Lebst du schon oder erziehst du noch? - Caren Schütt - E-Book

Lebst du schon oder erziehst du noch? E-Book

Caren Schütt

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  • Herausgeber: Migo
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Wenn ein Kind am mobilen Arbeitsplatz den teuren Bildschirm mit Fingerfarben "verschönert", ist es nicht leicht, entspannt zu bleiben. Wie das in diesem und vielen weiteren Fällen gelingt, hat Autorin Caren Schütt in einem etwas anderen Erziehungsratgeber – praxistauglich (!) – auf den Punkt gebracht. Aktueller und wichtiger kann ein Buch vor allem in dieser Zeit voller Herausforderungen nicht sein. Sie hat mit Expert:innen und Familien gesprochen und die Ergebnisse in 77 wertvollen Tipps zusammengefasst. Dieser Ratgeber schließt eine Lücke: er bietet eine witzige Mischung aus Unterhaltung und Information. Entstanden in Kooperation mit dem renommierten Magazin "Leben & erziehen". Lebst du schon – oder erziehst du noch: Der Name ist Programm – für alle Eltern, die entspannt (über-)leben wollen.

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Über dieses Buch

Heulende Kinder, verschmierte Wände, streitende Geschwister – so sieht Familienleben oft „in echt“ aus.

Entspannt zu bleiben, ist eine große Aufgabe, die Eltern mal mehr, mal weniger schwer fällt. Wie das gelingt, hat Autorin Caren Schütt in diesem (etwas anderen) Erziehungsratgeber persönlich und vor allem praxistauglich auf den Punkt gebracht. Dieser wichtige Ratgeber schließt eine Lücke: er bietet eine witzige Mischung aus Unterhaltung und Information.

 

Besser geht immer, perfekt geht nicht!

Die Autorin und erfahrene Mutter beschreibt Werte und Fähigkeiten und wie man sie dem Nachwuchs nahebringt.

Aus den Gesprächen mit zahlreichen Expert:innen und Familien hat sie 77 wertvolle Tipps zusammengefasst.

 

Das Buch für alle Eltern, die entspannt (über-)leben wollen. Entstanden in Kooperation mit dem renommierten Familienmagazin „Leben & erziehen“.

Für John

Vorwort

Hallo liebe Leser:innen,

ich freue mich, dass ihr dieses Buch zur Hand genommen habt. Ich weiß, Eltern haben wenig Zeit, daher komme ich besser gleich auf den Punkt: In den folgenden 77 Kapiteln beschreibe ich wichtige Werte und Fähigkeiten und wie man sie den Kleinen beibringt. Es besteht dabei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Sicher werdet ihr ab und zu heftig nicken und manchmal bestimmt auch denken, was hat das jetzt mit mir zu tun? Damit muss ich rechnen, und das ist okay.

Kurz zu mir, denn ich werde hin und wieder in den Texten auftauchen. Ich bin 41 Jahre alt und habe einen sechsjährigen Sohn mit dem Namen John. Und ich bin definitiv keine perfekte Mutter. Ich versuche auch nicht mehr, eine zu sein.

Rama war ma’

Früher war die klassische Rama-Familie das erstrebenswerte Familienmodell. Mutti, Vati, zwei Kinder und ein Hund. Frühstück, weiße Tischdecke, alle glücklich! Scheidung? Um Gottes willen! Das Konzept der klassischen Rollenverteilung ist heutzutage überholt. Heute arbeitet nicht nur Vati, Scheidung ist durchaus drin, und Tischdecke geht auch in abwischbar! Es gibt Eltern, die sind verheiratet, oder eben nicht. Es gibt Alleinerziehende, Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien und noch viele andere Formen. Alle sind gut, wie sie sind. Es gibt kein besser oder schlechter, es gibt einfach nur Familien, deren Ziel es ist, glückliche und zufriedene Kinder großzuziehen. Auch mein eigener familiärer Werdegang spiegelt das wider: Ich war die ersten Lebensjahre meines Sohnes alleinerziehend. Leider hatte ich damals noch den komplett irren Anspruch an mich selbst, beide Elternteile zu kompensieren. Das schlechte Gewissen war mein konstanter Begleiter. Beispiel?

Ich habe mein Kind angebrüllt, wenn ich nervlich am Limit war. Dann tat es mir leid, und ich habe ihm deswegen zu viel erlaubt: noch mehr Fernsehen, Schokolade … Und es heißt doch, die Kinder sollen nur maximal zwanzig Minuten vor den Bildschirm! Und sowieso kein Zucker in den ersten zwei Lebensjahren! Dann hatte ich ein schlechtes Gewissen deswegen. Eines schönen Tages kam der Wendepunkt, und ich habe mir gesagt: Erziehungstipps sind toll, aber wenn sie dein Leben nicht verbessern, was willst du dann damit? Seitdem lese ich immer noch gerne über Kinder und Erziehung, aber ich passe alles sofort auf meine persönliche Situation an. Und das kann ich nur allen empfehlen. Entspannt kommt man hier wesentlich weiter. Ich plädiere für einen realistischen Anspruch an sich und die eigene Erziehungskompetenz. Besser geht immer, perfekt geht nicht.

Bei mir zu Hause? Oh, là, là!

Ich bin seit einigen Jahren Teil einer deutsch-französischen Patchworkfamilie. Mein Mann ist Franzose und hat zwei Töchter (vier und sechs Jahre alt), die in Frankreich leben. Weil er in Deutschland leider von ihrem Leben so viel verpasst hat (Corona!), haben wir uns 2020 entschlossen, nach Frankreich zu ziehen. Mein Mann fand einen Job bei Paris, und wir packten die Kisten. Ich habe Angst gehabt, dass mein Sohn John (damals fünf Jahre alt) das nicht schafft, dass er Heimweh hat und die Sprache nicht lernt.

