Leiche tiefgekühlt - Walter Kuhnke - E-Book

Leiche tiefgekühlt E-Book

Walter Kuhnke

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Beschreibung

Das Verbrechen schläft nicht, sagt man. Und es stimmt. Es findet tagtäglich vom kleinsten Kuhdorf bis in die Metropolen statt. Dabei geht es quer durch das Strafgesetzbuch. Sachbeschädigung, Betrug, Raub, Erpressung, Herbeiführung einer Explosion, Zechprellerei, Geiselnahme, Mord und Totschlag bestimmen tagtäglich das Leben. Immer wieder sind auch die Städte der Fußball-Bundesliga betroff en. Und die kriminellen Aktivitäten reichen sogar bis hinauf in die Rathäuser. Aber ich kann Sie beruhigen, betroff en sind keine bekannten Persönlichkeiten oder Prominente, denn alle Geschichten und Personen sind frei erfunden.

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Walter Kuhnke

Leiche tiefgekühlt

Neue schwarzhumorige Kriminalgeschichten aus den Städten der 1. Fußballbundesliga in der Saison 2022-2023.

Ruhrkrimi-Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Walter Kuhnke

© 2023 Ruhrkrimi-Verlag

e-Book: ISBN 978-3-947848-67-6

Taschenbuch: ISBN 978-3-947848-66-9

Originalausgabe

Cover: Uwe Wittenfeld unter Verwendung von Fotos aus dem Adobe-Stock

Druck: BoD

Alle Personen, Namen und Ereignisse sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen, Namen und Ereignissen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten!

Die Verwendung von Text und Grafik ist auch auszugsweise ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

https://www.ruhrkrimi.de

Walter Kuhnke ist ein Junge des Ruhrgebiets, 1948 in Dortmund (Hörde) geboren. Zunächst Ausbildung zum Finanzbeamten, danach Studium der Rechtswissenschaften in Hamburg, Bochum und Münster, über zwanzig Jahre als selbstständiger Rechtsanwalt tätig, unter anderem auch als Strafverteidiger.

Seit Eintritt in den Ruhestand Seniorenstudierender an der TU Dortmund. Buchveröffentlichung von 49 Kurzgeschichten (Die sprechende Waschmaschine), schrieb daneben Kurzgeschichten für die Wochenendbeilagen von über zwanzig deutschen Tageszeitungen. Nach »Beruf: Killer« erscheint hiermit sein zweiter Band mit kriminellen und schwarzhumorigen Kurzkrimis aus den Städten der ersten Fußballbundesliga.

Vorwort

Das Verbrechen schläft nicht, sagt man. Und es stimmt. Es findet tagtäglich vom kleinsten Kuhdorf bis in die Metropolen statt. Dabei geht es quer durch das Strafgesetzbuch. Sachbeschädigung, Betrug, Raub, Erpressung, Herbeiführung einer Explosion, Zechprellerei, Geiselnahme, Mord und Totschlag bestimmen tagtäglich das Leben. Immer wieder sind auch die Städte der Fußball-Bundesliga betroffen. Und die kriminellen Aktivitäten reichen sogar bis hinauf in die Rathäuser.

Aber ich kann Sie beruhigen, betroffen sind keine bekannten Persönlichkeiten oder Prominente, denn alle Geschichten und Personen sind frei erfunden.

Inhalt:

Vorwort3

Leiche tiefgekühlt (Hoffenheim)5

Baron Franz Nikolaus von Fürstenberg (Köln)23

Familie ist Familie (Freiburg)37

Der Mann aus Steglitz (Berlin)49

Alles Fisch (Bremen)60

Aufruhr in St. Reinold (Dortmund)76

Ein Häuschen mit Garten (Stuttgart)90

Und es hat Klick gemacht (München)103

Mafia light (Leverkusen)113

Vom Winde verweht (Frankfurt)124

Der Facility Manager (Schalke)141

Das Geständnis des Phantoms (Mainz)155

Falsch gelagert (Leipzig)163

Jobwechsel (Wolfsburg)178

Die Spur führt nach Holland

(Mönchengladbach) 197

Geiseldrama im Schnellimbiss (Bochum)208

Schweigegeld (Augsburg)222

Leiche tiefgekühlt (Hoffenheim)

Die kleine Tintenstation in der Nähe der Fußgängerzone, in der er günstige Toner verkaufte, Tintenpatronen der gängigen Marken wie HP, Epson, Canon und Kyocera und Wiederbefüllungen von Druckerpatronen anbot, brachte gerade mal so viel ein, dass er damit seine Unkosten decken konnte. Gunther Doelle hatte sich mehr von der Übernahme des Geschäftes erhofft, als er als gelernter Schlosser arbeitslos wurde. Und für die Übernahme des Warenbestandes war fast das gesamte Ersparte draufgegangen. Die meiste Zeit stand er sich die Beine in den Bauch und wartete auf Kunden. Wenigstens war das Eigenheim in der Brunnenstraße abbezahlt und Ehefrau Elvira trug, nachdem man ihren pflegebedürftigen Schwiegervater ins Haus aufgenommen hatte, mit ihrem Gehalt als Krankenschwester in Teilzeitarbeit zum Lebensunterhalt bei. Und mit der Rente von Doelles Vater und dem Pflegegeld kam man gut über die Runden. Dass der alte Herr nicht der Einfachste war und seine Pflegebedürftigkeit sich in Grenzen hielt, musste man notgedrungen in Kauf nehmen. Deshalb blieben Konflikte natürlich nicht aus.

