Lebensstile von Studenten im heutigen Bangkok - Christian Eitz - E-Book

Lebensstile von Studenten im heutigen Bangkok E-Book

Christian Eitz

0,0
39,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Südasienkunde, Südostasienkunde, Note: 1,3, Humboldt-Universität zu Berlin, Sprache: Deutsch, Abstract: In einer Welt, in der die Prozesse der Globalisierung scheinbar schneller ablaufen als die Prozesse ihrer Definitionsfindungen in den Stuben der Akademien bricht die Postmoderne mit der lange als Weisheit empfundenen Vorstellung der Monopolisierung der Moderne durch den Westen. Die glückliche Verquickung historischer Zufälle, die dem europäischen Abendland einen kurzfristigen Vorsprung vor anderen Kulturkreisen in der Jahrtausende alten Geschichte der Menschheit verschafft hat, findet ihren Meister in der neuerlichen – diesmal aber weitaus globaler und stärker frequentierten – Verquickung historischer Zufälle. Lange als dem Westen gegenüber rückständig bezeichnete Kulturen, Gesellschaften oder Nationen befinden sich auf dem Weg, der sie über kurz oder lang auf gleiche Augenhöhe mit der westlichen Welt führen wird. Die Frage, wie sich die Situation der gleichen Augenhöhe Europas und Südostasiens zum Beispiel darstellen wird, muss gegenwärtig noch spekulativ beantwortet werden. Jedoch soll die hier vorliegende Arbeit einen kleinen Stein im großen Mosaik der Forschung verkörpern, indem sie auf der Ebene des Individuums - des thailändischen Studenten aus Bangkok im Jahre 2006 – forscht, und Aufschluss darüber geben will, wie der Einzug der westlichen Variante der Moderne die Ausprägung einer thailändischen stimuliert hat Len kanmueang ist eine thailändische Version, die Politik im Lande zu bezeichnen. Deutsche Übersetzungen wären dazu „irrational anmutendes Spiel“ oder „Thailands Demokratisierung: Ein Schauspiel in vielen Akten“ (Reinecke / Sander 2000: 12). Am Dienstag, den 19. September 2006, wurde das Schauspiel um einen weiteren Akt erweitert. Ein unblutiger Militärputsch entriss dem seit Februar 2001 regierenden Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra schlagartig die Macht. Der „Administrative Reform Council“ (ARC) unter Putschistenführer Sonthi Boonyaratglin löste Parlament und Kabinett auf, setzte die Verfassung von 1997 außer Kraft und entließ die Richter des Obersten Verfassungsgerichtes aus ihren Ämtern, sämtliche andere Behörden und Ämter blieben unberührt. Der 20. September wurde zum Nationalfeiertag erklärt, Schulen, Banken und andere öffentliche Einrichtungen blieben für diesen einen Tag geschlossen. Ausgangssperren wurden nicht ausgesprochen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2008

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1. Thailand Heute
1.2 Begründung der Arbeit / Aufgabenstellung
1.3 Die Kapitel
1.4 Verwendete Quellen.
2 Die urbanen Mittelschichten Thailands
2.1 Entstehung der Mittelschichten.
2.2 Die diskursive Konstruktion des Charakters und des Lebensstils der Mittelschichten
2.2.1 Das politische Bewusstsein
2.2.2 Konsum: Global Consumer, Oriental Producer
2.2.3 Der Lebensstil der Mittelschichten
2.3 Studenten in Bangkok: Die junge Generation der Mittelschichten.
3 Die Vorgehensweise.
3.1 Der Forschungsprozess
3.2 Die untersuchte Gruppe.
3.3 Interpretation des Fragebogens
3.4. Zur Vorstellung der Ergebnisse.
4 Vorstellung der Ergebnisse
4.1 Das soziale Umfeld
4.1.1 Äußerungen zu Eltern und Familie
4.1.2. Äußerungen zum Freundeskreis.
4.2 Selbstwahrnehmung
4.2.1 Wahrnehmung der eigenen Individualität
4.2.2 Religionszugehörigkeit und Bedeutung der Religion im alltäglichen Leben
4.2.3 Vorbilder
4.3 Bildung und Karrierevorstellungen.
4.4 Politisches und soziales Bewusstsein.
4.5 Freizeit und Konsum
4.5.1 Bevorzugte Freizeitaktivitäten
4.5.2 Bedeutung des Konsums im alltäglichen Leben
4.6 Gedanken zur Globalisierung.
5 Abschlussbetrachtung.
6 Abbildungsverzeichnis
7 Literaturliste

Page 1

Page 3

1 Einleitung

In einer Welt, in der die Prozesse der Globalisierung scheinbar schneller ablaufen als die Prozesse ihrer Definitionsfindungen in den Stuben der Akademien bricht die Postmoderne mit der lange als Weisheit empfundenen Vorstellung der Monopolisierung der Moderne durch den Westen. Die glückliche Verquickung historischer Zufälle, die dem europäischen Abendland einen kurzfristigen Vorsprung vor anderen Kulturkreisen in der Jahrtausende alten Geschichte der Menschheit verschafft hat, findet ihren Meister in der neuerlichen - diesmal aber weitaus globaler und stärker frequentierten - Verquickung historischer Zufälle. Lange als dem Westen gegenüber rückständig bezeichnete Kulturen, Gesellschaften oder Nationen befinden sich auf dem Weg, der sie über kurz oder lang auf gleiche Augenhöhe mit der westlichen Welt führen wird.

