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  • Herausgeber: Neue Erde
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Bildung, die fit macht für die Zukunft »Lebendiges Lernen« ist ein bahnbrechender und dringender Aufruf an uns alle, die überkommene Fortschrittsperspektive aufzugeben, die den Menschen an die Spitze der Evolution stellt, um alles darunter auszubeuten und zu zerstören. Vielmehr müssen wir sie durch eine neue Ethik- und Umwelterziehung ersetzen, die uns das Verantwortungsbewusstsein lehrt, das wir brauchen, um im Gleichgewicht mit der übrigen Natur zu leben, und es uns ermöglicht, zu überleben und zu gedeihen. Dieses Buch wurde veröffentlicht anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Schumacher College, das auf eine reiche Geschichte als Vorreiter für ökologisches Lernen zurückblicken kann und Studenten aus der ganzen Welt auf seinen Campus im englischen Devon lockt. Das College konzentriert sich auf eine interaktive, erlebnisorientierte Ausbildung, um praktische Fähigkeiten und vorausschauendes Denken zu entwickeln, die für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erforderlich sind. Seine Gründer wurden von Mahatma Gandhis Ashrams sowie von Shantiniketan beeinflusst, dem Lernumfeld, das von Rabindranath Tagore, dem ersten indischen Nobelpreis- träger, geschaffen wurde. Wenn wir uns auf ein ganzheitliches Bildungsparadigma konzentrieren, werden wir Ökologie und Ökonomie, Liebe und Vernunft, Wissenschaft und Spiritualität zusammenbringen. Auf diese Weise schaffen wir Bildung für die kommenden Generationen. Wir freuen uns, diese Sammlung radikaler und tiefgründiger Essays allen Eltern, Lehrern, Dozenten, Professoren und politischen Entscheidungsträgern darbringen zu können, in der Hoffnung, dass sie sich davon inspirieren lassen, die Bildungssysteme zu verändern und sie zukunftsfähig zu machen.

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Seitenzahl: 332

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Satish Kumar & Lorna Howarth

Lebendiges Lernen

Es gibt heute unbedingt viele gute Gründe, das weibliche Geschlecht wieder besser sichtbar zu machen. Dies ist seit mehr als 40 Jahren auch Anliegen unseres Verlages. Ob dies durch Gendern erreicht wird, darf man jedoch hinterfragen, immerhin geht es um unsere Muttersprache. Sicher ist, dass der grammatische Genus nichts über das Geschlecht (Sexus) aussagt. Deswegen halten wir uns als Verlag beim Gendern bewusst zurück. Ausführliche Begründung dazu unter www.neue-erde.de/derdiedas

LEBENDIGES LERNEN

Bildung für Mensch und Erde

Herausgegeben von

Satish Kumar & Lorna Howarth

Bücher haben feste Preise.

1. Auflage 2024

Satish Kumar & Lorna Howarth (Hg.)

Lebendiges Lernen

© Satish Kumar & Lorna Howarth 2022

Die Originalausgabe erschien bei Global Resilience Publishing (ein Imprint von Salt Desert Media) unter dem Titel Regenerative Learning

Das Copyright für einzelne Artikel liegt bei den Autoren.

© für die deutsche Ausgabe bei Neue Erde GmbH

Die in diesem Buch zum Ausdruck gebrachten Ansichten und Meinungen sind die der Autoren und die von ihnen berichteten Tatsachen sind soweit wie möglich überprüft worden, die Herausgeber können dafür jedoch in keiner Weise haften.

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Herausgebers durch ein mechanisches, fotografisches oder elektronisches Verfahren oder in Form einer Tonaufnahme vervielfältigt, in einem Datenabfragesystem gespeichert, übertragen oder anderweitig für den öffentlichen oder privaten Gebrauch kopiert werden.

Umschlag:

Grafik: Raghav Khattar

Gestaltung: Raghav Khattar und Dragon Design, GB

Übersetzungen: Andreas Lentz

Lektorat: Deutsches Lektorenbüro, Würzburg

eISBN 978-3-89060-487-9

ISBN 978-3-89060-849-5

Neue Erde GmbH

Cecilienstr. 29 · 66111 Saarbrücken

Deutschland · Planet Erde

www.neue-erde.de

Zur Feier des 30-jährigen Bestehens des Schumacher College ist dieses Buch allen Mitarbeitern, Lehrern, Schülern und all den anderen Menschen gewidmet, die das Schumacher College zu einem so abenteuerlichen und freudigen Lernumfeld gemacht haben.

INHALT

Vorwort

Mutig zu neuen Bildungshorizonten

S. H. Papst Franziskus

Einführung

Bildung, die fit macht für die Zukunft

Satish Kumar und Lorna Howarth

TEIL 1

Die preisgekrönten Aufsätze

Zur Feier von 30 Jahren Pionierarbeit auf dem Feld der Bildung am Schumacher College haben wir einen Aufsatzwettbewerb zum Thema »Lebendiges Lernen« veranstaltet: Bildung, bei der die Menschen und der Planet Erde wichtig sind. Alle Beiträge wurden von einer unabhängigen Jury bewertet.

Erster Preis 5.000 £

Eine Wespe zu schätzen wissen

Matt Carmichael

Zweiter Preis 2.000 £

Wir sind Bäume

Dheepa R. Maturi

Dritter Preis 1.000 £

Der Kreislauf des Lebens

Guy Dauncey

TEIL ZWEI

Grundsätze

Wir erforschen die Geschichte der Bildung, warum wir die Bildungssysteme entwickelt haben, an denen wir heute festhalten, und wie wir vielfältige und regenerative Bildungssysteme für eine lebendige und harmonische Zukunft gestalten können.

Einatmen

Ein gutes Vorbild für Universitäten, Thich Nhat Hanh

Lebendige Intelligenz kultivieren, Vandana Shiva

Die wahre Bedeutung von Bildung, Satish Kumar

Das Zeitalter der Verzauberung, Stephan Harding

Tiefe Besorgnis, wilde Hoffnung, Stephen Sterling

Ökobildung und der Tanz der Zusammenarbeit, Fritjof Capra

Schulen neu denken, Anthony Seldon

Bildung für eine neue Wirtschaft, Helena Norberg-Hodge mit Henry Coleman

Weltliche Bildung, Charles Eisenstein

Einflusssphären, Herbert Girardet

Die Synergie von Kunst und Wissenschaft, Donald Gray

Moralische Überzeugung, Sacha Peers

Unser vernetztes Einssein, Opeyemi Adewale

Kette und Schuss der Ethik, Shakti Saran

Spirituelle Bildung, Guillem Ferrer

Die Vorstellungskraft umspannt die Welt, Sarah Wilkinson

Fruchtbare Fragen, Dana Littlepage Smith

TEIL DREI

In der Praxis

Es wird untersucht, wie wir die so dringlichen strukturellen Veränderungen zugunsten einer regenerativen Bildung vornehmen können, bei der nicht das Geld und das rein wirtschaftliche Wachstum im Vordergrund stehen, sondern die Menschen und der Planet Erde.

Ausatmen

Kann ein einzelner Pädagoge wirklich etwas bewirken?Stephen Sterling

Die kleine Schule, Caroline Walker

Experimente im Bildungswesen, Alan Boldon

Die Schule der Hoffnung, Gunter Pauli mit Ina Matijevic, Ivana Ražov & Martin Pavičić

Im Flow mit dem Leben, Joseph Bharat Cornell

Kreative Abenteuer, Alan Dyer

Die Rolle des Glücks in der Umwelterziehung, Isabel Losada

Ein universelles Curriculum, Colin Tudge

Lektionen von der Peripherie, Pavel Cenkl

Das Licht des Lernens, Thakur S. Powdyel

Mensch und Natur in Einklang bringen, David W. Orr

Sichere Ungewissheit kultivieren, Jon Alexander

Lehren Sie die Zukunft, Natalia Eernstman, Ben Rawlence und Tom Sperlinger

Die Umwelt als Erzieherin, Elizabeth Howes

Die Summe der Lösungen, Michael Keary

Unterweisungen im »Sprachlichen«, Angela Dawn Kaufman

Von der Eroberung zur Teilhabe, Lauren Elizabeth Clare

Vorwort

MUTIG ZU NEUEN BILDUNGSHORIZONTEN

In Dankbarkeit gegenüber allen Lehrern und in Sorge um die Bildung

S. H. Papst Franziskus

Im September 2019 appellierte ich an alle im Bildungsbereich Tätigen, »einen Dialog darüber zu führen, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten und die Talente aller nutzen können. Denn jeder Wandel erfordert einen Bildungsprozess, der auf die Entwicklung einer neuen universellen Solidarität und einer offeneren Gesellschaft abzielt.« Aus diesem Grund habe ich für einen »Globalen Pakt für Bildung« geworben, um »unser Engagement für und mit jungen Menschen neu zu beleben und unsere Leidenschaft für eine offenere und integrativere Bildung zu erneuern, die geduldiges Zuhören, konstruktiven Dialog und besseres gegenseitiges Verständnis einschließt«. Ich lud alle ein, »unsere Anstrengungen in einem breiten Bildungsbündnis zu vereinen, reife Persönlichkeiten heranzubilden, die in der Lage sind, Spaltung und Feindschaft zu überwinden und das Beziehungsgeflecht im Interesse einer brüderlicheren Menschheit wiederherzustellen«.

Wenn wir uns eine geschwisterliche Welt wünschen, müssen wir die jungen Menschen dazu erziehen, jeden Menschen zu respektieren, wertzuschätzen und zu lieben, ganz gleich, wie nah oder fern er ist, und unabhängig davon, wo er oder sie geboren wurde oder lebt. Das Grundprinzip: »Erkenne dich selbst« war schon immer die Richtschnur für die Erziehung, doch sollten wir andere wichtige Grundsätze nicht außer acht lassen:

»Erkenne deinen Bruder oder deine Schwester«, um dazu zu erziehen, andere wertzuschätzen;

»Erkenne die Schöpfung«, um zur Pflege unseres gemeinsamen Hauses zu erziehen, und

»Erkenne das Transzendente«, um in die großen Geheimnisse des Lebens einzuweihen.

Wir dürfen es nicht versäumen, mit jungen Menschen über die Wahrheiten zu sprechen, die dem Leben einen Sinn geben.

Religiöse Traditionen hatten schon immer eine enge Beziehung zur Bildung, und wie in der Vergangenheit, so wollen wir auch heute mit der Weisheit und Menschlichkeit unserer religiösen Traditionen einen Anstoß zu einer erneuerten Bildungstätigkeit geben, die die universelle Brüderlichkeit in unserer Welt fördern kann. Wo uns in der Vergangenheit unsere Unterschiede in die Quere kamen, sehen wir heute in ihnen den Reichtum verschiedener Wege, zu Gott zu gelangen und junge Menschen zu einem friedlichen Zusammenleben in gegenseitigem Respekt zu erziehen.

Wenn in der Vergangenheit, auch im Namen der Religion, ethnische, kulturelle, politische und andere Minderheiten diskriminiert wurden, wollen wir heute für die Identität und Würde jedes Einzelnen eintreten und jungen Menschen beibringen, jeden ohne Diskriminierung zu akzeptieren. Aus diesem Grund ist es für die Bildung Pflicht, die Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind, und nicht, wie wir sie gerne hätten, und zwar ohne über andere zu urteilen oder sie zu verurteilen.

Wenn in der Vergangenheit die Rechte von Frauen, Kindern und den Schwächsten nicht immer geachtet wurden, so sind wir heute fest entschlossen, diese Rechte zu verteidigen und jungen Menschen beizubringen, eine Stimme für die Stimmlosen zu sein. Die Bildung muss mithelfen zu begreifen, dass Männer und Frauen die gleiche Würde haben und dass es keinen Platz für Diskriminierung gibt.

Wenn wir in der Vergangenheit die Ausbeutung und Ausplünderung unseres gemeinsamen Hauses hingenommen haben, wollen wir heute, mit einem größeren Bewusstsein für unsere Rolle als Verwalter der Schöpfung, dem Aufruf der Natur für ihr Überleben eine Stimme geben und uns selbst und künftige Generationen zu einem einfachen und ökologisch nachhaltigen Lebensstil erziehen. Als ich einen der Wissenschaftler bei unserem Treffen sagen hörte: »Meine neugeborene Enkelin wird in 50 Jahren in einer unbewohnbaren Welt leben müssen, wenn es so weitergeht wie bisher«, wusste ich, dass die Erziehung uns dazu anhalten muss, unsere Mutter Erde zu lieben, die Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen zu vermeiden und die Güter, die Gott uns zum Leben für alle gegeben hat, freigiebiger zu teilen.

Und so lade ich Sie ein, mutig den Weg zu neuen Bildungshorizonten zu beschreiten.

Auszug aus einer Rede, die S.H. Papst Franziskus am Weltlehrertag der UNESCO auf dem Global Compact on Education im Oktober 2021 gehalten hat; abgedruckt mit freundlicher Genehmigung.

Einführung

BILDUNG, DIE FIT MACHT FÜR DIE ZUKUNFT

Regenerative Bildung ist das pulsierende Herz lebendiger, gesunder und freudiger Gemeinschaften

Satish Kumar und Lorna Howarth

Zur Feier des 30-jährigen Bestehens des Schumacher College gab es in Zusammenarbeit mit Resurgence & Ecologist einen Schreibwettbewerb zum Thema »Regeneratives Lernen: Bildung, bei der die Menschen und der Planet eine Rolle spielen«. Wir wollten erkunden, wie sich die Bildung weiterentwickeln kann und muss, um die zahlreichen Mängel zu beheben, die sie heute aufweist. Zu unserer großen Freude wurden wir mit Einsendungen für den Wettbewerb überschwemmt – tatsächlich waren es fast 250.

Eine unabhängige Jury unter dem Vorsitz des altgedienten Umweltschützers Jonathon Porritt wählte die Preisträger aus. Obwohl es nur drei preisgekrönte Aufsätze geben konnte – die natürlich in diesem Buch abgedruckt sind –, waren viele der anderen Aufsätze so lesenswert, dass wir beschlossen, sie in dieser Sammlung zu veröffentlichen. Wir haben außerdem einige weitere Beiträge von führenden Denkern und Aktivisten auf dem Gebiet der regenerativen Bildung in Auftrag gegeben, um einen, wie wir meinen, faszinierenden »Strauß« von Aufsätzen zu diesem Thema zusammenzustellen.

Es war uns eine Ehre, diese Beiträge zu lesen – sie kamen nicht nur von Pädagogen, sondern auch von Wissenschaftlern, Künstlern, Gärtnern, Musikern und jungen Menschen – und zu spüren, dass sich ein starker Konsens abzeichnet: Die derzeitigen Bildungssysteme sind grundlegend fehlerhaft und nicht mehr sinnvoll. Das ist kaum verwunderlich, denn das vorherrschende globale Bildungssystem wurde auf die Bedürfnisse des Industriezeitalters zugeschnitten, des Zeitalters der Massenproduktion, des Massenkonsums und des unbegrenzten Wirtschaftswachstums, in dem junge Menschen in den Fähigkeiten ausgebildet wurden, die der Markt verlangte. Es war eher eine Ausbildung für den Beruf als eine Ausbildung für das Leben. Viele der Berufe, für die die Schüler ausgebildet wurden und immer noch ausgebildet werden, haben zu den vielfältigen katastrophalen Kipppunkten geführt, denen sich die Menschheit heute gegenübersieht. In der Tat wurden alle unsere zahllosen aktuellen Krisen von »ausgebildeten Experten« herbeigeführt, von denen viele die besten Schulen und Universitäten der Welt besucht haben. Wir müssen uns fragen: Warum vermitteln wir immer noch jene Art von Bildung, die uns an den Abgrund der Katastrophe gebracht hat?

Glücklicherweise wächst das Bewusstsein, dass »wir uns selbst antun, was wir der Erde antun«. Dieses Bewusstsein hat uns an die Schwelle einer neuen Ära gebracht, die Stephan Harding »das Zeitalter der Verzauberung« nennt, in der die Rechte der Erde denen der Menschen gleichgestellt sind. Eine solche Zeit kann nicht früh genug kommen, und sie erfordert phantasievolle, an den Lernenden und an Erfahrung orientierte, ganzheitliche Bildungssysteme, die die Natur in den Mittelpunkt stellen und zur Entwicklung einer wirklich regenerativen und auf Dauer angelegten Kultur beitragen können.

Im November 2021 trafen sich die meisten politischen Führer der Welt auf dem COP26-Gipfel in Glasgow (Großbritannien) und versprachen, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren und die biologische Vielfalt sowie die Umweltintegrität zu schützen. Sie sprachen von Änderungen in der Regierungspolitik, von Änderungen in der Wirtschaftspraxis und von der Notwendigkeit neuer Technologien, um die Klimaveränderungen abzumildern und ihre Folgen zu bewältigen. Das sind gute Worte, aber jeder weiß, dass diese Worte kaum ausreichen. Es scheint, dass Politiker auf der ganzen Welt nicht gewillt sind, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass die derzeitigen Bildungssysteme unsere jungen Menschen nicht in die Lage versetzen, sich ungeteilt für die Erhaltung unseres kostbaren Planeten Erde und das Wohlergehen der Menschheit einzusetzen. In diesem Sinne war die COP26 ein beschämender Misserfolg.

Die in diesem Buch zusammengestellten Artikel zeigen Wege auf, wie wir einen echten Fortschritt erzielen können. Ein solcher Fortschritt muss mit einem grundlegenden Umdenken in der Bildung beginnen. Wenn wir unser Bildungssystem nicht ändern und nicht lernen, wie wir in Harmonie miteinander und mit der Natur leben können, sind die Zukunftsaussichten in der Tat düster. Die gute Nachricht ist, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen. Seit Jahren gibt es viele Beispiele, die wie Leuchttürme über das Bildungswesen hinausgewirkt haben. Sie zeigen eine andere Art des Lernens auf, bei der das Klassenzimmer in die Natur hinaus erweitert wird, damit wir mit nichtmenschlichen Welten in Dialog treten können.

Stellen Sie sich ein Schulsystem vor, in dem wir am Beispiel der Imkerei etwas über Gemeinschaft lernen, durch Bootsbau etwas über Bäume und Physik, durch das Beobachten der Sterne etwas über die Navigationskünste unserer Vorfahren, durch Klettern etwas über Gleichgewicht und Konzentration, durch Gartenarbeit etwas über Ernährung, Verschenk-Ökonomie und Geduld, durch Kunst etwas über unsere unendliche Vorstellungskraft und durch Musik etwas über Mathematik. Wenn die Natur unser Klassenzimmer ist, laufen alle Dinge zusammen, sind sie miteinander verbunden und ergeben einen Sinn.

Um Bildung nicht nur für Menschen bedeutsam zu machen, sondern auch für den Planeten Erde als Ganzes, ist ein Perspektivwechsel erforderlich: von einer »Erziehung zu Dominanz und Eroberung« zu einer »Erziehung zu Verantwortung« – mit anderen Worten: zu einer »Erziehung zu Teilhabe und Phantasie«. Ein Wechsel der Perspektive – nicht mehr von »oben nach unten« herabzublicken, sondern »von unten nach oben« – ermöglicht auch eine schülerorientierte Bildung, bei der die Lehrenden den Schülern das Wissen vermitteln, das sie lernen wollen, und nicht nur das, was sie lernen sollen. Wenn wir dies umsetzen, entfaltet sich Magie. Und eine solche Magie kann in Klassenzimmern überall auf der Welt stattfinden, wenn wir unsere Besessenheit von Tests und Prüfungen ablegen und den Schülern erlauben, das Wunder der Natur und das Geheimnis der menschlichen Vorstellungskraft zu entdecken.

In dem Artikel »Eine Schule der Hoffnung« erzählen Gunter Pauli und seine Kollegen die Geschichte einer Schule in Kroatien, die sich nach dem Balkankrieg neu erfunden hat. Dort haben die Pädagogen den Schülern, Lehrern, Eltern und der größeren Gemeinschaft zugehört und ihnen geholfen, die Art von Schule zu schaffen, die die Zukunft verlangt: eine Schule, die ihren eigenen Strom erzeugt, die einen Großteil ihrer Lebensmittel selbst anbaut, die Schüler in Gemeinschaft und die Gemeinschaft in der Schule ausbildet und die darauf hört – wirklich darauf hört –, was die jungen Menschen brauchen. Wenn alle diese Bereiche miteinander in Resonanz stehen, entsteht eine Synergie, die den Kindern ihre Zukunft zurückgibt.

Wir freuen uns, diese Sammlung radikaler und tiefgründiger Essays allen Eltern, Lehrern, Dozenten, Professoren und politischen Entscheidungsträgern darbringen zu können in der Hoffnung, dass sie sich davon inspirieren lassen, die Bildungssysteme zu verändern und sie zukunftsfähig zu machen.

Satish Kumar ist Autor zahlreicher Bücher (zuletzt Elegante Einfachheit und Die Kraft der radikalen Liebe). Er ist außerdem emeritierter Herausgeber von Resurgence & Ecologist und Gründer von The Small School sowie des Schumacher College, Großbritannien.www.resurgence.org/satish-kumar

Lorna Howarth ist Schriftstellerin, Herausgeberin und Verlegerin. Für weitere Informationen besuchen Sie:www.lornahowarth.com

TEIL 1

DIE PREISGEKRÖNTEN AUFSÄTZE

Erster Preis

EINE WESPE ZU SCHÄTZEN WISSEN

Wir dürfen Bildung nicht länger vom Leben trennen

Matt Carmichael

Die Menschheit wird nicht durch mehr Information, sondern durch mehr Wertschätzung gerettet.

RABBINER HESCHEL

Wespen sind willkommen, wenn sie meinen Englischunterricht stören. In diesem Frühjahr ist das häufiger der Fall, weil ich während der Pandemie die Fenster offen halten muss. Früher ärgerte ich mich über die verlorene Zeit, in der ich die kleinen Plagegeister aus dem Fenster lotsen musste, während die Schüler kreischten, klatschten und ihren Tod forderten. Doch vor sechs Jahren bot mir etwas Klebrig-Süßes vom Mittagessen an meinem Finger eine Chance. Ich ließ die kleine Kreatur auf meiner offenen Hand verweilen. »Vorsicht, Sir! Sie können stechen, ohne zu sterben, Sir, nicht wie Bienen!«

»Warum sollte sie mich stechen? Im Spätsommer können sie gereizt sein, aber diese hier ist in Ordnung. Ich glaube, es ist ein Männchen, denn sein Bauch ist ziemlich schlank.«

Ich stehe zwischen den Tischen, und ein paar Schüler beugen sich heran, um mehr zu sehen. »Wisst ihr, ohne Wespen würden wir von Schwärmen von Fliegen und Mücken geplagt werden. Wespen halten unser Ökosystem im Gleichgewicht. Ohne Wespen wären unsere Lebensmittel teurer und weniger gesund, weil die Landwirte mehr giftige Spritzmittel zum Schutz der Pflanzen einsetzen würden. Es gibt 30.000 Wespenarten, und die meisten sind Bestäuber, genau wie Bienen. Es gibt sogar einige wunderschöne Orchideen, die ohne Wespen nicht existieren würden. Sie haben sich so entwickelt, dass sie wie weibliche Wespen aussehen und riechen, um die Männchen zur Bestäubung zu verleiten. Wusstet ihr, dass es Honigwespen gibt?«

Schüler, die weiter weg sind, stehen auf, um besser gucken zu können. Einige kommen näher heran. »In Japan kann man in schicken Restaurants Wespenlarven essen.« Angewiderte Rufe. »Es wird an einem Wespengift geforscht, das eines Tages euer Leben retten könnte, weil es Krebszellen abtötet, ohne gesunde Zellen zu schädigen.« Eben saßen alle noch in Reihen mit Blick nach vorne. Jetzt stehen wir im Kreis.

In Small Is Beautiful: Die Rückkehr zum menschlichen Maß benennt der Wirtschaftswissenschaftler E. F. Schumacher den Kern des Problems: »Wir müssen entscheiden, was unsere Wirtschaft für uns leisten soll, sonst kehrt sich das Verhältnis leicht um, und die Wirtschaft versklavt uns.« Er widmet ein ganzes Kapitel der Bildung und schreibt: »Wenn sich die westliche Zivilisation in einer permanenten Krise befindet, liegt es nahe zu vermuten, dass etwas mit ihrer Bildung nicht stimmt.« Diese Krise ist heute so eklatant, dass sich viele junge Menschen selbst der Unzulänglichkeit ihres Bildungssystems bewusst sind. Im Rahmen der brillanten Kampagne »Teach The Future« fordern einige eine Überarbeitung der Lehrpläne, damit Nachhaltigkeit und Klimawandel in allen Fächern unterrichtet werden. Wie würde das aussehen?

Ich habe einen Großteil der letzten zwei Jahrzehnte damit verbracht, die Realität der Klimaveränderungen in Leeds allen möglichen Zielgruppen zu vermitteln. Dabei habe ich gelernt, dass die Menschen zwar großen Appetit auf wissenschaftliche Erklärungen haben, dass dieses Wissen allein aber zu unvorhersehbaren Reaktionen führt. Je nach ihrem Wertesystem haben die Menschen, die ich angesprochen habe, alles Mögliche unternommen, von der Störung von Kunstausstellungen, die von Ölmultis gesponsert waren, bis zur Gründung eines Klimaleugner-Blogs. Bildung, bei der die Menschen und der Planet eine Rolle spielen, kann sich also nicht allein auf die Weitergabe exakter Informationen verlassen. Glaubt man Schumacher, so müssen wir uns nicht nur mit dem Inhalt des Lehrplans befassen, sondern auch mit dem Sinn des Lebens: »[…] ›Know-how‹ ist an sich nichts«, schreibt er, »es ist ein Mittel ohne Zweck […] die Aufgabe der Bildung« muss »in erster Linie die Vermittlung von Wertvorstellungen sein, davon, was wir mit unserem Leben anfangen sollen.«

Diesen Dingen kann man nicht ausweichen. Jedes Bildungssystem ist notwendigerweise Ausdruck – und damit Vermittler – bestimmter Werte. Unseres ist aus der liberalen Tradition hervorgegangen – »liberal«, weil es darauf abzielte, das Denken von erdrückenden religiösen Dogmen zu befreien. Der Lehrplan, der die Fächer einführte, die wir heute noch lernen, diente der sich industrialisierenden Wirtschaft und der entstehenden Demokratie, ging aber von Annahmen aus, die die Ursache für die Krisen sind, denen wir uns heute gegenübersehen: dass die Natur ein seelenloser Mechanismus sei, der menschlichen Zwecken angepasst werden muss; dass ihr Vorrat praktisch unbegrenzt sei; und dass man sich um Abfälle nicht groß kümmern müsse.

Es ist auffallend, dass der Aufstieg des Neoliberalismus – eines erdrückenden neuen Dogmas, das die Freiheit der Märkte zum Zweck der Profitmaximierung heiligt – mit neuen Zerstörungen ungeheuren Ausmaßes zusammenfällt, wobei 80 Prozent des gesamten Kohlenstoffs ausgestoßen und 60 Prozent der gesamten Tierpopulationen ausgerottet wurden. Schulleiter werden zu Managern von Lernfabriken, die miteinander um die Kinder von morgen konkurrieren, indem sie vormachen, dass sie die Kinder von heute – wie Milchflaschen auf einem Fließband – mit dem Wissen und den Fähigkeiten abfüllen, mit denen sie auf einem neoliberalen Arbeitsmarkt konkurrenzfähig sind.

Eine Erziehung, bei der die Menschen und der Planet Erde eine Rolle spielen, muss auf ganz anderen, lebensbejahenden Werten beruhen. Die meisten Lehrer sind von dem Wunsch beseelt, für die Kinder zu sorgen, und so konterkariert sich das System in gewisser Weise selbst. Ich denke, genau das passiert, wenn eine Wespe den Englischunterricht stört. Jahre nach dieser Wespenstunde überreichte mir eine Schülerin, als sie die Schule verließ, eine Dankeskarte. Darauf stand, ich habe sie dazu inspiriert, am Klimastreik teilzunehmen und an der Universität Philosophie zu studieren. Zu meinem Erstaunen erwähnte sie nicht meine vielen sorgfältig geplanten Unterrichtsstunden und Diskussionen zum Thema Klimakrise, sondern schrieb: »als Sie die Wespe auf der Hand hatten«.

Die meisten Lehrer sind von dem Wunsch beseelt, für die Kinder zu sorgen, und so konterkariert sich das System in gewisser Weise selbst.

Im Nachdenken darüber bin ich zu der Ansicht gelangt, dass der Sinn der Bildung nicht nur durch Schumachers abstrakte Wertvorstellungen, sondern durch konkrete Beziehungen ausgedrückt werden kann. Die Beantwortung seiner unausgesprochenen Frage rückt die Menschen in eine Beziehung zueinander und zur Natur, und wenn diese Beziehung zum eigentlichen Ergebnis des Bildungssystems wird, wirkt sich das auf die ganze Wirtschaft und Gesellschaft aus. Als ich die Wespe auf der Hand hielt, wandelte sich die Beziehung der Schüler zu den Wespen von einer Art Feindschaft zu einer Art Freundschaft, und zumindest für eine Schülerin war dies der Beginn eines neuen Weges.

Eine solche Transformation im »Wespen«-Unterricht hat mehrere Ebenen. Erstens gibt es ein paar Fakten, die die Schüler verstehen müssen. Es geht darum, wie die Interessen von Wespen und Menschen miteinander in Einklang gebracht werden können. Die Ökophilosophin Freya Mathews sagt: »Wenn meine Identität logisch mit der Identität anderer Wesen verbunden ist, dann […] hängen meine Chancen auf Selbstverwirklichung von der Existenz dieser Wesen ab […], unsere Interessen stimmen überein.« Solche Informationen sind notwendig, wenn es nicht nur um die Menschen, sondern auch um den Planeten geht.

Zweitens führt eine emotionale Ebene die Schüler von der Ängstlichkeit in ein Mitfühlen. In seiner Lebensphilosophie plädiert der Philosoph der Tiefenökologie Arne Næss für eine Bildung, die »mehr Rücksicht auf Gefühle« nimmt, und ein Kapitel widmet er der Kultivierung eines »Mitempfindens mit allen Lebewesen«. Ein Bildungssystem, das den Kindern von heute eine Zukunft geben soll, muss emotional gebildete junge Erwachsene hervorbringen, die sich der tieferen Beweggründe in sich selbst und in anderen bewusst sind und die Erfahrung mit Konfliktlösung haben.

Aber ohne eine Wespe im Raum hätte ich diese Dankeskarte wohl kaum erhalten – genauso wenig wie Sie beim Lesen dieses Aufsatzes auf solche Fragen kämen, wie meine Schüler sie gestellt haben: »Was macht sie jetzt?«, »Kann ich sie halten?« Die Anwesenheit eines Lebewesens ist faszinierend, aber die Fabrikpädagogik ist süchtig nach Smartboards, als ob sie die Kinder absichtlich an ein halbvirtuelles Leben gewöhnen wollte. Was wäre, wenn die Kinder Anspruch auf einen Lehrplan mit lebendigen Begegnungen statt mit Fächern hätten? Unterricht im Freien wäre eine Selbstverständlichkeit. Besuche von Künstlern, Asylbewerbern und Kriegsveteranen wären ebenso alltäglich wie Schulbücher. Die neoliberale Bildung beruht auf der Abkopplung des Schullebens vom Leben in der Gesellschaft, aber Schüler jeden Alters sollten sich intensiv in den Dienst ihrer örtlichen Gemeinschaften stellen, indem sie beispielsweise Lebensmittel erzeugen, alte Menschen besuchen und das schaffen, was Schumacher als »intermediäre Technologien« bezeichnet.

Schließlich liegt in der Spontaneität der Wespenstunde ein Zauber. Næss verbindet das zentrale »Gefühl, auf einer Entdeckungsreise zu sein«, mit langsamerem, tieferem Lernen innerhalb eines weitläufigen Lehrplans. Das fabrikmäßige Lernen wird von dem monströsen Gott Chronos beherrscht, aber weise Bildung muss dem freundlicheren Gott der Zeit, Kairos, huldigen, dessen pädagogische Inkarnation der vermittelnde Moment ist. In diesem Frühjahr, in dem dieser Moment sich als Wespe verkleidet hat, bin ich in große Fragen eingetaucht: Wie wertvoll ist eine Wespe angesichts der Tatsache, dass es nirgendwo sonst im Universum biologisches Leben gibt? Wie kommst du auf die Idee, dass es in Ordnung ist, Wespen zu töten? Wenn »jeder« so denkt, ist es dann wahr? (Das Beste des Liberalismus hat also immer noch etwas Gutes!) Was ist das für ein Bildungssystem, das einem die Konjunktion beibringt, bevor man zwölf Jahre alt ist, einem aber nie erklärt, warum wir Wespen brauchen? Was alles verschweigt es uns noch?

Vor 2.400 Jahren schrieb der taoistische Lehrer Zhuang Zhou: »Ich kenne die Freude der Fische im Fluss durch meine eigene Freude, wenn ich an eben diesem Fluss entlanggehe.« Wenn wir junge Menschen auf solche Spaziergänge mitnehmen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne, dann werden die Beziehungen, die sie zu den Menschen und der Erde aufbauen, sie befähigen, alles andere selbst zu regeln. Ein Schüler sagte kürzlich: »Sir, ich glaube, Sie haben mein Gehirn davon überzeugt, dass Wespen in Ordnung sind, ich weiß nur nicht, ob ich diese hier mag.« Bevor ich antworten konnte, meldete sich jemand anderes zu Wort: »Sammy. Sie heißt Sammy. Ich wette, du willst sie jetzt nicht umbringen!«

Matt Carmichael ist seit über 20 Jahren Lehrer an einer innerstädtischen High School. Er arbeitet seit langem daran, auf städtischer Ebene Antworten auf den Klima- und Umweltnotstand zu finden, wobei er sich in letzter Zeit besonders auf Schulen konzentriert. Er lebt mit seiner Frau Kath und seinen Kindern im Grundschulalter, Finlay und Lola, in Leeds.

Zweiter Preis

WIR SIND BÄUME

Förderung einer Bildung, die es uns ermöglicht, auf der Erde wirklich zu Hause zu sein

Dheepa R. Maturi

Kinder über die Natur zu unterrichten, ist eines der wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben.

THOMAS BERRY

Das kleine Geschöpf lag seitlich auf dem Boden, sein Bein war offensichtlich gebrochen. Meine Hand verschmierte das Fenster, als ich meinem Sohn dabei zusah, wie er das Laub mit den Fingern beiseiteschob und den verängstigten Vogel behutsam in eine Schachtel steckte, die er mit Luftlöchern und einer weichen Unterlage versehen hatte. Als er zur Vogelschutzwarte fuhr, dachte ich an ihn und seinen Bruder als kleine Kinder, wie sie mit ihren Fingern im Laub wühlten, durch das Gras strichen und sich an den Ästen festhielten. Ich dachte an ihre nackten Füße, wie sie über die Erde liefen, durch Laubhaufen schlurften und in Pfützen planschten. Ich erinnerte mich an zwei kleine Gestalten, die mit Stöcken in der Hand auf und ab sprangen und riefen: »Schaut her, wir sind Bäume! Wir sind Bäume!« Und ich erinnerte mich auch an mich, wie ich, bewaffnet mit Feuchttüchern und antibakteriellem Gel, möglichst lange ausharrte, bevor ich mich hinausstürzte, um ihnen Finger und Füße zu säubern. Ich erinnerte mich, wie ich mir sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, sie könnten später ein richtiges Bad nehmen.

Wenn ich jetzt zurückblicke, bin ich froh, dass ich meine zwanghaften Neigungen zumindest vorübergehend unterdrücken konnte und dass ich so klug war, die Verbrüderung, die sich vor mir abspielte, nicht zu unterbrechen. Ich denke über alle meine Abspaltungen nach – wie ich das Leben durch das Fenster beobachte und die Welt, die sich auf den Bildschirmen der modernen Technik ausbreitet. Von Natur aus bin ich eine Stubenhockerin und definiere mein Zuhause als die vier Wände um mich herum. Ich habe eine Abneigung gegen Schmutz und Ungeziefer, ziehe es vor, Schuhe zu tragen und auf Stühlen zu sitzen. Ich merke, wie weit ich von meinem kulturellen Erbe entfernt bin, insbesondere von dem tiefen Respekt für den Boden unter mir. Als Sechsjährige war ich dabei, als eine anmutige Dame mir meine erste klassische Tanzstunde erteilte: Ich ging in die Knie und berührte den Boden, um mich für das bevorstehende Auftreten meiner Füße zu entschuldigen. Das Morgenmantra in der Familie war eine ähnliche Entschuldigung, bevor jemand aus dem Bett aufstand und auch nur eine Zehe auf den Boden setzte. Das Mantra, das vor dem Essen gesprochen wurde, drückte eine tiefe Dankbarkeit gegenüber Mutter Erde aus, die nicht nur die Quelle der Nahrung ist, sondern auch die Menschen trägt, die die Nahrung ernten und sie zubereiten.

Eingebettet in diese kulturellen Gepflogenheiten war den ganzen Tag lang der ständige Kontakt mit dem Erdboden: barfuß gehen, im Schneidersitz sitzen, sich in die Übungen des Yoga vertiefen. Die moderne Wissenschaft bestätigt, dass der wiederholte und direkte physische Kontakt mit dem endlosen Elektronenvorrat der Erde eine erdende Wirkung hat und zur bioelektrischen Stabilität der Körpersysteme beiträgt. Und aus psychologischer oder sogar spiritueller Sicht vermute ich, dass all diese Handlungen auch ein ständiges Bewusstsein für die Erde unter den Füßen erzeugen und den eigenen Bewusstseinsbereich auf diese Erde ausweiten.

Ich bedaure, dass so viele alte Weisheiten wie diese verlorengegangen sind, von der Zeit weggedrückt wurden, vom Globalismus verseucht und durch Aneignung plattgemacht. So vieles wurde von denjenigen, die damit geboren wurden, abgelegt: aufgrund der Selbstzweifel und des Selbsthasses, die der Kolonialismus vorsätzlich kultiviert hat und die nun als schädliches Erbe fortbestehen. Ich bedaure, dass solche Einflüsse zu einer weiteren Abspaltung führen, die ich in meinem Leben zugelassen habe, obwohl ich mich immer sehr bemüht habe. Glücklicherweise muss diese uralte Weisheit jedoch immer noch in meinen genetischen und karmischen Strukturen eingebettet sein, denn sie ist in meine Kinder übergesprungen und hat sich dort manifestiert. Trotz meiner Unzulänglichkeiten haben sie ihr Erbe mit offenen Händen empfangen und es von ganzem Herzen angenommen. Ich erkenne, dass sich die Weisheit zwischen den Generationen nicht nur in eine Richtung bewegt. In der Tat habe ich von meinen Kindern Lektionen von größerem und dauerhafterem Wert gelernt.

