Legt doch mal das Ding weg! - Ella Brandt - E-Book
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Legt doch mal das Ding weg! E-Book

Ella Brandt

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Beschreibung

Expertentipps, Alltagserfahrungen und kreative Ideen für einen entspannten und verantwortungsvollen Start in die digitale Technikwelt. - Informativ: Das Buch zeigt Mittel und Wege auf, wie Kindern ein verantwortungsvoller Umgang mit moderner Technik und das Bewusstsein für Chancen und Risiken der digitalen Welt vermittelt werden kann. - Unterhaltend: Warum es keine so gute Idee ist, einen Familienurlaub im Funkloch zu verbringen – und andere kuriose Einsichten. - Aktuell und kontrovers: Die Debatte, ab wann und wie viel Zeit Kinder mit PC und Smartphone verbringen sollten, ist in vollem Gange.Eltern mit Nachwuchs aus der Generation der "Digital Natives" vereint ein gemeinsames Ziel: Kinder zu einem sorgsamen Umgang mit der modernen Technik erziehen. Sie wünschen sich Schüler, die im Internet recherchieren können und nicht nur stundenlang YouTube-Videos schauen. Und Jugendliche, die für die zunehmend digitale Welt gerüstet sind, statt ihr zu erliegen. Dieser Herausforderung stellen sich zwei Mütter und ihre insgesamt fünf Bildschirm-begeisterten Kinder und startet einen unterhaltsamen Selbstversuch. Sie testen dabei ganz unterschiedliche Expertentipps gegen die Dauerpräsenz von Smartphone & Co. im Kinderzimmer, und entwickeln auch eigene kreative Ideen: Vom Urlaub im Funkloch, über technische Lösungen wie die WLAN-Sperre, bis hin zum Lieblingsessen als Bestechung. An ihren Erfahrungen lassen sie andere Eltern teilhaben, um auch sie für die reale Herausforderung der digitalen Welt zu rüsten.

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Seitenzahl: 212

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DER BEGINN EINER WUNDERBAREN FREUNDSCHAFT

Lange waren wir beide, Ella und Katrin, Einzelkämpferinnen gegen den digitalen Wahnsinn. Doch alles änderte sich an einem verregneten Montagnachmittag, als wir uns auf einem Parkplatz wiedertrafen. Vor gefühlt zwanzig Jahren hatten wir einmal in benachbarten Büros gesessen, uns aber aus den Augen verloren. Da wir beide nicht nur in derselben Stadt leben, sondern auch denselben Beruf haben, ist das etwas merkwürdig. Doch irgendwie hatten wir nie genug Zeit, um uns um ein ausführliches Wiedersehen zu kümmern. Mit kleinen Kindern gab es immer Wichtigeres zu tun. Bis zu diesem Tag.

Ich bin Ella, Mutter von Ben und den Zwillingen Elias und Jonas. Katrin ist die Mutter von Max und Alex.

EIN UNVERHOFFTES WIEDERSEHEN

Unser Wiedersehen verlief so: »Gib mir dein Handy!«, brüllte ich Jonas aus der geöffneten Fahrertür hinterher. Klar, dass er so tat, als hätte er nichts gehört.

Ich sprang aus dem Auto und lief in den Regen hinaus. Als ich ihn endlich eingeholt hatte, drückte er mir wütend sein Handy in die Hand. Dann trabte er, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, seinem Bruder Elias hinterher in die Sporthalle zum Handballtraining.

»Irgendwann wirst du mir das noch danken«, dachte ich und starrte auf meine durchnässten Schuhe. Plötzlich hörte ich eine bekannte Stimme hinter mir: »Na, so was! Ella, was machst du denn hier?« Die Stimme kennst du doch, dachte ich, als ich mich umdrehte. Und tatsächlich, da stand Katrin. Statt ihre Frage zu beantworten, hielt ich Jonas Handy hoch.

»Am liebsten würde ich dieses blöde Ding hier direkt auf dem Parkplatz zerdeppern. Jedes Mal, wenn Jonas etwas ohne sein Handy machen soll, gibt es einen Kampf. Und das, obwohl er wirklich gerne Handball spielt.« Katrin starrte mich an. »Ist das bei euch auch so?«, fragte sie nur. Statt nach Hause zu fahren, gingen wir in ein Café und es stellte sich heraus: Auch Katrins Jungs würden, wenn man sie ließe, den ganzen Tag in ihren Zimmern herumliegen und kleine Bildschirme anstarren, freudig immer wieder dieselben Knöpfe drücken und so weiter. Wie das eigentlich alle Kinder zwischen acht und achtzehn Jahren tun, oder?