Die Frage, wie sich die Situation der gleichen Augenhöhe Europas und Südostasiens zum Beispiel darstellen wird, muss gegenwärtig noch spekulativ beantwortet werden. Jedoch soll die hier vorliegende Arbeit einen kleinen Stein im großen Mosaik der Forschung verkörpern, indem sie auf der Ebene des Individuums - des thailändischen Studenten aus Bangkok im Jahre 2006 - forscht, und Aufschluss darüber geben will, wie der Einzug der westlichen Variante der Moderne die Ausprägung einer thailändischen stimuliert hat.

1.1. Thailand Heute

Len kanmueang1ist eine thailändische Version, die Politik im Lande zu bezeichnen. Deutsche Übersetzungen wären dazu „irrational anmutendes Spiel“ oder „Thailands Demokratisierung: Ein Schauspiel in vielen Akten“ (Reinecke / Sander 2000: 12). Am Dienstag, den 19. September 2006, wurde das Schauspiel um einen weiteren Akt erweitert. Ein unblutiger Militärputsch entriss dem seit Februar 2001 regierenden MinisterpräsidentenThaksin Shinawatraschlagartig die Macht. Der„Administrative Reform Council“(ARC) unter PutschistenführerSonthi Boonyaratglinlöste Parlament und Kabinet auf, setzte die Verfassung von 1997 außer Kraft und entließ die Richter des Obersten Verfassungsgerichtes aus ihren Ämtern, sämtliche andere Behörden und Ämter blieben unberührt. Der 20. September wurde zum Nationalfeiertag erklärt, Schulen, Banken und andere öffentliche Einrichtungen blieben für diesen einen Tag geschlossen. Ausgangssperren wurden nicht ausgesprochen. Mit dem Verweis darauf, dass der ARC eine schnellstmögliche Rückkehr zur zivilen parlamentarischen Demokratie anstrebe und beabsichtige, bereits innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Übergangsregierung außerhalb des Militärs

1len(Thai) bedeutet „spielen“,kanmueang(Thai) ist die Übersetzung für „Politik“.

Page 4

einzusetzen, sollte einer unnötigen Hysterie innerhalb und außerhalb des Landes vorgebeugt werden. Dieser Zeitplan wurde eingehalten und das Vorhaben planmäßig umgesetzt. Am Montag, den 9. Oktober 2006, ernannte KönigBhumibol Adulyadejden ehemaligen GeneralSurayud Culanontzum vorübergehenden Premier. Sein Kabinet, aus 26 Ministern bestehend, setzt sich zusammen aus ehemaligen Beamten, Bankiers und Universitätsprofessoren; nur der Posten des Verteidigungsministers bleibt traditionell in den Händen des Militärswohlgemerkt in den Händen eines Ex - Militärs. Eine aus Experten bestehende Kommission, deren Besetzung in Kürze geklärt werden soll, wird mit der Aufgabe bedacht, eine neue Verfassung auszuarbeiten, deren Hauptmerkmal darauf liegen wird, Mechanismen desCheck and Balanceso zu strukturieren, dass sie - wie unter Thaksin üblich - nicht mehr so einfach von autoritären Karrierepolitikern ausgehebelt werden können. Spätester Termin für eine offizielle Neuwahl soll der Oktober 2007 sein.2

Das interessante - man möge die zynische, dennoch angebrachte Wortwahl verzeihen - an dem Putsch ist, dass sich mindestens drei fundamentale Aspekte ablesen lassen, die für das tiefere Verständnis thailändischer Machtverhältnisse in Politik und Gesellschaft im Jahre 2006 konstitutiv sind:a.)Das traditionelle Machtzentrum Militär, welches seit dem Beginn der 80er Jahre eine schleichende Erosion seiner Position zu verzeichnen hatte (Reinecke / Sander 2000: 39), nach dem „Blutmai“ (Löschmann 2006) von 1992 zudem auch keinerlei moralische Legitimation mehr besaß, auf das Land „aufpassen“ zu dürfen, und spätestens mit der 1997er Verfassung endgültig aus der Politik verbannt wurde, hat sich mit einem Paukenschlag zurückgemeldet. Es ist nach wie vor sehr mächtig und kann noch immer die Geschicke des Landes - zwar nicht mehr im Alleingang und auch nicht auf Dauer - lenken.b.)Die Monarchie, welche sich immer für friedliche und konfliktfreie Lösungen eingesetzt hat, und nur in unausweichlichen Situationen intervenierte, stellt sich eindeutig hinter die Putschisten und ernennt einen Armeegeneral a. D. - der im Übrigen als ein Vertrauter des Königshauses bezeichnet wird3- zum neuen Übergangsregierungschef. Man könnte vermuten, der König habe sich sein Land mit Hilfe des Militärs von dem sino - thailändischen Businesspolitiker und designierten „Alleinherrscher Thaksin“ (Löschmann 2006), dessen Anwesenheit das Volk so stark zu polarisieren drohte, dass es sich hätte spalten können, zurückgeholt.4

2NZZ Online (10.10.2006), [http://www.nzz.ch./2006/10/10/al/articleEJYHB.html 10.10.2006].

3NZZ Online (10.10.2006), [http://www.nzz.ch./2006/10/10/al/articleEJYHB.html 10.10.2006].

4In seinem Vortrag,„Thailand’s Coup: A Step forward into a dangerous direction”,welcher im Rahmen eines Südostasiencolloquiums an der Humboldt Universität zu Berlin gehalten wurde, bestätigte Prof. Dr. Thongchai Winichiakul (University of Wisconsin, Madison), dass der Putsch vom September 2006 ein„royal coup“war.

