wahrnehmen können!“ machte Opa weiter. Kurzzeitig sah Max in seinen Gedanken ein denkendes Wesen in einem stockdunklen Zimmer sitzen und hilflos „Wo bin ich?“ rufen! Max musste schmunzeln. Doch! Diese Fähigkeit konnte er seinem Gott ebenfalls zubilligen!

„Er muss handeln können! Also Dinge tun! Wunder vollbringen! Und so..“ machte Oswald weiter. Max sah wie sein Gott die Tür von seinem dunklen Zimmer öffnete und hinaus ins Freie trat. Er stand anscheinend oben im Himmel auf einer Wolke, wo er sich nun erstmal ausgiebig reckte und streckte! Max konnte erkennen, dass er ungefähr so alt wie seine Mama war und einen 3 Tage Bart hatte. Zu seinem braunen Anzug trug er tatsächlich Turnschuhe!

Max musste grinsen, als er das vor seinem geistigen Auge sah. So langsam dämmerte es ihm wie das Manuskript aufgebaut war! Er hatte jetzt nur ein paar Sätze daraus gehört. Und doch war ihm sein persönlicher Gott nun schon wesentlich realer als vorher!

„Ja gut!“ sagte Max und war nun wieder voll bei der Sache. „Aber was hat das alles mit dem Träumen und so zu tun?“ Ungeduldig sah er seinen Opa an. Oswald lächelte. Max hatte es seiner Meinung nach auch schon sehr lange mit einem Thema ausgehalten. „Willst du dazu eine schnelle Antwort?“ fragte er grinsend. „Eine, die du wieder anzweifeln kannst? Oder willst du wissen wie er..“ er deutete auf die Blätter „dieses Thema behandelt hat?“ „Nach dem Manuskript bitte!“ sagte Max sofort. Er fand, dass er bisher nicht schlecht damit gefahren war. „Ok! Dann stell dir mal etwas sehr trauriges vor!“ Oswald sah ihm wieder tief in die Augen.

„Du bist tot!“ Max erschrak! „Tot ?“ Das wollte er sich eigentlich überhaupt nicht vorstellen! „Nur mal angenommen!“ beruhigte ihn Oswald. „Was passiert dann mit dir – wenn es einen Gott geben sollte?“ fügte er noch schnell hinzu. „Dann komme ich in den Himmel!“ sagte Max sofort mit dem Brustton tiefster Überzeugung! Seine Religionslehrerin wäre wirklich stolz auf ihn gewesen! „Wer?“ fragte Opa nur. „Na ich!“ sagte Max und sah seinen Opa vorwurfsvoll an. Wie konnte er da nur fragen? Doch Opa lächelte nur und gab nicht auf. „Wer ich? Du bist doch dann tot!“ erklärte er. „Du wirst wahrscheinlich eingeäschert und begraben! Dann noch ein Grabstein und ein paar Blumen drauf! Und– das – war – es – dann!“ Oswald war unerbittlich! Max musste überlegen. Also irgendetwas müsste dann doch noch übrig bleiben! Da war doch noch was! „Meine Seele! Ja! Die kommt in den Himmel!“

Max war erleichtert, dass ihm das noch eingefallen war!

„Ok!“ Oswald nickte zufrieden. „Das Manuskript besagt auch, dass, wenn man an ein Leben nach dem Tod glauben will, muss es auch eine menschliche Seele geben, die dann, nach dem Tod, in den Himmel gelangen kann! Denn dort wohnt Gott ja!“ Max nickte zustimmend. „Ohne Gott gibt es auch keine Seelen. Und ohne Seelen brauchen wir auch keinen Gott.“ schlussfolgerte Oswald. <Ist eigentlich auch logisch!> dachte Max nach kurzem Überlegen und schaute beeindruckt auf die Ledermappe. <Der Typ der das ausgearbeitet hat, hat es echt drauf gehabt!>