Viele Eltern sind das dauernde Gekämpfe leid, geben auf und lassen die Dinger ihr ganzes Leben bestimmen. Wir beide waren uns schnell einig, dass wir etwas dagegen tun wollten, denn wir wurden beide gleichermaßen von diesen »Dingern« und unseren meistenteils anderen Vorstellungen von einem ­Leben für unsere Kinder an den Rand des Wahnsinns getrieben. Täglich, stündlich und in jeder Sekunde unseres Lebens.

Ich war immer noch so sauer, dass es mir in diesem Moment völlig egal war, wie nass es wurde. Ja, sollte das Wasser doch ruhig in alle Ritzen dringen und das Ding kaputt machen!

DU BIST NICHT ALLEIN

So entstand die Idee zu diesem Projekt: Wir wollten unsere Erfahrungen und Methoden im Kampf gegen die Rund-um-die-Uhr-Technik mit euch teilen. Denn wir wissen, dass wir beide nicht alleine sind. Im Gegenteil: Wir sind viele und haben Beratungsbedarf. Deshalb kleben wir vor dem Fernseher, wenn Manfred Spitzer oder der Chaos Computer Club ihre neuesten Erkenntnisse verbreiten. Wir lesen alle Erziehungsratgeber und gucken TV-Talkshows zum Thema. Wir tüfteln und probieren, um den Medienkonsum unserer Kinder einzuschränken, und das schon seit einiger Zeit, denn die Tipps von Experten bleiben oft seltsam unkonkret. Und wir wollten gemeinsam herausfinden, was wirklich funktioniert und uns eine digital-analoge ­Balance im Leben ermöglicht. Denn wir Eltern müssen lernen, damit zu leben, dass die Dinger da sind, und unsere Kinder sollen lernen, mit ihnen vernünftig umzugehen.

Wir laden euch deshalb ein, mitzukommen und uns auf dieser Tour durch den Wald aus Experten, Methoden, Strategien und Tipps zu begleiten, damit ihr den für euch richtigen Weg findet. Der mag nicht immer gradlinig sein, auch unsere Suche nach dem Königsweg gleicht einem Zickzackparcours. Unsere täglichen Tests im Kampf um elektronikfreie Minuten können als Beispiel dafür herhalten, wie man es machen sollte – oder eben nicht. Und unser tägliches Scheitern kann euch Mut machen, es trotzdem zu versuchen, sich von der allgegenwärtigen Digitalisierung nicht das Leben diktieren zu lassen. Schaut uns beim Verlieren, Ringen und auch mal beim Gewinnen zu. Und wenn ihr selbst eine bessere Lösung gefunden habt, lasst uns das unbedingt wissen.

DIE PROTAGONISTEN IN DIESEM BUCH:

Wir schreiben aus zwei Perspektiven, der von Familie Brandt: Ella & Carl mit Ben, Jonas & Elias und der von Familie Fuchs: Katrin & Stefan mit Alex & Max.

Wie alles anfing ...

Wie Spielkonsolen und Smartphones in unseren Familien ihren Siegeszug antreten. Nach dem ersten elektronischen Weihnachten, einem ungewöhnlich ruhigen Fest mit friedlich beschäftigten Kindern, macht sich ein gewisses Unbehagen breit: Während andere Eltern es locker sehen, wollen wir handeln. Aber warum stellen wir Mütter uns eigentlich so an? (Und warum sind Väter da anders?) Kämpfen hier Analog-Dinos gegen Digital Natives? Wir klären, dass das Normale nicht immer auch etwas Gutes sein muss und was ein Erziehungsauftrag bedeutet. Schlussendlich: Ein antidigitaler Plan muss her. Aber welcher?

MOBILE MOBILMACHUNG

Mich, Ella, hat es sozusagen kalt erwischt. Eines Novembermittwochs vor ein paar Jahren schwappte die digitale Welt unvermittelt in unser Familienleben. Ben, damals im dritten Schuljahr, stand etwas früher als sonst vor der Tür: »Mama, weißt du …« Weiter kam er nicht, schon im Flur kullerten die ersten Tränen. Ich bleibe normalerweise cool, denn meiner Überzeugung nach müssen Eltern eher den gelassenen Gegenpol geben, wenn das Kind schon weint. Aber hier schien es wirklich etwas Ernsteres zu sein. Er schluchzte geradezu. Wer will schon sein eigenes Kind so weinen sehen?