Page 5

c.)Der dritte Aspekt, und offensichtlich Bände sprechend für die gesamte Verfasstheit dieser Gesellschaft, ist die Tatsache, dass es einer verhältnismäßig kleinen sozialen Gruppe aus Bangkok gelungen ist, einen derart massiven Druck gegen einen Mann - der vor nicht allzu langer Zeit verfassungskonform von großen Teilen der Bevölkerung des Landes in seinem Amt bestätigt wurde - aufzubauen und seine Wahllegitimität anzuzweifeln (Nelson 2006: 37), dass er letztendlich fallenmusste.Dieser starke Kontrast zwischen Bangkok, und dort vor allem denMittelschichten,und dem Hinterland muss als einer der Hauptgründe für politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungshemmnisse angesehen werden.5Führt man jene drei Aspekte nun zusammen, könnte man meinen, „im Großen“6habe sich kaum etwas verändert: Militär und Monarchie haben beeindruckend ihre Kräfte spielen lassen und mit den üblichen Argumenten7wurde eine Clique, die bis dato nie gekannte Grenzüberschreitungen begangen hat (Löschmann 2006), in ihre Schranken gewiesen. Der urban - rurale Kontrast konnte über die Jahrzehnte nicht abgebaut werden, im Gegenteil, er scheint größer denn je. Es gibt jedoch noch einen vierten Aspekt, der auch für das Verständnis thailändischer Politik- und Gesellschaftsverhältnisse konstitutiv ist, und sehr wohl von einem Wandel „im Großen“ kündet. Es ist dies die Machtverschiebung innerhalb der Politik zugunsten der Wirtschaft, folglich zu ungunsten der alten bürokratischen Eliten und natürlich wie üblich auch zu ungunsten demokratischer Strömungen. Spätestens seit Beginn der 1980er Jahre, einer Zeit, in der sich das Land zusehends Prozessen der Globalökonomie öffnete, seine Wirtschaft immer mehr auf den Export umstellte und Schwindel erregende Wirtschaftswachstumszahlen8zu verzeichnen waren, strömten Unternehmer undBig Businessin die Politik und verdrängten graduell Bürokratie und Militär

Über die genauen Gründe äußerte er sich - nach eigener Aussage - spekulativ, jedoch vermutet er, dass der damalige Ministerpräsident im Begriff war, seine Einflüsse derart auszuweiten, dass es ihm bald möglich gewesen wäre, sogar über die zukünftige Thronfolge im Lande (mit) entscheiden zu können (Winichiakul 27.11.2006).

5Die unterschiedlichen Vorstellungen von politischer Herrschaft sind ein Verweis auf die Ungleichheiten im Modernisierungsprozess, welcher fast immer ausschließlich auf Bangkok ausgerichtet war: „Diese Deutungsmuster hatten bereits in den neunziger Jahren zu einer erheblichen Instabilität in der thailändischen Politik geführt. Damals wurden die Regierungen auf dem Lande gewählt und in Bangkok gestürzt.“ (Bünte 2006:51).

6Die Wortwahl „im Großen“ und „im Kleinen“ soll keine oberflächliche Ausflucht aus Ausdrucksmängeln für die Nennung „klarer“ Begriffe darstellen, sondern ist bewusst festgelegt, um Prozesse wie politische und wirtschaftliche Entwicklungen, die im Großen die Geschicke des Landes bestimmen, und Prozesse wie Veränderungen im Denken, Sprechen und Wahrnehmen, die viel subtiler und langsamer im Kleinen ablaufen, mit einfachen Worten gegeneinander abzugrenzen.

7Korruption, Vetternwirtschaft, Gefährdung der inneren Sicherheit des Landes, Untergrabung der Autorität der Monarchie sind und waren sehr beliebte Legitimationsvarianten von Militärputschen.

8Das Wirtschaftswachstum in den letzten drei Jahrzehnten betrug durchschnittlich 7 Prozent, Ende der 1980er Jahre wurden Wachstumsraten von jährlich 10 Prozent und mehr erreicht, Anfang der 90er Jahre durchschnittlich etwa 8 Prozent. In den Jahren von 1985 - 1992 konnte eine Verdopplung des Bruttosozialproduktes erreicht werden (Wolz 2000: 75f.).

Page 6

von ihren alteingesessenen Posten.9Der BegriffMoney Politicsist wohl der kürzeste, zugleich aber auch treffendste, um diesen Transformationsprozess im politischen Machtspiel zu charakterisieren (Schramm 2002: 57; Pasuk / Baker 205: 239 f.; 247f.). Besonders die sino - thailändische Großunternehmerschicht Bangkoks und die lokalenjao pho10taten und tun sich als Protagonisten hervor, der beste Beweis dafür ist der abgesetzte ehemalige Ministerpräsident Thaksin.

Diese unglaubliche Macht der Wirtschaft ist ohnehin ein Phänomen in Thailand, denn im Gegensatz zu den ständigen Diskontinuitäten und Umbrüchen in der Politik ist sie stets ihren Weg in Richtung Moderne gegangen, und abgesehen von der Wirtschafts- und Finanzkrise 1997, deren Nachwehen bereits zehn Jahre später kaum noch zu spüren sind,11hat sie dies auch immer sehr erfolgreich getan.

