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Folgt mir durch die Dimensionen der Fantasie, in die Tiefe der Vorstellungskraft auf den wundersamen Planeten Aravia, der in einer fernen Galaxis seine Bahnen zieht… Die Zukunft dieser leuchtenden Welt, voll hochentwickelter Kultur aber auch geheimnisvoller Magie, ist heute noch nicht geschrieben, doch der aufziehende Sturm der erblühenden Finsternis fügt dem Geschichtsbuch Aravias ein weiteres Kapitel des Krieges hinzu… Die Erwählten zu finden, in allen Jahrhunderten, in allen Legenden - ein Bollwerk zu gründen gegen die Gefahr und für die Hoffnung aller Völker, dieser unwiderrufliche Eid oblag den letzten Helden einer Welt vor dem Abgrund. Lord Marzo von Finsterforst, Nachkomme adeliger Herrscher der vereinigten Königreiche, wuchs in friedlichen Zeiten heran. Der in ihm erblühende Wunsch, den Weg eines Kriegers zu beschreiten, sollte sich an einem schicksalsbehafteten Tag erfüllen. Die Geschicke der Vorsehung zeichnen den Weg Marzos in strahlenden, aber auch traurigen Farben, denn in allen Zeiten hat es Helden gegeben, welche die Geschicke Aravias formten. Manchmal in großen Schlachten, welche die die Äonen beeinflussten und ihren Weg in das Gedächtnis Aller fanden, manchmal in kleinen, persönlichen Konflikten. Oft beeinflusste eine Entscheidung für Rechtschaffenheit oder Zerstörung, Pflicht oder Regellosigkeit, nur den Lebensweg des Beteiligten. Manchmal war es mehr als das. Manchmal war es ein ganzes Zeitalter.
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Seitenzahl: 567
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Impressum
Copyright: © 2012 Jörg Ringhoff
Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN: 978-3-8442-4122-8
Legenden der Blutwölfe - Aravia® 2008 - 2012 von Jörg Ringhoff.
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LEGENDEN DER BLUTWÖLFE
ARAVIA
LEGENDEN DER BLUTWÖLFE
Seit jeher von Fantasygeschichten, Filmen und Onlinespielen inspiriert, habe ich mich dazu entschlossen, eine eigene Geschichte niederzuschreiben, also folgt mir durch die Dimensionen der Fantasie, in die Tiefe der Vorstellungskraft auf den wundersamen Planeten Aravia, der in einer fernen Galaxis seine Bahnen zieht...
Hier gibt es dampfende Sümpfe in deren ewiger Dämmerung gefährliche Dämonen lauern, weite Ebenen mit bizarren, farbenprächtigen Bäumen; schroffe, karge Gebirge, die einen reizvollen Kontrast zu seinen leuchtenden, von Leben pulsierenden Städten darstellen, Zentren einer hoch entwickelten Kultur und Technologie. Aber Aravia ist auch eine Welt voller Zauberei und schwarzer Magie auf der man sich die Geschichte eines gefallenen Kaisers erzählt und Lieder singt von Helden und Legenden... den Blutwölfen von Donnerhall.
Wer sich an ein solches Projekt mit diesen Dimensionen begibt, muss entweder naiv oder größenwahnsinnig sein. Nicht wenige haben diese Buchidee mit einem mitleidigen Lächeln zur Kenntnis genommen, und man kann es ihnen kaum verdenken. Aber mit einer gehörigen Portion Idealismus und der Liebe zum Thema Fantasyliteratur bin ich - frei nach Erich Kästners Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" - vor einigen Monaten das Unmögliche angegangen. Aus einer kleinen Kurzgeschichte wurde im Laufe der Zeit ein fünfhundert Seiten starkes Manuskript in dem eine ganze Welt- die Welt Aravia- entstand.
Das es nun tatsächlich zur Umsetzung gekommen ist, verdanke ich einigen besonderen Personen in meinem Umfeld, als allererstes meiner Freundin Sara für ihre Geduld und den kreativen Freiraum, Stefanie Kilp für viele Stunden der Wortschöpfung und Korrektur, sowie Guido Hochgrefe für seinen Eifer mich immer wieder zur Veröffentlichung zu motivieren.
Darüber hinaus gilt mein Dank einer Vielzahl von “Blutwölfen“, die mich durch ihre Persönlichkeiten mehr als inspiriert haben, darunter namentlich Jörg Oberle, Anja Jaspers, Christian Gomolka, Sandra Rossdeutscher, Wilfried Moess, Daniela Prandtke, Marcus Kizilkaya, Bianca Bußfeld, André Netzker und vielen mehr.
Dieses Buch ist all denen gewidmet, die Fantasygeschichten lieben. Ich hoffe ihr habt beim Lesen ebenso viel Spaß, wie ich es beim Schreiben hatte.
Jörg Ringhoff, Oelde im Oktober 2012
Vor Jahrtausenden zerrissen durch den Sturm der Dämonen, besiedelten die magiebegabten Elfen und Alben die Kontinente Aravias und verhalfen dem Planeten zur Zivilisation und neuer Blüte. Nach einer Dekade der Harmonie und des Friedens begannen die Alben ohne Wissen ihrer Brüder und Schwestern mit der verbotenen Pandemie zu experimentieren. Dieser Frevel riss deren Stadt Vineta und das gesamte Elfenreich in den Untergang. Die hoch entwickelte, aber nun verwünschte Rasse der Alben löste sich von den friedfertigen Elfen und benannte sich fortab nach dem Initiator der Pandemie; Schwarzalb. Der Kontinent in der Mitte des Weltmeeres beheimatet bis heute beide Völker und ist Zentrum der Magie Aravias.
Ein jüngeres Volk des Planeten stellt die Zunft der Menschen dar. Wenig magiebegabt, aber von Natur aus wissbegierig besiedelten sie den großen östlichen Kontinent Aravias. Unter dem heiligen Kaiser der Menschen kannten diese nur einen natürlichen Feind, den Schwarzalben. Ein Bündnis mit den grobschlächtigen, primitiven Gorgonen sicherte zunächst die Grenzregionen der Menschenreiche und den Frieden Aravias. Durch die Intrigen der Schwarzalben rief das Gorgonenreich ohne Vorwarnung einen blutigen Krieg aus, das mächtige Bündnis der Barbaren und Alben stürzte die Menschheit und verbannte deren einst gütigen Kaiser. Dieser fristet als geisthaftes Wesen nunmehr sein Dasein im ewigen Eis seines Exils.
Nach Jahrhunderten der Knechtschaft begehrten die Menschen unter Führung der königlichen Nachkommen Donnerhalls auf, das Bündnis mit der aus der Asche auferstandenen Elfenstadt Vineta, den mutigen Zwergen aus Hammerfest, den kleinwüchsigen Naturwesen der Dryaden und den aus der Tiefe der Welt- Granumgard stammenden, insektenartigen Argosianern überrannte die Gorgonen und warf sie weit auf den tristen, verdörrten Kontinent Grimgard zurück. Die Bruderschaft der vereinigten Reiche war geboren, ihr Wahrzeichen bis heute die majestätische Stadt Donnerhall im Osten.
Nach weiteren Jahrhunderten des Friedens facht die Glut eines erneuten Krieges nun wieder auf. Gorgonen, Schwarzalben, mächtige, stierähnliche Minotauren und die wandelnden Kadaver der Widergänger bereiten sich unter dem Banner der Kultisten auf ein neues Zeitalter, ein Zeitalter ihrer blutigen Herrschaft vor.
Über dem drohenden Krieg zwischen Bruderschaft und Kult schwebt zudem der Fluch des verbannten Kaisers, der die pestartige Pandemie und dunkle, wiedergeborene Fylgien auf die Welt hernieder regnen lässt.
Dies ist Aravia… dies ist eine Welt vor dem Abgrund… und doch ist sie auch die Heimat abenteuerlicher Geschichten und Legenden... Diese nennt man nicht etwa Kriegsherren, Generäle oder gar Helden … Sie sind das Bollwerk der Rechtschaffenheit, die Blutwölfe von Donnerhall, die so manche Melodie der Ewigkeit spielen…
Die Zukunft aller Völker ist heute noch nicht geschrieben, doch die Vorsehung fügt dem Geschichtsbuch Aravias ein weiteres Kapitel des Krieges hinzu…
Seit dem Anbeginn der Zeit trugen die Mächte des Chaos und der Ordnung ihren Kampf um die Vorherrschaft im Universum aus. Dann und wann neigte sich die Waagschale zugunsten einer der großen Kräfte, wenngleich keine der beiden Seiten je den endgültigen Sieg erringen konnte. Manche, Weise in der Augen der einen, Narren für die anderen, gingen sogar so weit zu behaupten, diese zwei Gewalten wären die sich ausgleichenden Teile eines Ganzen und der Sieg einer Hälfte und die sich daraus ergebende Vernichtung der Anderen, würde das Ende allen Daseins bedeuten.
Und doch gab es immer jene, die sich einer der beiden Seiten verschrieben und für sie kämpften. In allen Zeiten hat es Helden gegeben, welche die Geschicke der Welt formten. Manchmal in großen Schlachten, welche die Äonen beeinflussten und ihren Weg in das Gedächtnis Aller fanden, manchmal in kleinen persönlichen Konflikten.
Oft beeinflusste eine Entscheidung für Rechtschaffenheit oder Zerstörung, Pflicht oder Regellosigkeit, nur den Lebensweg des Beteiligten.
Manchmal war es mehr als das.