„Gut! Wir gehen jetzt mal davon aus, dass es einen Gott gibt! Nur mal angenommen!“ Max nickte gnädig. Sein geistiger Gott hob anerkennend den Daumen in die Höhe. „Folglich hätten wir eine Seele! Sonst könnten wir ja nicht in den Himmel kommen!“ Wieder nickte Max zum Zeichen, dass das nun klar war. „Schleppen wir die nur unser Leben lang mit uns rum? Praktisch wie eine Rettungsboje? In die wir nach dem Tod einsteigen, um uns in den Himmel fahren zu lassen? Oder wie?“ Fragend sah Oswald seinen Enkel an. Die Erkenntnis traf Max wie ein Schlag. „Nein! Wir selber sind die Seele!“ „Genau!“ Oswald lächelte zufrieden. „Unsere geistigen Fähigkeiten zu denken und – zu träumen!“ das betonte er besonders. „Das machen wir mit unserer Seele!“

„Aha! Wir sind beim Träumen angekommen!“ Max grinste verstehend. Oswald nickte. „Ja fast! Geht es noch für eine kleine Frage – Antwort Runde?“ Aufmunternd sah er seinen Enkel an. „Ja, ok!“ Max war topfit. Jetzt ging es zu seinem Lieblingsthema! Da fühlte er sich sicher!

„ Also gut! Wenn es einen Gott gibt, was passiert dann nach dem Tod?“

„Man kommt in den Himmel!“ kam es wie aus der Pistole geschossen.

„Wer?“ „Die Seele kommt in den Himmel!“ Entschuldigend hob Max die Arme. Das hätte er auch gleich sagen können. Oswald grinste.

„Was kann eine Seele alles machen?“ „Äh, alles Geistige!“

„Und was wäre das?“ kam die nächste Frage. „Denken!“ sagte Max „und Träumen!“ schoss er noch hinterher als er sah, dass sein Opa noch abwartete.

Oswald freute sich und legte mit der letzten Frage nach.

„Und wie kommt man als Seele dann in den Himmel, wenn man nur noch Denken und Träumen kann?“

Max überlegte krampfhaft. Aber ihm fiel nur eine Antwort ein. Er sah sich träumend als Seele über die Berge fliegen! In der Schule das Treppenhaus hinauf! Über die Felder zu Omas und Opas Haus! Ja! Kurzzeitig sah er sich an einem kleinen dunklen Raum oben auf einer Wolke vorbeifliegen! Wo ein, ihm inzwischen bekanntes denkendes Wesen, an einem Schreibtisch mit Telefon und Anrufbeantworter saß und ihm fröhlich zuwinkte! Oswald sah seinen verträumt wirkenden Enkel immer noch fragend an und wartete.

„Äh! - Durch Träumen?“ kam die zögerliche Antwort von Max. Opa lächelte, während er seinen Enkel an sich zog und drückte. „Gratuliere Max! Du bist gerade eben im Himmel gewesen.“

Max sah seinen Opa überrascht an. Das wollte er nun doch ganz genau wissen. „Du meinst, wenn man träumt ist man eigentlich IM HIMMEL?“ Ungläubig sah er ihn an. Oswald nickte. „Es gibt keinen anderen Platz für eine Seele!“ erklärte er bestimmt. „Im Manuskript wird es noch genauer erklärt, aber für heute reicht es glaube ich. Da wir unsere Träume nicht selber gestalten können, solange wir leben, haben wir sowieso keine Möglichkeit es zu beweisen!“ Oswald lächelte seinen Enkel vergnügt an. Max lächelte verlegen zurück. <Nein!> dachte er zu sich. <Wenn ich jetzt Opa was davon erzähle, glaubt er mir das eh nicht!> war er sich sicher.

8.

„Hallo ihr beiden!“ rief Renate Buttermilch von der Wohnungstür her. „Könntet ihr uns mal bitte tragen helfen? Die Geschenke sind so schwer!“ stöhnte sie. Und schon war Max raus aus dem Wohnzimmer! Oswald packte lächelnd die Blätter wieder ein und ließ die Mappe vorsichtig im Schrank verschwinden.

„Hallo!“ begrüßte Max seine Mutter begeistert und drückte sie ganz fest. „Ihr beide könnt euch ruhig hinsetzen und euch ausruhen! Ich kann das Auto ganz alleine ausladen!“ sagte er hilfsbereit und vermied es gar zu hoffnungsvoll auszusehen. „Wirklich?“ Renate sah ihren Sohn überrascht an. Max nickte eifrig. „Das ist aber lieb von dir!“ lobte ihn Elfriede und sah ihre Schwiegertochter vielsagend an. „Also gut. Dann setzen wir uns solange ins Wohnzimmer und trinken ein Glas Wasser.“ Renate sah ihren fleißigen Sohn voller Stolz an. Der nickte wieder eifrig zum Zeichen, dass ihm das gar nichts ausmachte. Elfriede hakte sich vergnügt bei ihrer Schwiegertochter ein. „Eben! Nach dem schweren Einkauf!“ Vergnügt in sich hineinlächelnd gingen sie zu Opa ins Wohnzimmer.

Max machte sich sofort an die Arbeit! Er musste viele Male laufen um die ganzen Tüten und Taschen reinzutragen. Natürlich sah er überall genauestens nach, um auch ja nichts zu übersehen. Zum Schluss durchsuchte er noch jede Ritze vom Auto. Sogar unter den Sitzen und im Handschuhfach. Überall sah er nach. Aber, er fand einfach keine Geschenke! Wütend und enttäuscht stürzte er ins Wohnzimmer, wo ihn alle bereits erwartungsvoll ansahen.

„Da, da, da waren gar keine Geschenke!“ brachte er nur mühsam hervor. Total enttäuscht kämpfte er mit den Tränen. „Nicht?“ fragte seine Mutter erstaunt. „Aber, das kann doch gar nicht sein!“ Entschlossen schüttelte sie den Kopf. Auch Elfriede schaute ungläubig. „Wir haben sie doch vorhin noch gesehen, oder?“ fragte sie ihre Schwiegertochter. Die beiden Frauen nickten sich bestätigend zu. „Und das waren doch so viele!“ sagte Renate immer noch überrascht. Max seine Augen wurden immer größer! Hatte er wirklich die vielen Geschenke übersehen? Er hatte große Lust alles noch einmal zu durchsuchen. „Also komm!“ sagte seine Mutter und nahm ihn lächelnd bei der Hand. „Wir gehen mal mit und sehen gemeinsam nach.“ Max nickte zustimmend.

Sie standen alle auf und gingen gemeinsam in die Küche. Die sah aus wie ein Schlachtfeld! Die Tüten bedeckten den größten Teil des Esstisches. Die einzelnen Flaschen und Konserven hatte Max großzügig im ganzen Raum verteilt. Die waren für ihn ja auch uninteressant gewesen.

„Weißt du..“ begann Renate, ohne auf die Unordnung einzugehen. „Das Einkaufen hat ziemlich lange gedauert.“ erklärte sie. „Sind ja auch eine ganze Menge Tüten voll geworden!“ ergänzte Oma. Max nickte überzeugt. Die Anstrengung spürte er immer noch in den Knochen! Flüchtig überblickte er noch mal den gewaltigen Tütenberg. Ob er vielleicht doch in eine noch nicht reingesehen hatte? Aber nein. Er war sich sicher. Da waren keine Geschenke drin! „Oma hat uns deswegen angeboten hier bei ihnen mit Abendbrot zu essen.“ erklärte Renate weiter. Oswald suchte bereits in den Taschen. „Wie hast du dich noch mal ausgedrückt?“ fragte sie ihre Schwiegermutter lächelnd. Elfriede breitete sofort die Arme aus.

„Ich SCHENKE euch heute ein Abendessen!“ rief sie gönnerhaft. Wobei sie das –schenke- noch besonders betonte!

Max schwante etwas. „Ach! Da sind doch die Geschenke!“ rief Oswald zufrieden. Max drehte sich schnell zu ihm um und sah seine Vermutung bestätigt! Freudestrahlend holte sein Opa ein Geschenk nach dem Anderen aus der Tüte. „Hier bitte! Ein frisches Brot! Wurst! Käse! Gurken!“ Alle drei sahen sie Max lachend an. Der stand wie versteinert da und wusste, dass es die Erwachsenen wieder mal geschafft hatten ihn reinzulegen! „Ach! Du Armer du! Komm her!“ rief seine Mutter und alle drei beugten sich lachend zu ihm runter um ihn gleichzeitig zu umarmen. „Du hast doch erst in zwei Tagen Geburtstag.“ tröstete Renate ihren Sohn. „Solange wirst du doch noch warten können.“ Lachend fuhr sie ihm durch die Haare. Max war kein schlechter Verlierer. Er lächelte auch schon wieder. Etwas gequält zwar, aber er lächelte. Dieses gemeinschaftliche Umarmen hatte ihm auf jeden Fall richtig gut getan. „Oh Mann!“ sagte er und haute leicht mit der Faust auf eine freie Ecke des Esstisches. „Und ich habe diese ganzen Tüten auch noch freiwillig alleine reingetragen!“ Und nun mussten sie alle schallend über diesen gelungenen Streich lachen.

9.

Max war hundemüde als sie endlich zu Hause waren. Was hatte er heute nicht alles erlebt! Jetzt war er einfach zu müde um noch mal darüber nachzudenken. <Das mache ich nachher im Traum!> dachte er zu sich und lächelte. Er machte sich sofort auf den Weg ins Badezimmer, wobei er schon mächtig gähnte. Renate lächelte nur mitfühlend hinter ihm her. Er wusch sich kurz und stieg in seinen Schlafanzug. „Gute Nacht Mama!“ rief er zu ihr hinunter ins Wohnzimmer. „Gute Nacht mein Schatz! Schlaf schön!“ grüßte sie liebevoll zurück. Und mit einem Satz war er im Bett. Und es dauerte auch gar nicht lange, dann war er eingeschlafen.

10.

Elfriede und Oswald gingen heute auch früh schlafen. Oswald saß schon nachdenklich im Bett, als sie im langen, weißen Nachthemd ins Schlafzimmer kam. „Du Liebes…Max hat heute, wahrscheinlich auf dem Speicher, das LEIT – Manuskript wiedergefunden.“ begann er vorsichtig. Er hatte sich dazu entschieden mit seiner Frau darüber zu reden. Sie erschrak! Anscheinend wusste sie sofort worum es sich handelte. „Es war all die Jahre doch noch hier im Haus gewesen. Wir haben es nur nicht gefunden.“ sagte er entschuldigend. Elfriede sah ihn immer noch abwartend an. „Und?“ fragte sie, als nichts weiter kam. „Hast du es ihm erzählt?“ Scharf sah sie ihn an. „Was meinst du?“ fragte er vorsichtig. „Na! Von wem du das Manuskript hast!“ rief sie ärgerlich. „Oh! Nein!“ Diesmal erschrak Oswald. „Dazu ist er wirklich noch zu jung!“ Beruhigend nickte er ihr zu. „Sein Vater war ein einfacher Bankangestellter. Der bei einem Bootsausflug ums Leben kam. Darauf hatten wir uns doch alle geeinigt. Und dabei wollen wir es auch belassen.“ sagte er schnell, wie um sie zu beruhigen. Sie schien aber immer noch nicht beruhigt! „Du weißt ja!“ sagte sie energisch. „Er würde immer weiter bohren!“ Wieder sah sie ihn genau an um festzustellen, ob er das auch genauso sah. Oswald nickte nur. Er würde das Thema jetzt gerne beenden. Sie schien dazu aber noch nicht bereit zu sein.

„Zum Beispiel würde er bestimmt gerne wissen wollen wie ein kleiner Bankangestellter, für den er seinen Vater schließlich hält, an die unersetzlichen Originale des LEIT - Fadens für alle Glaubensrichtungen gekommen ist!“ Erregt sah sie ihn an. Wieder nickte Oswald nur. Er wollte jetzt nichts unternehmen, was seine Frau noch mehr aufregen könnte! Stocksteif saß er im Bett und traute sich nicht sich zu rühren. Doch sie kam trotzdem so langsam in Fahrt, was man an ihrer immer höheren Tonlage erkennen konnte. „Eines LEIT – Fadens, dessen unglaubliche Weisheit, Klarheit und Einfachheit sogar in der heutigen Zeit noch unerreicht ist!“ rief sie überzeugt. Wieder nickte Opa nur. Er wusste, sie war jetzt nicht mehr aufzuhalten! Ergeben hielt er sich an seiner Bettdecke fest. „Und in dem so viel unbekanntes Wissen, angefangen von der Entstehung allen Lebens… Ach! Was sag ich den! Aller MATERIE! Bis hin zum detaillierten WELTUNTERGANG beschrieben ist!“ Mit funkelnden Augen sah sie ihn an. Wieder nickte Oswald nur und blieb still. Sie hatten nun mehrere Jahre lang nicht darüber gesprochen. Nun musste es anscheinend einfach wieder raus. „Eines Wissens!“ machte sie auch sofort weiter. „Das so unglaublich detailliert enthalten ist, dass es eigentlich von keinem Menschen erfunden worden sein kann! Und wo viele meinen, dass es von GOTT HÖCHSTPERSÖNLICH GESCHRIEBEN WORDEN IST!!“ Ihre Stimme überschlug sich zum Schluss, so dass Opa nun doch eingreifen musste! „ Ja, ja !“ Mit beiden Händen versuchte er sie zu beruhigen. „Ist ja schon gut, mein liebes! Sei jetzt bitte still!“ flehte er. Sorgenvoll sah er zu ihrem geöffneten Schlafzimmerfenster. „Es muss ja nicht gleich jeder mitbekommen!“

11.

Max schlief und träumte. Diesmal wollte er nicht gleich durch die Gegend fliegen und seine Freiheit genießen. Nein. Diesmal blieb er einfach im Bett sitzen um nachzudenken. „Das ist also der Himmel?“ sagte er zu sich und sah sich neugierig in seinem Zimmer um. „Es sieht eigentlich alles aus wie immer.“ Ergeben zuckte er mit den Schultern. „Also, wenn das der Himmel ist..“ Sein Blick fiel nachdenklich auf seine Kleidung, die er wieder mal einfach nur auf den Fußboden geschmissen hatte. „..sollte es schon etwas ordentlicher sein!“ grinste er. Kaum hatte er es gedacht, legte sich seine Hose auch schon ordentlich über die Stuhllehne! „Das ist der Wahnsinn!“ rief er überrascht. Irgendwie kam ihm heute auch alles viel realer vor! Er konnte sich mit Details abgeben, die er früher im Traum gar nicht beachtet hatte! Vor lauter Experimentierfreude nahm er seinen alten Wecker in die Hand. Doch so sehr er sich auch konzentrierte, er konnte keine Zeiger in der Uhr erkennen! Es war ihm auch irgendwie völlig egal wie spät es ist. „Zeitlos!“ murmelte er nachdenklich vor sich hin. In einem jähen Anfall von Übermut düste er kerzengerade nach oben! Durch die Decke und durchs Dach! Ungefähr 20 Meter über ihrem Haus blieb er stehen. Der Anblick verschlug ihm die Sprache! Er war nun schon häufiger so zu seinen nächtlichen Ausflügen gestartet. Aber erst hier draußen fiel es ihm richtig auf, um wie viel klarer er heute alles sehen konnte!

Es fiel ihm auch zum ersten Mal bewusst auf, dass es in seinem Traum heller Tag war! „Eigentlich ist es doch finstere Nacht!“ wunderte er sich. Und mit einem Schlag war es dunkel! Nur die vereinzelten Straßenlaternen gaben noch ein schummriges Licht ab. Max hatte das noch nie zuvor gemacht. Er war aber darüber überhaupt nicht erschrocken. <Es ist schließlich mein Traum!> dachte er sich. <Da kann ich schließlich selber entscheiden, ob es Tag oder Nacht sein soll!> Begeistert über diese neuentdeckte Freiheit wollte er wieder in der Ferne die Berge sehen. Und schon war es wieder helllichter Tag! Nur ein paar kleine weiße Wolken trieben oben am Himmel. Er hatte beste Fernsicht in alle Richtungen. Ringsherum waren am Horizont die Berge zu erkennen. Max hatte immer noch keine Lust sich irgendwo anders hin zu wünschen. <Kein anderer Mensch auf der Erde hat wohl diese Freiheit wie ich sie habe!> kam ihm in den Sinn. „Aber warum habe ich sie?“ fragte er sich. „Und warum ist sie mit einem Mal so viel besser geworden?“ Wieder drehte er sich verwundert im Kreis um sich alles nochmal anzusehen. „Alles wirkt jetzt noch viel realer als früher!“ rief er begeistert. „Ob das was mit dem Manuskript zu tun hat?“ Als er mit seinen Gedanken soweit war, saß er auf einmal wieder bei seinem Opa auf der Couch und hörte sich fragen: „Du meinst, wenn man träumt, ist man eigentlich im Himmel?“ „Es gibt keinen anderen Platz für eine Seele! Im Manuskript wird es noch genauer erklärt, aber für heute reicht es glaube ich! Da wir unsere Träume nicht selber gestalten können, solange wir leben, haben wir sowieso keine Möglichkeit es zu beweisen!“ Und noch während sein Opa lächelte verschwamm das Bild und er war wieder frei schwebend über ihrem Haus.