So wurde innerhalb weniger Jahrzehnte ein Industrialisierungsprozess durchlaufen, dessen Tempo weit über dem der westlichen Industrienationen, ja sogar über dem der Tigerstaaten Taiwan und Südkorea lag (Reinecke / Sanders 2000: 76). Thailand galt seit den 1960er Jahren bis 1997 als eines der wachstumsstärksten Länder der Welt (Schramm 2002: 58). Heute ist die Wirtschaft geprägt durch eine marktwirtschaftlich - liberale Orientierung mit einer starken Rolle des Außenhandels bei gleichzeitiger Stimulierung der Binnenwirtschaft durch Kredit finanzierte Ausgabenprogramme zugunsten der ländlichen Bevölkerung.12Diese so genanntedual track economy13ist zwingend notwendig vor dem Hintergrund des völlig unausgewogenen Verhältnisses zwischen der Anzahl der Beschäftigten und der Wertschöpfungszahlen der jeweiligen wirtschaftlichen Sektoren.14Technologie intensive Bereiche, Veredelungsindustrien und der Dienstleistungssektor sollen auf lange Sicht den

91975 / 76 gab es erstmals eine größere Zahl von Unternehmern mit Ministerposten; 1988 waren 68,1 Prozent der Parlamentsabgeordneten Unternehmer; der Senat wies nach 1996 einen höheren Anteil von Privatunternehmern als Bürokraten oder Militärs auf - bis dahin wurde er mit einem durchschnittlichen Anteil von 70 Prozent von Militärs und Bürokraten dominiert (Reinecke / Sander 2000: 27f.).

10Der Begriffjao phowurde ursprünglich für lokale Geister oder Menschen mit übernatürlichen Kräften verwendet. Heute werden in erster Linie lokale Geschäftsleute, die meist aus dubiosen Verhältnissen aufgestiegen sind und mit Hilfe eines engmaschigen Patronagenetzwerkes agieren, alsjao phobezeichnet (weitere Begriffe:local godfather; itthipon meut(dunkler Einfluss) (Pasuk / Baker 2005: 239).

11Thailand gehörte mit Wirtschaftswachstumsraten in den Jahren 2002 (5,3 %) und 2004 (6,6%) zu den mit am stärksten wachsenden Volkswirtschaften Asiens. Im Jahre 2003 konnte die letzte Rate des IWF Kredites vorzeitig zurückgezahlt werden (Bünte 2006: 42).

12http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Thailand/Wirtschaft.html. 02.10.2006.

13Der Begriffdual track economybezeichnet die wirtschaftliche Taktik, den Außenhandel weiter stark zu halten, „gleichzeitig aber die ländliche Basis des thailändischen Kapitalismus aufzubauen“ (Bünte 2006: 40;dual track policy).

14Der landwirtschaftliche Sektor, der ca. 49 Prozent der arbeitenden Bevölkerung beschäftigt, hat einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von ca. 10 Prozent, der industrielle Sektor beschäftigt ca. 14 Prozent und erwirtschaftet einen Anteil von ca. 37 Prozent, der Dienstleistungssektor, mit einem Anteil am BIP von ca. 53 Prozent, beschäftigt ungefähr 37 Prozent.

Vgl: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Thailand/Wirtschaft.html. 02.10.2006, und https://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/th.html. 02.10.2006.

Page 7

Agrarsektor ablösen und die in der Landwirtschaft verharrende Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung integrieren.15

Regional unterstreicht das Land seine Eingebundenheit wirtschaftlich und politisch durch die Mitgliedschaften in der ASEAN16und der AFTA17, international durch die Mitgliedschaften in der ASEM18und der APEC19.

Wirtschaftlicher Fortschritt einerseits, politische Stagnation bzw. politischer Rückschritt andererseits, scheinen charakteristisch für die thailändische Gesamtentwicklung. Reinecke und Sander schreiben dazu:

„Ein Automatismus, dem zufolge wirtschaftliche Entwicklung zu Liberalisierung führt, besteht nicht (Reinecke / Sander 2000: 60). […] Die politische Entwicklung in Thailand [ist, C.E.] der wirtschaftlichen Entwicklung nicht geradlinig gefolgt, sondern hat sich eher in einem wilden Zickzackkurs durch die Geschichte bewegt.“20

Wenn sich „im Großen“ also scheinbar nur die Wirtschaft in Richtung Modernität bewegt hat, liegt es nahe, Wandlungsprozesse und Entwicklungstendenzen „im Kleinen“ zu suchen, denn Veränderungen im Lande sind evident.

Die in erster Linie ökonomisch induzierte Öffnung gegenüber globalen Prozessen musste zwangsweise auf die Selbstwahrnehmung der thailändischen Gesellschaft ausstrahlen und gleichzeitig eine Diversifizierung derselben bedeuten. Die ständig steigende Anzahl nachgefragter Fachkräfte und damit einhergehend das sich ständig ändernde Jobprofil entsprechender Fachkräfte erforderte eine Bildungsexpansion. Die zunehmende Zahl Graduierter wanderte zusehends in die Privatwirtschaft - einerseits, weil das Fassungsvermögen der schwächer werdenden Bürokratie bald erschöpft war, andererseits, weil die Gehälter in der Wirtschaft ungleich höher waren als in staatlichen Institutionen. Andere, die nicht in die Wirtschaft wechselten, begannen z.B. journalistisch oder akademisch zu arbeiten. Lehrer, Akademiker, Journalisten, Ingenieure, Manager, Intellektuelle, Künstler, Studenten entwickelten außerhalb der Regierung eine Art Eigenleben und begannen somit allmählich eine Zivilgesellschaft zu etablieren (Reinecke / Sander 2000: 32). Der mediale Einfluss, der anfangs in Form von TV, Radio und Printmedien Einzug hielt und später um das Internet erweitert wurde, kann als „sozialer Spiegel“ angesehen werden, in

15http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Thailand/Wirtschaft.html. 02.10.2006.