Langsam wanderten die ersten Sonnenstrahlen durch das kleine Fenster und tauchten den schäbigen Holzboden in ein warmes, goldenes Licht, welches dem spärlich möblierten Raum etwas Gemütlichkeit verlieh. Kein Bild schmückte die kargen Wände, kein Teppich wärmte den Bewohnern im Winter die Füße, ganz im Gegensatz zum anliegenden Herrenhaus. Lediglich zwei einfache Betten standen rechts und links neben einem alten Holzschrank.
Ein junger Mann mit langem dunkelbraunem Haar und winzigen Bartstoppeln lag in einem dieser Betten. Sein entspannter, glücklicher Gesichtsausdruck ließ einen wundervollen Traum erahnen. Die aufgehende Sonne streifte das friedliche Gesicht des schlafenden Jungen und holte ihn allmählich aus dem Schlaf. Müde blinzelte der junge Mann durch die verschlafenen Augen. Wieso kam der Morgen denn nur immer so schnell? Ein kurzer Blick auf das zweite, jedoch leere Bett, verriet ihm, dass sein Bruder schon längst aufgestanden war. Der Tag hatte noch nicht begonnen und schon nagte das schlechte Gewissen wieder an ihm.
Eigentlich hätte er auch gleich liegen bleiben können. Besser würde der Tag wohl nicht mehr werden.
Er richtete sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Irgendetwas hatte er doch gerade noch geträumt. Es war... es war nicht mehr greifbar. Die Erinnerung daran, so nah sie auch schien, entwischte jedes Mal aufs Neue bevor er sie festhalten konnte... Aber er fühlte, dass es etwas sehr Schönes gewesen sein musste.
Mühsam schwang er ein Bein aus dem Bett und zog schwerfällig das Zweite hinterher. Es war natürlich besser jetzt schon aufzustehen, bevor sein Vater wieder ungehalten wurde, weil er die Frühstückszeit verschlief. Er wollte ihm schließlich nicht noch mehr Gründe liefern ihn zu tadeln.
Ausgiebig streckte er sich und langsam wich die Müdigkeit aus seinen Knochen. Ein neuer Tag, bedeutete schließlich eine neue Chance, dachte er sich, seinen Vater vor Augen, mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht.
Vielleicht lag es an diesem schönen Traum, aber er sprang voller morgendlicher Energie aus dem Bett - Frühsport war nun angesagt. Rauf, runter, rauf, runter.
Als er beim sechsundfünfzigsten Liegestütz angelangt war öffnete sich quietschend die Zimmertür und sein Bruder lugte hinein. Sogleich schoss dem jungen Mann in den Kopf, dass er gestern noch den Auftrag hatte die Tür zu ölen.
„Marzo aufstehen, Vater will das du ... Oh du bist schon wach und du machst wieder deine unsinnigen Übungen? Na dann beeil dich damit, Vater hat einige Aufgaben für dich.“, dann verschwand er wieder.
´Unsinnige Übungen, unsinnige Übungen.´. Eines Tages würde er sich ihnen beweisen. Na gut er war vielleicht nicht der Erstgeborene der Lordschaft Finsterforsts, trotzdem konnte er es jederzeit mit seinem Bruder Askan aufnehmen und ihm dieses überhebliche Grinsen aus dem Gesicht prügeln - nun ja, eines Tages. Aber wenn Marzo nur fleißig weiter trainierte, siebenundfünfzig, dann würde er seinem Bruder, achtundfünfzig, und seinem Vater, neunundfünfzig, endlich zeigen, dass ein wahrer Krieger in ihm steckte… Sechzig, er liebte seine Familie, Einundsechzig, jawohl er liebte sie, Zweiundsechzig, Dreiundsechzig …
Der Schweiß rann Marzo mittlerweile in dicken Perlen über die zitternden Arme, vielleicht war es nun doch Zeit aufzuhören und endlich frühstücken zu gehen, danach konnte er immer noch weitermachen.
Marzo verließ die kleine, dem Wald nahe Hütte auf der abgelegenen Seite des Anwesens und schritt auf die Rückseite des Herrenhauses zu. Kurz darauf betrat er die prunkvolle Küche, wo sein Vater und Bruder bereits am Tisch zusammen saßen und sich über den bevorstehenden Tag unterhielten. Wieder einmal stellte Marzo fest, dass er mit den beiden nicht die geringste Ähnlichkeit besaß. Er wirkte zu jeder Jahreszeit sonnengebräunt mit dunklen Haaren und dunklen Augen, Bruder und Vater hingegen bleich und letzterer darüber hinaus noch von Schlachten gezeichnet. Der Grund war klar, es lag wohl hauptsächlich daran, dass Askans Mutter nicht die seine war und wie man ihm so oft vorhielt, dass schon sein Aussehen ein Zeichen der Schwäche war.
„Guten Morgen Askan! Guten Morgen Vater.“, er versuchte möglichst freundlich zu klingen.
Sein Bruder nickte ihm kurz zu.
„Guten Morgen? Wohl eher Guten Tag, mein Sohn.“, erklang die tadelnde Stimme seines Vaters Kane, Hochlord der Dynastie von Finsterforst.
„Die Sonne steht schon gewaltig hoch und in fünf Stunden ist bereits Mittag. Du hast dir wahrlich einen schlechten Tag zum Faulenzen ausgesucht. Wenn mich nicht alles irrt, solltest du doch heute im Wald Holz holen!“
„Ja Vater“, schuldbewusst senkte Marzo den Blick, er konnte den stechenden Augen seines Vaters nicht standhalten. Dieses einnehmende Gefühl der Schwäche, das sich gerade seine Wirbelsäule hinab in den Magen vorarbeitete, war allgegenwärtig in der Anwesenheit seines Vaters. Der Mann war es gewohnt, dass man jedes seiner Worte als Befehl verstand und ohne Widerrede gehorchte.
„Hier fang!“, er warf Marzo lachend ein Stück Brot zu, „Und nun nimm das Beil und mach dich auf in den Wald mein Sohn. Gräme dich nicht, ein gewaltiger Krieger mag einst aus dir werden, aber für heute belassen wir es beim Holzhacken. Dein Bruder wird heute hier bleiben und mit mir trainieren. Versuche rechtzeitig zum Mittag zurück zu sein.“
Marzo hob den Brotkanten auf, den er zu fangen verpasst hatte und verließ schweigend die Behausung. Eigentlich liebte er die frische Morgenluft des Dunkelwalds, aber heute war wieder einer dieser Tage. Einer dieser ganz normalen Tage im zweitklassigen Leben eines zweitklassigen adeligen Sohnes.
Der Hunger war ihm vergangen, also schob er sich den Kanten in die Hosentasche. Er zog das Beil aus dem Hackklotz, der vor dem aufwendig und liebevoll verzierten Eingangstor des Herrenhauses stand. Gedankenverloren blickte er hinüber zu dem Übungsplatz, auf die vielen blank geputzten Waffen der Stadtwache. Schwerter, Messer, Dolche, Äxte und Säbel hingen fein säuberlich aufgereiht in ihren Halterungen. Kaum zwanzig Schritt entfernt und doch unerreichbar für ihn. Er durfte den Platz nie betreten und auch nur eines der Schwerter anfassen. Er war schon fast siebzehn Jahre alt, aber trotzdem hielt ihn sein Vater noch für zu jung. Sein Bruder trainierte hier seit einem Jahr, nun- Askan war auch der Erstgeborene und zwei Jahre älter.
Mit einem stillen Nicken festigte er den Griff um das Heft des Beils und schritt gen Dunkelwald.
Das Anwesen in Finsterforst lag nur wenige Tagesreisen von Donnerhall entfernt, eine der wenigen großen Städte Aravias. Marzo wusste nicht viel über das Zeitalter des großen Kriegs und dem Dämonensturm, außer dass es die Zeit gewesen war, in welcher diese seltsamen Lebewesen, die sein Urgroßvater immer „Dämonen“ nannte, das gesamte Land verheert hatten und sich alle Menschen, Zwerge und was es sonst noch so auf der Welt gab in unterirdischen Städten versteckten mussten um zu überleben. Diese Invasion lag aber auch schon tausende Jahre in der Vergangenheit und Donnerhall hatte den Zeiten getrotzt.
Er würde gern einmal diese große Stadt besuchen, so wie sein Vater es oft tat wenn er arbeiten musste, aber der junge Mann wusste genau, dass er ihn niemals mitnehmen würde. Er war eben nur der ungeliebte Zweitgeborene. Dabei malte er sich oft aus wie das Leben in der Stadt so sein musste. Er hatte gehört, dass dort unzählige Menschen lebten, unter den normalen Bauern und Händlern auch Krieger, Zauberer und Ritter. Er hingegen hatte auf der wenig genutzte Handelsstraße Richtung Agramon, neben dem gelegentlichen Handelsreisenden, lediglich einmal einen Kürschner und ein anders mal einen Schmied zu Gesicht bekommen.
Marzos Schritte wurden immer langsamer und lustloser. Schon die Vorstellung, den ganzen Vormittag im Wald zu verbringen, einen Baum auszusuchen, diesen dann zu fällen, zu entasten und ihn dann den ganzen Nachmittag lang nach Hause zu schleppen war wahrlich keine der Heldentaten von denen er immer träumte. Jeden Tag irgendeinen Bauerndienst. Graben, pflügen, putzen, Holzhacken, bewässern, jäten - als ob er nicht adeliger Abstammung, sondern eher Landmann wäre! Er war verdammt noch mal ein richtiger Krieger, mindestens ebenso sehr wie sein Bruder. Der hatte natürlich nichts mit solch niederen Arbeiten am Hut, Askan durfte zusammen mit ihrem Vater trainieren, ausreiten und jagen.
Es waren immer noch gute zwei Meilen bis zum dichteren Waldstück als ihn eine glockenhelle, liebliche Stimme aus seinem Selbstmitleid riss:
„Wohin des Wegs junger Freund?“ Eine Elfenfrau in dunklen Gewändern hockte gelangweilt unter einem Baum und kaute auf einem Grashalm.
„Wald... Ich äh... in den Wald meine ich.“, verwundert beäugte er die Elfe. Was wollte sie denn von ihm? Außerdem hatte er noch nie zuvor ein solches Lebewesen gesehen, er kannte Elfen nur aus Büchern und Erzählungen seines Vaters, hier in diese Gegend verirrten sich selten Fremde und wie einer dieser reisenden Trödler sah sie auch nicht aus. Sie war hochgewachsen und hatte beinahe ebenso langes bläuliches Haar. ´Muss eine ganz schöne Arbeit sein das jeden Morgen zu kämmen´, schoss es Marzo durch den Kopf.
„Wie schön.“, sagte sie mit einem leicht arroganten Ton und ebenso leichten Schmunzeln.
Verwundert hob Marzo die Augenbraue.
„Das ist auch mein Weg. Du siehst recht kräftig aus.“ Schon wollte er sich geschmeichelt fühlen, doch ihr anschließendes „Hier nimm meine Tasche“ belehrte ihn eines Besseren, dachte er sich, natürlich sprach ihn niemand an, der nichts von ihm wollte.
Der junge Mann verdrehte die Augen: „Gut Elfe. Wenn es sein muss.“, mürrisch griff er mit der Linken nach dem Beutel der neben ihr lag - und vermochte ihn kaum anzuheben.
Verdutzt sah er die geheimnisvolle Frau an: „Bei Sigurd Stahlbrecher, was habt Ihr da drin? Steine?“
„Och Menschling, nur dies und das was ich so zum Leben benötige. Ist das Säckchen dir etwa zu schwer?“
„Na... natürlich nicht.“, das konnte Marzo nicht auf sich sitzen lassen. Den Beutel einer elfischen Frau nicht heben zu können war ja wohl der Tiefpunkt seines langweiligen Lebens. Er legte das Beil beiseite, umfasste den Beutel nun mit beiden Händen und wuchtete ihn sich auf den Rücken. Bei allen Göttern der muss ja beinahe hundert Pfund wiegen schätzte der junge Mann.
„Na gut Kleiner dann wollen wir mal.“, grinste die Elfe und ergriff ihren Wanderstab.
`Kleiner ... Kleiner! ´ - er konnte die geheimnisvolle Frau jetzt schon nicht mehr leiden. Sie konnte ja wenigstens nett zu ihm sein, wenn er schon ihre schweren und wahrscheinlich ebenso wertlosen Sachen durch die Gegend hievte.
„Wohlan junger Mensch, erzähl mir etwas von dir. Dann vergeht die Zeit gleich doppelt so flink.“ Die Elfe legte einen ganz schönen Schritt vor, Marzo hatte Mühe ihr zu folgen und nun wollte sie ihm auch noch ein Gespräch aufdrängen.
„Ich bin ... uff... Marzo, Sohn der Dynastie derer von Finsterforst. Östlich von hier gelegen, südlich des Waldes von Stahlbruch, befindet sich unser Anwesen.
Und Ihr ? Wo wollt Ihr eigentlich hin?“, keuchte er und fragte sich, ob er diesen Beutel noch länger würde schleppen müssen. Inzwischen würde er der Elfe lieber eine Notlüge auftischen, dass er keine Zeit mehr habe oder in eine ganz andere Richtung musste oder etwas in der Art, statt sich weiter abzumühen. Außerdem hatte sie etwas Unheimliches an sich, das er nicht einordnen konnte. Ihr ganzes Auftreten war völlig anders als er es von einer Elfengeborenen erwartet hätte.
„Nun denn Elfe, was ist mit Euch? Ich hab Euch hier noch nie gesehen.“
Verschmitzt grinste ihn die Frau an: „Ich komme aus der Siedlung Sternenbucht bei Vineta, also von weit her. Mein Name ist Sienna, Schildwache von Svartberg und Schülerin der heiligen Norwiga. “
„Norwiga - diesen Namen habe ich doch irgendwo schon einmal gelesen.“, dachte Marzo laut nach.
„Ja ich weiß“, ein unbeabsichtigtes Grinsen huschte von ihm unbemerkt über ihre Züge und sie schritt noch kräftiger aus.
„Ihr wisst? Woher wisst Ihr das? Soweit ich mich erinnere war Norwiga ein Mitglied des Rates der Legenden, ihre Taten überliefert bis über die vereinigten Reiche hinaus. Kanntet Ihr sie? Aye! Wartet doch! Bei Sigurd Stahlbrecher.“, Sienna hatte nun schon einen Vorsprung von gut zwanzig Schritten. „Verdammt! So wartet doch etwas!“, Der junge Adelige rannte der Elfe hinterher. Bei jedem Schritt schlug ihm der Inhalt des Beutels schmerzhaft gegen seinen Rücken. Erst nach einer halben Meile holte Marzo sie endlich am Waldrand zu Agramon ein.
„Uff... puh ... Ihr legt ganz schön was vor. Das hätt´ ich Euch gar nicht zugetraut Sienna.“, erschöpft setzte er sich zu Boden, lehnte er sich an einen Baum und rang nach Luft.
„Na, na, na, na! Diese strammen Muskeln wollen jetzt doch wohl nicht schon schlapp machen? Nun gut, du erwischst mich heute auf gesprächigem Fuß. Wenn du dich jetzt aufrappelst und weiter mitkommst, werd ich dir auch ein paar deiner Fragen zu Norwiga beantworten. Das ist dann doch wohl ein guter Tausch oder?“, Sienna stützte sich auf ihren Stab.
„Ist es noch weit?“, fragte Marzo vorsichtig. Sie zuckte nur mit den Schultern und schritt schon wieder weiter. „Ja, ja ich komm ja schon.“, murmelte der junge Lord für sich, hob den zentnerschweren Beutel auf und trottete ihr hinterher. Kurz darauf hatte er den kleinen Vorsprung schon wieder aufgeholt.
„Meine Dame, vorhin spracht Ihr über die heilige Norwiga. In den alten Schriften Finsterforsts wurde sie als unerschrockene Ritterin beschrieben. Schon als kleines Kind verschlang ich Geschichten über diese legendäre Frau. Was wisst Ihr von ihr? Ich meine, eigentlich kann sie Euch nicht persönlich bekannt sein, sie starb zu Zeiten als ich noch wohlbehütet in der Wiege lag.“
Sienna sah ihn mit beinahe traurigen Augen an: „Ach Menschling… Gestorben? Wer hat dir nur erzählt, dass die heilige Norwiga tot ist? Das war doch bestimmt dein alter Herr oder?“ Marzo nickte. „Nun dann lass dir von mir sagen dass sie noch nicht gestorben ist. Sie musste einfach nur ... fort aus Finsterforst … fort von dem allen hier.“
Das war zuviel für Marzo. Seine Beine gaben nach und er stolperte zu Boden.
„Passt auf den Beutel auf! Na kommt schon, ist das nicht eine freudige Nachricht für Euch?“
Seine Gedanken schwirrten wie ein Mückenschwarm.
„Ihr lügt! Wie- wie war sie - ich meine wie ist sie denn so? Wo ist sie jetzt? “
„Oh sie ist eine schöne und besonders starke Frau.“
„Mein Vater hat mir aber etwas ganz anderes erzählt.“, antwortete Marzo skeptisch.
„Glaubt mir Menschling, ich kenne Norwiga besser als dein Vater sie je kannte. Lasst Euch von ihm keine Märchen erzählen. In seinen guten Tagen war er einmal ein ganz passabler Kämpfer … Hochlord Kane … nun, das habe ich zumindest gehört. Fürwahr wirkt er auch heute noch sehr kräftig. Bildet er Euch in der Kriegskunst aus?“ Abschätzig musterte sie ihn wie einen Gaul, der zum Verkauf stand.
„Mich? Nein! Gemäß der Familientradition unterrichtet mein Vater nur meinen älteren Bruder, Askan. Dem Erstgeborenen gebührt die Ehre, auf den Schlachtfeldern Aravias Ruhm und Ehre zu finden. Manchmal wünschte ich, ich wäre der Erstgeborene gewesen - dann würde ich...“
„Oh Marzo, was äußerst du hier für einfältige Wünsche.“, fiel sie ihm ins Wort. „Wenn du der Erste gewesen wärst, hättest du jetzt einen solch sonderbaren Namen wie ´Askan´.“
Verblüfft schaute er Sie an, dann lachten beide lauthals los.
Langsam wurde Marzo wieder ruhiger und dachte nach. Warum lachte er eigentlich? Es war doch eher traurig und … wahrscheinlich log ihm Sienna die Hucke voll, nur damit er ihren Unrat noch ein paar Schritte weiter schleppte.
„Aber Marzo klingt auch nicht gerade heldenhaft. Habt Ihr jemals von einem Helden gehört der Marzo hieß?“.
Tröstend legte Sienna ihre Hand auf seine Schulter: „Marzo ist doch ein wunderschöner Name. Den hat deine Mutter extra für dich ausgesucht. Du solltest stolz auf ihn sein. Er bedeutet soviel wie „ Wut “ oder „ Furor “ in ... einer anderen Sprache.“
Marzo sah Sienna an.
Unter ihrer Kapuze konnte er ein zartes Lächeln erahnen.
In nachdenklicher Stille schritten beide nebeneinander. Marzo versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Noch immer beherrschte vor allem Verwunderung über diese merkwürdige Person seinen Geist und er fragte sich, ob und wenn welche Bedeutung sie für ihn haben würde. Er konnte sich dem Gefühl nicht entziehen, dass hier besondere Umstände dabei waren sich zu entfalten. Verstohlen warf er gelegentliche Blicke in ihre Richtung. Was Sienna dachte oder fühlte war für ihn jedoch nicht zu erkennen.
Plötzlich schreckte er auf und wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen. Aus dem Halbschatten des Waldes heraus hatten sich ihnen in Lederkluft gekleidete Gestalten in den Weg gestellt. Schwarze Tücher verdeckten ihre Gesichter und zeigten nur drei Paar kalt blitzende Augen.
Es schien ihm als ob sie dachten, der einfachste Weg an sein Hab und Gut zu kommen wäre es seiner Leiche abzunehmen.
Marzo sah Sie aufsässig an. Was nahmen sich diese dreckigen Diebe heraus, ihn in seinem eigenen Wald überfallen zu wollen? Immerhin war er fast jeden Tag am Waldrand zu Agramon unterwegs. Schwarze Tücher als Maskierung? Er hatte vom zunehmenden Einfluss der Falschmünzer und deren Bruderschaft in Agramon gehört, aber hier hatte er noch nie welche gesehen.
Weniger bewusst als durch Instinkte geleitet, machte Marzo einen Seitenschritt und stellte sich, wie er meinte, schützend vor Sienna und seine Füße fest in schulterbreite auf. Er drehte den Gegnern seine linke Körperhälfte zu, und ballte die Fäuste vor seiner Körpermitte.
„Es scheint, als hätten wir diesmal einen Helden vor uns“ hörte er einen der im Hintergrund stehenden knurren. An den Augen konnte man das verächtliche Grinsen der beiden anderen erkennen, allerdings ließ keiner auch nur für den kürzesten Moment den Blick von Sienna und ihrem Begleiter. „Das sind keine Anfänger“ dachte er sich und schluckte, als er merkte wie routiniert seine Widersacher sich in dieser Situation verhielten.
„Ich alleine gegen drei erfahrene Kämpfer? Verdammt, das sieht übel aus. So habe ich mir meinen ersten Kampf nie ausgemalt.“
Langsam schlossen die drei Falschmünzer zu ihnen auf und begannen sie einzukreisen. Auch wenn es sich nur noch um Sekunden handeln konnte bis der Angriff erfolgte, lief vor Marzos Auge alles in Zeitlupe ab. Er konnte erkennen, wie der augenscheinliche Anführer der Drei mit einem kurzen Wink Anweisungen zur Aufstellung und dem unmittelbar bevorstehenden Angriff gab. Er sah wie sich das diffuse Waldlicht durch ein Loch im Blätterdach auf einem der nun gezogenen Kurzschwerter brach. Er konnte den modrigen Waldboden riechen und wunderte sich, trotz der Situation, warum dieser hier so viel übel riechender war als anderswo im Wald.
„Ihr verschwindet jetzt besser, sonst werdet ihr es bereuen, Diebesgesindel!“, Der junge Lord Marzo versuchte seine Stimme fest und sicher klingen zu lassen, auch wenn ihm so gar nicht danach zumute war. Ein wahrer Held beeindruckt seine Feinde alleine durch sein Auftreten und verschafft sich damit einen Vorteil im Kampf. Zumindest hatte er das gehört.
Doch irgendwie hatte das nicht den gewünschten Erfolg, im Gegenteil, sie schienen, nach ihrer Körperhaltung, eher amüsiert und entspannt als auf der Hut. Marzo sank leicht in sich zusammen. Was sollte er nur machen?
Der Anführer stellte sich mit offenen Armen vor den jungen Lord und forderte ihn damit spöttisch dazu auf anzugreifen.
Es musste sein.
Dies war die einzige Chance - und die musste er ergreifen.
Hier konnte er sich als richtiger Krieger erweisen und es seinem Vater und so merkwürdig es klang, auch dieser hochnäsigen Elfe beweisen, beweisen was in ihm steckte.
Mit einem ebenso wilden wie ungeschickten Angriff stürmte Marzo nach vorn - aber sein Gegner war viel zu schnell. Die Faust ging ins Leere und das Knie seines Gegners bohrte sich schmerzhaft in seine Magengegend. Noch bevor er wusste wie ihm geschah traf ein Schlag sein Gesicht und schickte ihn sofort zu Boden. Wie in weiter Ferne hörte er das Lachen der drei Schurken. In seinen Ohren klingelte es unangenehm laut und sein Hals pochte quälend.
„War das alles du Welpe?“, höhnte ihn der Anführer an, augenscheinlich nicht an einer Antwort interessiert.
Es war aus.
Der Kampf war vorbei, noch bevor er richtig begonnen hatte und er wusste nicht, was ihn mehr schmerzte. Sein bevorstehender Tod, oder die Möglichkeit sich niemals bewiesen haben zu können.
„Das ist genug!“
Gelassen stütze sich Sienna auf ihren Stab, als ob das ganze eine Plauderei unter Freunden wäre.
„Ihr hattet eure Unterhaltung. Aber jetzt solltet ihr gehen“
Siennas weiche Stimme klang entspannt und nicht gerade furchteinflößend. Aber die Bestimmtheit ihres Tonfalls ließ die drei Angreifer kurz verunsichert zögern. Nachdem ihr Anführer ihnen mit einem kurzen Handzeichen signalisierte, wie geplant anzugreifen, bewegten sie sich jedoch wieder vorwärts, wenn auch spürbar vorsichtiger.
„Nun … ihr wurdet gewarnt.“
So etwas wie Vorfreude lauerte in ihren Worten und Marzo beäugte die Situation mit blankem Erstaunen vom Boden aus.
Schneller als seine Augen ihr folgen konnten war die Elfe plötzlich inmitten ihrer Gegner. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung traf sie die ersten beiden Gegner mit einem wirbelnden Tritt und einem weit ausholenden Schlag ihres Stabs, und schickte im gleichen Augenblick auch den dritten Gegner in der Vollendung dieses Schwungs zu Boden.
Marzo konnte es nicht fassen. Auch diesmal war der Kampf vorbei bevor er begonnen hatte.
Sienna stand, sich demonstrativ gelangweilt auf ihren Stock abstützend, daneben als ob nichts passiert wäre. „Na komm Marzo steh auf, wir müssen weiter“, sie reichte ihm ihre Hand.
Unsicher zog sich der junge Mann an ihr nach oben. „Wie... habt Ihr das gemacht?“
Voller Misstrauen beäugte Marzo ihre schlanken Arme und das samtweich anmutende Gesicht. Nicht ein einziger Schweißtropfen war zu sehen. Langsam beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Die Frauen die er kannte waren zu so etwas normalerweise nicht in der Lage.
Verlegen klopfte er den Dreck von seiner Hose und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Eine kleine Blutspur zeugte davon, dass er sich die schmerzende Oberlippe nicht bloß einbildete.
„Mir geht es blendend“, sagte er wie zu sich selbst, warf sich den schweren Beutel über und setzte seinen Weg fort. Er hätte vor Wut schreien können, würde er sich nun umdrehen, dann wäre ihm sicher das breite, fröhliche Grinsen in Siennas Gesicht aufgefallen.
Irgendwann, er wusste gar nicht mehr wie lange es her war, hatten sie den Weg verlassen um quer durch das Unterholz zu marschieren. Lord Marzo achtete nicht mehr darauf. Seine Beine schmerzten, sein Rücken war ein einziger großer blauer Fleck und der Magen knurrte wie eine Herde wütender Garudas. Er starrte nur stur auf den Boden direkt vor sich um nicht schon wieder über eine verdammte Wurzel zu stolpern.
Was tat er hier eigentlich? Anstatt ihm etwas von der heiligen Norwiga zu erzählen hatte Sienna nur noch geschwiegen - oder Marzo war einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt um ihr zuzuhören. Der Zwischenfall mit den Falschmünzern ließ ihn nicht mehr los. Sienna erschien ihm seither mächtig und unheimlich. Würde er den Beutel fortwerfen und weglaufen, hätte ihn die Elfe sicherlich nach wenigen Augenblicken eingeholt und ebenfalls so zugerichtet wie die drei Wegelagerer zuvor.
„So, wir sind da“, bemerkte Sienna gut gelaunt. Als Marzo mühsam den Blick hob, sah er mitten im dichten Wald eine kleine Blockhütte stehen. Sie mussten sich irgendwo am Bergpass der Vergessenen befinden. Die alte und unheimliche Festung Albenstein lag hier irgendwo in der Nähe, schauderte der junge Mann.
„Warte ich nehm dir den Beutel ab“, leicht ergriff Sienna ihr Gepäck und setzte es an der Eingangstüre ab. Irgendwo tief im jungen Lord wollte sich noch ein Teil darüber wundern wie die Elfe das nun wieder fertig gebracht hatte - dieses schwere Ding einfach so anzuheben, aber langsam wunderte ihn gar nichts mehr. Die Welt war in diesen Zeiten eben voller Verrückter - so musste es sein.
Das Häuschen, vor dem er stand, schien sehr alt zu sein. Es war von einer dicken Moosschicht bedeckt und von Pilzen und Farnen überwuchert. Ein dünner, aus dem kleinen Schornstein aufsteigender Rauchfaden, war das einzige Zeichen, dass hier jemand lebte.
Seltsam, dachte er sich, seit seiner frühesten Kindheit hatte er sich hier und in der Nähe des Passes aufgehalten, aber ihm war noch nie aufgefallen, dass hier jemand wohnte.
Vielleicht war die Bewohnerin eine der bösartigen Hexen des Waldes, wie die alte Susan nahe der Stadtgrenze. Andererseits war der Dunkelwald sehr weitreichend.
„Sohn Finsterforsts, betritt die Behausung und stelle Dich Deinem Schicksal!“
Marzo drehte sich erschrocken zur Elfe herum. Was sollte das bedeuten? Bevor er wusste wie ihm geschieht, hatte sie ihn schon sanft aber bestimmt in die Hütte geschoben.
Es war sehr dunkel und es roch modrig. Es schien als wäre Jahrhunderte lang niemand mehr hier gewesen. Unerwartet trat aus dem Schatten eine Person. Marzo versuchte seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen und fixierte sein Gegenüber. Vor ihm stand eine Frau, ebenso groß wie er, mit langen schwarzen Haaren. Sie trug goldene Schulterstücke und einen imposanten Brutharnisch. Eine gewaltige Axt war auf ihrem zugegebenermaßen sehr männlichen, muskulösen Rücken geschnallt. Langsam schritt sie auf den Lord zu.
„Hast du Hunger junger Mann? Ich hab noch einen Rest Suppe im Kessel, natürlich nur wenn du magst.“
Die bloße Erwähnung der Wortes ´Essen´ löste spürbare seelische und körperliche Schmerzen in Marzo aus. Egal ob sie nun eine Hexe oder eine Kriegerin war, dies schien ihre Hütte zu sein und sie hatte etwas zu Essen bei sich.
„Danke meine Dame. Das wäre zu gütig.“
Das Stück Brot aus der Hosentasche und die warme Suppe beruhigten seinen Magen und hoben auch seine angeschlagene Stimmung wieder. Während des Essens sprachen beide kein Wort, dennoch schaute sich der junge Mann zwischen den Bissen staunend in der Hütte um.
Das Innere glich eher einer Waffenkammer als einem Wohnraum. Wo andere Leute Bilder dekoriert hatten, hingen Schwerter und Schilde an der Wand. Statt Blumensträußen lagen Dolche auf dem Nachttisch. Äxte, Keulen, Lanzen, Speere.
All das schien diese mysteriöse Frau aufzubewahren, die Gebrauchsspuren deuteten gleichermaßen die rege Benutzung dieses Arsenals an.
Er hatte noch nie so viele Waffen verschiedener Form und Herstellung gesehen - und sein Vater hatte seinerseits schon genug gehortet. Diese Kriegerin schien sich für ganz besonders harte Zeiten zu rüsten.
Trotz all seiner Neugier traute er sich dennoch nicht ihr eine Frage zu stellen, wer sie war und was sie hier machte, er betrachtete nur voller Begeisterung die seltenen Stücke. In Gedanken stellte er sich vor diese Waffen zu schwingen. Mit viel Eleganz und Anmut wie es sein Vater tat.
Der Ruhm und die Ehre einer Schlacht, der Triumph im Kampf, das war es was er sich in diesem Augenblick wünschte. Dann hätte er die Falschmünzer vorhin auch alleine besiegt und nicht… der Gedanke an die Niederlage kratze und bohrte stark in seinem Inneren und ließ ihn nicht los. Man hatte ihn einfach belacht und verprügelt wie einen wehrlosen Welpen und eine mädchenhafte Elfe musste ihn retten.
„Hat es geschmeckt?“ Die Frau riss ihn aus seinen düsteren Gedanken.
„Interessant meine Dame. Es ... es ging so … Was war das denn für eine Suppe?“
„Das... willst du nicht wissen Jüngling. Glaube mir. Manches schmeckt einfach besser, wenn man nicht weiß was es ist.“, sie lächelte und entblößte eine Reihe schneeweißer Zähne.
„Meine Dienerin Sienna führte dich zu mir Menschensohn, aber musstest du nicht noch aus einem anderen Grund in den Wald?“
„Wie? Nein ich ... bei Stahlbrecher - das Holz!!!“, hastig sprang Marzo auf und warf dabei seinen Stuhl nach hinten um. Diese ganze Geschichte hier hatte ihn ja von der Arbeit abgehalten.
„Wo... wo ist bloß mein Beil?“
„Nun, wenn es nicht Beine bekommen hat, dann liegt es noch immer an dem Ort wo du meine Dienerin getroffen hast.“, entgegnete die Unbekannte lachend.
„Verdammt! Verdammt! Mein Vater wird äußerst ungehalten sein!“, unruhig rannte Marzo im Zimmer auf und ab. Den halben Tag war er mit der Elfe unterwegs gewesen, hatte sich im Wald verlaufen und kein bisschen Holz gesammelt - und wofür? Für ein bisschen Suppe und die Gesellschaft einer ihm unbekannten, beängstigenden Frau in Kriegsmontur.
„Nun junger Lord, du solltest weniger fluchen. Dies geziemt sich nicht für einen Mann deiner Abstammung.“
„Verzeiht mir meine Dame... aber woher wisst Ihr das ich ein Lord…. egal... ich muss aufbrechen. Wie komme ich am schnellsten wieder nach Hause?“, fragte Marzo eilig.
„Gehe einfach strickt in Richtung Osten und du kannst den Weg gar nicht verfehlen.“
Lord Marzo hob die Augenbraue. Sah er so aus als wäre er ein erfahrener Fährtenleser der sich mit Himmelsrichtungen auskannte?
Die in Gold gehüllte Frau flüsterte: „Osten ist da lang“, sie wies mit ihrer Hand in die entsprechende Richtung.
Marzo tat ein paar zögerliche Schritte, dann drehte er sich wieder herum. Noch immer nagte das Ereignis der erlebten Niederlage an seiner jugendlichen Eitelkeit.
„Meine Dame… ich kann die Auseinandersetzung mit den Falschmünzern nicht vergessen. Ich meine, welch Kampfeskunst Eure… wie sagtet Ihr? Eure Dienerin ausübte - schnell und effektiv! So ganz anderes als die Art Kriegsführung die mein Vater auszuüben pflegt.“
Die Frau lächelte sanft: „Das hat dir wohl gut gefallen junger Lord? Lass dir sagen dass meine Dienerin eine ebenso gute Kämpferin ist - wie es die heilige Norwiga vorherbestimmt hat.“
„Norwiga …?“
Sie nickte. „Und eine Legende wie sie hätte bestimmt nicht gewollt, dass ein Adelsblut all sein Potential in einer Küche oder auf dem Feld vergeudet. Weißt du, ich habe hier immer viel zu tun, ich könnte gut eine helfende Hand gebrauchen und als Gegenleistung mach ich einen waschechten Krieger aus dir. Nicht so einen verweichlichten Säbelwedler wie dein Bruder einer ist.“
„Ihr… Ihr kennt meinen Bruder?“
„Ja...“, flüsterte sie, „Und nun mach dich auf den Weg Adelsblut. Komm morgen um die Mittagszeit wieder hierher.“
Die Frau drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort zurück in die Hütte.
Marzo machte einen fröhlichen Luftsprung und rannte so schnell ihn seine geschundenen Beine trugen den Weg entlang nach Hause. Woher wusste die Frau eigentlich so viel von seinem Bruder? Ach egal! Jetzt war ihm alles egal. Morgen würde er auch anfangen zu trainieren und ein richtiger Krieger werden. So wie die Männer aus den vielen Sagen und Legenden.
Noch nie war Marzo so glücklich gewesen.
Die dunkelhaarige Frau trat wieder aus der Hütte und sah ihm nach. Er hatte es in sich, keine Frage. Er war zäh und stark, aus diesem konnte etwas werden. Sie hob Siennas Beutel auf und schüttete einige kopfgroße Steine heraus, ihr Blick folgte Marzo noch bis er völlig hinter den Bäumen verschwunden war.
„Lord Marzo von Finsterforst ... Sie werden ja immer so schnell erwachsen.“, leicht flackerten ihre Umrisse und von einer Sekunde auf die nächste war die Frau verschwunden.
„Wo hast du dich bloß die ganze Zeit wieder rumgetrieben?“, rief sein Vater und blickte Marzo fassungslos an. „Und das Holz? Ist das da etwa alles?“
Der junge Mann senkte wortlos den Kopf. Er hatte sich beeilt um noch vor Einbruch der Dämmerung in Finsterforst zu sein. Marzo hatte sich auf dem Weg zurück einige Male im Gewirr der Waldwege für die falsche Abzweigung entschieden und letztendlich war gerade einmal genug Zeit gewesen um noch ein Bündel Reisig und ein paar herabgefallene Äste mit nach Hause zu bringen. Sein Vater und Askan standen in ihrem kleinen Kampfring und hatten wohl bis vor kurzem wieder ihre Fechtübungen abgehalten. Sein Vater machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung.
„Zehn Stunden und alles was du bringst ist das da?!“
Er ließ die zum Schlag erhobene Hand sinken und schüttelte nur den Kopf.
„Ich verlange nun wirklich nicht viel von dir. Gar nicht viel, ich will nicht einmal das du... ein Krieger wirst Marzo. Du bist erwachsen- ein Nachkomme unseres Adelsgeschlechts, also verhalte dich dementsprechend mein Sohn.“, sein Vater sah um Jahre älter aus wenn er sich sorgenvoll die Schläfe massierte.
„Und jetzt lausche meinen Worten Sohn. Ich werde die nächste Zeit unterwegs sein und dieses Mal deinen Bruder mitnehmen. Du bist also allein hier. Die Vorräte hab ich aufgestockt, du hältst derweil das Anwesen sauber und kümmerst dich um den Holzvorrat. Richtiges Holz, nicht nur ein paar Zweige. Lege den Wintervorrat an. Hast du das verstanden Marzo?“, seine Stimme duldete keine Widerrede.
„Ja Vater.“, Marzo versuchte seine Freude über diese Umstände zu unterdrücken. Er musste nun nicht einmal mehr die lückenhafte Lügengeschichte vortragen um sich morgen aus Finsterforst zu stehlen. Sein alter Herr und sein Bruder würden für mindestens einen Monat außer Haus sein. Das war zumindest die übliche Zeit, die sein Vater geschäftlich unterwegs war.
Endlich allein. Endlich hatte er genug Zeit für sich. Und das aufregendste daran war natürlich, dass es wochenlang niemandem auffiel wenn er die Kriegerin im Wald besuchte. Schnell dankte er seinem Schicksal, welches ihm nun nach gut siebzehn Jahren endlich einmal etwas Gutes tat.
„Sorg dafür, dass auch immer genug Wasser ...“, der junge Adelige hörte gar nicht mehr hin. Ganze vier Wochen hatte er für sich allein, das war beflügelnd. Vielleicht sogar fünf oder sechs. Er würde sich ausbilden lassen. Jawohl - und wenn die beiden zurückkamen, dann würden sie staunen was alles in ihm steckte, ihm- Lord Marzo aus Finsterforst.
„Du sollst mir zuhören Marzo, verdammt noch mal! Ich rede hier nicht mit den Geistern der Ahnen falls du das glaubst! Denke daran, die Garudas zu füttern.“
„Garudas füttern. Verstanden. Ach weißt du Vater, du hast Recht ich glaube ich sollte gleich mal wieder zurück in den Wald um noch ein paar Bäume zu fällen. Ich mach mich sogleich auf den Weg“, Marzo griff nach dem Beil und stolzierte wieder Richtung Wald. Nein diesmal rannte er nicht aus dem Herrenhaus der Lordschaft um einfach einem Streit zu entgehen oder allein zu sein, dieses Mal war er voller Elan und Tatendrang.
„Jetzt ist der Kleine völlig verrückt geworden“, seufzte Askan.
„Lass ihn… Er hat es nicht leicht… Marzo hat eine gänzlich andere Bestimmung, er ist nicht wie du oder ich…“, nachdenklich schüttelte er den Gedanken ab, „Wenn du eines von deinem Bruder lernen kannst, dann dass bloße Muskelkraft gar nichts bedeutet. Technik ist entscheidend, also übe weiter. Deine Schwertführung ist noch immer miserabel. Noch einmal Parade, dann einen Schritt zurück und Stoß. Das muss sitzen Askan, sonst kann ich dich nicht auf die Reise zum Wolfswall mitnehmen.“
Aus der Ferne konnte Marzo noch das Klirren ihrer Waffen hören, aber diesmal erfüllte ihn das Geräusch nicht mehr mit Traurigkeit wie üblich. Wenn erst einmal ein richtiger Krieger aus ihm geworden wäre, dann, ja dann würde auch seine Familie endlich verstehen!
Als Marzo am nächsten Morgen erwachte, hatten sein Bruder und sein Vater das Anwesen schon verlassen.
Ein Stück Brot und eine Schale voll Milch standen auf dem Tisch in der Küche und ein Pergament lag direkt daneben. Sicherlich wieder ein paar Anweisungen seines Vaters, dachte er sich, fegte den Wisch ungelesen zu Boden und ergriff den Kanten Brot. Nachdenklich knabberte er an der Kruste und starrte ungeduldig gen Himmel. Bis Mittag waren es bestimmt noch gute vier Stunden.
In der linken Hand das Brot und in der Rechten die Schale mit der Milch verließ der junge Mann das Herrenhaus der Dynastie und lehnte sich an die Hauswand. Langsam wanderten die ersten Sonnenstrahlen über die bewaldeten Hügel von Stahlbruch im Norden und tauchten die Umgebung in ein funkelndes Gold. Irgendwo dort, nur einige Tagesreisen entfernt, lag verträumt an den Ufern zum großen Meer die Stadt Donnerhall.
„Die Stadt der Legenden“, wie sie auch genannt wurde, war eine der bedeutendsten, wenn nicht die wichtigste aller Städte der vereinigten Reiche. Dort sollte es weitläufige Viertel, eine Basilika und den großen Königspalast der Familie Donnerhall geben. Ein Reisender hatte ihm mal gesagt, dass man sein ganzes Leben in Donnerhall verbringen konnte und trotzdem nicht jeden Mann in der Stadt treffen würde, so viele Einwohner hätte sie. Marzo hatte sich oft vorgestellt wie es dort aussehen müsste. Sinnierend nahm er einen Schluck Milch zu sich. Haus an Haus, Feld an Feld, Weide an Weide und überall Menschen, Elfen und Zwerge. Große Helden und ihre Geschichten ! Er ließ sich rückwärts ins Gras fallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
Ach ja die große Stadt… Donnerhall…
Ein Schmetterling flatterte lautlos herbei und setzte sich arglos auf seine fleckige Hose. Marzo grinste.
"Na kleiner Flattermann. Du freust dich wohl auch, dass meine Familie weg ist, was?"
Das Leder um sein Knie herum, welches sich der Schmetterling als Landeplatz ausgesucht hatte, war durch die viele Arbeit schon sichtbar in Mitleidenschaft gezogen worden und das einst makellose Braun war jetzt eine Liaison verschiedenster Farbtöne. Aber der Lord fand sie trotzdem recht kleidsam und die blau-rot-grünen Flügel des Falters passten richtig gut dazu entschied er.
Die Sonne war zwar schon ein ganz schönes Stück nach oben geklettert, dennoch war es noch immer eine kleine Ewigkeit bis zum Mittag. Der junge Adelige schaute in Richtung des Dunkelwaldes.
Die mysteriöse Kriegerin würde wohl nichts dagegen haben, wenn er ein paar Minuten vorher da wäre, letztendlich war es ja auch eine ganz schöne Entfernung bis zu der kleinen Waldhütte, also war es nur gut rechtzeitig aufzubrechen. Leicht schnippte er den Falter vom Knie und erhob sich.
Immer größer und länger wurden seine Schritte. Von Übermut beflügelt lief es sich fast wie von selbst. Vorbei an einigen erstaunten Händlern, die mit ihren voll beladenen Wagen auf dem Weg nach Agramon waren, über die beiden Bäche, durchs Unterholz zur Hütte am Bergpass. Der mit heruntergefallenen Ästen besäte Waldboden knackte bei jedem seiner Schritte. Es waren kaum zwei Stunden vergangen als sich die kleine Hütte zwischen den Bäumen abzeichnete. Wunderbar! Er hatte schon leicht befürchtet den Weg vielleicht nicht auf Anhieb wieder zu finden.
Sichtlich außer Atem erreichte Lord Marzo die winzige Lichtung. Alles war ruhig und friedlich hier. Der junge Adelige lehnte sich keuchend an die moosbewachsene Wand des Hauses, die Kleidung klebte nass an seinem Körper. Marzo hielt sich mit der Hand die rechte Seite, diese fiesen Seitenstiche machten ihn echt fertig. Trotzdem lächelte er unabänderlich, als sei es ihm ins Gesicht gemeißelt worden. Nach einigen Minuten des Verschnaufens vermochte er sich endlich wieder aufzurichten, vielleicht hätte er doch nicht den ganzen Weg laufen sollen.
„Meine Dame, seid Ihr hier...?“
Niemand antwortete. Vielleicht schlief sie ja noch? Der Lord ging hinüber zur Eingangstür und drückte leicht dagegen. Sie war nicht verschlossen und schwang lautlos einen Spalt breit nach innen auf.
„Ich bin es, Marzo!“
Doch es blieb weiterhin still. Als er die Tür gänzlich öffnete sah noch alles genau so aus wie er es am gestrigen Tage verlassen hatte. Aber die Kriegerin war nicht hier. Ein leicht mulmiges Gefühl beschlich den jungen Mann. Er war hier ganz allein im Haus einer fremden, waffenstarrenden Frau. Eigentlich sollte er lieber wieder gehen und draußen warten, doch das Innere der Hütte war einfach zu verlockend für Marzo.
Mit leuchtenden Augen strichen seine Finger über das Heft eines filigranen Schwertes, dann weiter bis hin zum Stichblatt und zur Klinge. Einige seltsame Kreaturen und Worte waren darauf geätzt. Er erkannte nicht ohne Stolz die fremdartigen Schriftzeichen der Elfen.
„Kannst du das etwa lesen?“, die Stimme riss ihn aus seinen Tagträumen. Die geheimnisvolle Frau stand in der Tür und stützte sich auf ihre gewaltige Streitaxt. Wie ein erwischter Dieb schreckte Marzo zurück: „Nein. Nein kann ich nicht. Entschuldigen Sie bitte, dass ich einfach so hier reingekommen bin. Ich wollte... ich dachte nur… dass...“
„Sohn Finsterforsts, Lord Marzo - hatte ich dir nicht gesagt, dass du erst in ein paar Stunden vorbeikommen sollst?“, ihre Stimme klang ungewohnt streng.
Der Adelige senkte entschuldigend aber ehrenvoll den Blick:
„Verzeiht mir.“
„Wie soll ich dich führen wenn du nicht auf meine Worte hörst, wenn ich dir nicht vertrauen kann?“, ihre tadelnde Stimme traf ihn wie ein Messerstich.
„Ich sehe Dir das nach werter Lord.“, sie blickte etwas milder auf ihn hinab. „Aber lebe die Tatsache dass ein wahrer Krieger sich niemals entschuldigt, er steht immer zu seinen Taten! Er trägt die Konsequenzen und versteckt sich nicht hinter fadenscheinigen Ausflüchten oder dem weichlichen Bitten um Verzeihung ... und nun komm mit nach draußen.“
Marzo wusste nicht genau was er jetzt davon halten sollte und folgte ihr etwas verwirrt vor die Tür. War sie nun wütend über sein Eindringen gewesen oder darüber, dass er sich entschuldigt hatte? Auf dem freien Platz vor dem Haus wartete die im Tageslicht noch imposanter wirkende Kriegerin schon auf ihn. Mit stechenden Augen musterte sie den Lord von Kopf bis Fuß: „Zieh dein Hemd aus! Das stört jetzt nur.“
Ein Blick in ihre Augen ließen Marzos Widerworte sofort im Keim ersticken. Derweil hatte die Frau zwei Breitschwerter vom Boden aufgehoben: „Und nun wirf es mir herüber.“
Sie riss vor den Augen des jungen Mannes den festen Leinenstoff des Hemdes in zwei Teile und begann die Klingen der Schwerter damit fest zu umwickeln.
„Ich weiß, es ist nicht perfekt - aber das sollte für den Anfang reichen. Hier fang auf.“ Ungeschickt fischte er das Schwert aus der Luft. „So, nun noch das hier.“, sie griff aus dem Gras einen kleinen hölzernen Schild. Er war völlig schmucklos und hatte wohl schon so einige kräftige Hiebe davongetragen.
„Hier.“, sie reichte ihm auch den Schild.
„Ja- da mit dem Arm in die Schlaufen rein, genau so.“
Marzo wackelte etwas mit dem Arm. Die Schlaufen saßen ganz schön eng.
„Versuch einfach alle Angriffe von mir abzuwehren. Los geht´s!“, mit den letzten beiden Worten startete sie auch gleich ihren Angriff. Viel zu langsam riss er den Schild hoch und das Schwert traf schmerzhaft seinen Oberarm. Marzo biss die Zähne zusammen um seiner Angreiferin keinen Schmerz zu zeigen.
„Komm schon großer Krieger. Das war noch gar nichts. Sei auf der Hut.“, und wiederum stieß sie vor. Diesmal gelang es dem Lord zwar rechtzeitig den Ausfall abzuwehren, doch der Aufprall des Schwertes jagte Wellen erneuten Schmerzes durch seinen ohnehin schon angeschlagenen Arm. Nach zwei weiteren Treffern, die ihn wild umher stießen, vermochte er kaum noch den Arm anzuheben und ein weiterer Hieb traf ihn quer über die schweißglänzende Brust.
Die Wucht des Schlages ließ ihn gleich um einige Schritte nach hinten taumeln.
„Schwäche ist nichts für wahre Krieger Lord Marzo. Den eigenen Schmerz zu bezwingen ist ein größerer Sieg als über einhundert Feinde in der Schlacht zu triumphieren. Du musst den Schmerz fühlen, dich von ihm leiten und anstacheln lassen. Doch niemals darf er über dich die Oberhand gewinnen! Furor, Wut!!! “ Langsam ging die Kriegerin wieder auf ihn zu.
„Nun komm schon. Du bist dran. Greif an!“, rief sie ihm zu und der Adelige glaubte sogar ein Grinsen zu erkennen. Mit einem wilden: „Für Finsterforst!“, stürzte Marzo nach vorn und schlug in Richtung ihres Kopfes. Lässig ließ sie den Angriff an ihrer Waffe abgleiten und traf den jungen Mann schwungvoll mit einem Tritt in den Rücken.
„Werte Dame … Euch kriege ich noch zu fassen!“ Marzo schnellte herum und startete einen neuen Versuch.
Einige Stunden später vermochte Lord Marzo nicht einmal mehr einen Finger zu rühren um sich den Dreck aus dem Mund zu wischen, dafür konnte er mittlerweile jeden einzelnen Knochen in seinem Leib spüren, denn alle schmerzten in den verschiedensten Tonlagen. Selbst wenn sie ihm jetzt wieder eine ihrer Weisen an den Kopf warf, war er viel zu erschöpft um noch nach ihr zu schlagen.
„Eine... kleine... Pause...“, keuchte er unfähig sich noch einmal zu erheben. Seine Finger waren gerötet und die Stellen an denen die Kriegerin ihn getroffen hatte waren blutrot unterlaufen. Bei jedem Atemzug taten seine Rippen weh. Langsam wurde Marzo schwarz vor Augen und er fiel nach hinten hin. Einige unsanfte Ohrfeigen brachten ihn dann irgendwann wieder zurück ins Bewusstsein.
„Lord von Finsterforst, das war doch gar nicht mal so schlecht. Aber jetzt kommt erst mal. Wer richtig trainiert, der sollte auch richtig essen. Ich hab drinnen schon einmal etwas vorbereitet.“ Irgendwo zwischen den dröhnenden Glocken in seinem Schädel wunderte sich der Adelige. Wie lange war er wohl bewusstlos gewesen? Lange konnte das doch nicht gewesen sein, dem Sonnenstand nach zu urteilen... Seine Hände, Ellenbogen und Schultern steckten in feuchten Verbänden, die einen ekelhaften, beißenden Geruch verströmten.
„Das hilft gegen die Schwellungen.“, erklärte die Kriegerin in ihrer kurz angebundenen Art. Unter Schmerzen zog er sich an ihrem dargebotenem Arm nach oben.
Als er die Hütte betrat wehte ihm der köstliche, warme Dampf einer Mahlzeit entgegen. Auf dem Tisch in der Mitte des Raumes standen zwei leere Teller und zwei Krüge gefüllt mit herrlich duftendem Wein, und dazwischen suhlte sich ein gebratener Eber umringt von den verschiedensten Gemüsesorten.
„Wie ... woher ...?“
„Weniger fragen - mehr essen werter Lord. Wir haben schließlich nicht ewig Zeit.“, kommandierte die Frau und band ihre langen schwarzen Haare zu einem Zopf während sie sich an den Tisch setzte um ihren eigenen Worten zu folgen. Das Grummeln hinter seinen geprellten Rippen überzeugte Marzo, dass die namenlose Kriegerin wenigstens dieses mal völlig Recht hatte und setzte sich vorsichtig auf den Stuhl - jederzeit bemüht nirgendwo anzuecken um seine geschundenen Gliedmaßen zu schonen. Der junge Mann nahm allen Mut zusammen und fragte:
„Werte Dame, würdet Ihr mir Euren Namen nennen? “ Die Kriegerin sah ihm für ein paar Augenblicke in die Augen und flüsterte dann kaum hörbar: „Alles zu seiner Zeit…“
Danach würdigte sie ihn keines Blickes mehr. Sie riss gleich eine ganze Keule des Ebers ab und tat sich daran gütlich, während Marzo versuchte mit seinem Dolch ein möglichst großes und trockenes Stück aus den Rippen des Schweins zu schneiden. Wenn schon ein ganzer Wildeber hier auf dem Teller lag, dann konnte man sich ja auch das Beste heraussuchen. Das Fleisch des Tieres war unglaublich zart und wohlschmeckend, die Beilagen zergingen Marzo auf der Zunge und der schwere, süße Wein wusch den Schmerz aus seinen Gliedern. Es blieb nicht bei dem ersten Stück Fleisch. Ein weiteres folgte, danach eine Keule und irgendwann war der ganze Eber zu einem kleinen Haufen Knochen zusammengeschrumpft.
Sie nannte ihm zwar nicht ihren Namen, sie war eine disziplinierte Schinderin und Sadistin- aber kochen konnte sie wie keine zweite.
„Gönn dir eine kleine Pause Sohn Finsterforsts. Ich mache nur noch schnell ein paar Besorgungen.“, sie warf den leeren Weinkrug auf den Tisch und nickte mit dem Kopf Richtung Wand. Dort in der Ecke war ein provisorisches Lager hergerichtet worden. Etwas Stroh und eine Wolldecke. Das war wirklich ein guter Vorschlag. Der junge Lord nickte ihr nur kurz zu und legte sich dann sogleich auf die Strohmatratze an der Wand.
Noch bevor sich die Tür hinter der Kriegerin wieder schloss, waren seine Augen auch schon zugefallen. Kurz fragte er sich noch, welche Besorgungen eine in Plattenrüstung gehüllte Amazone wie sie mitten im Wald wohl machen wollte, doch dann glitten seine Gedanken auch schon wieder in eine andere Richtung.
Ein Klappern und Ächzen weckte ihn aus seinem Schlaf. Wo war er?
Als Lord Marzo in die Höhe schnellte, machten sich seine schmerzenden Knochen sofort bemerkbar. Stöhnend fiel er wieder zurück und begann sich nun ganz langsam und vorsichtig zu erheben. Jetzt erinnerte er sich auch wieder. Er war in dieser seltsamen Waldhütte.
Bei Finsterforst, dieses bisschen Schmerz hält mich nicht auf, dachte er sich und streckte sich zu seiner vollen Größe. Dennoch betrachtete er sorgsam die Schwellungen und Wunden an seinem Körper. Es fühlte sich an, als würden seine Rippen ihm bei jedem Atemzug in die Lunge stechen. Interessiert analysierte er einige Minuten lang die unterschiedlichen Schmerzen, die sein Körper so hervorbrachte. Hoffentlich war nichts gebrochen.
Vorsichtig ging er hinaus dem Geräusch entgegen.
Als er den Platz vor der Hütte betrat traute er seinen Augen nicht. Wo er noch vor wenigen Stunden, jedenfalls nahm er an er hätte nur ein paar Stunden geschlafen, auf einer kleinen Grasfläche geschlagen wurde, befand sich nun ein großer ... Übungsplatz. Wie aus den Legenden der Seher Finsterforsts, die sein Vater von Zeit zu Zeit erzählte.
Hölzerne Puppen, lange Holzbalken, schwingende Säcke voller Sand und ähnliche Ausrüstungsgegenstände standen hier überall herum und die namenlose Kriegerin mittendrin lächelte ihm selbstzufrieden zu.
„Na hab ich dich etwa geweckt Marzo? Wie gefällt dir dein neuer Trainingsplatz?“
Der junge Mann brachte immer noch kein Wort heraus. Wie konnte das sein?
„Ich habe gesehen, dass in dir eine unglaubliche Kampfkraft schlummert, der Furor ist stark in dir! Hier kannst du nunmehr wirklich alles bis aufs Kleinste erlernen.“
Immer noch starrte Marzo auf das Wunder was hier binnen kurzer Zeit aus dem Boden gestampft wurde. Es musste Hexerei dahinter stecken.
„Nimm dir dein Schwert Sohn Finsterforsts.“, Die Kriegerin ging zu einer der Holzpuppen hinüber, „Schaut was ich mache.“
Wortlos hob der junge Adelige seine Trainingswaffe vom Boden auf. Wenigstens schien sie es gut mit ihm zu meinen - auf ihre herrische Art zumindest.
Er würde es seinem Vater und Askan schon noch zeigen. Wenn er hier fertig war, dann würde er mit ganzen Banden von Falschmünzern den Waldboden aufwischen und sein Vater müsste sich endlich eingestehen, dass er, Marzo - ein großer Krieger werden würde. Langsam bekamen die Holzpuppen das ernste Gesicht seines Vaters und andere das Erstgeborenen-Grinsen seines Bruders. Die schmerzenden Finger krampften sich um den Schwertgriff. Marzo achtete gar nicht mehr auf die Anweisungen der Kriegerin, als er wild auf die Puppen einschlug.
Am späten Abend, leuchtende Sterne schienen schon durch das Blätterdach, lehnte er ermüdet an der Puppe. Die Schwarzhaarige Kriegerin kam dazu und setzte sich neben ihn. Minutenlang sprach keiner ein Wort. Wie in Gedanken wog sie ihr Schwert in den Händen.
„Was glaubst du was das hier ist Marzo?“
Eigentlich war er viel zu müde um zu antworten, aber er spürte die Wichtigkeit in dieser Frage, also sagte er das Offensichtliche:
„Ein edles Schwert meine Dame …“
„Hm... ja, aber was ist ein Schwert?“, ohne eine Antwort abzuwarten sprach sie weiter,
„Es ist nichts weiter als ein Werkzeug für den Krieger. Es ist das, was der Hammer für den Zimmermann und die Nadel für den Schneider ist - ein Werkzeug, welches die Arbeit leichter macht…Verliert der Handwerker seinen Hammer, nun so bleibt er immer noch Handwerker und kann mit seinem Wissen vielleicht einen Stein oder einen Stock benutzen um die Arbeit zu vollenden. Jemand der jedoch keine Ahnung vom Zimmermannshandwerk hat, kann einen noch so guten Hammer besitzen, er wird nichts zustande bringen.“
Lord Marzo nickte nachdenklich.
„Das Schwert, die Axt oder der Streitkolben sind nichts anderes als die stahlgewordene Manifestation deines Siegeswillens. Gebe einem Versager ein Schwert in die Hand und er wird ein Versager bleiben. In den Händen eines Kriegers jedoch, wird es zu einem Werkzeug der Vernichtung. Es liegt an dir, wie du mich eines Tages verlässt. Als Krieger, oder als Versager mit einem Schwert in der Hand.“
Der junge Mann sah in den weiten Sternenhimmel.
„Gut Sohn Finsterforsts, legt Euch zur Ruhe. Morgen wird ein harter Tag für Euch.“
Die wievielte Meile war es? Die Kriegerin machte keine Anstalten langsamer zu werden. Er fiel wieder ein Stück zurück und stützte sich auf seine zittrigen Knie.
Die in Gold gehüllte Amazone drehte ein paar kleine Runden um ihn herum:
„Oh, du möchtest also eine Pause machen mein Sohn. Na dann ruh dich aus, ich werde dich nachher hier abholen.“, ohne ihn weiter anzusehen lief sie auch schon wieder davon.
„Ich brauche keine Pause!“, presste er zwischen den Zähnen hervor, trat gegen den nächsten Baumstamm und nahm das Tempo wieder auf.
Unzählige Tage verbrachte Lord Marzo gänzlich in der kleinen Waldhütte, nach jedem Training war er immer sofort in sein Lager aus Stroh gefallen und erst erwacht, wenn ihn die Kriegerin wieder früh weckte. Tag um Tag griffen sie zu ihren Trainingswaffen und schlugen stundenlang auf die Puppen oder aufeinander ein und nur wenn die Namenlose ihn mal wieder ein paar Meilen durch den Wald hetzte, sah Marzo eine andere Umgebung. Er wusste kaum noch wie sich Gelenke anfühlten die nicht wehtaten. Tag um Tag musste er immer schwerere Steine oder Bäume ausstemmen und weitere Strecken laufen oder stundenlang regungslos in einer Position verharren. Keine Ruhetage. Jeden Tag eine andere Muskelgruppe wie die Kriegerin ihn lehrte.
Mit einem milden Lächeln und Stolz begutachtete sie seine Fortschritte. Sie gönnte ihm so gut wie keine Pausen und nur das Nötigste an Schlaf und Erholung. Ob Marzo wirklich Fortschritte machte, konnte er selbst nicht beurteilen.
Jeder Tag schien ihm gleich. Schmerzen und Erschöpfung diktierten seinen Tagesablauf.
„Kommt Marzo, es ist wieder Zeit. Zu den Waffen.“
Die frühen Morgenstunden waren immer am schlimmsten. Die Schmerzen des gestrigen Abends hallten dann gleich doppelt so sehr nach. Wie jeden Morgen nach einer kleinen Erwärmung und Dehnung schritten sie hinaus auf den Platz und begannen sich lauernd zu umkreisen. Jederzeit bereit den kleinsten Fehler des Anderen auszunutzen. Hier draußen war alles anders. Vielleicht lag es allein am Sonnenlicht, aber sobald Marzo den Kampfplatz betreten hatte, spülte das Adrenalin seine Schmerzen hinfort.
Hier am Bergpass der Vergessenen auf dem ausgetretenen Übungsgelände war alles anders. Er war kein Junge hier, kein Holzsammler oder Gartengräber, kein Unkrautjäter oder Getreidebündler. Hier war er ein Krieger - Lord Marzo aus Finsterforst. Nichts war bedeutungslos hier draußen. Jeder Schritt, jedes Blinzeln oder die Verlagerung des Gewichts konnte über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Diesmal würde er einfach auf ihren ersten Zug warten. Er verlagerte sein Gewicht auf das hintere Bein, diese Bewegung hatte die Kriegerin immer für einen Angriff ausgenutzt. Tatsächlich stürmte sie auch wie erwartet vor, leichtfüßig wich Marzo aus und täuschte einen Gegenangriff vor - die Angreiferin fiel auf die Finte herein. Ein kraftvoller Ausfall fegte die Plattenträgerin von ihren Beinen und Marzo grinste zufrieden.
Wütend sprang die Namenlose wieder auf die Beine:
„Was soll das? Warum hast du nicht weiter nachgesetzt?“
„Nun werte Dame, ich habe Euch ausgekontert- und nunmehr gewonnen."
Der junge Mann lachte.
„Du denkst du hast gewonnen Marzo? Gar nichts hast du! Nicht mit so einer kleinen Finte! Meinst du ich kann dich von hier unten nicht mehr töten? Mit dem Schwert nach deinen Beinen schlagen oder deine Gedärme von hier aus aufspießen? Es ist ein gewaltiger Fehler deinen Feind zu unterschätzen! Nichts ist vorbei solange dein Gegner nicht den letzten Atemzug ausgehaucht hat. Nur ein toter Feind ist ein besiegter Feind! Kein toter Gegner wird sich des Nachts an dich heranschleichen und dir aus Rache im Schlaf die Kehle durchschneiden.“
Lord Marzo fuhr sich angewidert mit der Hand zum Hals:
„Aber was ist wenn ...“
„Stärke ist alles! Töte deinen Gegner bevor er sich wieder von seinen Verletzungen erholt und sich rächen will. So einfach ist das."
"Ich kann doch nicht einfach so jemanden töten, die Ehre des Sieges muss doch nicht mit dem Tod des Besiegten einhergehen.", protestierte er.