Glücklicherweise muss diese uralte Weisheit jedoch immer noch in meinen genetischen und karmischen Strukturen eingebettet sein, denn sie ist in meine Kinder übergesprungen und hat sich dort manifestiert.

Schließlich waren es ihre Sehnsüchte, ihre Neigungen, die mich in die Stadtparks zogen, als sie klein waren, und dann, als sie älter wurden, in das Blättermeer der Staatswälder und die Felsformationen der Nationalparks. Sie waren es, die mich dazu brachten, mit meinen Fingern und Füßen die lebendige Erde zu berühren. Sie sind das Vorbild, dem ich nachzufolgen versuche, denn ihre Freizeit verbringen sie nie in den eigenen vier Wänden, sondern sie wandern auf Pfaden, klettern über Felsen und lagern unter den Sternen. Für sie bedeutet Luft die Brise der Berge und Wasser die Wellen des Ozeans. Urlaub bedeutet für sie Tage, an denen sie die Welt um sich herum erleben und einatmen. Der Unterschied zwischen uns besteht einfach darin, dass ihre Definition von Zuhause viel reichhaltiger und umfassender ist als meine. Ich bin in meinem Haus zu Hause, und sie sind auf der Erde zu Hause. Für sie gibt es keine Trennungen, nur ein Einbeziehen.

Diese Jungen sind naturwissenschaftlich und mathematisch veranlagt. Sie sind typische junge Menschen mit Smartphones und Bildschirmen, genau wie ihre Altersgenossen. Bei der Arbeit und in der Schule analysieren und sezieren sie, beschriften und programmieren. Wenn ich sie beobachte, sehe ich jedoch Wurzeln wachsen, die sich in alle Richtungen ausbreiten. Ich sehe sie als Teil eines Systems, dessen Fasern und Äste sich mit Orten und Menschen verflechten. All ihre Analyse und Sezierung, ihre Etikettierung und Programmierung geschieht im Rahmen dieser Verwurzelung.

Aufgrund ihrer weit gefassten Definition von Heimat sind sie unfähig, in einem Vakuum zu lernen und zu handeln, unfähig, ihr Wissen von der Welt zu trennen. Deshalb bauen sie mit dem Bewusstsein für das Land, auf dem sie ihre Bauten errichten, und mit dem Bewusstsein für die Menschen, für die sie bauen. Die Heimat ist die weite Erde, und damit sind auch die Menschen dort eine Familie, und alle sind eng miteinander verwoben.

Ich vermute, dass eine Bildung, die den Menschen und den Planeten in den Mittelpunkt stellt, eine bestimmte Art der Erweiterung erfordert. Es bedeutet, dass Vorlesungen und Unterricht in taktile Interaktionen mit dem Land und der Gemeinschaft ausgedehnt werden müssen. Es bedeutet, die Definition von Heimat nach außen zu erweitern, so dass sie zur Grundlage und zum Kontext für jede Lektion wird, von der Mathematik bis zur Computerprogrammierung. Es bedeutet zu zeigen, wie jedes theoretische Konzept die Welt in irgendeiner Weise berührt.

Einige Jahre lang leitete ich ein Stipendienprogramm für Lehrer, das den Lehrplänen einen größeren Zusammenhang verleihen sollte. Mit dieser finanziellen Unterstützung lernten Biologiestudenten etwas über die schwindende Population der Monarchfalter, indem sie einen Bestäubergarten in einem örtlichen Park anlegten. Grundschüler lernten die Gefahren invasiver Arten kennen, indem sie massenhaft Unkraut jäteten und sich beim Ministerium für natürliche Ressourcen für den Schutz einheimischer Pflanzen einsetzten. Ziel des Programms war es, den Schülern zu zeigen, dass ihre Ausbildung eng mit dem Leben um sie herum verbunden ist. Bei dieser Arbeit überraschte mich jedoch am meisten, dass die Schüler nicht überrascht waren. Für sie war es kein revolutionäres Konzept – sie kannten die Lektion bereits, sie war ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Ich habe den Eindruck, dass wir Erwachsenen die Kinder von ihrem angeborenen Verständnis abbringen, dass wir sie zum Vergessen zwingen. Wir machen ihr natürliches Verständnis von Heimat und Familie immer kleiner und schrumpfen es vom Planeten zum Land zum Haushalt und in immer kleinere Einheiten.

Diese Kinder sind dabei, sich zu befreien, und keinen Augenblick zu früh. So viele der nächsten Generation sind entschlossen, ihr Geburtsrecht auf eine saubere Erde und eine verbundene Gemeinschaft zu wahren. So viele sind zu Kämpfern für diese Sache geworden, pflanzen Bäume, um die Wälder wieder aufzubauen, entwickeln Technologien, um die Ozeane zu filtern, setzen sich bei Regierungen für Gesetzesänderungen ein. Sie sind entschlossen, das uralte Wissen zu bewahren, dass jedes Lebewesen, ob groß oder klein, mit dem nächsten verwoben ist. Sie weigern sich, sich abzuspalten.

Ich denke oft an den kleinen Vogel mit dem gebrochenen Bein, der taumelnd und sich abmühend auf dem Boden liegt. Ich denke an die taumelnde und sich abmühende Menschheit auf einem Planeten, den sie an den Rand der Zerstörung gebracht hat. Ich denke an die Kämpfe des modernen Lebens mit seinen zerbrochenen Lebenserhaltungssystemen, zerbrochenen Gemeinschaften, seiner zerbrochenen Verbundenheit. Dann kehrt meine Hoffnung zurück. Ich denke an die nächste Generation: eine, die ihre Hand auf die Erde legt, ein schlagendes Herz spürt und das Notwendige tut.

Dheepa R. Maturi schreibt, um die Natur zu feiern und in dieser Zeit der Klimakatastrophe Hoffnung zu wecken. Sie ist Absolventin der University of Michigan und der University of Chicago. Ihre Essays und Gedichte erschienen in Literary Hub, Fourth River, New York Quarterly, Tweetspeak, Entropy, PANK, Dear America, The Indianapolis Review und anderswo. www.DheepaRMaturi.com

Dritter Preis

DER KREISLAUF DES LEBENS

Cousine Banane zuhören, von den Wölfen lernen

Guy Dauncey

Lass die Natur deine Lehrerin sein.

WILLIAM WORDSWORTH

Mein Name ist Isabella, und ich bin 14 Jahre alt. Ich wurde im Jahr 2107 geboren. Ich lebe mit meinen Eltern in unserem Dorf in der Nähe der kleinen Stadt Siquirres in der Provinz Limón im Zentrum Costa Ricas. Meine Abuela, Großmutter, hat mir von der Krise erzählt, die die Welt erschütterte, als sie noch jung war – wie die Wälder brannten, wie ganze Dörfer durch Überschwemmungen weggespült wurden, wie die Ernte wegen der Dürre und der sengenden Hitze ausfiel; wie gerne sie früher an den Strand ging, um im Meer zu schwimmen und die Meeresschildkröten zu beobachten – aber jetzt sind sie alle weg. Sie erzählte mir von Flüchtlingen aus Nicaragua und Panama, die mit ihren Kindern auf dem Arm an ihre Tür klopften und um Hilfe baten.

Aber dann hielt sie inne und klopfte mir auf das Knie. »Aber es ist jetzt deine Welt, mi cielo. Tu nueva civilización ecológica. Also, erzähl mir davon. Was machst du in der Schule? Macht es dir Spaß?«

Ich möchte Ihnen also von meiner Schule erzählen. Meine Lehrer sind meine Helden. Wir lernen die Geschichte unseres Landes und die Rolle, die die Generation meiner Großmutter bei den politischen Revolutionen spielte, die Mittelamerika verändert haben. Wir lernen Gran Historia – die unglaubliche Geschichte, wie unser Universum entstanden ist. Wir haben gelernt, dass alle Lebewesen eine Familie sind. Wir sind wirklich eins. Ich teile 93 Prozent meiner Gene mit den Klammeraffen, 50 Prozent mit meinen Cousinen, den Bananen.

Wir beginnen jeden Morgen mit einem Kreis, in dem wir über das sprechen, was uns auf dem Herzen liegt und was uns beschäftigt. Manchmal ist es lustig. Manchmal ist es betrüblich. Letzte Woche erzählte meine Freundin Luciana von der Trennung ihrer Eltern und wie traurig und wie wütend sie auf ihren Vater war. Wir hielten sie in unserem Kreis. Die meisten von uns haben geweint. Ich liebe unsere Morgenkreise. Wir sprechen über alles Mögliche, auch über Mobbing, Wut, Schmerz, Groll, Eifersucht und die verschiedenen Arten von Liebe. Manchmal gehe ich mit einem Gefühl der Verwirrung aus dem Kreis, aber meistens singt mein Herz. Ich fühle mich geliebt. Ich liebe die Schüler meiner Klasse.

In diesem morgendlichen Kreis erinnert uns unsere Lehrerin oft an die Geschichte der nordamerikanischen Ureinwohner über die zwei Wölfe, die in jedem von uns leben: Der eine will herrschen und wird oft wütend, und der andere will gütig sein und die Menschen nicht verletzen. Wir tauschen unsere Geschichten darüber aus, wann wir uns wie einer der beiden Wölfe verhalten haben, und sie erzählt uns Geschichten aus der Historie und weckt unser Interesse, etwas über all die Kriege, Brutalitäten und Greueltaten zu lernen, die von dem Wolf verursacht wurden, der herrschen wollte, und über den unglaublichen Fortschritt, der für die normalen Menschen und die Natur durch den Wolf erreicht wurde, der freundlich sein und kooperieren wollte. Es macht mich stolz, ein Mensch zu sein, Teil des Kreislaufs des Lebens zu sein, und ich freue mich, am Anfang meines großen Abenteuers zu stehen.

Einmal in der Woche halten wir eine andere Art von Kreis ab – einen Geistkreis. Wir verbringen Zeit damit, in Stille zu sitzen, und dann erzählen wir uns, was wir wahrnehmen oder fühlen. Wir lernen etwas über die vielen Religionen der Welt, wie viel sie gemeinsam haben und warum auch sie die Menschen dazu gebracht haben, einander zu bekämpfen und zu töten. Wir sprechen über unsere Träume und die Form unserer inneren Welten, wie unsere Lehrerin Cora sie gerne nennt. Letztes Jahr machte meine Klasse einen Ausflug in die Region Talamanca, wo wir mit einer der Ältesten vom Volk der Bribri zusammensaßen. Dieses Volk lebt seit Menschengedenken in Costa Rica. Sie erzählte uns einige ihrer Geschichten und von ihrem Glauben: dass die ganze Natur heilig ist, die Gewässer heilig sind, die Berge heilig sind, die Vögel heilig sind. Ich glaube, das ist etwas, woran auch ich glaube.

Ich möchte Ihnen also mehr über unsere Schule erzählen. Sie liegt eine Viertelstunde zu Fuß entfernt, in Siquirres. Sie besteht aus zehn runden Gebäuden – jedes mit einem Solardach –, die kreisförmig um einen Platz angeordnet sind, auf dem wir uns versammeln und spielen. Wir haben einen Wald mit Wegen und Baumplattformen, auf denen wir einen Teil unseres Unterrichts abhalten. Wir haben unseren eigenen kleinen Bauernhof, wo wir Gemüse anbauen und Hühner halten, und wir kümmern uns um zwei ältere Pferde, die wir reiten dürfen. Wir haben einen großen Teich, an dem wir sehr leise sein müssen, weil dort so viele Tiere, Vögel und Insekten, leben. Wir haben einen tollen Spielplatz, der total wild ist, voller Holzstücke und Schrott, die wir zum Bauen und für Scheingefechte benutzen. Mein Vater meinte, es sei gefährlich, aber meine Lehrerin sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen, denn wie können wir etwas über das Leben lernen, wenn wir uns nicht der Gefahr und dem Risiko aussetzen?

Die Natur ist ein wichtiger Teil unserer Schulbildung. Wir haben gelernt, wie schlecht es zu Zeiten unserer Großeltern war und wie wenig die meisten Menschen über das Klima, den Wald, das Meer und all die Lebewesen wussten, mit denen wir das Leben teilen. Wenn man die Ökologieprüfung nicht besteht, kann man nicht an die Universität gehen, und solche Leute sind verpönt. Meine Schwester musste die Prüfung dreimal machen, bevor sie sie bestand. Ich glaube, das liegt daran, dass sie so viel Zeit am Computer und nicht genug im Wald verbracht hat.

Ich wünsche mir, dass jedes Kind auf der Welt eine so gute Schule wie die unsere hat.