16Association of Southeast Asian Nations.

17ASEAN Free Trade Area.

18Asia - Europe Meeting.

19Asia - Pacific Economic Cooperation.

20Reinecke / Sander 2000 : 22.

Page 8

dem sich das Volk selbst reflektieren konnte. Es konnte erfahren, dass seine ethnische Zusammensetzung, seine Vielzahl an religiösen Praktiken, die Komplexität seiner Geschichte, und die gravierenden Unterschiede seiner sozialen Schichten in der Realität doch ein ganz anderes Bild boten, als dasjenige, das der offizielle staatliche Diskurs vorgab (Pasuk / Baker 2005 : 199, 229).

Der Tourismus - Thailands größte Devisenquelle - der zum Millenium mit 12 Millionen Reiselustigen das Land überfiel (Pasuk / Baker 2005: 204), die Schrumpfung der Räume durch wachsende Mobilität in Form von verbesserten Straßen, günstigen Motorrädern, Tourbussen, erschwinglichen Flugtickets, die zunehmende Zahl von im Ausland studierender und arbeitender Thailänder, die o. g. mediale und ökonomische Globalisierung und besonders auch die starke Präsenz der USA21während des Vietnamkrieges, aber auch davor und danach als Militärpatron im Kampf gegen den Kommunismus - all dies konnte nicht spurlos an dieser Gesellschaft vorbeigehen, und tat es auch nicht. Pasuk und Baker schreiben:

„Over one generation during the last quarter of the twentieth century, Thailand’s society changed with unprecedented speed. [...] Information, images, and ideas arrived via satellite, TV transmission, film and internet. The economy became more exposed to global forces, and the society to global tastes and ideas.”22

Dennoch muss festgehalten werden, dass diese Veränderungen „im Kleinen“ in der Realität lokal relativ begrenzt sind, weitestgehend schichtabhängig sind und Prozesse beschreiben, die zwar äußerlich schnell sichtbar wurden / werden, innerlich aber lange Zeit brauchen, um sich zu verfestigen, um somit langfristig wirken zu können. Sie beziehen sich in erster Linie auf die urbanen Mittelschichten - vorzugsweise auf die Bangkoker Mittelschichten - und repräsentieren das „moderne“ Thailand. Der Rest der Gesellschaft, das „alte“ Thailand, stellt den Grund dafür dar, dass Veränderungen „im Großen“ - mit Ausnahme der Wirtschaftnoch nicht passieren konnten und zur Herbeiführung derselben entweder noch viel Zeit

21Seit der Machtübernahme Sarits (1958) war Amerika bis heute in irgendeiner Form kontinuierlich präsent. Anfänglich als spendabler Militärpatron, der in seiner Rolle als Weltpolizist die so genannte„Dominotheorie“formulierte und besonders in Südostasien / Thailand Handlungsbedarf vermutete, entwickelte sich das Verhältnis Thailand und USA während der folgenden Dekaden zu einem sehr innigen. Während des Vietnamkrieges wurden thailändische Militärbasen von den Amerikanern benutzt und ausgebaut. Die erste Autobahn Thailands wurde von den USA finanziert, um eine bessere Erreichbarkeit von Bangkok nach Udon - Thani, der damals größten Luftwaffenbasis der USA in Thailand zu gewährleisten. Als Vorläufer des modernen Sextourismus stammt der so genannte „Rest and Recreation“ Tourismus, der erschöpften amerikanischen Soldaten „neue Energie“ schenken sollte, aus dieser Zeit. Aber auch neue westliche Lebensstile und Ideen kamen mit den Amerikanern. Filme, Musik, Mode, Verhaltensweisen, Fast Food, etc. hinterließen einen prägenden Eindruck, der auf die thailändische Gesellschaft bis heute ausstrahlen muss(te).

22Pasuk / Baker 2005: 229.

Page 9

verstreichen oder ein massiver Bildungs- und Aufklärungsschub initiiert werden muss, damit Bangkok und Thailand eines Tages eine kohärente Gesellschaft bilden können. So könnten dann auch Veränderungen „im Großen“ herbeigeführt werden.

1.2 Begründung der Arbeit / Aufgabenstellung

Im thailändischen Kontext sind jene sozialen Gruppen, die neben Monarchie, Militär undBig Businessdie günstigsten Handlungs- und Entscheidungsfreiheiten haben, ihrer eigenen Identität ein Gesicht zu geben, in erster Linie innerhalb der Mittelschichten Bangkoks zu finden. Dies ergibt sich aus dreierlei Hinsicht:Erstenssind und waren die (Haupt)Städte immer die Orte, die die „globale Moderne mit nationalen Entwicklungen artikulieren“ und somit als „Foren der Auseinandersetzungen um einen neuen Konsens“ angesehen werden können (Korff 1997: 2);zweitensmuss den urbanen Mittelschichten ein gewisses Maß an Kraft und Ambitionen, sich dem Staat gegenüber zu emanzipieren, unterstellt werden,23da siedrittensüber relativ gesicherte finanzielle Ressourcen verfügen, derer es bedarf, um sich neue, vielfältige - „moderne“ - Wissens- und Bildungsressourcen zu erschließen (Dittrich / Hölscher 2001:56). In der wissenschaftlichen und medialen Konstruktion als Hoffnungsträger angesehen, das „moderne Thailand“ aufzubauen, um somit traditionelle Machtverhältnisse zu relativieren und das Volk in der Breite von streng hierarchisierten Denk- und