Kleine Vorweg-Auflösung: Er hatte natürlich Heimweh, und er hatte durchaus Probleme, die Sprache zu lernen. Nach einer schwierigen Anfangsphase hat John nach gut drei Monaten auf einmal angefangen, Französisch zu sprechen. Er versteht sich super mit den Töchtern meines Mannes und ist hier in unserem Dorf oft bei Freunden eingeladen.

Das hat Methode

So viel zu meinem Hintergrund. Nun zu meiner Herangehensweise. Ich habe vieles, was ich in meinen Kapiteln beschreibe, recherchiert, von Expert:innen erfahren, oder es hat für Leute, die mir nahestehen, funktioniert. Manchmal ist es auch eine Mischung aus allem. Manches sind Anekdoten und eigene Erfahrungen, die ich wertvoll finde und die ich mitteilen möchte, mit dem Ansatz „Ich hätte es gerne früher gewusst“. Mir ist vollkommen klar, dass man nicht alles, was ich hier beschreibe, in seinem Leben umsetzen kann. Das ist auch gar nicht der Anspruch. Mein Ziel ist es, euch mit den 77 Kapiteln Anregungen für den Alltag zu geben, über bestimmte Werte und Fähigkeiten nachzudenken. Dazu gibt es gleich ein paar Ideen zur Umsetzung an die Hand. Vielleicht fallen euch auch selbst ganz neue ein.

Warum schreibe ich eigentlich über Werte und Fähigkeiten? Werte machen aus kleinen Menschen großartige Charaktere. Und davon braucht die Welt ein paar mehr. Fähigkeiten machen Kinder selbstbewusst, unabhängig und krisenfest. So kann man dem Leben jederzeit gut begegnen.

Echte Eltern, echte Kinder!

Wenn ich bislang eins im Leben über das Elternsein gelernt habe, dann, dass man sich davon freimachen muss, dass immer alles gut laufen muss. Auch negative Erfahrungen (doofe Schule), Hindernisse (schwere Sprache) und ungute Emotionen (Heimweh) haben ihre Berechtigung. Es ist nun mal so: Kein Toast ohne Krümel, kein Leben ohne Jammer. Ich feiere es immer, wenn Eltern den Mut haben, zu zeigen, wie es im Familienleben „in echt“ aussieht: heulende Kinder, verschmierte Wände, streitende Geschwister. Wir wissen oft intuitiv, dass das, was uns als Ideal in den sozialen Medien präsentiert wird, nicht real ist. In jeder Familie gibt es mal Streit, Chaos oder jemanden mit sehr schlechter Laune. Aber wir hadern trotzdem mit uns und Familie Grinseprinz auf Instagram. „Warum schaffe ich das nicht?“ Weil es nicht echt ist. Unsere Zweifel sind es, die aus uns echte Eltern machen. Bin ich eine gute Mutter? Bin ich ein guter Vater? Zweifelt ruhig, aber verzweifelt nicht.

Nicht zu vergleichen!

Warum ich dieses Buch schreibe? Eine bessere Welt fängt beim eigenen Kind an. Wenn wir freundliche, respektvolle und im Idealfall in sich ruhende Menschen haben wollen, müssen wir sie selbst erschaffen beziehungsweise erziehen. Jedes Kind lernt irgendwann laufen, auf Toilette gehen oder schläft acht Stunden durch. Wir können uns gerne vorher einen abturnen, aber wir können diese kindsspezifische Timeline oft nicht beschleunigen. Und glaubt mir, ich habe es wirklich probiert.

Ich habe eine Toilette gekauft, die Musik spielt, um meinen Sohn zu ermuntern, doch etwas früher mit dem Ausscheiden auf Erwachsenenart anzufangen. Bei jedem Kötel bimmelte die Toilette. Mein Sohn fand es so mittel. Es dauerte, dann wollte er lieber auf „das große Klo“. Im Grunde wollen wir unseren Kindern den Übergang ebnen. Okay. Und gegebenenfalls auch die Entwicklung beschleunigen. Nun ja. Niemand ist wirklich frei davon. Denn es wird bei Kindern heute leider vermehrt Fokus auf vergleichbare Performance-Eigenschaften gelegt, um im Kalten Krieg auf dem Spielplatz mitzuhalten. Schlafen – Laufen – Windel ist der Dreikampf im Baby- und Kleinkindalter: „Der Fritz braucht keine Windel mehr, der Fritz kann schon auf Altgriechisch bis zehn zählen.“ Toll! Leider ist Fritz auch spätestens nach dreißig Sekunden frustriert, wenn es nicht so läuft, wie er sich das vorstellt, und wird zu Dynamit auf Kniehöhe.

Was wirklich zählt

Die Eigenschaften, die Kinder benötigen, um sich in der Welt zurechtzufinden, im Dschungel von Lernen, Arbeit, Mitmenschen und gesellschaftlichen Anforderungen, die müssen wir als Eltern ihnen vermitteln. Andernfalls haben wir in Zukunft eine Armee von erst kleinen und dann recht großen Tyranninnen und Tyrannen, die versuchen, die Welt zu beherrschen. Oder zumindest das Büro. Es braucht viele soziale Fähigkeiten, damit wir alle in Frieden leben können. Im Kleinen und im großen Ganzen.

 

Habt ihr schon mal in einem Großraumbüro gearbeitet? Hier treffen jede Menge Erziehungsfehler aufeinander. Ihr kennt bestimmt auch das Spiel „Fenster auf, Fenster zu“. Ich empfehle dazu das Kapitel Kompromisse. Der Kollege, der euch immer eine Frikadelle ans Ohr labert, hat leider nie gelernt, Grenzen zu akzeptieren, siehe Kapitel Grenzen. Oder es hapert auf der Empfängerseite mit dem Neinsagen (siehe ebenfalls Kapitel Grenzen). Vielleicht kennt ihr auch jemanden, der oder die konsequent zehn Minute zu spät zu Meetings erscheint? (› Pünktlichkeit)

Apokalyptisch, aber wahr: Wenn Kinder diese Eigenschaften nicht von uns lernen, lernen sie es nicht. Die gute Nachricht: Viele Werte vermitteln wir unseren Kindern automatisch. Vor allem unsere eigenen Stärken. Aber jedes Kind ist anders und braucht Förderung bei bestimmten Eigenschaften. Wir übrigens auch. Ich kann auch nicht alle Werte gleich gut vertreten. Ich bin introvertiert und stehe nicht gerne im Rampenlicht. Nun ist eine gewisse Portion an Rampensau aber für das Leben durchaus förderlich. Wie bringe ich meinem Sohn jetzt bei, sich selbst zu präsentieren, wenn ich es doch selbst auch nicht mag? Ha! Da muss ich wohl selbst über meinen eigenen (großen) Schatten springen, um seinen gar nicht erst in hinderliche Größe anwachsen zu lassen.

 

Wir brauchen unsere Kinder auch eigentlich gar nicht „erziehen“, wir müssen nur das, was wir uns von ihnen wünschen, selbst vorleben. Immer und immer wieder. Wenn ich mir vor dem Essen nicht die Hände wasche, wird es mein Sohn auch nicht tun. Wenn ich nicht Bitte, Danke, Guten Morgen und so weiter sage, dann wird mein Sohn die Notwendigkeit ebenfalls nicht einsehen.

Zeit ist Gold

Wenn ich dieses Buch in nur einem einzigen Tipp zusammenfassen müsste, wäre es dieser: Gebt euren Kindern eure Zeit, nicht euer Geld (kauft das Buch aber bitte trotzdem).

Vielleicht geht es euch auch so: Meine Lieblingserinnerungen aus meiner Kindheit haben absolut nichts mit Spielzeug zu tun. Was zählt, ist Familie, gemeinsame Aktivitäten und manchmal auch ein kleines Abenteuer. Besonders wertvoll ist die Zeit, die wir bewusst und aufmerksam mit unseren Kindern verbringen. Das langweilige Brettspiel, die Knete, die nachher überall verstreut ist, das mühsame gemeinsame Kekseausstechen (ich habe hier bewusst meine Top Drei der nervigsten Aktivitäten gewählt). Wir bringen den Kindern hier automatisch so viel bei: Ein Brettspiel fördert Fairness, Knete die Kreativität und Keksebacken den Einstieg zum Kochen.

Zusammenfassung am Kapitelende: Die Quitte, bitte

Ich habe euch die Kernaussagen eines jeden Kapitels immer am Schluss zusammengefasst. Hier könnt ihr, wenn es schnell gehen muss, alles noch mal kurz nachlesen. Ursprünglich wollte ich als Überschrift „Die Quintessenz, bitte“ drüberschreiben. Stattdessen schrieb ich aus Versehen: „Die Quitte, bitte“. Das fand ich dann sogar besser und ließ es einfach stehen. Aus Fehlern entsteht ja oft Neues. Die Quitte ist daher unser kleines Symbol.

Klopf, klopf!

Ich habe dieses Buch auch geschrieben, um euch auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: Ihr macht das toll. Eltern zu sein, ist eine verdammt große Aufgabe, ständige Fortbildung erforderlich. Allein, dass ihr dieses Buch lest, zeigt, dass ihr an euch arbeiten wollt. Und jeder, der an sich arbeitet, hat Lob verdient. Also: Bravo! Kudos! Chapeau! Bevor es losgeht, habe ich noch ein kurzes, aber wichtiges Anliegen: Bitte lest dieses Buch mit dem Herzen.

Wie das gehen soll? Nehmt das mit, was sich für euch richtig anfühlt, und lasst, was euch nicht zusagt, für jemand anderen stehen. Mir liegt wirklich nichts ferner, als irgendjemanden zu verletzen. Ich will niemanden bekehren oder tadeln oder vortäuschen, ich hätte die Weisheit gepachtet. Habe ich nicht. Ich kann ganz gut recherchieren, anderen Leuten zuhören und beides schriftlich kombinieren. Das ist alles.

 

Ihr habt tolle Kinder! Viel Spaß beim Lesen!

 

Eure Caren

Abschied: Tschö mit ö

Seid ihr gut darin, Abschied zu nehmen? Ich leider überhaupt nicht. Mein ganzes Leben lang habe ich beim Lebewohl folgende Taktik befolgt: Lieber den Abschied bis zum letzten Tag verdrängen. Dann kurz und schmerzlos Tschüss sagen, oder noch besser: der polnische Abgang[*]. Einen Abschied in der Form würde vermutlich kein Psychologe empfehlen, ich übrigens auch nicht wirklich. Abschied ist ein schweres Schaf, äh, scharfes Schwert, wie dem auch sei. Abschied tut weh, weil wir etwas Liebgewonnenes, etwas Bekanntes, einfach ein Stück von uns selbst zurücklassen.

Der amerikanische Evolutionspsychologe Eric Klinger vergleicht Abschiede sogar mit einem „psychischen Erdbeben“. Wie wichtig Abschiede sind und wie man richtig Abschied nimmt, habe ich erst gelernt, als wir aus Deutschland weggezogen sind. Da war ich vierzig Jahre alt … Es ist also nie zu spät.

 

Der Mensch hat von Natur aus keine Expertise im Abschiednehmen, das Wohlbekannte und die Routine gibt immerhin Sicherheit. Neues ist immer mit einem Risiko verbunden. Uh, nein danke! Da klammert sich auch der innere Urmensch mit haariger Hand an seine Höhle. Ich für meinen Teil hätte meine verkorkste Abschiedszeremonie (akute Verdrängung) wohl auch beibehalten, aber da es zu diesem Zeitpunkt ja nicht nur um mich ging, sondern auch um meinen Sohn, habe ich mich dem Thema zum ersten Mal gestellt. Ich habe recherchiert (kommt mir hier jetzt zugute) und Fachleute gefragt. Was dabei rauskam, hat mich erstaunt. Und es war unangenehm.

 

Wie, ich soll mich all diesen Emotionen auch noch freiwillig stellen? Schon vorab? Ja, ja und ja. Ich nehme es schon mal vorweg: Wir haben alle geweint. Und das war gut. Denn es braucht wirklich ein Ventil für Veränderungen in dieser Größenordnung. Egal, was bei euch ansteht, ein Umzug, ein neuer Job oder ein Schulwechsel:Nehmt es ernst. Zelebriert es! Etwas Altes geht zu Ende, etwas Neues beginnt. Da ist einerseits ganz viel Hoffnung auf den Neuanfang, ein Abenteuer wartet, ein neues Kapitel beginnt. Was aber auch da ist und oft nicht mitfeiern darf: Angst, Wehmut und sehr, sehr viele Erinnerungen.

Kuscheln in der Krise

Kinder brauchen in Abschiedsphasen sehr viel Bindung. Sehr viel mehr als sonst. Wenn ihr umzieht und das auch schon den Kindern mitgeteilt habt, lasst sie bis zum Grundschulalter dann nicht oft allein oder fahrt tagelang weg, um sie mit Dingen wie Wohnungssuche nicht zu belasten. Besser ist: von Anfang an alle integrieren, und wo es geht, den neuen Abschnitt zusammen gestalten. Vermeidet Zusatzaufregung durch große Urlaubsreisen, kauft vor dem Umzug kein neues Haustier oder brandneue Unterhaltungselektronik. Die Ablenkung ist jetzt zu viel für das Kinderhirn. Lasst sie lieber das Abschiednehmen zelebrieren: Eine Abschiedsfeier in der Kita, der Schule ist quasi Pflicht. Lasst sie den Kuchen aussuchen, die Deko, das Geschenk für Erzieher:innen, Lehrkräfte. Vielleicht malen die Freunde auch Bilder, diese unbedingt für euer Erinnerungsalbum aufbewahren. So ein Album lässt sich gut in ganz normalen Mappen anlegen, sodass man es später einfach durchblättern kann.

 

Ein Umzug bringt in der heißen Phase Stress und Chaos mit sich, es ist daher wichtig, den Abschied einzuleiten, wenn die Entscheidung getroffen ist. Das ist von Vorteil für die Dinge, die man noch erleben möchte, die Menschen, die man noch treffen möchte. Nicht alle sind immer da, nicht jede Location hat immer geöffnet.

Mein Geheimtipp: Macht es gleich! Eine Abschiedwsparty schon drei Monate vor dem Umzug? Ja! Ich bin froh, dass wir es gemacht haben, denn unser Umzug fiel Monate später in den Lockdown mit Social Distancing, da durfte keine Feier stattfinden. Das gilt übrigens auch für uns Großen! Was ist auch falsch daran, direkt nach der Kündigung noch mal mit den Kollegen essen zu gehen? Dann ist es noch einmal so „wie immer“. Und sieht auf den Bildern auch so aus. Wo wir gerade dabei sind …

Fotos, Fotos, Fotos! Haltet alles fest: Jede noch so kleine Abschiedsetappe. Jedes Treffen mit Freundinnen und Freunden, Bekannten, dem lustigen Müllmann, der netten Eisverkäuferin … völlig egal. Später erinnert ihr euch zusammen mit den Kindern gerne dran! Das Haus, die Straße, das Lieblingsrestaurant, der Spielplatz, der Supermarkt, alles, was im Alltag schön und wichtig war. Vor allem für Kinder kann das therapeutisch sein. Wer in seinem Leben gelernt hat, Abschiede als nicht bedrohlich wahrzunehmen, der wird auch später in seinem Leben sich gut lösen können. Das kann man aber nicht simulieren und tatsächlich nur durch reale Abschiede lernen.

Die Quitte, bitte:

Zelebriert Abschiede bewusst und nehmt mögliche Ängste ernst.

Sagt zum Abschied lauthals Servus! (Party daheim und/oder in Kita und Schule)

Macht viele Fotos!

Alleinsein: Allein, allein

Wer es aushält, mit seinen Gedanken und Gefühlen allein zu sein, hat eine gesunde Basis, mit seinen Mitmenschen klarzukommen. Das klingt komisch, ist aber so. Wer sich selber spüren kann, ohne in Panik zu geraten und ohne ein verzweifeltes Einsamkeitsgefühl, der ist seelisch gesund. Wer nicht allein sein kann, zumindest einen gewissen Zeitraum, der hat auch im Kontakt mit anderen Probleme. Denn der- oder diejenige wird seinem Gegenüber vermitteln: Bleib da! Lass mich nicht allein! Das kann ganz schön in Druck ausarten und jede Freundschaft oder Beziehung belasten.

Alleinsein ist auch abseits von Lockdowns im Leben immer mal wieder Thema. Vielleicht durch einen Umzug, ein Beziehungsende, eine Phase, in der Freunde nicht abkömmlich sind. Das passiert. Und sollte uns mehr nützen als schaden. Wenn wir gelernt haben, allein zu sein, können wir in diesen Ruhephasen mental aufladen, uns sortieren, uns erden. Kinder müssen das Alleinsein lernen, indem sie allein sind – im Beisein ihrer Eltern. Kleine Kinder schaffen es natürlich noch nicht, allein zu sein. Sie spielen „allein sein“ mit der Sicherheit („jemand ist da“) im Rücken, das ist die beste Übung.

 

Babys und Kleinkinder können und dürfen noch gar nicht allein sein, sie dürfen sich aber gerne mal allein beschäftigen. Unter einem Jahr vergnügen sie sich mit Glück fünf bis zehn Minuten selbst, mit bis zu drei Jahren können es auch schon dreißig Minuten werden, wenn die Eltern in der Nähe sind. Kinder brauchen die Sicherheit durch ihre Eltern, um die Welt zu entdecken – das ist völlig normal. Auch der Mittagsschlaf allein im Zimmer klappt oft besser, wenn Mama, Papa oder die Geschwister nebenan für Geräuschkulisse sorgen. Auch Babys ab circa vier Monaten haben schon Phasen, in denen sie sich völlig selbstvergnügt mit irgendetwas beschäftigen, zum Beispiel ihre Füße entdecken oder vor sich hin brabbeln. Diese Phase des „Mit-sich-Alleinseins“ sollten Eltern auch schon Babys zugestehen und diese Phasen nicht durch gut gemeintes „Dazwischenquatschen“ beenden.

Oft beobachten kleine Kinder auch sehr intensiv, ohne sich auch nur ansatzweise zu langweilen: Muster, Schattenspiele, kleine Tiere oder andere Menschen bei quasi allem. Bagger und Eichhörnchen, selten auch beides zusammen, waren bei meinem Sohn ein Entertainment-Garant. Wollte ich, irgendwann selbst von dem Szenario gelangweilt, den Heimweg antreten, wurde lauthals protestiert.

Fällt irgendwann der Mittagsschlaf flach (oft ist das ab drei Jahren der Fall) entfällt auch die lieb gewonnene Pause für die Eltern. Trotzdem muss diese Zeit nicht mit noch mehr Action gefüllt werden. Auch Kleinkinder können statt dem Mittagsschlaf schon „Ruhezeiten“ oder ruhiges Spiel lernen, in denen sich alle im Haushalt selbst beschäftigen. Die Kinder können beispielsweise puzzeln, Bücher angucken, ruhig spielen oder auch mal ein Hörspiel anhören. Anfangs werden diese Ruhezeiten nicht lange andauern, aber mit viel Lob und Geduld lassen sie sich ausbauen.

Ablenkungsfreie Zone

Heute herrscht an vielen Ecken und Enden Reizüberflutung. Kinder werden als Babys schon unter blinkende Spielbögen gelegt (zugegeben, der war bei uns auch ein Knüller), dann folgt die Begeisterung für Mamas und Papas Smartphone, später Fernseher, Tablets und Spielkonsolen. Die elektronischen Beschäftigungsmöglichkeiten sind vielfältig und bunt. Nur die Reiz-Taktung ist mitunter zu viel. Allein zu spielen ist quasi das Gegengift zur modernen Dauerberieselung.

Kinder brauchen die Erfahrung, um selbstständig, selbstbewusst und selbstsicher zu werden. Für das spätere Leben sichert es Konzentrationsfähigkeit und Fantasie. Spätestens ab dem Grundschulalter wird Kindern eine große Selbstständigkeit abverlangt. Der Schulweg, Hausaufgaben, das Lernen und auch Zeitpläne einhalten sind große Herausforderungen. Das Alleinsein ist dafür die Grundlage.

 

Daher ist es wichtig, dass Kinder schon vor dem Schuleintritt an das Alleinsein herangeführt werden. Kinder können bereits im Vorschulalter nach Absprache allein im Garten spielen. Mein Sohn hat das sogar vehement eingefordert und war dann ganz stolz, als er allein in den Innenhof durfte. Am Anfang hatte er ein Walkie-Talkie dabei, wirkt vielleicht etwas Helikopter, erwies sich aber als ganz praktisch. Bei einem seiner ersten Ausflüge hörte er plötzlich den Eiswagen, lief vor lauter Aufregung in den falschen Hauseingang vom Innenhof aus und stand dann zwar richtig im fünften Stock, aber leider ein Haus weiter. Ich beruhigte ihn über das Walkie-Talkie, ging intuitiv einen Eingang weiter – und fand ihn. Wir waren beide sehr erleichtert. Er war ganz schön durch den Wind und sprach Tage später noch davon. Wir übten den Weg dann noch mal gemeinsam. Er weiß jetzt, dass er an der Rutsche abbiegen muss, um in die richtige Haustür zu gelangen.

Dauerhafte Aufsicht ist bei Vorschulkindern nicht mehr nötig. Eltern können sich schon mal fünfzehn Minuten entfernen, um in den Keller zu gehen oder etwas zu erledigen.

Ganz wichtig: Die Kinder sollten immer in die Abwesenheitspläne eingeweiht werden, wissen, wann Mama weggeht, wo sie ist und wann sie zurückkommt. Kinder müssen sich auf diese Zeitangaben verlassen dürfen. Essenziell dabei ist, dass sie es selber möchten. Ein ängstliches Kind darf niemals zum Alleinsein gezwungen werden. Die meisten Kinder kommen selbst auf die Idee, etwas allein zu machen, oder freuen sich über das Abenteuer Alleinsein in der Wohnung. Den Drang sollten Eltern unterstützen. Rechtlich sind Eltern übrigens nicht zur Dauerüberwachung verpflichtet, die Aufsichtsfrequenz richtet sich nach Alter, Charakter und Eigenart des Kindes.

 

Spätestens ab dem Grundschulalter sind gesunde und verhaltensunauffällige Kinder in der Lage, eine gewisse Zeit allein zu Hause zu bleiben. Auch wenn es nicht nötig ist, solltet ihr den Kindern ab und zu die Möglichkeit dazu geben. Und am Anfang reichen da schon zehn bis fünfzehn Minuten für ein Erfolgserlebnis. Das Selbstbewusstsein erhält dadurch einen unglaublichen Schub. Mein Sohn hat bereits mit fünf Jahren einen Schlüssel für die Wohnung eingefordert, ihn aber natürlich noch nicht bekommen. Wir üben die Verantwortung für einen Schlüssel aber bereits mit einem kleinen Schlüsselbund und alten Schlüsseln.

Die Quitte, bitte:

Babys gerne mal brabbeln und fummeln lassen, ohne dazwischenzuquatschen.

Kleinkinder lernen „Alleinsein“ im Beisein der Eltern, etwa durch ruhiges Spiel im Zimmer.

Mit Vorschul- oder Grundschulkindern kurze „Allein-Einheiten“ zu Hause üben.

Arbeitsmoral: Lehre fürs Leben

Ich kenne einige Führungskräfte und Geschäftsinhaber:innen, die bei ihren Auszubildenden heutzutage eine entscheidende Einstellung bemängeln: die Arbeitsmoral. Viele sagen, die meisten jungen Leute kommen mit der Grundeinstellung, dass sie gleich Anweisungen geben, anstatt Anweisungen zu befolgen. Sie wollen keine „kleinen“ Aufgaben erledigen oder sich die Hände schmutzig machen. Puh, das klingt anstrengend. Wie arbeitet man mit so jemandem? Gar nicht, sagen sie. Die meisten dieser Auszubildenden geben nach kurzer Zeit bereits auf.

 

Warum ist das bloß so? Nun, ältere Generationen haben immer schon über die nachfolgende gemeckert, sicher, das gehört in gewisser Weise dazu. Aber für die ganz schweren Fälle gibt es eine Theorie: Schuld ist der zunehmende Helikopter-Erziehungsstil. Kinder, die überbehütet werden, lernen nicht, Probleme selbst anzugehen oder auch Rückschläge zu verkraften, und haben in ihrer Kindheit die Mentalität vermittelt bekommen, dass sie die Besten sind. Immer und überall. Die Erfolgserwartungen wurden ihnen quasi dadurch geebnet, dass die Eltern ihnen alles Unangenehme, Gefährliche oder Komplexe abgenommen haben. Sie mussten keine Verantwortung tragen, weder finanziell noch persönlich, keine Projekte durchplanen, denn das, was nicht klappte, haben Mama und Papa dann schon gewuppt. Das Ergebnis sind Auszubildende oder junge Mitarbeiter:innen mit riesigen Erwartungen, gleichzeitig jedoch mit großen sozialen Inkompetenzen. Dennoch sind sie in dem festen Glauben, eine besondere Behandlung verdient zu haben. Das geht natürlich nicht auf.

Was die Buntwäsche mit Arbeitsmoral zu tun hat

Wer in seiner Erziehung keine Widrigkeiten erleben musste, hat demzufolge auch keine Bewältigungsstrategien dafür. Und steht im Berufsleben dann recht hilflos vor Problemen, die er bis dato nicht kannte. Sie wurden dem Kind und Jugendlichen ja vorsorglich abgenommen. Also, wenn ihr eurem Kind demnächst mal wieder alle Hausaufgaben macht oder ihm einen Praktikumsplatz organisiert … überlegt noch mal. Lasst sie es selbst machen. Hilfestellung ist erlaubt, Durchführung nicht.

Auch ein Learning aus der Berufswelt: Der Abschluss einer Eliteschule sagt noch nichts über Sozialverhalten und den Umgang mit Menschen aus. Dass man sich Privilegien erarbeiten muss, ist ebenfalls eine harte Schule. Und das lernt man am besten zu Hause, denn hier wird man auf das Zusammentreffen mit anderen Menschen vorbereitet. Das sind irgendwann auch die Arbeitswelt, Kolleg:innen und Kundschaft.

 

Was Helikoptereltern vermitteln, hat so gar nichts mit der Realität zu tun. Im echten Leben räumt niemand hinter dir her, bügelt deine Fehler aus und hat dich trotzdem lieb. Deswegen wird der Aufprall für alle Beteiligten dieses Erziehungsstils sehr, sehr hart. Und es erfolgen dann einige schmerzende Misserfolge. Der Helikopterspross schmeißt vielleicht die Ausbildung, das Studium, fühlt sich unverstanden. Zugegeben ein drastischer Ausblick, aber hart wird es für das Helikopterkind ganz bestimmt. Ja, der Arbeitsmarkt ändert sich heute, und preußische Tugenden sind vielleicht nicht mehr so wichtig, aber wegen Verantwortungsbewusstsein, einer hohen Ethik und dem Willen, sein Bestes zu geben, ist auch noch niemand gefeuert worden.

 

Die Grundlagen für Arbeitsmoral werden schon früh gelegt. Sehr früh. Und es ist einfacher, eine gute Eigenschaft einem Dreijährigen beizubringen, als eine schlechte einem Dreizehnjährigen abzugewöhnen. Mit anpacken können alle. Auch Kleinkinder können schon altersgerecht im Haushalt helfen. Wenn sie älter sind, können sie mehr und forderndere Arbeiten erledigen und auch Verantwortungen übernehmen: Buntwäsche sortieren, den Hund füttern, den Tisch decken, Geschwistern helfen, kleinere Einkäufe erledigen. Es ist tatsächlich so, dass das frühe Helfen im Haushalt und die Übernahme von Pflichten für das Leben wichtig sind. Sie bringen uns bei, dass wir einen Teil für die Gemeinschaft beizutragen haben. Das macht dann im Endeffekt auch glücklicher und zufriedener. Unglaublich? Dazu gibt es sogar wissenschaftliche Studien. Deswegen: Lasst die Kinder abwaschen, es ist gut für sie.

 

Die beste Schule ist folglich die Arbeit an sich. Insbesondere Arbeit gegen Geld! Taschengeld sollte daher auch an das Erledigen von festen Aufgaben geknüpft sein. Älteren Schulkindern kann man durch kleinere Zusatzaufgaben (etwa Gartenarbeit für die Nachbarn) die Gelegenheit geben, sich etwas dazuzuverdienen. Wenn Teenager alt genug sind, sollte man sie ermutigen, sich einen Job zu suchen, ob das nun finanziell nötig ist oder nicht. Wer sein eigenes Geld verdient und versteht, wie man sich im Arbeitsgefüge zu verhalten hat, wird später erfolgreicher sein. Sein eigenes Geld zu verdienen, steigert auch das Selbstbewusstsein. Gönnt euren Kindern diese großartige Erfahrung der Selbstständigkeit.

Die Quitte, bitte:

Kinder, die in Traumwelten groß werden, wachen spätestens als junge Erwachsene in einer Welt auf, in der sie sich nicht zurechtfinden.

Lasst eure Kinder im Haushalt helfen!

Knüpft Taschengeld an das Erledigen von Aufgaben.

Atmen: Mehr Luft und Liebe

Ein – aus, ein – aus. Atmen ist ein Automatismus. Stimmt. Der erste Atemzug ist sicher der schwerste, ab dann läuft es aber eigentlich wie von selbst. Prima! Warum sollte man also Kindern Atmen beibringen? Ganz einfach: Weil Kinder relativ schnell die Fehler ihrer Eltern kopieren. Auch was das Luftholen angeht.

Schon Kleinkinder können gestresst sein, da sich der Stresslevel der Eltern auf sie überträgt. Und wir sind leider recht oft gestresst. In Stresssituationen fangen wir an, sehr flach und hektisch zu atmen. Wir japsen. Kinder imitieren das. Bei Ärger, Wut und Aufregung halten wir auch schon mal komplett die Luft an. Folge: Der Körper wird ungenügend mit Sauerstoff versorgt, das beeinträchtigt Immunabwehr und Konzentrationsfähigkeit. Jetzt noch mal tief einatmen, dann geht es weiter.

 

Babys atmen noch ganz natürlich in den Bauch. Das kann man im Liegen schön beobachten. Durch die Bauchatmung können sie ordentlich Luft tanken, muss man auch, wenn man lange und ziemlich laut schreien möchte. Spätestens im Schulalter, wenn Kinder suboptimale Haltungsvorgaben wie „Baucheinziehen“ erhalten, längere Zeit in vorgebeugter Sitzhaltung (Schultisch) verbringen und zunehmend Stress erfahren, verlieren sie diese natürliche Atmung. Das ist schade. Denn Bauchatmung ist sehr gesund. Dadurch sinkt der Blutdruck, die Verdauung wird gefördert, Körper und Geist sagen Danke.

Im Schlaf und in der Entspannung verfallen wir übrigens ganz von allein wieder in die Bauchatmung. Beim professionellen Sprechen, Singen und bei der Blasmusik wird die Bauchatmung für mehr Wumms im Ton genutzt. Ersetzt wird sie bei den meisten Menschen durch die wenig effiziente Brust- und Schulteratmung. Ursachen können ebenfalls zu enge Kleidung, falsche Haltung und Bewegungsmangel sein. Bei der Brustatmung wird mithilfe der Rippenmuskulatur der Brustkorb angehoben. Das ist leider wenig effektiv. Mit dieser Technik wird dann auch gleich weniger Sauerstoff aufgenommen.

Wie komme ich zu Atem?

Ich wünschte, es wäre nicht so, aber wir leben nun mal in einer Leistungsgesellschaft. Schule, Uni, Job, alle wollen Leistung. Das ergibt Stress. Wer nicht Yoga-Zen-Buddha-mäßig in sich ruht, beginnt im Leben irgendwann das Stressatmen. Da man das aber weiß, kann man sich ja darauf vorbereiten. Und gegensteuern. Atemübungen kann man schon prima mit Kindern ab drei Jahren durchführen. Der Vorteil: Atmen ankert einen immer im Hier und Jetzt. Wer sich auf die Atmung konzentriert, hat keinen Gedankenspielraum mehr für Sorgen oder Ängste. Das kann man daher gut in eben diesen Situationen einsetzen. Hierbei nur zu beachten: Nach den Mahlzeiten etwa eine Stunde warten, bis man eine Atemübung macht. Mit vollem Bauch atmet es sich nicht so gut.

 

Lasst die Kinder sich auf den Rücken legen und ihr Lieblingsstofftier auf den Bauch setzen. Arme und Beine bleiben locker und entspannt liegen. Die Kinder atmen ruhig in den Bauch und schaukeln damit ihr Stofftier hoch und runter. Beim Einatmen nach oben, beim Ausatmen nach unten. Mit jeder Schaukelbewegung wird das Stofftier müder, die Kinder können sich vorstellen, dass es beim Schaukeln zufrieden einschläft. Eine gute Übung für zwischendurch oder sogar vor der Schlafenszeit. Wer seinen Teddy in den Schlaf schunkelt, schläft selbst auch schneller ein.

 

Atmen kann viel verändern. Es lohnt sich etwa auch, nach einem großen Wutanfall durchzuatmen. Erst mal wir Eltern. Dreimal tiiiief durchatmen. Werden wir selbst aufgebracht, macht es den Wutanfall der Kleinen oft noch schlimmer. Zusätzlich zum Durchatmen hilft es manchmal auch, sich kurz zurückzuziehen. Das geht natürlich nur mit älteren Kindern. Verlässt man die Stresssituation, fällt auch das Durchatmen leichter. Auch Kindern und Jugendlichen kann es guttun, sich erst mal zurückzuziehen. Aber nur, wenn es keine Strafe ist, sondern ihnen freigestellt wird. Diese Möglichkeit sollte von uns in „Friedenszeiten“ anmoderiert werden. Ihr könnt etwas sagen wie: „Wenn ich wütend bin, hilft es mir, an die frische Luft zu gehen, vielleicht zu rennen oder einfach tief durchzuatmen. Ich brauche dann kurz Zeit für mich. Meinst du, das wäre auch etwas für dich?“

 

Übrigens: Die beste Atemübung ist Lachen. Ein anständiger Lachflash zieht eine ordentliche Portion Frischluft in die Lunge und entfernt gleichzeitig verbrauchten Sauerstoff auf sehr effektive Weise. Lachen ist dazu ein optimales Zwerchfelltraining, auch die darunter liegenden Organe erhalten eine Gratismassage. Wenn bei uns zu Hause die Stimmung kippt, schnappe ich mir automatisch die Kinder für einen Spaziergang zum Spielplatz (frische Luft!). Oder ich setze zu einer mittelschweren Kitzelattacke an.

Die Quitte, bitte:

Babys atmen noch ganz natürlich in den Bauch.

Kinder kopieren unsere Stressatmung. Atemübungen helfen auch bei Sorgen und Ängsten.

Mehr Luft zum Luftholen? Bei Streit kurz Abstand nehmen und tief durchatmen.

Ausdauer: Ich hab keine Lust mehr

Wer schon mal Kleinkindbesuch hatte, weiß, dass Kinder zusammen tausend Spiele anfangen und nichts wirklich beenden. Das ist ihrer Aufmerksamkeitsspanne geschuldet, die sich noch entwickelt. Niemand wird schließlich als Marathonläufer:in geboren. Oft ist auch das Überangebot an Spielzeug schuld. Nur da, wo wenig Ablenkung ist, wird auch länger mit einer Sache gespielt. Habt ihr schon mal Kinder beobachtet, die stundenlang Muscheln sammeln oder über Wellen springen? Wirklich faszinierend.

 

Was brauchen wir, um eine Sache zu Ende zu bringen? Ausdauer, Hartnäckigkeit und Selbstdisziplin. Das klingt erst einmal nach Kinder-Bootcamp, aber das muss es gar nicht sein. Altersgerecht kann man auch schon mit Kleinkindern am Fokus arbeiten.

Wichtig: Störquellen und Ablenkung minimieren. Wer ein Bild malt oder puzzelt, sollte nicht gleichzeitig fernsehen. Das ist zum Scheitern verurteilt. Bei Kindern schwindet beim Spielen oft die Aufmerksamkeit, dann wird lustlos weitergebastelt oder auch schon mal ein Brettspiel boykottiert (vor allem, wenn man verliert). Hier können Eltern eine Eieruhr stellen und sagen: „Komm, wir spielen, bis die Uhr bimmelt.“ Und mit diesem Lockangebot den berühmt-berüchtigten Unlust-Punkt taktisch überwinden.

 

Ganz, ganz wichtig: Kinder sind von Natur aus nicht faul. Auch Faulheit bringt man ihnen bei, indem man ihnen unangenehme Arbeiten abnimmt oder aus Zeit- und Geduldsmangel alles allein erledigt. Gewisse Aufgaben sind erfahrungsgemäß aber erst ab einem speziellen Alter sinnvoll, das so (un-)beliebte Zimmeraufräumen etwa wird oft erst ab dem Alter von sechs Jahren zur Zufriedenheit der Eltern absolviert. Vorher haben Kinder gar nicht den nötigen Überblick und erkennen auch nicht den Sinn dieser Aufgabe. Aufräumen, wozu eigentlich? Ist euch schon mal aufgefallen, dass Kinder einfach über Legosteine laufen können? Das erklärt einiges. Und egal, ob ihr nun motzt, bittet oder „wenn nicht, dann“-Sätze schleudert, sie werden erst aufräumen, wenn es bei ihnen klick gemacht hat.

Dranbleiben lohnt sich!

Und wir? Etwas nicht zu Ende machen, das kennen wir alle. Das halb gestrichene Bad, der platte Reifen am Rad, der letzte Umzugskarton. Irgendwas bleibt immer. Auch hier sind wir Vorbild für unsere Kinder. Sie gucken sich unsere Ausdauer und unser Durchhaltevermögen ganz genau ab. Ein Hirnforscher-Team vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge hat das in einem Experiment eindrücklich nachgewiesen. Kinder, die vorher Erwachsene bei einer schwierigen Aufgabe schwitzen gesehen hatten, waren selbst gleich viel hartnäckiger als Kinder, die Erwachsene beobachteten, denen die Aufgabe sofort gelang. Nur für den Hinterkopf, falls ihr demnächst mit einer Bedienungsanleitung kämpft oder ein Möbelstück aufbaut und euch dabei neugierige kleine Augen beobachten. Es muss nicht alles auf Anhieb klappen, aber bleibt dran!

 

Zurück zu den unerledigten Dingen. Bei uns Erwachsenen gibt es dafür bunte Begriffe. Da heißt es dann Prokrastination und Aufschieberitis, sich ablenken, um eine andere Aufgabe nicht zu beenden. Es geht ja auch einfach nicht, man muss ja schließlich vorher noch die Wohnung staubsaugen. Eine kleine Form der Selbstsabotage. Dahinter stecken oft Versagensängste, die in Nuancen normal sind, nur wenn sie uns dauerhaft hemmen, sollte man therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.

Ob ich als Erwachsener den so lang ersehnten Italienischkurs endlich buche oder die Reise nach Berlin zu Tante Elli angehe, hängt von Folgendem ab: Als Faustregel machen erwachsene Menschen nur das freiwillig, was zu über siebzig Prozent mit positiven Gefühlen besetzt ist. Darunter wird es schwierig. Aufgaben, die wir jahrelang vor uns herschieben (Keller aufräumen, endlich das Wohnzimmer streichen), sind quasi verdammt. Die Psychologie empfiehlt, diese ewige To-do-Liste einer Inventur zu unterziehen und Karteileichen einfach abzuhaken. Aufgeben ist in diesem Fall besser als ewig aufschieben. Das befreit. Überraschenderweise kommt man dann oft auch auf eine neue Lösung, weil das Gehirn sich nicht mehr zwangsweise davon ablenken muss.

Die Quitte, bitte:

Kleinkinder lassen sich unheimlich leicht ablenken, sie machen daher im Spiel selten etwas „zu Ende“.

Den „Unlust-Punkt“ können Kinder gut mit diesem Trick überwinden: Stellt eine Stoppuhr! „Komm, nur noch fünf Minuten.“

Beobachten Kinder ihre Eltern bei einer schwierigen Aufgabe, steigt auch ihr Durchhaltevermögen!

Begrüßung: Ein fester Handschlag

Aufgrund Corona wurde der Handschlag erst mal abgeschafft. Diese Begrüßung birgt zu viel Virenübertragungsgefahr. Es ist erstaunlich, wie schnell ein jahrtausendealtes Ritual auf Eis gelegt werden konnte. Wir Menschen sind wohl doch adaptiver als gedacht. Sieht man einen Handschlag im Fernsehen, ruft das bereits eine Reaktion wie „Oh nein, nein, tu das nicht“ hervor, manchmal auch ein Retrogefühl: „Ach guck mal, in einem Land vor unserer Zeit.“ Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ob und wie es ein Comeback des Handschlags geben wird. Doch auch andere Methoden sind begrüßenswert.