Also ich nicht. Er schien unverletzt, was war bloß passiert?

ALLE HABEN EINS, MAMA!

Nachdem er sich bei einer Tasse Kakao etwas beruhigt hatte und die Tränen getrocknet waren, bestimmte nun ein unendlich verzweifelter Blick seine nach wie vor kummervolle Miene: »Mama, wir haben eine Umfrage gemacht, und alle haben eins, nur ich nicht!« Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, dass er von einer Spielkonsole sprach. Geräte wie Nintendo DS, Playstation und Gameboy gehörten in der Klasse zum Alltag (selbst wenn sie in der Schule nicht benutzt werden durften) und die aufgeschlossene Klassenlehrerin hatte das an diesem Tag mal in den Unterricht integriert.

Das Ergebnis des Klassenbrainstormings kam einem Vernichtungsschlag gegen meine pädagogischen Grundfesten gleich. Mein Kind wurde als einziges von 24 Schülern demnach mutwillig vom digitalen Paradies ferngehalten: Alle außer ihm besaßen ein elektronisches Spielgerät, wenn nicht gleich ein Smartphone. Manche hatten sogar mehrere Geräte. Und noch mal: Er war der Einzige in seiner Klasse! Tatsächlich. Normalerweise neigen Kinder in diesem Alter ja zu Übertreibungen. »Alle« sind meistens zwei, drei gute Freunde oder Freundinnen. Diesmal hieß »alle« wirklich »alle außer Ben«.

Bisher hatte ich alles elektronische Gerät aus dem Kinderzimmer ferngehalten und war auch stolz darauf, es hatte bis zu diesem Zeitpunkt in unserem Haushalt auch keine bimmelnden Plastikspielzeuge gegeben (okay, bis auf ein Geschenk, das sofort entsorgt wurde, als die Batterie nachzulassen begann). Aber jetzt geriet dieser Stolz gewaltig ins Wanken, denn ich wollte keinen Außenseiter aus meinem Kind machen. Etwas später, am Elternsprechtag, sprach mich die Klassenlehrerin sogar noch einmal darauf an, wie sehr sich Ben doch so ein Ding wünschen würde.

Jetzt gab es kein Halten mehr. War ein solches Gerät schon seit Langem sein größter Wunsch gewesen, wurde es nun dieses Weihnachten zum einzigen Wunsch! Bisher konnten wir das irgendwo am Ende aufgelistete elektronische Gerät einfach ignorieren. Aber jetzt, kurz nach der Klassenumfrage, stand da nur noch: »Plestasion«.

Es war genau das passiert, was ich als Mutter nicht leiden kann, weil ich keinerlei Einfluss darauf habe: Die peer group hatte mobilgemacht. Der soziale Druck, den schon Grundschüler ausüben können, ist immens, das hatte ich hier zu spüren bekommen. Und die Moral von der Geschicht: Das Kind bekam zu Weihnachten sein Gerät, das heißt, wir alle bekamen es, Mama, Papa, Ben und seine beiden kleineren Brüder.

Seit ungefähr eineinhalb Jahren hatte jeder Wunschzettel unseres erwartungsvollen Sohnes die Worte »Playstation« oder »Nintendo DS« enthalten. Groß geschrieben, rot umrandet und mit vielen Fehlern.

AUF DEM GIPFEL DER GLÜCKSELIGKEIT

Eine Playstation war damals der Gipfel der Glückseligkeit und meiner Ansicht nach das kleinste Übel: Das Kind konnte nicht allein in seinem Zimmer mit einem elektronischen Gerät vereinsamen, sondern würde wenigstens ganz kommunikativ mit seinen Brüdern lustige Spiele spielen. Einen großen Fürsprecher hatte Ben außerdem in seinem Papa, der genau so ein Gerät auch gerne haben wollte, um – ja wirklich – selber zu spielen. Und Filme gucken konnten wir damit auch. Eigentlich ein wunderbares Gerät, das so viel kann. Bald waren Lego-Star-Wars-Helden und die Mods Nation Racers auch in unserem Wohnzimmer Stammgast und die ganze Familie (außer mir, der Skeptikerin) raste mit kleinen Autos über virtuelle Rennbahnen zum Ziel.

Und wo ein Gerät ist, bekommt es bald Freunde. Denn die drei Jungs, Ben und seine kleinen Brüder Jonas und Elias, fanden die Playstation natürlich gut. Und zu jedem folgenden Geburtstag oder zu Weihnachten wünschten sich die Jungs weitere Devices. Smartphones kamen ins Haus und auch die PC-Kapazitäten wurden aufgestockt ...

STILLE NACHT 2.0

Bei uns kam das erste Gerät aus praktischen Erwägungen ins Haus. Es war wie bei vielen anderen auch: Irgendwo war ein Smartphone übrig, und bevor das in einer Schublade verschwindet, bekommt es ein Kind. Weil ein solches Gerät natürlich auch einen Nutzwert für die Eltern hat: Das Kind ist erreichbar und kann sich jederzeit eine Busverbindung suchen.

Anlass war die Klassenfahrt unseres damals zwölfjährigen Alex. Die Erdkunde- und Biolehrer hatten auf die Mitnehmliste neben Zahnbürste und Schlafanzug auch »Fotoapparat oder Foto-­Handy« geschrieben. Man wollte Bäume und Gestein foto­grafieren und anschließend per PowerPoint Collagen erstellen und Referate halten. Man merkte, die Lehrer waren beide jung, technisch versiert und voller Tatendrang. Nur war Alex’ Fotoapparat kaputt und das alte Handy hatte keine Kamera. Die Lösung des Problems lag bei meinem Mann Stefan im Schrank. Der hatte nämlich vor einer Weile einen Frustkauf getätigt und sich – zwar keine Schuhe, aber ein neues Smartphone gekauft! Das alte wurde dementsprechend nicht mehr gebraucht, war aber noch komplett funktionstüchtig und internetfähig. Alex konnte es also »erst mal« auf die Klassenfahrt mitnehmen, um seine Fotos zu machen. Ich muss nicht erwähnen, dass »erst mal« zum Dauerzustand wurde.

DIE SMARTPHONE-EINSCHLEICHUNG

Weil Alex nun ein guter Schüler ist, der mehrmals pro Woche zum Training geht und auch sonst nicht laut herumtönt, was er mit dem Gerät alles anstellte, fiel die schleichende Smartphonenutzung keinem weiter auf. Keinem?

Doch. Einem. Und zwar dem jüngeren Bruder, der mit Argusaugen beobachtete, was Alex tat und wie lange. Und der dann seinerseits Ansprüche geltend machte. Natürlich kurz vor Weihnachten! Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn so fehlten uns die Argumente, ihm ein Smartphone vorzuenthalten. Er war ja inzwischen fast so alt wie Alex, als der das Leihgerät vom Papa geerbt hatte. Dann war die Sache klar: Unter unserem Tannenbaum würde ein Smartphone liegen, die klassische Einstiegsdroge für Fünftklässler. Es war Maxis sehnlichster Weihnachtswunsch! Und wer traut sich zu sagen: »Ach, dein Bruder hat so ein Ding? Na, du kriegst jedenfalls keins«? Viel lieber hätte ich natürlich viel zu viel Geld für ein paar klitzekleine Plastiksteinchen aus Dänemark ausgegeben und dann zugesehen, wie Sohn, Papa und Opa auf dem Fußboden sitzen und bis spät in die Nacht fluchend und Weingläser umstoßend Spielzeug zusammenbauen. Aber ich habe mich breitschlagen lassen – und der Kindsvater hat glücklich einen halben Samstag im Elektronikmarkt verbracht.

Was ein Handy alles können muss

Ich persönlich hatte ja ganz klare Wünsche, oder sagen wir Anforderungen: Das Smartphone für den Nachwuchs sollte ein paar grundlegende Sachen können, aber bitte nicht zu viele. Also, Maxi sollte schon Spiele spielen und Musik hören können und WhatsApp-fähig sein sollte es auch, sonst hätte man ihm ja auch Omas altes Klapphandy geben können. Aber – was mir wichtig war – er sollte nun nicht permanent bei YouTube oder sonstwo im Internet unterwegs sein können. Ach so, telefonieren musste er natürlich auch können und eine GPS-Ortung fand ich gut, dann konnte ich immer wissen, ob er bei seinem Freund am anderen Ende der Stadt gut angekommen war. War ich unbescheiden mit meinen Wünschen? High-End-Fotoqualität fand ich bei einem Elfjährigen nicht wichtig, der Papa allerdings schon. Ich wollte, dass das Gerät nicht so teuer aussah, damit es in der Schule nicht geklaut wurde, mein Mann dagegen fand, wenn schon, dann sollte das Ding auch was hermachen. Wir hatten offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen ...

Die dunkle Bedrohung

Kurz vor dem vierten Advent, als ich mit den Nerven sowieso schon zu Fuß war, wegen des nahenden Festes, der Menüfolge, den immer neuen Fragen der Großeltern und der Limited-Edition-Barbie für mein Patenkind, brachte mein Mann tatsächlich eines schönen Abends das Ding mit nach Hause. Kaum waren die Kinder an diesem Freitagabend im Bett verschwunden, zog er mich mit verschwörerischem Lächeln – »Überraschung!« – ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Ich dachte zunächst erfreut an ein abendliches Stündchen zu zweit allein, aber mein Göttergatte zog mit vielsagendem Lächeln eine Plastiktüte hervor, deren Aufschrift schon verriet, dass hier Elektronik statt Erotik angesagt war – und die mich ahnen ließ, dass die Stunde der dunklen Bedrohung durch allerlei digitale Gerätschaften unwiderruflich näher rückte.

In der Tüte lag das Smartphone für unseren Sohn. Es sei das Beste, was er finden konnte, erklärte er stolz. Wortreich begann er mir all die wunderbaren technischen Eigenschaften des Handys vorzustellen und versprach, es gleich für das Kind einzurichten, damit der Junge sofort loslegen konnte.

Alles so schön ruhig hier

Dabei wurde es ein schöner Weihnachtsabend, überhaupt ein friedliches Weihnachtsfest. Ruhig und entspannt. Okay, am ersten Weihnachtsfeiertag bei meinen Eltern stocherte Maxi ein bisschen im Essen herum. Statt aber wie sonst lange rumzumaulen und unter der Tischplatte seinem Bruder vors Knie zu treten, sagte er überaus wohlerzogen: »Oma, ich bin noch sooo satt vom Frühstück – und von deiner Schokolade. Ist doch okay, wenn ich mich da aufs Sofa setze, während ihr weiteresst, oder?«

Wir waren im Weihnachtsparadies: Oma aß mit Hingabe ihre Forelle, Opa hielt Vorträge über den Klimawandel, mein Mann und ich lächelten uns glücklich an, ganz beseelt von unseren artigen Kindern. Am zweiten Weihnachtstag fragte ich mich zum ersten Mal, ob wir jetzt ein schlechtes Gewissen haben sollten. Max und Alex hatten sich jetzt zweieinhalb Tage eigentlich gar nicht bewegt, sie hatten nicht im weihnachtlich verschneiten Garten bei meinen Eltern gespielt und waren bei meiner Schwiegermutter nur vom Sofa aufgestanden, um mal aufs Klo zu gehen oder etwas zu trinken – aber ganz ehrlich: Im Grunde war ich hochzufrieden. Maxi spielte so schön, so friedlich mit seinem neuen Geschenk, dass es eine wahre Freude war. Es gab in den ganzen Weihnachtstagen nicht einen einzigen Streit.

Klar war das okay. Es war sogar hochwillkommen. Umso mehr, als gleich auch der große Bruder Alex mit seinem Leihphone aufs Sofa umzog. Und beide da sitzen blieben! Ohne Quengeln, ohne Meckern, ohne Streit, ohne Lärm.

WAS IST DAS BESTE FÜR UNSERE KINDER?

Irgendwann zwischen Weihnachten und Neujahr fiel mein Cousin nebst Lebensgefährtin Doro bei uns ein, die sich als kinderlose Expertin insbesondere in Erziehungsdingen gerne mal zu Wort meldet. Und auch diesmal blieben wir nicht verschont. Kaum, dass Doro unser Wohnzimmer betreten und den Tannenbaum bewundert hatte, sagte sie: »Hör mal, da musst du aber aufpassen! Nicht, dass das einreißt!« Mit ausgestrecktem Zeigefinger wies sie auf Maxi, der seit dem Weihnachtsabend brav und artig auf dem Sofa saß und mit seinem Weihnachtsgeschenk spielte.

»Wenn das einmal losgeht! Bald spielt er Ballerspiele und dann läuft er mit sechzehn in der Schule Amok!«, setzte Doro noch einen drauf. Sie übertrieb natürlich maßlos. Doch natürlich graute auch mir vor dem Ende der Weihnachtsferien. Niemand würde dann mit meinem Sohn vor dem Gerät sitzen. Dafür würde ich mich jeden Nachmittag darum kümmern müssen, dass das Kind statt an sein Smartphone auch mal an seine Hausaufgaben dachte. Mir wurde klar, dass der Weihnachtsfrieden womöglich teuer erkauft war, dass unser Max nun ein Gerät besaß, das nicht nur Spielzeug war, sondern auch das Potenzial hatte, ganz etwas anderes zu werden: Zeitfresser, Verführer, Türöffner ins Internet, Einstiegsdroge. Was mir noch nicht klar war: Wie konnte ich das Schlimmste verhindern oder zumindest weitgehend eindämmen? Wie, so fragte ich mich, können wir als Eltern die Kontrolle über den plötzlich möglichen Multimediakonsum behalten? Musste ich jetzt all diese schrecklichen Ballerspiele auch spielen, um meinem Kind den Weg durch virtuelle Welten zu weisen? Konnte mir vielleicht jemand mal den Weg weisen?

Im Grunde wusste ich selbst, dass Max schon sehr lange vor dem Gerät hing. Aber mal ehrlich: Man kann dem Kind doch nicht gleich am zweiten Weihnachtstag sein Geschenk wieder wegnehmen!

IST DOCH ALLES EASY!

Zufällig traf ich dann gegen Ende dieser Weihnachtsferien ­einen ehemaligen Klassenkameraden wieder. Der lebte in London, trug blonde Dreadlocks, arbeitete in der Musikbranche und hatte eine Multikulti-Patchworkfamilie. Also ziemlich das genaue Gegenteil von meinem Alltag.

»Hey! Easy!«, war sein Kommentar zum Smartphone- und PC-Konsum seiner Kinder. Er war ein Kindskopf geblieben, hatte sein Hobby zum Beruf gemacht und liebte es, mit seinem Nachwuchs gemeinsam am Computer zu spielen. Es stellte sich heraus, dass seine Kinder im Alter zwischen fünf und fünfzehn schlicht alles durften, und zwar immer und jederzeit. Außerdem besaß die Familie ein ganzes Arsenal von Laptops, iPads, iPods und Smartphones.

Kurz vor Mitternacht schickte seine achtjährige Tochter ein paar lustige Filmchen. Ich schaute erst mal unbewusst auf die Uhr, bevor ich mir die tatsächlich witzigen Videos anschaute, die Michi stolz herumzeigte. Als ich ihm aber sagte, wie wenig toll ich es fand, dass eine Achtjährige völlig unbeaufsichtigt nächt­liche Streifzüge durch das Internet unternahm, sah Michi – den seine Kinder übrigens Mike nennen – mich mitleidig über den Rand seines Bierglases an. »Meine Kids sind prima auf das Leben vorbereitet. Du willst doch deine Kinder nicht ausgrenzen und von Informationen fernhalten?«

MUTTER, VÖLLIG RATLOS

Ich fühlte mich wie eine Flipperkugel, die zwischen zwei Polen hin und her tickert. Die einen warfen mir Fahrlässigkeit vor, weil mein Kind am Smartphone spielt, und andere fanden, ich würde meine Jungs nicht gut genug auf ihre Zukunft vorbereiten. Die Wahrheit liegt wohl, wie immer, irgendwo in der Mitte. Zumindest hätte ich sie gerne da. Ich möchte – wie jeder – natürlich alles: Ich möchte meine Kinder, wenn sie achtzehn sind, als verantwortungsbewusste, gut vorbereitete junge Menschen in das Leben entlassen und keine computersüchtigen Amokschützen heranzüchten.

Natürlich können wir uns als Eltern hinsetzen und fasziniert zusehen, wie unsere Kinder schon im Kindergartenalter mit größter Selbstverständlichkeit am iPad hantieren und in atemberaubender Geschwindigkeit Smartphones und PCs beherrschen. Aber ist es eine Lösung, darauf zu vertrauen, dass Kinder irgendwann von alleine aufhören, auf digitalen Geräten herumzuhämmern, dass ihnen das Internet sowieso irgendwann langweilig werden wird? Einfach blind vertrauen? Viele Mütter neigen daraufhin eher zu besorgtem Eingreifen, so unsere Beobachtung, wogegen die meisten Väter gern alles interessiert laufen lassen, im Sinne von »hinein ins Abenteuer!«.

Wir möchten unsere Kinder begleiten und ihnen die Welt zeigen. Es liegt in der Natur des Menschen, Dinge weitergeben zu wollen. Man kann aber nur weitergeben, was man kennt. Nun ja. Da stehen wir Eltern jetzt vor einer Generation von Digital Natives, von Kindern und Jugendlichen, die sich eine Welt ohne Internet, Smartphone, permanente Erreichbarkeit und überall verfügbare Informationen fast nicht mehr vorstellen können. Und wir stellen fest: Wir Eltern sind Technikdinos und als Digital Immigrants nicht in dieser Welt verwurzelt, die vielleicht selbst nicht genau wissen, wie bestimmte Spiele, Apps oder Gadgets funktionieren, und deshalb verunsichert sind. Und wir maßen uns an, ihnen die Welt erklären zu wollen? Na, herzlichen Glückwunsch.

Nicht nur, dass wir unseren Sprösslingen alles Mögliche zeigen wollen, das wir kennen und wissen. Wir haben auch einen im Grundgesetz verankerten Erziehungsauftrag, der so aussieht, dass wir verantwortungsbewusste, gemeinschaftsfähige und eigen­verantwortliche Menschen ins Leben entlassen sollen.

Hinzu kommt, dass wir als Eltern die Verantwortung für unsere Kinder tragen und für das, was sie tun. Und zwar ganz unromantisch juristisch. Wir sind nicht nur zuständig für ihr Wohlergehen, sondern haften im Zweifel dafür, wenn sie etwas anstellen.

Es ist heute absolut normal, dass Grundschüler ein Smartphone besitzen. Das ist weder außergewöhnlich, noch regt sich irgendwer darüber auf. Aber ist das, was normal ist, also der Regelfall – ist das auch zwangsläufig gut?

Auf Mediennutzung heruntergebrochen könnte man sagen: Wir Eltern sollten dafür sorgen, dass die Jungs und Mädels nicht nur technisch versiert sind, sondern auch sozial verträglich, körperlich und seelisch gesund.

Wege aus dem digitalen Dickicht

Um den richtigen Weg zu finden, wie wir die ewigen Konflikte um die Mediennutzung zu Hause, die bei uns wie in vielen anderen Familien zur Normalität geworden sind, beenden können, beschließen Ella und ich unterschiedliche Expertentipps und Methoden zu testen. Wir wollen wissen, was funktioniert und warum – oder warum nicht. Ob es eine Patentlösung für unser Problem gibt, die garantiert klappt, und was wir wirklich beachten müssen. Und ob es wirklich Methoden gibt, die sich für uns als gut und praktikabel herausstellen. Wir haben tausend Fragen.

Was, wenn der Strom ausfällt?

Wir schalten den Strom im Kinderzimmer ab und fragen: Gibt es ein digitales Leben ohne Strom? Was liegt zwischen komplett »Off« und ganztags »On«? Wir checken umfangreichste Empfehlungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

ERST MAL: FESTE DADDELZEITEN

Nach einem der vielen Elternabende zum Thema Mediennutzung von Minderjährigen haben wir uns, wie von den Experten empfohlen, mit unseren damals noch unter elf Jahre alten Kindern zusammengesetzt und ausführlich über die Nutzungszeiten elektronischer Spiel- und Kommunikationsgeräte (sprich: Smartphone, Tablet, Spielekonsole, TV und PC) geredet.

DEN KINDERN EIN VORBILD

Den Vortrag des eingeladenen Medienpädagogen haben wir unseren Kindern dann zu Hause noch einmal kurz zusammen­gefasst. Dass zwar elektronische und digitale Medien heute aus unserem Leben nicht wegzudenken sind, dass Kinder und Jugend­liche den Umgang damit aber erst lernen müssen.

Meine, Katrins, Söhne nicken begeistert und kündigen an, »Computer« zu lernen und in zeitlich noch weiter Ferne (ab Klasse 8) Informatik belegen zu wollen. Dann würden sie das auch alles besser können und, und, und.

Ich muss sie enttäuschen und erkläre, dass dieses Lernen nicht in der Schule erfolgen kann, sondern dass die Eltern da verantwortlich sind – so hat es der Medienpädagoge gesagt. Und der muss es ja wissen. Er hat uns erklärt, die Eltern würden ihr Kind am besten kennen und könnten daher besser als andere beurteilen, wie sehr und wovor es sich ängstigt oder ob es eher hartgesotten ist, also wie viel Medienkonsum genau für ihr Kind richtig ist. Denn davon, wie viel Zeit ein Kind mit welchen Medien verbringt, hängt es ab, ob sich das Ganze negativ auf die Entwicklung auswirkt. Jubel bricht aus, als ich verkünde, der Medienpädagoge habe gesagt, dass Verbote keine Lösung sind.

Kein Spaß ohne Grenzen

In kindlicher Euphorie haben Alex und Max »kein Verbot« mit »Spaß ohne Grenzen« gleichgesetzt. Den Zahn muss ich ihnen aber leider sofort ziehen. »Äh, nee, Jungs!«, rufe ich. »Tut mir leid, aber wir werden uns jetzt mal an feste Daddelzeiten gewöhnen.« »Feste Zeiten?« Maxi starrt mich an. »So wie die Essenszeiten von Lenas Hund?«

In der Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden für Grundschüler wie Max maximal 45 Minuten Bildschirmmedien empfohlen. Um gleich mal einen Puffer einzubauen, lege ich die tägliche Daddelzeit auf 30 Minuten fest. Für beide. Auf diese Weise will ich mir Spielraum verschaffen, denn selbst wenn sie überziehen, sind sie immer noch im tolerierbaren Zeitrahmen. Ich habe mal gelesen, dass das Straßenverkehrsamt die Geschwindigkeitsbegrenzung in einem Tunnel auf 70 km/h festgesetzt hat, obwohl 80 das Maximum waren. Da die Leute aber immer ein bisschen zu schnell fahren, hat man mit der 70 auf dem Schild und der 80 auf dem Tacho die Autofahrer genau da, wo man sie haben wollte. So ungefähr stelle ich mir das vor mit der Pufferzeit von 15 Minuten (die ich schon ziemlich üppig finde).

DAS IST VIEL ZU KURZ, MAMA!

Katrin ist viel konsequenter als ich. Bei mir lief das anders, eine fraglose Zustimmung gibt es hier bei uns zu Hause nicht. Aber ich habe es versucht. 30 Minuten Gerätenutzung am Tag, das wären ja, ich rechne es schön, immerhin dreieinhalb Stunden in der Woche. Ich erkläre ihnen, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung das so vorgibt. Und dass ich mich gern danach richten möchte. Und sie sich demnach auch.

Kein Nicken. Nicht das erwünschte »Ja, Mama«. Der am Gespräch teilnehmende Ehemann sieht mich zweifelnd an und sagt nichts. Er steht Expertenmeinungen grundsätzlich skeptisch gegenüber.

Ein Level in 30 Minuten??

Sofort werden nämlich erste Bedenken geäußert: »Och nee, das ist viel zu kurz«, ist noch einer der milderen Sprüche. »Das geht doch nicht, in einer halben Stunde kann man doch kein Level zu Ende spielen!«, wird argumentiert. Ich tröste mit der Aussicht, dass sie sich ja Zeit aufheben können, zum Beispiel fürs Wochenende.

»Wir stellen die Uhr am Backofen ein und wenn die piepst, dann gebt ihr eure Geräte wieder an mich ab«, erkläre ich, was ich mir vorher ausgedacht habe, und spreche schließlich das Machtwort: »So machen wir das erst mal.«

»Aber ohne Fernsehen!«, kommt der unmittelbare Protest. Ich lasse mich also breitschlagen, um überhaupt irgendeine Art Einigung zu erreichen: »Okay, es zählt nur die Gerätezeit, Computer, Handy und so weiter, eine halbe Stunde pro Tag.«

Und um dem Ganzen noch etwas Flexibilität hinzuzufügen, dürfen sie sich bis zu zwei Stunden am Stück aufsparen.

WAS TUN, WENN ES NICHT FUNKTIONIERT?