Handlungsmustern zu befreien, entwickelten sie jedoch ganz eigene Formen, die Angebote einer aufkommenden Moderne für sich umzusetzen. Eine typische Variante, die

thailändischen Mittelschichten zu charakterisieren, liefert zum Beispiel Niels Mulder:

„These people attained their majority in a period of consumer culture, growing up with television rather than with books. They are not interested in social reconstruction, but at best in the construction of condominiums, shopping malls, and urban transportation systems. They are not politicized such as the students of the early 1970s were. Cynical about politics, and motivated mainly to live up their chosen lifestyles, they are far removed from being critically participating citizens; politically seen, they are kibitzers at best.”24

Nun die Frage: Ist der von Mulder beschriebene Zustand bereits Ausdruck der

südostasiatischen Variante von Modernität in Bezug auf die Mittelschichten oder sollte er - der Notwendigkeit, sozialen Transformationsprozessen (sehr) viel Zeit geben zu müssen,

23„[…], certain middle classes - say of highly educated professionals - develop so much cultural power that they can exert effective pressure for their own emancipation. As the vanguard of new, more timely ideas they breach the fortress of conservatism protecting the state and its simplistic two - class ideology.” (Mulder 1997:16).

24Mulder 1997: 16.

Page 10

Rechnung tragend - nur als ein Zwischenschritt auf einem langen Weg gesehen werden? Obwohl dem Entwicklungsweg einer Gesellschaft immer ein Prozesscharakter implizit ist, kann die aufgeworfene Frage bis dato nur spekulativ beantwortet werden. Aus dieser Überlegung heraus ergab sich das forschungsleitende Motiv der vorliegenden Arbeit: Die Gruppe derStudenten25im heutigen Bangkokliegt altersmäßig etwa 10 Jahre unter den Mittelschichtgenerationen, die Mulder beschreibt. Konsequenterweise ergibt sich die Frage, inwiefern sich dieLebensstileder jüngeren Generationen von denen der älteren unterscheiden? In welchem Ausmaß, in welchen Aspekten? Zur näheren Beleuchtung dieser Frage sollte eine Bestandsaufnahme von bestehenden Lebensstilen von Studenten in Bangkok erfolgen. Diese wurde in Form von Gesprächen, die sich an einem vorbereiteten Fragebogen orientierten, durchgeführt. Es sollte erfragt werden, wie diese Jugendlichen ihren eigenen Lebensstil wahrnehmen. Wie nehmen sie die Unterschiede zwischen ihrer eigenen und der Generation ihrer Eltern war? Welche Vorstellungen haben sie hinsichtlich Beruf, Karriere und Familie? Setzen sie sich mit sozialen und politischen Problemen in ihrem Land auseinander? Welche Rolle spielt die Religion in ihrem Leben, welche Gedanken haben sie zur Globalisierung, etc.?

Zusammengefasst kann das Ziel dieser Arbeit also lauten: Anhand einer zufallsgesteuerten Bestandsaufnahme von Lebensstilen innerhalb der sozialen Gruppe der Studenten im heutigen Bangkok, sollerstenserkundet werden, welche möglichen Arten von Lebensstilen überhaupt existent sind. Undzweitenssoll der Versuch unternommen werden, mit Hilfe der gewonnenen Informationen - in Verbindung mit aktueller (Fach)Literatur - eine Art Kontrastfolie zu entwerfen, anhand derer Mulders Mittelschichtgenerationen mit der der Studenten im Jahre 2005/ 06 verglichen werden kann.

1.3 Die Kapitel

Die vorliegende Arbeit ist in zwei große Blöcke aufgegliedert - einen theoretischen und einen empirischen. Kapitel 2. „Die urbanen Mittelschichten Thailands“ wird anhand der Besprechung relevanter Fachliteratur den theoretischen Hintergrund liefern, dessen Interpretation helfen soll, Merkmale einer „Mittelschichtkultur“ herauszufiltern, die den Bezugsrahmen der Sozialisation der jungen Studenten darstellt.

25Studenten in Thailand kann prinzipiell auch ohne das Wissen um deren finanziellen Rückhalt Mittelklassestatus zugeschrieben werden, da sie am tertiären Ausbildungssystem teilhaben und somit mindestens unter soziokulturellem Blickwinkel einen der zentralen Mittelklassewerte vertreten. Vgl. hierzu auch Kapitel 2.3.

Page 11

So wird ein Überblick über die Entstehung der Mittelschichten zeigen, in welchem Maße sie zu welchem Zeitpunkt in der Geschichte des Landes auftraten und durch welche sozialen Aufstiegskanäle sie ihren Status erreichen konnten.

Einen weiteren Aspekt des theoretischen Teils stellt die Beschäftigung mit der diskursiven Konstruktion des Charakters und des Lebensstils der Mittelschichten dar. Hier werden die verschiedenen historischen Handlungen besprochen, aufgrund derer dominante Paradigmen entworfen wurden, die helfen sollten, diese sozialen Schichten zu charakterisieren. Besonders ihre Rolle im politischen Geschehen des Landes führte in den vergangenen Dekaden verstärkt zu Fragen nach ihrem politischen Bewusstsein und den sich daraus scheinbar offenbarenden Ambitionen, aktiv am Prozess der Konsolidierung einer Demokratie in Thailand teilnehmen zu wollen. In gleicher Weise maßgeblich bestimmend für die Beschreibung des Charakters der thailändischen Mittelschichten erscheint das Bild einer jungen gleichwohl exzessiven Konsumgesellschaft.