Als Gunther Doelle abends nach Hause kam, saß seine Frau gedankenverloren am Küchentisch.

»Was ist mit dir?«, fragte Gunther Doelle.

»Dein Vater macht mich wahnsinnig«, antwortete seine Ehefrau.

»Was ist denn jetzt schon wieder?«

»Heute Morgen war ihm der Kaffee zu kalt und er wollte Erdbeer- und keine Kirschmarmelade. Der Gipfel war heute Mittag. Ich habe ihm Nudeln mit Sauce bolognese gekocht und was hat er gemacht? Er ist aufgestanden, hat den Teller genommen, ist zur Toilette gegangen und hat alles ins Klo geschüttet.«

»Warum das denn?«

»Weil die Nudeln ihm angeblich zu weich waren. Ich hätte sie matschig gekocht.«

Die Zornesröte stieg Gunther Doelle ins Gesicht. »Ist er in seinem Zimmer? Den nehme ich mir jetzt mal zur Brust. Der muss nicht meinen, der kann sich alles erlauben.«

»Gunther lass, du weißt, dass wir auf ihn angewiesen sind.«

Widerwillig ließ Doelle es nicht zur Konfrontation kommen.

Als Gunther und Elvira Doelle abends vor dem Fernseher saßen, kam der alte Herr, seinen Rollator vor sich her schiebend, dazu.

»Ich will den Jauch sehen«, polterte der Vater. »Wer wird Millionär.«

»Wir wollen uns heute einen Krimi anschauen«, antwortete Gunther Doelle. »Die Toten vom Bodensee.«

»Der wird bestimmt mal wiederholt, der Jauch nicht.«

»Du kannst doch in deinem Zimmer gucken.«

»Der Apparat ist zu klein, da kann ich nicht richtig sehen.«

Sprach es und setzte sich auf die Couch.

Doelles fügten sich und schalteten um auf RTL.

Während die Eheleute die Sendung eher gelangweilt verfolgten, hatte der alte Herr offenbar Spaß daran und hatte zu jeder Frage etwas zu sagen. Entweder fand er die Frage kinderleicht oder er amüsierte sich über die Kandidaten, weil sie seiner Meinung nach teilweise einfach nur doof waren.

Gunther Doelle platzte der Kragen. »Musst du zu jeder Frage deinen Kommentar abgeben? Das nervt.«

»Ach so, das nervt. Mich nervt etwas ganz anderes.«

»So? Und was?«

»Dass kein Bier mehr im Kühlschrank ist.«

»Bier ist gar nicht gut für dich, du bist Diabetiker.«

»Ich hab das im Griff, ich habe meine Spritzen.«

»Dann musst du dir was aus dem Keller holen.«

»Mit dem Rollator?«

»Heute Mittag konntest du doch auch zur Toilette gehen und das Essen ins Klo schütten, auch ohne Rollator.«

»Kann Elvira nicht …«

»Sie ist nicht dein Dienstmädchen.«

»Aber die Treppe.«

»Du kannst dich ja am Geländer festhalten.«

Doelles Vater machte keine Anstalten aufzustehen.

»Was ist?«, fragte sein Sohn. »Keinen Durst mehr?«

»Ich warte bis zur Werbung.«

Wie angekündigt, stand der alte Herr zu Beginn der Werbung auf, blieb einen Moment stehen, dann setzte er sich ohne Rollator in kleinen Schritten Richtung Kellertür in Bewegung. Man hörte, wie die Tür geöffnet wurde, die ein wenig quietschte, dann ein lautes Rumpeln verbunden mit einem lauten Schrei. Sofort sprangen die Eheleute Doelle auf und stürzten zur Kellertür. Sie schauten zum Keller hinunter und da lag er am Fuße der Kellertreppe. Er war hinuntergestürzt. Sie gingen die Stufen abwärts, um sich um den alten Herrn zu kümmern, der bäuchlings auf dem Kellerboden lag und sich nicht rührte. Gunther Doelle packte seinen Vater bei den Schultern, dreht ihn um und blickte in leere Augen.

Doelle schaute seine Frau an. »Der ist tot.«

»Nein«, stieß Elvira Doelle aus. »Das kann doch nicht sein.«

»Doch. Der ist tot.«

Einen Moment sahen sich die Eheleute sprachlos an.

Elvira Doelle fand als Erste wieder Worte. »Und was machen wir jetzt?«

Gunther Doelle zuckte mit den Schultern.

»Weißt du, was das bedeutet? Was das für uns bedeutet?« »Scheiße.«

Beide wussten, dass dieser Tod einen gravierenden Einfluss für ihr Leben bedeutete.

»Wie sollen wir zurechtkommen, ohne seine Rente und ohne das Pflegegeld?«, sprach Elvira Doelle aus, was das für Konsequenzen haben würde.

»Ich weiß.« Gunther Doelle machte ein nachdenkliches Gesicht. »Wir müssen uns was einfallen lassen.«

»Und was? Sollen wir ihn ans Fenster stellen damit alle sehen, dass er noch da ist?«

»Ich muss überlegen. Jedenfalls können wir ihn nicht hier unten liegen lassen.«

Mit vereinten Kräften transportierten sie den alten Herrn aus dem Keller und legten ihn in seinem Zimmer auf das Bett. Dann zogen sie sich zur Beratung ins Wohnzimmer zurück. Der Fernseher, der noch immer die Sendung Wer wird Millionär zeigte, wurde ausgeschaltet.

»Ich brauche jetzt einen Schnaps«, sagte Gunther Doelle.

»Ich auch«, schloss sich Frau Elvira an, ging in die Küche und holte eine Flasche Grappa aus dem Kühlschrank.

Nach ein paar Schnäpsen war man sich einig, dass man den alten Herrn nicht auf ewig auf seinem Bett liegen lassen konnte.

»Wir müssen ihn verschwinden lassen«, sagte Gunther Doelle. »Wenigstens eine Zeit lang. Denke an die Rente und das Pflegegeld.«

»Wie stellst du dir das vor?«, fragte die Ehefrau.

»Ich habe da eine Idee.«

»Die wäre?«

»Die große Kühltruhe im Keller.«

»Das ist nicht dein Ernst.«

»Nur vorübergehend.«

»Ich weiß nicht …«

»Fällt dir was Besseres ein?«

»Die Truhe ist halb voll, da liegen die Kaninchen drin, die du von deinem früheren Kollegen hast. Wir können deinen Vater doch nicht da drauflegen, das passt nicht.«

»Wir müssen die Truhe leer räumen.«

»Und wohin damit?«

»Was weiß ich? Wir haben doch noch eine andere Truhe. Dann muss das eben da rein.«

»Das geht nicht.«

»Ende der Diskussion.«

Die beiden räumten die große Kühltruhe aus, verteilten etwas auf die kleinere, ein paar Sachen landeten im Kühlschrank und einiges Gefriergut wurde in den Abfalltonnen entsorgt. Dann schleppten sie den Toten von seinem Zimmer in den Keller.

»Der passt da nicht rein«, kommentierte Elvira Doelle als der Tote vor der Kühltruhe lag. »Die ist viel zu kurz.«

»Wir müssen seine Beine anwinkeln«, antwortete Gunther Doelle, »dann passt das schon.«

Gesagt, getan, schließlich fand der alte Herr eine Ruhestätte in der großen Kühltruhe im Keller. Bei ein paar weiteren Grappa überlegte man, wie es weitergehen sollte.

»Wichtig ist«, sagte Gunther Doelle, »dass wir alles so machen wie bisher, damit keiner misstrauisch wird.«

»Und wie lange soll das gehen?«, fragte die Ehefrau.

Darauf hatte Gunther Doelle keine Antwort.

Als Elvira Doelle nachts aufwachte, fand sie das Bett neben sich leer vor. Sie stand auf und fand ihren Mann vor dem Rechner.

»Was machst du da?«, fragte sie.

»Ich hatte heute Nacht einen Einfall. Ich habe mal was gelesen und im Fernsehen haben sie auch darüber berichtet«, antwortete er, »dass jeder Mensch, statistisch gesehen, auf der Welt sieben Doppelgänger hat.«

»Was soll das?«

»Denke nur an Michael Jackson und sogar Angela Merkel. Man kann im Netz nach Doppelgängern suchen. Man muss nur ein Bild hochladen.«

»Verstehe. Und du meinst, du findest einen Doppelgänger für deinen Vater.«

»Genau.«

»Und was versprichst du dir davon?« »So für alle Fälle. Er kann mal aus dem Fenster schauen, dass die Leute ihn sehen, dass es ihn noch gibt, oder mit dem Rollator auf die Terrasse.«

»Das ist doch eine Schnapsidee.«

»So? Stell dir mal unsere Kontoauszüge ohne sein Geld vor.«

Das war ein Argument, dem die Ehefrau nichts entgegenzusetzen hatte.

Der Hoffnung auf ein Ergebnis folgte Frust. Gunther Doelle hatte ein Foto seines Vaters hochgeladen, doch keine Reaktion erfolgte. Schließlich schlief er vor dem Rechner ein und musste am nächsten Morgen von seiner Frau geweckt werden. Aber Gunther Doelle gab nicht auf und als er abends aus seiner Tintenstation zurückkehrte, staunte er bei Einschalten seines Rechners nicht schlecht. Er hatte nicht die von der Statistik errechneten sieben Treffer gelandet, sondern siebzehn. Gunther Doelle druckte alles aus und sichtete bei Grappa mit seiner Frau die Ergebnisse, während der Vater in der Tiefkühltruhe ruhte. Bild für Bild wurde in Augenschein genommen.

»Das sollen Doppelgänger sein?«, zweifelte Elvira Doelle. »Bei den meisten gibt es doch gar keine Ähnlichkeit.«

»Was ist mit dem?«, zeigte Gunther Doelle auf ein Bild. »Der wäre doch was.«

Die Ehefrau schaute skeptisch. »Aber nur, wenn man den von weitem sieht.«

»Das reicht doch. Vater hat das Haus so gut wie nie verlassen. Den hat man auch nur von Weitem gesehen.«

»Der.« Elvira Doelle tippte mit dem Zeigefinger auf ein Bild. »Der käme eher in Frage.«

»Der hat einen Vollbart, Vater nicht.«

»Den kann er sich ja wachsen gelassen haben.«

Gunther Doelle betrachtete das Bild. »Jetzt, wo du es sagst. Das käme in der Tat hin.«

Auf die Suchanfragen hatte man zwar siebzehn Treffer gelandet, von denen aber lediglich ganze zwei in die nähere Auswahl kamen. Die anderen waren nur mit großem Wohlwollen zufriedenstellend. Michel Jackson und Angela Merkel hatten bessere Doppelgänger. Aber für ihre Zwecke sollte es ausreichen. Deshalb entschieden die Doelles, Kontakt zu den beiden aufzunehmen.

»Was willst du denen denn erzählen?«, fragte Elvira Doelle. »Dass wir einen Ersatz-Opa suchen, weil unserer in der Tiefkühltruhe liegt?«

»Ich habe mir schon eine Geschichte ausgedacht«, antwortete der Ehemann.

»Da bin ich aber mal gespannt.«

»Ich sage, dass mein Vater dement ist, aber immer von seinem Bruder spricht, der schon längst verstorben ist. Er möchte seinen Bruder vor seinem Tod noch einmal sehen. Und deshalb suchen wir jemanden, der seinem Bruder ähnlich sieht.«

»Das ist eine total bescheuerte Geschichte.«

»Ist ja nur, um die Kontaktaufnahme zu erklären.«

»Und wenn er dann deinen Vater sehen will. Gehst du mit ihm dann in den Keller?« »Dann sage ich, dass er leider verstorben ist.«

»Und dann?«

»Das muss ich mir noch überlegen.«

Wenn die Ehefrau auch Bedenken hatte, vereinbarte Gunther Doelle mit beiden Kandidaten ein Treffen.

»Na, wie war’s?«, fragte Elvira Doelle nach Rückkehr ihres Mannes.

»Den Ersten können wir vergessen«, erstattete der Ehemann Bericht. »Hat Frau, Kinder, Enkelkinder und wohnt hier in der Nähe und war schon mal bei uns hier in Hoffenheim. Aber der Zweite passt. Er ist alleinstehend, hat keine Angehörigen, wohnt ziemlich beengt, hat eine kleine Rente, mit der er gerade so über die Runden kommt und wohnt in Mosbach.«

»Ist das der mit dem Vollbart?«

»Genau der. Das ist unser Mann.«

»Aber du musst ihm reinen Wein einschenken.«

»Der wird froh sein, aus seiner prekären Lage herauszukommen.«

Der Plan nahm Gestalt an.

Wieder einmal half Grappa, eine Entscheidung zu treffen und die weitere Vorgehensweise in Angriff zu nehmen. Die Wahl war getroffen. Es war Albert, Single ohne Anhang und Vollbartträger aus Mosbach. Doch nun hieß es Butter bei die Fische, denn die Geschichte mit dem Besuch eines Bruders konnte nicht aufrecht erhalten bleiben. Man musste offen sein, ohne alles preiszugeben. Es musste für beide Seiten eine Win-win-Situation sein. Diesmal kamen die Geschichtsidee und die Vorgehensweise von Elvira Doelle. Man verabredete sich mit Albert, der mit Nachnamen Kreuzer hieß, in dessen Heimatstadt.

»Ich bin die Elvira«, wollte sie sofort eine vertraute Atmosphäre schaffen, »und du bist der Albert.«

»Angenehm«, war Albert Kreuzer überrascht, aber gleichzeitig gefiel ihm diese herzliche Begrüßung.

»Meinen Mann, den Gunther, kennst du ja schon«, fuhr sie fort. »Mein Schwiegervater ist verstorben.«

»Tut mir leid«, zeigte Albert Kreuzer Anteilnahme.

»Da haben wir uns gedacht, ob du nicht in das schöne Zimmer von ihm einziehen würdest. Ich weiß ja, dass du allein lebst, dann wäre das sozusagen mit Familienanschluss.«

»Wie kommt ihr denn auf so eine Idee?«

»Das Zimmer steht leer und du hättest Gesellschaft«, wich Elvira Doelle auf die Frage aus. »Wir stellen das Zimmer auch kostenlos zur Verfügung.«

»Da gibt es doch bestimmt einen Haken.«

»Nun, du solltest das Haus nicht verlassen, nur beim Müll raustragen, und dabei solltest du einen Rollator benutzen.«

Das kam Albert Kreuzer doch mehr als verdächtig vor.

»Das klingt sehr mysteriös. Habt ihr eine Leiche im Keller?« »Wie?«, stand Gunther Doelle der Schreck ins Gesicht geschrieben. »Wie meinst du das?« »Das sagt man doch so, wenn Leute was verheimlichen wollen.«

Man war jetzt an dem Punkt angelangt, dass man mit der Sprache herausrücken musste, ohne alles restlos preiszugeben.

»Okay.« Gunther Doelle übernahm die Aufklärung. »Mein Vater ist gestorben, aber wir haben seinen Tod bei der Rentenversicherung noch nicht angegeben. Wir sind auf das Geld angewiesen. Und da du unserem Vater ähnlich siehst, dachten wir, dass du seine Rolle übernimmst.«

»Und wir haben alle was davon«, sprach Elvira Doelle. »Wir bekommen weiter die Rente des Schwiegervaters, du sparst die Miete für deine Wohnung und zahlst nur ein kleines Kostgeld.«

Da die Miete mehr als ein Drittel seiner kleinen Rente ausmachte, war das Angebot für Albert Kreuzer nicht ohne Reiz. Außerdem hielt ihn nichts in Mosbach. Da er überdies einen Nachmieter für seine Wohnung stellen konnte, hatten Doelles nach nicht einmal zwei Wochen einen Mitbewohner.

Obwohl die drei sich erst seit kurzer Zeit kannten, schienen sie sich gesucht und gefunden zu haben. Albert Kreuzer entpuppte sich als wahre Leseratte und verbrachte die meiste Zeit mit Büchern in seinem Zimmer, unterbrochen nur von den Mahlzeiten. Selbstverständlich brachte er auch den Müll raus, damit man ihn sehen konnte, dass es ihn alias Vater Doelle noch gab, wobei er auch wie verabredet einen Rollator benutzte.

Doch bald gab es erste Risse in der Harmonie. Ein neuer Fernseher musste her mit größerem Bildschirm, was den Eheleuten Doelle bekannt vorkam, die Verpflegung sollte abwechslungsreicher gestaltet werden, Rindersteak wurde verlangt, eine neue Deckenlampe musste angebracht werden, weil die alte zu wenig Licht spendete, und morgens sollte zumindest ein Körnerbrötchen zum Frühstück gehören. Alles wurde zur Zufriedenheit von Albert Kreuzer erfüllt. Dass Albert jeden Abend einen Becher heißen Kakao als Schlummertrunk verlangte, daran hatte man sich inzwischen gewöhnt.

Eines Morgens erhielt Gunther Doelle in der Tintenstation einen Anruf von seiner Frau.

»Albert ist weg«, sprach sie ins Telefon.

»Wie? Weg?«, fragte Gunther Doelle.

»Er ist nicht in seinem Zimmer, nicht im Haus, nicht im Garten, weg.«

Erst gegen Mittag tauchte er wieder auf und Gunther Doelle stellte ihn nach Rückkehr aus seinem Geschäft zur Rede.

»Wo warst du?«, fragte er.

»In der Stadt«, antwortet Albert Kreuzer.

»Haben wir nicht vereinbart, dass du zuhause bleibst?«

»Ich musste mal raus, fühlte mich eingesperrt.«

»Das war der Deal.«

»Reg dich doch nicht auf, ich bin ja mit dem Rollator gegangen.«

»Hat dich einer gesehen, bist du angesprochen worden?«

»Nein, nein, alles in Ordnung. Ich wollte mir nur mal die Stadt ansehen. Ich war in der Fußgängerzone, habe mir die Kirchen angeschaut, fehlt nur noch das Technikmuseum.«

»Ja, ja«, unterbrach Gunther Doelle, »so genau will ich das gar nicht wissen. Aber damit muss Schluss ein.«

Damit war eigentlich das Gespräch beendet. Eigentlich. Denn am nächsten Morgen sprach ein Kunde Gunther Doelle in seiner Tintenstation an, dass er seinen Vater im Ludwigshof gesehen habe, wie er genüsslich ein Stück Torte verspeist habe. Wenigstens hatte der Kunde Albert für den Vater von Gunther Doelle gehalten. Für den Abend gab es jedenfalls neuen Gesprächsbedarf.

»Hat dir die Torte im Ludwigshof geschmeckt?«, fragte Gunther Doelle.

»Woher weißt du?«, war Albert Kreuzer überrascht.

»Das spielt keine Rolle. Torte. Du bist Diabetiker.«

»Bin ich nicht.«

»Aber mein Vater. Wenn du dich nicht an die Spielregeln hältst …«

»Was dann?«, schnitt Albert Kreuzer ihm das Wort ab.

Gunther Doelle erkannte, dass man sich ganz in die Hand dieses Ersatzvaters begeben hatte und ihm ausgeliefert war. Albert Kreuzer saß am längeren Hebel und das bekamen die Doelles schon bald zu spüren.

Abends saßen sie gemütlich vor dem Fernseher und unterhielten sich, wobei beide es vermieden, über den Mitbewohner zu sprechen.

»Ich habe heute übrigens den alten Dr. Biermann getroffen«, berichtete Gunther Doelle.

»Hat der nicht die Praxis schon längst an seinen Sohn übergeben?«, wusste die Ehefrau. »Der muss doch schon an die achtzig oder sogar drüber sein.«

»Das schon, aber er hilft immer noch in der Praxis aus, besonders montags, damit sein Sohn einen Tag länger frei hat. Er machte auch noch einen ganz fitten Eindruck. Er hat nach meinem Vater gefragt, wie es ihm geht.«

»Und? Was hast du gesagt?«

»Dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht.«

Albert Kreuzer platzte in das Gespräch, einen Katalog in der Hand.

»Hier«, zeigte er den Katalog, »ich will verreisen, habe die Seite aufgeschlagen, Fuerteventura.«

Die Art und Weise, wie Albert Kreuzer seine Forderung stellte, denn etwas anderes war es nicht, regte Gunther Doelle nicht nur auf, sondern machte ihn regelrecht wütend.

»Pass mal auf«, platzte er laut heraus. »So geht das nicht. Irgendwo hat alles seine Grenze.«

»So?«, reagierte Albert Kreuzer süffisant, »dann will ich dir mal was sagen. Ich habe mich nämlich schlaugemacht. Wenn man unberechtigterweise Rente und Pflegegeld einstreicht, dann fällt das unter den Betrugsparagraphen. Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.«

»Willst du uns drohen?«

»Nur informieren.«

Sagte es und rauschte ab in sein Zimmer.

Jetzt war guter Rat teuer und auch ein paar Grappa trugen diesmal nicht dazu bei, zu einer Lösung zu kommen.

Tags darauf erschien Elvira Doelle überraschend in der Tintenstation ihres Mannes, was höchst selten vorkam.

»Ist was passiert?«, fragte Gunther Doelle erschrocken.

Die Ehefrau antwortete nicht, sondern legte ihrem Mann einen Schnellhefter auf den Tresen. »Schau hinein.«

Gunther Doelle blätterte in den Unterlagen und schaute seine Frau fragend an. »Vater hat eine Lebensversicherung? Warum wussten wir nichts davon?«

»Seit ich seine Bankgeschäfte abwickele, ist nie etwas abgebucht worden. Die Versicherung war beitragsfrei. Hundertzwanzigtausend Euro.«

Gunther Doelle starrte auf den Boden.

»Was sagst du dazu?«

Der Ehemann reagierte nicht, schien ganz in Gedanken versunken.

»Gunther.«

Er schaute seiner Frau in die Augen und sprach mit ruhigen Worten: »Glaubst du an Zufälle oder das Schicksal?«

»Was soll das?«

»Mir schwirrt da was durch den Kopf. Heute hast du die Unterlagen von der Lebensversicherung gefunden und ich habe gestern Dr. Biermann getroffen.«

»Du redest in Rätseln.«

»Elvira, mir kommt da eine Idee. Ganz klar ist mir das noch nicht, ich muss noch überlegen. Lass uns heute Abend darüber sprechen.«

Wenn man nach etwas die Uhr stellen konnte, dann war es die abendliche Rückkehr von Gunther Doelle aus seinem Geschäft. An dem Abend war er schon über drei Stunden überfällig. Sein Handy war ausgeschaltet, es meldete sich stets die Mailbox und seine Ehefrau machte sich Sorgen, ob etwas passiert sein könnte. Mit mehrstündiger Verspätung erschien Gunther Doelle endlich zur Erleichterung der Ehefrau.

»Wo warst du, wo kommst du her?«, empfing sie ihn erleichtert.

»Hat Albert schon seinen Schlummertrunk bekommen? Schläft er schon?«

»Ob er schläft, weiß ich nicht, aber seinen Kakao habe ich ihm schon gebracht. Aber beantworte mir meine Frage.«

»Ich habe recherchiert.«

»Recherchiert? Was hast du recherchiert?«

»Du hast mir mal gesagt, du könntest Vollzeit im Krankenhaus arbeiten, wenn Vater nicht bei uns wohnen würde.«

»Stimmt. Im Krankenhaus herrscht Personalmangel und ich könnte sofort anfangen.«

»Also wäre das auch so, wenn wir Albert nicht am Bein hätten.«

»Stimmt auch.«

»Und mit dem Geld von der Lebensversicherung könnten wir das hinbekommen.«

»Was willst du mir damit sagen?«

Dann eröffnete Gunther Doelle seiner Ehefrau seinen Plan. Wenn sie anfangs über den Plan auch erschrocken war, sah sie ein, dass man wohl keine andere Wahl hatte und sich aus der Bredouille in der man sich befand, lösen konnte. Aber sie hatte noch Fragen.

»Warum am Sonntag und warum dieser Bestatter nicht hier aus dem Ort, sondern aus Ittlingen, den wir gar nicht kennen.«

»Du vergisst, dass ich Schlosser gelernt habe«, entgegnete Gunther Doelle. »Ich kann Schlösser öffnen und auch wieder verschließen, dass keiner was merkt. Und das Bestattungsunternehmen ist von der Lage und den Räumlichkeiten ideal für meinen Plan. Und Sonntag wegen Dr. Biermann.«

Sonntag. Doelles saßen vor dem Fernseher, es liefen die Tagesthemen.

»Was ist mit Fuerteventura?«, betrat Albert Kreuzer in forschem Tonfall das Wohnzimmer.

»Ich habe übermorgen einen Termin im Reisebüro«, log Gunther Doelle.

»Geht doch«, grinste Albert Kreuzer überlegen. »Und was ist mit meinem Schlummertrunk?«

Elvira Doelle stand auf. »Bringe ich dir gleich.«

Albert Kreuzer verschwand in seinem Zimmer und Elvira Doelle ging in die Küche. Dort versah sie, wie mit ihrem Mann besprochen, den Becher Kakao mit einem zu Pulver verriebenen Schlafmittel und servierte den verlangten Schlummertrunk. Dann setzte sie sich zu ihrem Mann ins Wohnzimmer.

»Hoffentlich merkt der nichts«, befürchtete Gunther Doelle.

»Wohl kaum. Ich habe ordentlich mit Zucker nachgesüßt.«

Der Fernseher lief zwar, aber die beiden schauten gar nicht hin, sondern vielmehr öfter auf die Uhr.

»Ob er schon schläft?«, fragte Gunther Doelle ungeduldig.

Seine Frau schaute auf ihre Armbanduhr. »Warten wir noch eine Stunde, um sicherzugehen.«

Dann war es so weit. Albert Kreuzer schlief tief und fest, als die beiden sein Zimmer betraten. Elvira Doelle hatte eine Spritze mit dem Insulin ihres Schwiegervaters in der Hand. Als Krankenschwester kannte sie sich damit aus. Sie wollte gerade die Spritze ansetzen, als ihr Mann sie aufhielt.

»Halt«, stoppte er sie, »nicht in den Bauch. In die Achselhöhle, bei den Achselhaaren sieht man den Einstich nicht.«

Elvira Doelle injizierte Albert Kreuzer eine doppelte Dosis Insulin.

»Und jetzt?«, fragte sie.

»Warten wir bis morgen früh und dann finden wir ihn ganz zufällig im Bett, weil er nicht zum Frühstück gekommen ist. Jetzt müssen wir nur noch den Netzstecker von der Kühltruhe rausziehen.«

»Muss das sein?«

»Das muss sein. Wir müssen Vater auftauen, gefroren kriegen wir ihn nicht in den Kofferraum.«

Am nächsten Morgen fand man Albert Kreuzer tot in seinem Bett. Er war friedlich eingeschlafen und man verständigte den Hausarzt. Da es Montag war, praktizierte nicht der Junior, sondern Dr. Biermann Senior, der auch sofort bereit war, herauszukommen.

Als Dr. Biermann am Bett des Verstorbenen stand, stutzte er. »Ich hatte Ihren Vater ganz anders in Erinnerung.«

»Sie haben ihn lange nicht gesehen«, zerstreute Gunther Doelle die Bedenken des Arztes. »Es ist wohl der Vollbart, den er sich hat wachsen lassen.«

»Das wird es sein«, gab sich Dr. Biermann mit der Erklärung zufrieden. »Ich muss eine Leichenschau vornehmen.«

»Leichenschau?«

»Ich muss den Körper untersuchen ob Spuren von äußerlicher Gewalt vorliegen. Das ist eine reine Formsache. Wenn Sie mich jetzt bitte mit Ihrem Vater allein lassen.«

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Arzt das Zimmer des vermeintlichen Vaters verließ.

»Hier ist der Totenschein«, überreichte Dr. Biermann Gunther Doelle die Urkunde. »Natürlicher Tod.«

»Können wir den Bestatter informieren?«; fragte Elvira Doelle.

»Können Sie. Mein herzliches Beileid.«

Sofort rief Gunther Doelle den Bestatter an, den er ausfindig gemacht hatte, weil er sich die Örtlichkeiten und besonders die Leichenhalle angesehen hatte, die für einen gelernten Schlosser kein Hindernis war. Der Bestatter erschien auch in kürzester Zeit und transportierte den Toten ab. Doelles fuhren hinterher, um den Sarg auszusuchen. Schnell waren alle Formalitäten erledigt.

»Wie geht das jetzt weiter?«, fragte Gunther Doelle.

»Übermorgen bringen wir den Sarg zum Krematorium nach Heilbronn.«, antwortete der Bestatter, »und sobald die Einäscherung stattgefunden hat, werden wir informiert und dann können Sie die Beisetzung planen.«

Drei Uhr nachts erreichten Doelles mit der Leiche des Vaters im Kofferraum das Bestattungshaus.

»Und wenn er nicht in den Sarg passt?«, hatte Elvira Doelle Bedenken.

»Das passt«, antwortet der Ehemann. »Wir legen ihn andersherum rein. Vaters Kopf zwischen die Beine von Albert und Vaters Beine um den Kopf von Albert.«

Als gelernter Schlosser war es für Gunther Dolle ein Leichtes, sich Zutritt zu der Leichenhalle zu verschaffen und den Sarg zu öffnen. Mit vereinten Kräften schafften sie es, den Vater und Schwiegervater auf Albert Kreuzer zu legen. Gunther Dolle verschloss den Sarg und die Tür der Leichenhalle wieder als sei nicht geschehen.

Die Urnenbeisetzung auf dem Friedhof Adersbach erfolgte im engsten Familienkreis, nur unter Beteiligung von Elvira und Gunther Doelle.

Elvira Doelle bekam ihre Vollzeitstelle im Krankenhaus, Gunther Doelle erweiterte seine Tintenstation um eine Post-Annahmestelle, die Auszahlung der Lebensversicherung war reine Formsache und die Eheleute buchten eine zweiwöchige Urlaubsreise nach Fuerteventura.

Baron Franz Nikolaus von Fürstenberg (Köln)

Der Mann hinter der Rezeption des Hotels Excelsior sichtete die Tagespost, die soeben abgegeben worden war. Ein Brief fiel ihm sofort ins Auge. DIN-A-5-Format, links oben auf der Vorderseite ein Wappen, kein Absender, auf der Rückseite mit Siegellack verschlossen. Der Brief gehörte nicht in die Verwaltung, sondern musste dem Direktor vorgelegt werden.

»Ist heute gekommen«, überreichte der Mann seinem Chef den Brief.

Der Direktor betrachtete den Brief von allen Seiten, brach dann das Siegel auf und zog ein Schreiben aus dem Kuvert. Links oben dasselbe Wappen wie auf dem Briefumschlag. Auch hier keine Adresse angegeben, sondern lediglich eine Handy-Nummer. Aufmerksam las er den Brief.

»Ist eine Suite im 4. OG frei?«, fragte er seinen Mitarbeiter.

»Ja, soll ich …«, wollte er sich entfernen.

»Warten Sie einen Augenblick«. Er griff zum Telefon und wählte die Handy-Nummer. »Ich bin der Direktor vom Excelsior, Herr Baron.«

»Der Herr Baron ist außer Haus«, hörte er am anderen Ende der Leitung. »Sie sprechen mit dem Sekretär.«

»Es geht um die Anfrage vom Herrn Baron. Das geht in Ordnung.«

»Ich werde es ausrichten.«

»Reservieren Sie eine Suite im 4. OG ab morgen«, gab der Direktor seinem Angestellten Anweisung. »Auf den Namen Baron Franz Nikolaus von Fürstenberg.«

Der erwartete große Auftritt des Freiherrn blieb aus. Wie andere Gäste auch fuhr er mit dem Taxi vor. Sein Gepäck bestand aus zwei überdimensionalen Koffern, für die die Kapazität des Kofferraums des Taxis gerade ausreichte. Der aussteigende Baron war eine beeindruckende Erscheinung. Groß gewachsen, schlank, volles blondes Haar, das ihm bis auf die Schultern reichte. Sein Gesicht zierte ein buschiger blonder Schnauzbart, der sich seitlich an den Mundwinkeln hinab bis zum Kinn zog. Auf der rechten Wange konnte man ein kleines Muttermal erkennen, das von seiner Form her einem Halbmond ähnelte. Bekleidet war er mit einem anthrazitfarbenen taillierten Anzug, dazu mit einem weißen Hemd mit Stehkragen und einer darum gebundenen, dunklen Krawatte, das an das Outfit von Karl Lagerfeld erinnerte. An seinem linken Ringfinger prangte ein Siegelring mit einem Wappen, das auch das Briefpapier zierte.

Im Foyer des Hotels begrüßte der Direktor höchstpersönlich seinen besonderen Gast.

»Herzlich willkommen in unserem Haus. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt.«

»Thank you«, erwiderte der Baron, korrigierte dann, »äh danke. Ich muss mich umstellen. Komme aus Südafrika.«

»No problem, we can talk in english.«

»No, no«, wehrte von Fürstenberg ab. »Ich will lernen und sprechen deutsch.«

Man hörte deutlich den Akzent heraus, den Englischsprachige haben, wenn sie deutsch sprechen, ähnlich wie man das von Howard Carpendale kennt.

»Wenn der Herr Baron irgendwelche Wünsche habe.«

»No, ich will nicht, man macht groß … wie sagt man … Aufhebung um meine Person.«

Der Direktor überlegt kurz. »Ach, so, Sie meinen nicht viel Aufhebens.«

»Right, richtig.«

»Was führt Sie zu uns nach Köln, wenn ich fragen darf?« »Habe gefunden alte Urkunden. Gibt es hier einen Park von Schloss.«

»Der Schlosspark Stammheim.«

»Will herausfinden, ob gehört meine Vor … wie sagt man … Vormenschen.«

»Sie meinen Vorfahren.«

»Korrekt. Habe Termin bei Amt für Liegenheiten.«

»Liegenschaftsamt.«

»Aber jetzt erst mal ausruhen. War lange Reise.«

»Nehmen Sie Platz, Herr Baron«, begrüßte der Chef des Liegenschaftsamtes freundlich seinen Gast. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Wasser, Kaffee?«

»No, danke.«

»Sie sprechen ausreichend deutsch, dass wir keinen Dolmetscher benötigen?«

»Mein Deutsch ist zwar nix so gut, aber reicht aus.«

Der Leiter des Liegenschaftsamtes hatte einen Stapel von Unterlagen vor sich liegen, da er sich gut auf das Gespräch vorbereitet hatte.

»Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt«, begann er das Gespräch, »dass Sie Ansprüche auf den Schlosspark behauptet haben.«

»Das mir leid tun«, antwortete der Baron. »Aber wie sagt man auf Deutsch, Recht muss Recht bleiben.«

»Da kann ich Ihnen nur beipflichten. Aber ich muss Sie enttäuschen. Denn das Recht wird wohl auf unserer Seite sein. Ich habe heute Morgen noch mit dem Rechtsdezernenten gesprochen. Der Übergang auf unsere Stadt ist, so wie es aussieht, korrekt zustande gekommen.«