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Jade Lane ist Schülerin eines Eliteinternats. Die private Institution fördert sie optimal, bietet ihr die besten Zukunftschancen und eine hochqualifizierte Ausbildung. Auch wenn auf den ersten Blick alles perfekt erscheint, beginnt sie durch Zufall hinter die Fassade zu blicken und erkennt, dass es auch einen Preis für die zahlreichen Vorteile und Privilegien gibt. Je mehr sie herausfindet, desto tiefer gerät sie in einen Gewissenskonflikt, der dazu führt, dass Jade das ganze System hinterfragen muss. Nachdem eine ominöse Akte des Internats mit wichtigen Dokumenten gestohlen wird, wird Jade beauftragt diese zurückzuholen. Stück für Stück kommt ein Geheimnis ans Licht, welches ihr Internat jahrzehntelang verborgen gehalten hatte...
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Seitenzahl: 258
Veröffentlichungsjahr: 2020
Jenna Larsen wurde 1999 geboren und lebt in der Nähe von Frankfurt am Main. Sie studiert Humanmedizin, begeistert sich aber neben der Medizin und der Musik auch für das Schreiben. Jenna begann bereits 2015 mit dem Schreiben des Romans Left-Handed, welchen sie während des Abiturs zunächst nicht fertigstellte. Vier Jahre später entdeckte sie das angefangene Manuskript wieder und entschloss sich dazu, ihren Roman zu überarbeiten und zu vollenden. Mit ihrem Debütroman Left-Handed erscheint eine spannende Geschichte, die sich immer wieder die aktuelle Frage stellt, wie weit eine Gesellschaft gehen darf.
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Epilog
Eine Hand packte unsanft meine Schultern und stieß mich nach vorne. Ich stürzte völlig überrascht und noch unfähig zu reagieren in das Becken, welches an dieser Stelle fast dreieinhalb Meter tief war. Meinen Angreifer konnte ich nicht sehen, da ich mit dem Rücken zu ihm ins Becken fiel.
Als ich aufkam, klatschte mir das kalte Wasser erbarmungslos ins Gesicht und ich verschluckte auch einen bedeutenden Teil davon.
Der Angriff erfüllte seinen Zweck, schoss es mir sofort durch den Kopf. Ich bekam Panik und die Beweismittel auf meiner Kamera konnte ich vergessen. Wobei ich natürlich nicht einmal wusste, was eben genau passiert war und ob das Ganze etwas mit meinem Besuch in Mister Scouts Büro zu tun hatte. Vermutlich war es mein schlechtes Gewissen, das diesen Gedanken aufkommen ließ.
Ich stand immer noch unter Schock und konnte nichts weiter tun, als zu beobachten, wie ich immer tiefer sank. Als ich am Beckenboden ankam, erholte ich mich langsam wieder von dem Schrecken und begann mich umzusehen.
Die Wasseroberfläche erschien unerreichbar. Ich konnte aber keinen Schatten erkennen. Die Person war sicherlich schon verschwunden. Ehrlich gesagt, war das aber mein kleinstes Problem. Erstmal musste ich wieder nach oben kommen. Und langsam ging mir die Luft aus.
Nach drei Minuten ohne Sauerstoff würde der Sterbeprozess beginnen und erste Zellschäden würden auftreten. Das sollte ich - wenn möglich - vermeiden.
Ich bewegte kräftig meine Arme und Beine und versuchte nach oben zu schwimmen. Als ich mich nicht von der Stelle bewegte, sah ich schnell nach unten. Sofort erkannte ich mein Fußbändchen, welches sich in einem Metallgitter verfangen hatte. Ruckartig versuchte ich verzweifelt meinen Fuß zu befreien.
Das Kettchen steckte so fest in dem Gitter, als hätte man es dort festgeschweißt und es schnitt schmerzhaft in mein Bein. Meine einzige Chance war, es auszuziehen, was ich - rückblickend auf meine derzeitige Situation - schon heute Morgen hätte machen sollen. Doch der Metallverschluss war durch mein Strampeln verbogen worden und ließ sich nicht mehr öffnen.
Langsam aber sicher begann erneut Panik in mir aufzukommen. Trotzdem versuchte ich weiter, den Verschluss zu öffnen, während ich immer schwächer wurde.
Es war mir unbegreiflich wie, aber ich schaffte es beim zehnten Versuch den Verschluss aufzubrechen und befreite mich aus der Schlaufe. Die Luft wurde extrem knapp und ich war nun kurz vor der Bewusstlosigkeit. Ich brachte meine letzten Kräfte auf und bewegte mich auf die Oberfläche zu.
Als ich sie endlich erreicht hatte, blickte ich mich kurz um und stelle fest, dass ich allein war. Nachdem ich mich aus dem Becken gehievt hatte, brach ich auf dem Boden zusammen.
Ein paar Monate zuvor
Ich lief lustlos über den Kiesweg, welcher sich zwischen unseren Zelten schlängelte. Meine schwarze Prüfungshose und mein schwarzes Top schmiegten sich eng an meinen Körper. Falls ich mein Training unterbrechen sollte, würde ich wahrscheinlich direkt ein Gespräch mit unserem Gruppenleiter führen dürfen. Aber ich hatte es bis jetzt noch nie darauf ankommen lassen. Wir konnten es uns einfach nicht erlauben.
Ich war, wie gewöhnlich, eigentlich kaum aufgeregt. Aber diese gewisse Spannung gab es trotzdem und unbewusst hatten sich meine Hände fester um meine Rucksackträger gelegt. Ich lockerte den Griff und betrat das große graue Zelt, während ich auf meinen Platz zuging - 324. Ich verband mein Handy mit dem mir zugewiesenen Tisch und es klappte ein Monitor auf. Name: Jade Victoria Lane. Ich legte meinen Daumen auf den Scanner und schaute anschließend direkt in das graue Fenster mitten auf dem Bildschirm. Für mich war es schon Routine geworden, die Neulinge auf den hinteren Plätzen taten sich aber schwer.
„In fünf Minuten beginnt die Prüfung. Mit dem Signalton werden Ihre Bildschirme wieder eingefahren und Ihre Zeit ist zu Ende. Es gibt keine Verlängerung der Prüfungszeit. Wer sich nicht rechtzeitig anmeldet oder verhindert ist, kann die Prüfung selbstverständlich nächste Woche wiederholen. Jedoch sollte Ihnen, falls Sie aus den falschen Gründen an der heutigen Prüfung nicht teilnehmen, bewusst sein, dass die Wiederholungsprüfung keineswegs einfacher wird“, der Lautsprecher verstummte wieder.
Vor mir waren ungefähr noch 40 Reihen mit Kandidaten und hinter mir die gleiche Anzahl nochmal. Ein Junge rief überfordert nach der Lautsprecherstimme, da er nicht wusste, wie er sich anmelden sollte. Aber sie hatten es uns allen bereits einmal gezeigt. Das musste reichen. Und deshalb antwortete ihm auch niemand. Aber sie hörten ihn - ganz sicher. Sie hörten uns immer.
Ich schaute auf den rot leuchtenden Countdown vor mir. Zwei Minuten. Eine Minute und 59 Sekunden.
Ich drehte mich um und lief auf den Jungen zu. Manche Schüler drehten sich nach mir um, aber die meisten achteten nur auf die roten Zahlen vor Ihnen. Sie starren gebannt auf die Bildschirme und hielten ihre Stifte bereits in ihren Händen.
Ich war angekommen und schob den Jungen zur Seite. Schnell öffnete ich das Anmeldefenster und gab seinen Namen ein, welchen ich auf seinem Namensschild gelesen hatte. Ein leises Geräusch ertönte und ich deutete auf den Scanner. Der verängstigte Junge legte seinen Daumen zögerlich auf die Platte und ich drehte mich in Richtung meines Platzes. Ich hörte ein leises „Danke“ und lächelte ihn an, als ich mich nochmal umdrehte.
Ich sah Angst in seinen Augen. Aber auch Dankbarkeit. Dankbarkeit, wie ich sie an meinem ersten Prüfungstag empfunden hatte, nachdem mir ein älteres Mädchen geholfen hatte.
20 Sekunden. Ich nahm meinen Stift in die Hand und wartete darauf, meine Prüfung zu beginnen. 5…4…3…2…1…0. Ich drückte den Stift auf und schrieb in klaren Druckbuchstaben:
Jade Victoria Lane. Prüfung Nr.101.
Exakt drei Stunden später wurde mein Bildschirm wieder eingefahren. Ich war wie üblich gut mit den Aufgaben zurechtgekommen. Nacheinander verließen alle Reihen geordnet das riesige Zelt und schließlich war auch ich an der Reihe. Ich lief auf den Eingang zu und entdeckte Lauren. Sie gab mir zu verstehen, dass sie draußen auf mich warten würde. Nachdem ich das Zelt verlassen hatte, sprachen wir wie gewohnt kurz über die Aufgaben.
Außer unseren täglichen Sportübungen und dem Essen passierte heute nichts mehr. Wir legten uns pünktlich um 22.00 Uhr in unsere Schlafsäcke. Ich stellte meinen Wecker für 6.30 Uhr und fuhr dabei unbewusst über ein kleines rotes Lämpchen an der Seite des Weckers. Doch meine Müdigkeit siegte und ich schlief ein, bevor ich mir weitere Gedanken dazu machen konnte.
Als ich zusammen mit Lauren unser Klassenzimmer betrat, blickte ich mich um. Wie jedes achte Jahr hier, wurden auch wir gemischt. Mir war im Grunde egal, mit wem ich in einem Kurs war. Reden durften wir während des Unterrichts ohnehin nicht und Pausen gab es kaum. Solange ich mit Lauren zusammen war, war mir der Rest ehrlich gesagt ziemlich egal.
Jeder hatte einen Partner auf dem Internat. Lauren und ich waren einander zugeteilt worden, als wir vor acht Jahren auf das Internat gekommen waren und hatten uns auf Anhieb gut verstanden. Kein Wunder, wir hatten auch viel gemeinsam. Wir waren beide relativ ehrgeizig, hatten denselben Humor und außer Größe und unseren Haarfarben unterschied uns fast nichts.
Lauren hatte brustlange schwarze Haare, welche sie oft in einen chaotischen Dutt hochsteckte. Sie hatte leicht gebräunte Haut mit einigen Sommersprossen. Trotz ihrer dunklen Haare hatte sie extrem helle Augen, die einem schon aus einiger Entfernung auffielen. Sie könnte ohne Probleme als Model durchgehen. Gut, zugegebenermaßen war sie dafür mit ihren 1,62 m etwas klein. Trotzdem sollte man meine beste Freundin definitiv nicht unterschätzen. Sie betrieb seit ihrem sechsten Lebensjahr Kampfsport und ihre Größe täuschte nur über ihre Stärke hinweg. Oft hatte ich mir Gedanken über die Zuteilung der Partner und ihren Zweck gemacht, denn Zufall war das „Matching“ wohl kaum. Eigentlich war hier außer dem Wetter so gut wie gar nichts dem Zufall überlassen, wobei ich mir nicht mal da 100%ig sicher war, um ehrlich zu sein.
Ich ließ mich in meinen Sitz fallen und packte meine Sachen aus. Schräg vor mir drehte sich Aaron Navid um. Er musterte mich kurz, doch als ich fragend die Augenbraue hob, drehte er sich wieder in Richtung unseres Professors.
Lauren zeigte mir auf ihrem Handy währenddessen ein Bild von dem neuen Stift, den uns die Schule nächste Woche schenken würde. Der schwarze Stift mit der roten Kappe war aus weichem und angenehmem Material gemacht und konnte sowohl auf Papier, als auch auf Touch-Screens schreiben.
Die Stunde begann und verlief mehr oder weniger unspektakulär. Unser Prof teilte uns unsere letzten Prüfungsergebnisse mit. Prüfung im Gebiet: Verhalten bei explosionsartigen Bränden - Theorie. Ich hatte 90 von 100 Punkten, Lauren 87 Punkte.
Insgesamt war die Prüfung gut ausgefallen. Jedoch hatte ein kleiner Teil des Kurses nicht einmal die 60 Punkte erreicht, welche nötig waren, um in die nächste Stufe zugelassen zu werden. Viele hatten ihre Schwerpunkte, aber das Internat wollte nur Schüler, die in allen Fächern und Disziplinen eine gute Leistung erbrachten. Wir wurden in speziellen Bereichen unterrichtet, welche beispielsweise Überlebenstraining (beinhaltet auch eine medizinische Grundausbildung), Kampftechniken und diplomatisches Geschick umfassten. Trotzdem wurden die üblichen Schulfächer wie Mathematik, Politik und Wirtschaft oder Biologie nicht vernachlässigt. Das sicherte eine umfassende Ausbildung.
Wir verloren nicht viel Zeit mit den vergangenen Prüfungen und widmeten uns schnell wieder dem Unterricht. Der Professor nannte uns das Thema. Wir würden uns mit einem Forscher und seinen Erkenntnissen beschäftigen. Er beobachtete die Menschen im Regenwald, analysierte ihr soziales Verhalten.
Aaron verdrehte genervt die Augen: „Was soll das denn für ein Thema sein? Das hört sich schon langweilig an. Ich meine, mal ehrlich, was soll daran interessant sein? Der Typ hat sich mit unterentwickelten Steinzeitmenschen beschäftigt!“
Ich drehte mich in seine Richtung: „Wieso? Kanntet ihr euch etwa?“ Der Kurs fing an zu lachen und Aarons Augen funkelten mich böse an.
Der Professor sorgte schnell für Ruhe und widmete sich anschließend Aaron: „Aaron Navid. Ich denke nicht, dass Sie es sich leisten können, sich über den Unterrichtsstoff zu beschweren.“ Ohne weitere Zwischenstörungen ging der Unterricht fort.
Als die Stunde endlich zu Ende war, packte ich meine Sachen zügig zusammen. So schnell wie möglich wollte ich diesen Raum verlassen. Ich war zwar ziemlich gut in der Schule, das bedeutete jedoch nicht unbedingt, dass ich meine Zeit hier gerne investierte. Zumindest was die üblichen Schulfächer betraf.
Ich strich über mein figurbetontes weißes Oberteil, welches ich zu einer schwarzen Jeans und meiner Vintage Denim Jacke trug. Als ich den Kursraum verließ, spürte ich den Blick von Aaron und seinem besten Freund Jay in meinem Rücken.
Als nächstes hatten wir Sport. Wir konnten uns zwischen „unbewaffnetem Kampf“ und „Ausweichen von sich bewegenden Gegenständen“ entscheiden. Ich wählte „Ausweichen“.
Bevor ich mit der Übung beginnen konnte, musste ich mich aufwärmen. Dazu gab es einen kleinen Parkour in der linken Hälfte der Halle. Ich stieg auf den Kasten und atmete nochmal tief ein. Dann nahm ich leicht Anlauf und sprang an das schwarze Kletternetz, welches senkrecht zum Kasten hing. Die Kraftaufwendung war kein Problem, aber die dünnen Seile des Netzes schnitten unangenehm in meine Fußsohlen. Wir mussten alle Übungen barfuß absolvieren, um den bestmöglichen Halt zu haben. Nach ein paar Zügen war ich am Ende angekommen und lief über einen kurzen Schwebebalken, der direkt an das Kletternetz angeschlossen war. Danach musste ich erst eine Metallstange hochklettern, mich dann zur Nächsten hangeln und diese wieder herunterrutschen. Diesen Teil hasste ich. Hauptsächlich, weil ich es einfach nicht besonders gut konnte. Konnte ich noch nie, und das würde sich auch nicht ändern. Also musste ich hier etwas schummeln.
Als nächstes waren wieder Armmuskeln und Körperspannung gefragt. Sechs Seile hingen von der Decke. Nachdem ich mich - mehr oder weniger - elegant von einem Seil zum nächsten hangelte, konnte ich endlich wieder auf einem Kasten verschnaufen. Mein Puls war bereits stark angestiegen und ich atmete deutlich hörbar. So viel zum Thema „Aufwärmen“.
Den Abschluss bildete ein Trapez. Ich platzierte meine Hände etwa schulterbreit auf dem Trapez, ging einen Schritt zurück und holte Schwung. Dann sprang ich vom Kasten ab und schwang mich hin und her. Dabei war mein Körper komplett unter Spannung. Ich schloss die Übung mit einem Rückwärtssalto ab und kam sicher auf der blauen Matte auf. Nachdem ich kurz etwas getrunken hatte, lief ich zu meiner eigentlichen Übung.
Schnell und geschickt wich ich den Hindernissen und Kugeln aus, welche durch die Halle flogen. Trotz meiner Größe von 1,78 m war ich ziemlich wendig und kein leichtes Ziel. Lauren war jedes Mal beeindruckt, wenn wir Völkerball spielten, weil sie meinte es sähe immer so aus, als würde ich tanzen, wenn ich versuchte den Würfen meiner Mitschüler auszuweichen.
„Warum sieht das bei dir so leicht aus? Das ist echt unfair. Ich liege am Boden wie ein gestrandeter Wal und du tanzt wie eine Ballerina durch die Halle“, das bekam ich ungefähr fünfmal pro Woche von ihr zu hören. Es schmeichelt mir schon, machte mich aber auch verlegen und traf in dem Maße meiner Meinung nach einfach nicht zu.
Ich war gerade an einem Kontrollpunkt angekommen, als ich kurz stoppte und in die Halle blickte. Aaron strich sich gerade durch seine schwarzen Locken und durch sein dünnes T-Shirt konnte man seine Muskeln deutlich sehen. Seine olivfarbene Haut glänzte leicht. Sie war dunkel genug, um zu vermuten, dass er ausländische Wurzeln hatte. Aber dennoch hell genug, um einen Kontrast zu seinen dunklen braunen Augen und den Haaren zu bilden.
Er sah zu mir herüber, während im selben Moment unsere Lehrerin kam: „Fräulein Lane, Sie haben die Übung erstaunlicherweise auf Anhieb nahezu perfekt absolviert. Dies ist aber keinesfalls ein Grund für eine Pause. Sie führen die Übung sofort fort. Ich möchte es Ihnen nicht noch einmal sagen.“
Ich ärgerte mich über ihre schnippische Anweisung. Doch noch mehr ärgerte ich mich über mich selbst, da ich mich hatte ablenken lassen. Außerdem fragte ich mich, woher sie meine kurze Pause so schnell bemerkt hatte, da sie mich von ihrer Position aus eigentlich gar nicht hätte sehen können. Ich war aber klug genug, mich nicht mit ihr anzulegen. Denn das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war Stress mit Miss Carter, der strengsten Sportlehrerin der Schule.
Ohne Widerworte zu geben, setzte ich die Übung fort und lief über einen roten Punkt am Boden, bevor ich eine Flugrolle über den nächsten Holzkasten machte.
Nach dem Unterricht hatten wir ausnahmsweise einmal frei. Lauren und ich nutzten die Zeit, um uns etwas zu entspannen. Das Training war hart und jede Pause willkommen.
Wir lagen auf der riesigen Wiese gegenüber von unseren Zelten. Wobei ich an dieser Stelle vielleicht erwähnen sollte, dass es sich dabei nicht um kleine CampingZelte handelte. Vielmehr waren es moderne Nobel-Unterkünfte, die mehr zu bieten hatten, als mache LoftWohnung.
Ich hatte mich schon öfter gefragt, wer eigentlich auf die Idee mit den Zelten gekommen war und warum wir nicht in konventionellen Wohnheimen wohnten. Bis jetzt hatte ich keine befriedigende Antwort auf diese Frage gefunden. Egal wie, die Zelte hatten definitiv einen gewissen Charme und sorgten für eine gemeinschaftliche Atmosphäre unter den Schülern und Studenten. In einem anonymen Wohnheim – womöglich mit Einzelzimmern – hätten sich vielleicht nie so enge Freundschaften entwickelt.
Ich schielte zur Seite und beobachtete Lauren für einen Moment. Sie war vollkommen fasziniert auf den Sonnenuntergang fixiert, welchen man von hier aus besonders gut sehen konnte.
Das hatten wir der Lage des Internats zu verdanken. Es stand auf einem Hügel und lag etwas abseits. Man fand hier keine Hochhäuser oder Einkaufszentren. Um den Berg herum gab es nur einen kleinen Wald sowie einen Fluss, welcher sich idyllisch durch die Bäume schlängelte.
Während wir auf der Wiese lagen und uns die inzwischen roten Sonnenstrahlen ins Gesicht fielen, stellten sich zwei Personen so vor mich, dass die Sonne verdeckt wurde. Genervt sah ich zu ihnen hoch. Aaron und Jay hatten sich vor mir aufgestellt.
Ich sah sie fragend an: „Wollt ihr etwas Bestimmtes? Wenn nicht, dann stört bitte woanders.“
Aaron stellte sich ein Stück nach rechts, sodass die Sonne wieder auf mein Gesicht fiel und meine Haare golden zum Glänzen brachte. „Ich hab’ vorhin nicht richtig zugehört. Wann sollen wir morgen zum Unterricht da sein? Es wurde doch irgendwas geändert.“
„7.00 Uhr im großen Biologieraum“, ich schloss die Augen und signalisierte ihnen damit, dass die Unterhaltung für mich damit beendet war.
Aaron und Jay bedankten sich kurz und verschwanden. Ich drehte mich wieder zum Sonnenuntergang und sah gerade noch, wie die rote Sonne hinter den Bäumen verschwand.
Am nächsten Tag ging es im Unterrichtsfach nach Biologie um Risikoabschätzung und das genaue Beobachten unserer Umgebung. Wer war ein ungefährlicher Tourist und wer ein Taschendieb? War den anderen Menschen in der Bahn das kleine Klappmesser in der Jackentasche des jungen Mannes mit der Chicago Bulls Cap aufgefallen? Warum sah sich die junge Mutter im dunklen Mantel so unsicher um? Und warum trug sie diesen Mantel überhaupt - mitten im Frühsommer? Mir gefiel das Thema.
Nach 15 Minuten klopfte es an der Tür. Unser Prof öffnete sie und Aaron und Jay stolperten durch die Tür.
„Sorry, verschlafen“, sie liefen zu ihrem Platz in der letzten Reihe links neben mir.
Ich verdrehte verächtlich die Augen und drehte mich weg von ihnen. Ich hielt nichts von Leuten, die unpünktlich waren und ihre Sachen nicht dabei hatten.
Nachdem der Tag nicht unbedingt mit guter Laune begann, sollte er doch noch eine gute Wendung nehmen. Nachdem unsere Jahrgansstufe bei einem Vortrag auf der Wiese gewesen war, hatten wir eine kurze Pause und saßen alle auf Decken im Gras. Ich unterhielt mich gerade mit Lauren, Amy und Alisha. Amy und Alisha waren zwei Schwestern mit haselnussbraunem Haar. Amy war 18, so alt wie ich. Alisha war ein Jahr älter. Theoretisch war das vergangene Jahr Alishas letztes Jahr an der Schule gewesen, aber fast alle Schüler studierten auch hier auf dem Internat. Der Übergang war fast nahtlos und die Schule nach dem achten Jahr zu verlassen, war praktisch keine wirkliche Option.
Amy beschwerte sich gerade über den langweiligen Vortrag, als mein Blick von etwas hinter ihr gefesselt wurde. Sie redete weiter, doch ich hörte ihr nicht zu.
Er kam aus dem Weg zwischen den Zelten. Sein dunkelbraunes Haar wurde vom Wind zerzaust und seine sportliche Statur war selbst durch die schwarze Lederjacke zu erkennen. In der Jacke wirkte er noch größer, als sonst. Er trug wie immer einen Drei-Tage-Bart, doch sein Gesicht war ungewohnt gebräunt. Er lief geradewegs auf mich zu.
Wie in Trance stand ich auf und kam ihm entgegen. Erst langsam, dann rannte ich. Als ich ihn erreicht hatte, fiel ich ihm in die Arme. Er umarmte mich und hob mich in die Luft.
„Hi Kleines. Wie geht’s dir?“, Connor setzte mich wieder auf dem Boden ab.
„Du bist zurück“, ignorierte ich seine Frage. „Ich dachte du tauchst nie wieder auf. Du warst drei Monate weg!“ Ich strahlte ihn an.
„Ich weiß. Meine Mission hat länger gedauert als erwartet. Ich bin gestern Abend mit dem Flieger aus Juba angekommen.“
Er legte seinen Arm um mich und wir liefen zu den anderen. Connor war wie ein großer Bruder für mich. Er war bereits 21 und musste vor drei Monaten auf eine Mission.
Gelegentlich kam es vor, dass die Schule Aufträge vergab. Einzelne von uns verließen die Schule für einige Zeit und hatten eine besondere Aufgabe. Connor musste dieses Mal in den Südsudan reisen.
Offiziell sollte er dort die Entwicklungshilfe unterstützen, vor allem im Bereich der Bildung. Es war bekannt, dass das Edward Sandtfort College solche sozialen Projekte unterstützte, vermutlich auch aus Imagegründen. Unsere Ausbildung umfasste auch einige Kurse in Lehrtechniken und Rhetorik, weshalb diese Aufgabe kein Problem für Connor dargestellt hatte. Trotzdem wusste ich, dass noch mehr hinter dem Auftrag steckte. Connor hatte mir vor seiner Abreise zwar quasi nichts erzählen dürfen, doch mit ein paar Tricks und ein bisschen Vorstellungskraft fand ich heraus, dass es an einem der Standorte den Vorwurf der Korruption gab und Connor sollte diskret herausfinden, ob die Anschuldigungen sich als wahr erwiesen. Als einer der Helfer war er gut getarnt und direkt an der Quelle. Niemand würde ihn verdächtigen oder als Gefahr für ein möglicherweise korruptes System einstufen.
Unser Direktor wählte Connor bereits das zweite Mal für eine solche Aufgabe aus. Er war erfahren und genoss die Elite-Ausbildung bereits 11 Jahre lang; wie wir alle war er mit 10 Jahren auf die Schule gekommen. Nach seinem achten Jahr hatte er sich für einen Studienplatz hier an der Uni beworben, war sofort angenommen worden und studierte nun schon seit drei Jahren Jura. Ich wusste, dass er eine große Karriere vor sich hatte. Schließlich hatte er alle Voraussetzungen dafür.
Unsere umfassende Ausbildung garantierte, dass uns alle Möglichkeiten offen standen, da wir für fast alle Berufsfelder geeignet waren. Sowohl intellektuell als auch physisch. Das Edward Sandtfort College bildete junge Leute mit Potenzial aus, die später Schlüsselpositionen in allen möglichen Bereichen einnahmen. In Politik und Wirtschaft, dem Gesundheitswesen, dem Rechtswesen und natürlich im Bildungswesen und in der Lehre. Außerdem gingen vor allem die männlichen Absolventen oft zur Polizei oder zum Militär.
*
Connor lebte sich schnell wieder ein. Sein Studium an unserem Internat war so flexibel aufgebaut, dass sein Fehlen kein Problem darstellte. Wir erzählten von den Ereignissen an der Schule und er von seinen, soweit er davon erzählen durfte. Orte, Namen und Details seines Auftrags waren tabu.
Eines Morgens liefen wir zusammen mit Lauren durch den langen Gang zur Bibliothek des Hauptgebäudes. Er war vor zwei Monaten renoviert worden.
„Wo sind die Löcher in der Wand?“, fragte Connor. Er strich mit seinen Fingern über die makellose Tapete.
„Sie haben neu gestrichen. Die ganze Hall of Fame“, antwortete Lauren, bevor ich es konnte.
Sie spielte auf die Auszeichnungen an der Wand an. Den ganzen Gang entlang hingen gerahmte Auszeichnungen an der Wand, die Schüler für besondere Leistungen erhalten hatten. Unter den Schülern war der Gang als „Hall of Fame“ bekannt. Wir liefen ihn weiter entlang.
Irgendwann blieb Lauren vor einem herausstechenden Rahmen stehen: „Trotz der Zeit, die schon vergangen ist, kann ich immer noch nicht glauben, dass du hier sogar zweimal hängst, Jade.“
„Dann wären wir schon zu zweit“, antwortete ich halblaut, während ich die Auszeichnung abwesend betrachtete.
Vor 6 Jahren hatte ich meine erste Auszeichnung bekommen. Damals fand ein Literaturwettbewerb statt. Ich war gerade im zweiten Jahr und 12 Jahre alt gewesen. Unser Jahrgang und die zwei Jahrgänge über uns bekamen die Aufgabe ein Szenario zu entwickeln dessen Ziel politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Kontrolle waren. Wie diese Kontrolle erreicht wurde, war komplett egal (solange gewisse moralische Prinzipien bei unserem Szenario nicht verletzt wurden).
Ich hatte mich bei meiner Idee auf die Jugend und Bildung konzentriert. Außerdem war „Wissen“ ein zentraler Punkt. Im Unterricht hatten wir bereits kurz ähnliche Themen angesprochen, wobei die älteren Schüler über deutlich mehr Kenntnisse verfügten und deshalb jeder erwartete, dass jemand aus dem vierten Jahr gewinnen würde. Die Überraschung war riesig, als ich den Wettbewerb gewann und sogar eine Auszeichnung bekam. Ehrlich gesagt, kann ich bis heute nicht verstehen, was sie an meiner Arbeit so fasziniert hatte.
Vor drei Jahren bekam ich dann meine zweite Auszeichnung im Rahmen des Chemieunterrichts. Über diese Auszeichnung war ich sogar noch überraschter als über die Erste. Dieses Projekt war nämlich ziemlich abrupt beendet worden und obwohl ich diesmal nicht einmal etwas fertiggestellt hatte, bekam ich unerklärlicherweise die Auszeichnung.
Bei dem Projekt ging es um etwas, was wir alle jeden Tag benutzen und wovon unser Alltag maßgeblich beeinflusst wird: Akkus.
Alleine die Akkus in unseren Handys und Laptops müssen wir fast täglich aufladen, wenn wir die Geräte regelmäßig (heutzutage steht das wohl eher für übermäßig) nutzen. Da Akkus durch ihre Wiederverwendbarkeit deutlich umweltfreundlicher sind als Batterien, versuchten wir die Technologie weiterzuentwickeln. Die Aufgabe lautete, die Laufzeit von kleinen, tragbaren Akkumulatoren zu verlängern.
Wir beschäftigten uns mit der Problematik mehrere Monate lang, doch es gab keine Ergebnisse. Das Hauptproblem dabei war, dass, je mehr Energie in den Trägern gespeichert werden konnte, desto schlimmer waren die Folgen, wenn doch etwas schiefging. Deshalb hat Alisha übrigens noch heute die kurze Strähne in ihren Haaren; ihre Haare hatten damals Feuer gefangen und waren abgebrannt; ihr Akku war entflammt. Ich war zu diesem Zeitpunkt ähnlich erfolgreich, behielt aber glücklicherweise alle meine Haare.
Irgendwann, nachdem ein weiterer Versuch von mir kläglich gescheitert war, ließ ich mich in einen Laborstuhl fallen. Wenn ich nicht weiterkam, musste ich eben einen Schritt zurückmachen, überlegte ich damals. Ich dachte nochmal über die Aufgabenstellung nach. Wir sollten die Akkulaufzeit verlängern, damit die Akkus länger nutzbar waren. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit die Nutzbarkeit zu maximieren: Wenn ich die Laufzeit nicht verlängern konnte, musste ich dafür sorgen, dass das Laden schneller funktionierte.
Mehrere Wochen lang arbeitete ich an diesem Gedankenstrang, während alle anderen weiter an der ursprünglichen Aufgabe weiterarbeiteten. Ich entwickelte verschiedene Ansätze und begann Tests durchzuführen. Alle Ideen scheiterten.
Doch an einem ruhigen Abend, ich war die Letzte im Labor, da alle schon gegangen waren, erreichte ich den Durchbruch. Alle Möglichkeiten des Aufladens mit Kabel waren sehr umständlich und kaum zu beschleunigen. Die heutigen Ladekabel waren bereits sehr schnell. Außerdem musste man jedes Mal das Kabel anschließen und den Akku während der Nutzung im Blick haben, was lästig war.
Also hatte ich nach einer Möglichkeit gesucht, die ohne Kabel funktionierte. Und ich hatte sie gefunden: Infrarotstrahlen.
Für meine Theorie brauchte man einen Sender und einen Empfänger. Der Empfänger war so klein, dass man ihn ohne Probleme in herkömmliche Akkus einbauen bzw. daran anbauen konnte. Der Sender würde an einem hohen Punkt befestigt werden, also beispielsweise einer Zimmerdecke. Er würde automatisch die unterstützten Geräte und Akkus erkennen, ebenso wie er registrieren würde, wenn ihre Akkuladung unter 15 Prozent fällt. Dann würden - laut meines Konzeptes - Infrarotstrahlen ausgesendet werden, die von dem Empfänger dann in elektrischen Strom umgewandelt werden. Somit würde der Akku automatisch geladen werden, sobald er schwach wird und die Nutzung könnte trotzdem uneingeschränkt weitergehen. Die Strahlung wäre für Menschen nicht schädlich und Sender und Empfänger könnten einen Abstand von bis zu 10 Metern haben.
Gerade als ich einige Sender- und Empfängerprototypen fertiggestellt hatte und mit den praktischen Tests anfangen wollte, wurde das ganze Projekt schlagartig beendet. Die Schule ließ uns nicht mal Zeit unsere bereits angefangenen Konzepte zu Ende zu führen, obwohl ich ihnen versuchte zu erklären, wie nah ich an einem Durchbruch war! Alle Materialien wurden von der Schule konfisziert und in Kisten gepackt.
Die handschriftlichen Aufzeichnungen mussten wir abgeben und alles, was auf dem PC gespeichert war, war nicht länger zugängig für uns Schüler. Das Ganze kam mir vor wie eine kleine Razzia.
Angeblich war das Projekt aus dem Ruder gelaufen und zu gefährlich, da es (wie bereits erwähnt) einige Fehlschläge gab. Außer ein paar abgebrannten Haaren und harmlosen Stromstößen war mir jedoch ehrlich gesagt nichts bekannt geworden. Innerhalb eines Tages war ein monatelanges Projekt in Luft aufgelöst worden. Es kam einem fast vor, als hätte es das Projekt nie gegeben, hätte nicht eine gerahmte Auszeichnung in diesem Gang daran erinnert.
Ich sah auf die Uhr: „Wir müssen los. Unsere Schulung beginnt in 10 Minuten.“
Connor nickte. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg in den großen Veranstaltungssaal. Dort fand heute ein Workshop zum Thema „Bewerbungsgespräch“ statt. Wir hatten dieses Thema zwar schon oft angesprochen, aber vorwiegend theoretisch. Unser Internat war aber der festen Überzeugung, dass gerade die praktische Übung in realistischer Kulisse für unsere Zukunft entscheidend war.
In der ersten Stunde gab es einen zusammenfassenden Vortrag zu allem, was wir bereits gehört hatten. Also zum Beispiel, dass man auf die richtige Körperhaltung und Mimik achten sollte, ebenso wie angemessene Kleidung. Kein zu wildes Gestikulieren, was zu hektisch wirkt. Augenkontakt steht für Selbstbewusstsein. Interesse zeigen, aber nicht übertreiben. Sich nicht kleiner machen, als man ist, aber auch nicht überheblich wirken. Absagen nicht persönlich nehmen. Und abschließend - für uns Frauen besonders relevant - richtig auf Tabufragen (wie etwa Fragen nach Schwangerschaft und Familienplanung) reagieren.
Nur weil diese rechtlich sogar verboten waren, hieß es schließlich nicht, dass sie nicht häufig genug gestellt wurden.
Nach dem Vortrag folgten die praktischen Übungen. Im hinteren Teil des Raumes waren ungefähr 30 Tische mit je zwei Stühlen aufgestellt. Auf den Tischen befand sich Material für das Gespräch und im Hintergrund gab es je einen Vorhang und eine Kleiderstange mit verschiedenen Outfits. Zwischen den Tischen befand sich jeweils eine Trennwand. Die Tischzahl entsprach der durchschnittlichen Kursstärke, da je ein Kurs an dem zweistündigen Workshop teilnahm. Danach wurde gewechselt.
Von dem Referenten, der zuvor den Vortrag gehalten hatte, wurden wir zu den Tischen geführt. Er erklärte uns kurz das System der Übung, was ziemlich selbsterklärend war.
Je ein Schüler würde sich an einen Tisch setzen. Gegenüber von uns saßen Leute aus der Personalabteilung, die beruflich Bewerbungsgespräche für ihre Firma durchführten. Nach 20 Minuten wurde der Partner gewechselt. Das war zwar kürzer als ein durchschnittliches Bewerbungsgespräch, da es bei uns aber um die Übung ging, machte es mehr Sinn zwei bis drei kürzere Versuche zu haben, als einen langen. Wie Lauren passend bemerkt hatte, erinnerte das Set-up also an ein Speed-Dating. Es war quasi eine Art „Speed-Bewerben“.
Als ich zu meinem Tisch lief, fragte ich mich, woher die Schule so viel Geld nahm. Für jeden Schüler war im 1:1 Verhältnis eine komplette Übungsmontur mit Tisch, Stühlen, Block, Stift und Kleidung vorbereitet worden.
Bevor das Gespräch begann, bekam jeder Schüler eine Karte, auf der Angaben zum Arbeitgeber gemacht wurden und der Job, für den man sich bewarb, kurz erläutert wurde. Während wir uns in die Situation hineinversetzten, suchte sich jeder Schüler (seiner Meinung nach) passende Kleidung von der Kleiderstange aus. Ich wählte für mein erstes Gespräch eine schlichte schwarze Jeans, einen weißen Blazer und darunter eine cremefarbene Bluse. Die Haare band ich in einem lockeren Pferdeschwanz zusammen, damit sie mir nicht störend ins Gesicht fielen.
Dann lief ich zu meinem Tisch und gab der Frau gegenüber von mir mit einem freundlichen Lächeln die Hand. Dann begann die erste Phase: Der Smalltalk. Ich wusste, dass der erste Eindruck entscheidend war und in den ersten Minuten entschieden wurde, ob wir für unser Gegenüber sympathisch waren.