Dass die Festlegung auf einige wenige Charaktereigenschaften zur Beschreibung dieses äußerst heterogenen Spektrums sozialer Gruppen aus wissenschaftlicher Perspektive jedoch nicht durchzuhalten ist, wird spätestens bei der Suche nach einer angemessenen Begrifflichkeit zur Fassung desselben deutlich. Daher soll Kapitel 2. auch dazu dienen, vertiefend zu erklären, worauf sich diese Konstruktionen begründe(te)n, und wie die offensichtliche Vielfältigkeit von Charaktereigenschaften der thailändischen Mittelschichten im akademischen Diskurs aufgefangen wurde. Die Einführung des Lebensstilkonzeptes in die Forschung über die asiatischen Mittelschichten sollte den o. g. Konflikt auflösen und ein Referenzniveau schaffen, auf dem weniger die dominanten Paradigmen gegeneinander abgewogen werden, als viel mehr ihre komplexen Mischformen abgebildet werden könnenihre Lebensstile eben.

Der letzte wesentliche Aspekt, der zur Aufbereitung einer theoretischen Grundlage zum tieferen Verständnis der gewonnen Ergebnisse dienen soll, wird in Form einer Besprechung der jungen Generation der Mittelschichten, der Studenten, geliefert. Hier soll gezeigt werden, wie der zentrale Mittelschichtwert „Bildung“ etabliert wird, welche Rolle den Studenten innerhalb ihrer Gesellschaft zugeschrieben wird, und in welcher Fächerkombinationaufgeschlüsselt anhand einer Abbildung der Graduierten- und Einschreibungsprofile der staatlichen Universitäten aus 2000 und 2001 - diese Bildung angestrebt wird. Das dritte Kapitel „Die Vorgehensweise“ beschreibt den Aufbau des Forschungsprozesses und schildert unter welchen Vorüberlegungen entsprechende Forschungsschritte umgesetzt wurden. Des Weiteren wird darüber Auskunft gegeben, wie sich die untersuchte Gruppe

Page 12

alters- und zahlenmäßig zusammensetzt, sowie darüber, in welcher Fächerkombination die Studenten eingeschrieben sind. Die Interpretation des Fragebogens beschreibt, nach welchen Aspekten die „Operationalisierung“ des Fragebogens stattgefunden hat, und schildert dabei insbesondere, wie die ursprünglich für den westlichen Kontext angelegte Lebensstilforschung in den thailändischen übertragen wurde.

Die Auswertung der empirischen Arbeit wird das vierte Kapitel „Vorstellung der Ergebnisse“ bilden. Entsprechend der in Unterkapitel 3.4. „Zur Vorstellung der Ergebnisse“ gemachten Aussagen zur induktiven Neuzusammensetzung der Frage- und Antwortkategorien, setzt sich der empirische Teil dieser Arbeit aus sechs Unterkapiteln zusammen. Hier werden die Aussagen der Studenten mit akademischer und journalistischer Literatur zusammengeführt und münden in eine Analyse, die den Aussagewert der empirischen Arbeit erklären wird. Wie werden also die gesellschaftlichen Veränderungen in Thailand, die Globalisierung, politische und soziale „Handlungsnotwendigkeiten“, Partnerschaften, etc. aus der Perspektive des Individuums, des thailändischen Studenten aus Bangkok im Jahre 2006, wahrgenommen. Abschließend soll diskutiert werden, an welchen Stellen sinnvolle Anknüpfungspunkte zwischen meinen Ergebnissen und besprochenen theoretischen Vorüberlegungen bestehen. Es soll diskutiert werden, welche Schlüsse sich aus dem empirischen Material ergeben könnten, also ob zum Beispiel makroperspektivisch erarbeitete Theoriebefunde für die Ebene des Individuums relativiert werden müssen, oder ob zum Beispiel neue Erwartungen aufgrund der gewonnenen „Daten“ formuliert werden können.

1.4 Verwendete Quellen

Für den theoretischen Teil wurden in erster Linie Autoren zitiert, die meiner Meinung nach durch ihre sehr differenzierte und zum Teil auch bemerkenswert distanzierte Darstellungsweise stark zu respektierende wissenschaftliche Autoritäten auf dem Gebiet der Südostasienwissenschaften darstellen. Besonders die Arbeiten von James Ockey zur „Konstruktion des Charakters der thailändischen Mittelschichten“, sowie die historisch angelegten Arbeiten von Pasuk Phongphaichit und Chris Baker als auch die Arbeiten von Niels Mulder, der anhand von Analysen über das thailändische Schul- und Bildungssystem einen großartigen Einblick in die Sozialisation der Thailänder gibt, haben den Charakter der hier vorliegenden Arbeit geprägt.

Für den empirischen Teil wurden vorzugsweise thailändische Akademiker und Journalisten zitiert, wodurch die in Kapitel 3.1. angesprochene „Binnenperspektive“ noch einmal betont werden sollte. Zusätzlich wurden thaisprachige „Lifestyle“ Magazine, Stadtmagazine, die

Page 13

ungefähr den Berliner Magazinen „Zitty“ oder „Tip“ - in denen kulturelle Ereignisse aufgeführt, Kleinanzeigen geschaltet, stadtbezogene Berichte geschrieben, Satire, Comics, Modetrends, Einkaufsmöglichkeiten, etc. aufgeführt werden - recht ähnlich sind und Internetseiten, die eine breite Palette von Aspekten des „jugendlichen Lebensstils in Bangkok“ präsentieren, als Quellen verwendet.

Als Quelle zusätzlicher statistischer Befunde konnten in erster Linie die thaisprachige Umfrage„Yaowachon tai 2001: tongkan hai rataban mai ...reng gae panha setagit (Thai Youth in 2001: Requires the New Government to Hasten in Solving the Economic Problems).“des„Thai Farmers Research Center“und die englischsprachige Version der

Statistiksammlung„Pocket. Thailand in Figures 2005“der„Alpha Research Co., Ltd.“dienen.

Page 14

2 Die urbanen Mittelschichten Thailands

2.1 Entstehung der Mittelschichten

Jiraporn Witayasakpan zufolge dürfte das späte 19. Jahrhundert als frühester Anfangspunkt in der Geschichte der thailändischen Mittelschichten angesehen werden.26Sowohl der rapide Ausbau der Staatsbürokratie27zu dieser Zeit als auch der Anstieg der Händler und Geschäftsleute seit demBowring Treaty28aus dem Jahre 1855 eröffneten vielfältige Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs und begünstigten somit das Entstehen neuer sozialer Gruppen, die sichzwischenOber- und Unterschicht bewegten (Pinches 1999: 12). Zur Zusammensetzung dieser sozialen Schichten schreibt Ockey:

„The structurally defined middle class of the period was made up, then, largely of traders, independent farmers and civil servants, including academics. There was also a sprinkling of journalists.”29

Ein Charakteristikum dieser neuen sozialen Schichten - zumindest derer, die nicht als Händler und Geschäftsleute einen sozialen Aufstieg zu verzeichnen hatten - war das zunehmende Maß an Bildung, westlicher Bildung (Witayasakpan 1992: 43. In Ockey 1999: 231). Dies musste automatisch dazu führen, dass die Notwendigkeit des Bestehens einer absoluten Monarchie hinterfragt und zunehmend stärker angezweifelt wurde (Thompson30; Mokarapong31). Benjamin Batson (1974) zufolge brachte die Einführung einer Einkommenssteuer, die in erster Linie Regierungsbeamte und Angestellte westlich strukturierter Firmen traf, das ohnehin schon brodelnde Fass revolutionären Gedankengutes zum Überlaufen.32

26Jiraporn Witayasakpan (1992),Nationalism and the Transformation of Aesthtetic Concepts: Theatre in Thailand during the Phibun Period.Ph.D. dissertation, Cornell University. In: Ockey 1999: 231.

27„[…] the semi - hereditary bureaucracy was transformed into a salaried civil service and expanded dramatically during the 1890s.“ (Siffin, William (1966),The Thai Bureaucracy: Institutional Change and Development.Honolulu, East - West Center Press. In: Ockey 1999: 231f.); Siffin geht von einer Verdopplung der Angestellten von 1892 bis 1899 aus; die um 1900 geschätzte Anzahl von 25000 Staatsbediensteten soll bis zum Jahre 1918 bis auf 80000 angestiegen sein.

28DerBowring Treaty-unterzeichnet im Jahre 1855 von Sir John Bowring (britischer Statthalter in Hong Kong) und dem siamesischen König Mongkut - markierte Siams Abwendung von China und Hinwendung zum Westen in ökonomischer Hinsicht. Hauptbestandteile des Vertrages waren die Aufgabe königlicher Handelsmonopole, dem Zugeständnis gleicher Handelsrechte für China und den Westen und der freie Opiumhandel durch Großbritannien in Siam. Vgl. dazu Phongpaichit / Baker 2005: 45f.

29Ockey 1999: 232.

30Thompson, Virginia (1941),Thailand: The New Siam.New York, Macmillan:61. In: Ockey 1999: 232.

31Thawat Mokarapong (1972),History of the Thai Revolution,Bangkok, Chalermnit:86-7, 77-8. In: Ockey 1999: 232.

32Batson, Benjamin (1974),Siam’s Political Future: Documents from the end of the Absolute Monarchy.Ithaca, NY, Cornell University Southeast Asia Program: p. 75. In: Ockey 1999: 232.

Page 15

Mit dem Sturz der absoluten Monarchie im Jahre 1932 betraten die Mittelschichten erstmals die politische Bühne. Im akademischen Diskurs - sowohl im thailändischen als auch im westlichen - wurden und werden dabei die Anteile der verschiedenen Segmente dieser Schichten an dem Putsch unterschiedlich bewertet.33Nakharin (1992) liefert hinsichtlich dieser Fragestellung wohl die beste Beschreibung des Ereignisses:

„The middle class outside government service did not play a role in seizing power…That task fell to the mid - level civil servants and soldiers. However, the act of seizing power took place in circumstances where the middle class outside the government service had already helped to destroy the legitimacy of the upper class to govern ... almost completely.”34

Über die folgenden zwei Jahrzehnte wurden die Mittelschichten in der akademischen Literatur hauptsächlich als Kombination aus unabhängigen Geschäftsleuten undwhite collar

Bürokraten konzeptionalisiert (Ockey 1999: 233). Diese Simplifizierung mündete

paradoxerweise in den 1950er und 60er Jahren sogar in der Verleugnung der Existenz einerstrukturelldefinierten Mittelschicht in Thailand.35Ockey beschreibt diesen Prozess als „Zweistufenprozess“, in dem zu Beginn die soziale Unterscheidung der thailändischen Bevölkerung eben weniger strukturell als vielmehr ethnisch getroffen wurde. Er zitiert G. William Skinner (1957a, 1957b) folgendermaßen: