Leichter lieben - Umut Özdemir - E-Book

Leichter lieben E-Book

Umut Özdemir

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  • Herausgeber: dtv
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Ehrlichkeit sich selbst gegenüber ist die Basis jeder Partnerschaft Wir wollen so gesehen und geliebt werden, wie wir sind: von Kopf bis Fuß, mit Haut und Haar. Doch wie lieben wir eigentlich? Wo entsteht Liebe, wie drückt sie sich aus, wie finden wir zu ihr? Paartherapeut Umut Özdemir veranschaulicht mithilfe unseres Körpers die Grundprinzipien von Liebe und Beziehungen: Wie wir auf unser Herz und unsere Bedürfnisse hören, wie richtige Kommunikation leichter über die Lippen geht, wie gemeinsame Erfahrungen Augen öffnen – und wie wir so gemeinsamen Schrittes eine langfristige Partnerschaft erreichen.

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Seitenzahl: 229

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Über das Buch

Liebe ist mehr als nur Herzflattern

Wir wollen so gesehen und geliebt werden, wie wir sind: von Kopf bis Fuß, mit Haut und Haar. Doch wie lieben wir eigentlich? Wo entsteht Liebe und wie verändert sie sich im Alltag?

Paartherapeut Umut Özdemir veranschaulicht mithilfe unseres Körpers die Grundprinzipien von Liebe und Beziehungen: Wie wir auf unser Herz und unsere Bedürfnisse hören, wie richtige Kommunikation leichter über die Lippen geht, wie gemeinsame Erfahrungen Augen öffnen – und wie wir so gemeinsamen Schrittes eine langfristige Partnerschaft erreichen.

Klug und authentisch zeigt Umut Özdemir mit Beispielen aus jahrelanger Therapieerfahrung und aktuellen Theorien zu Liebe und Partnerschaft, wie wir einfach leichter lieben können.

Umut Özdemir

Leichter lieben

Weil Beziehung auch einfach geht

Für dich, der/die du das liest. Dafür, dass du dir Gedanken um deine Beziehung machst und dich weiterentwickeln willst.

 

 

Ich danke allen Patient:innen, die den Mut hatten und haben, sich mir gegenüber zu öffnen. Ich bewundere jede einzelne Person dafür, dass sie sich ihren Problemen, ihren Befürchtungen, ihrer Scham und ihren vermeintlichen Schwächen stellen und sich weiterentwickeln will. Ich weiß, das ist nicht leicht.

 

 

Alle berichteten Fälle basieren auf wahren Begebenheiten, sind jedoch so anonymisiert, dass sie nicht auf eine Einzelperson zurückgeführt werden können.

DAMALS

2013

Wir sitzen an einem Samstag am Frühstückstisch. Ich habe einen Käse- und Aufschnittteller hergerichtet, Eier gekocht, Brötchen aufgebacken.

Du darfst auswählen: Filterkaffee? Mokka aus einer Caffettiera? Türkischen Schwarztee? Orangensaft?

Ich gebe mir Mühe, wir daten uns nämlich erst seit drei Monaten. Du hast letzte Nacht in meiner noch spärlich eingerichteten neuen Wohnung geschlafen, und ich will mich von meiner besten Seite zeigen. Ich will dir zeigen, dass man mit mir genussvoll ins Wochenende starten kann.

Ich habe ein paar deutsche, aber auch ein paar türkische Sachen hingestellt. Das deutsche Essen ist dir bekannt, das türkische Essen aber ist neu, vielleicht wie ein schönes Abenteuer. So wie ich. Ich bin Deutschland-Türke, jemand, der in Deutschland geboren wurde, aber türkische Eltern hat. Ich wandle zwischen den Kulturen und mag Teile von beiden. Andere Aspekte aus beiden Kulturen finde ich eher so semi. Und genau das will ich dir zeigen. Ich lade dich ein in meine Welt. Ich teste, wie du auf die türkischen Anteile auf dem Frühstückstisch reagierst, weil ich dir Stück für Stück mehr von mir und meinen türkischen, also dir unbekannten, Anteilen zeigen will. Wenn du Sucuk, die türkische Knoblauchwurst, magst, vielleicht magst du ja dann auch andere türkische Dinge? Und wenn du andere türkische Dinge magst, vielleicht magst du dann auch die türkischen Anteile in mir? Wenn dir aber nichts vom türkischen Käse, der türkischen Wurst, von den türkischen Frühstücksgerichten schmeckt, dann verfalle ich in meine für mich typischen Denkmuster und befürchte, dass du auch die türkische Seite in mir nicht mögen wirst. Ich kenne doch mich und meine Denkmuster, schließlich habe ich Psychologie studiert und vor etwa einem halben Jahr meinen Abschluss gemacht. Von alledem erzähle ich dir aber nichts. Ich versuche, dir zwischen den Zeilen Infos zu schicken und teste dich gleichzeitig. Wenn du den Test bestehst, werde ich überglücklich sein. Wenn du durchfällst, werde ich ins Grübeln kommen. Ich werde mich fragen, ob wir überhaupt eine gemeinsame Zukunft haben können.

Absurderweise weiß ich, dass ich dich teste – aber du weißt nicht, dass du getestet wirst. Dadurch verspreche ich mir eine authentischere Reaktion. Aber eigentlich sind wir nicht auf Augenhöhe. Ich lasse das nicht zu. Wenn ich dich geradeheraus fragen würde, würdest du bestimmt mir zuliebe eine diplomatische Antwort abgeben oder so tun, als würdest du türkisches Essen und die türkischen Anteile in mir mögen. Und fünf Jahre später wache ich in einer unglücklichen Beziehung auf. So zumindest meine Denkweise.

Wir frühstücken, und dir schmeckt alles. Du lässt sogar alles, was dir bekannt ist, links liegen – Butterkäse, Gouda, Salami, nein danke! Du möchtest mehr türkischen geflochtenen Käse, Sucuk, Schwarztee. Dir schmeckt sogar eine typische türkische Frühstückssüßspeise, und du dippst dein Brötchen rein, so wie meine Familie es machen würde. Dabei finde selbst ich den Geschmack gewöhnungsbedürftig. Einhundert Punkte für dich!

Während wir essen, stellst du mir eine vermeintlich banale Frage.

Heute, zehn Jahre später, weiß ich überhaupt nicht mehr, was du gefragt hast, weil sich das, was danach passiert ist, so eingebrannt hat. Ich weiß nur noch, dass du mit aufrichtigem Interesse etwas über mich gefragt hast und wissen wolltest. Und in dem Moment hat es einen Schlag gegeben.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, vermute ich, dass du aufrichtiges, ehrliches, authentisches Interesse an mir hast. Du findest mich gut. Vielleicht entwickelt sich da gerade Liebe. »Ich werde als Mensch gemocht, so wie ich bin«, schießt mir durch den Kopf.

Ich merke ein Engegefühl in meiner Brust. Ich kann förmlich spüren, wie ich meine Augen aufreiße wegen meiner Erkenntnis. Ich antworte nur halb auf deine Frage und baue die sprichwörtliche Mauer auf, die viele Menschen kennen. Viele kennen die Mauer, ich bin aber der Maurermeister.

Ich suche einen fadenscheinigen Grund und breche einen Streit vom Zaun. Nach ein paar Minuten Diskussion und Streit höre ich mich selber sagen: »War ja klar, siehste, es passt nicht zwischen uns! Ich denke, du solltest deine Sachen packen und gehen. Es ist vermutlich besser, wenn wir uns nicht mehr sehen«, und ich werfe dich aus meiner Wohnung. Ich kann dir ansehen, dass du völlig irritiert bist. Ich kann in deinem Gesicht ablesen, dass es doch so gut lief – »Was ist plötzlich in ihn gefahren?«, fragst du dich. Das frage ich mich auch. Die Antwort werde ich erst ein paar Jahre später finden. Bis dahin steht mir ein unangenehmer Weg durch mich, meinen Kopf und mein Herz bevor – aber das weiß ich an diesem Tag noch nicht. An diesem Tag lasse ich den Tisch gedeckt und verkrieche mich in mein Bett, aus dem ich das ganze Wochenende nicht mehr aufstehen werde …

EINFÜHRUNG: DIE PSYCHOLOGIE DER PARTNERSCHAFT UND LIEBE

LEICHTER LIEBEN, DAS KLINGT NACH einem nur allzu verlockenden Versprechen. Wer sehnt sich nicht danach, dass unsere Beziehung, die einen so großen Teil unseres Lebens ausmacht, manchmal einfach ein bisschen weniger kompliziert ist. Egal ob die Partnerschaft noch den Reiz des Anfangs innehat oder man schon Jahre oder gar Jahrzehnte gemeinsam erlebt hat – immer wieder stehen die meisten Paare vor kleineren oder größeren Hindernissen. Ich wünschte, ich könnte nun auf den folgenden Seiten die Formel aufstellen, wie ganz einfach alle Hürden über Bord geworfen werden können und uns die Liebe nun keine Sorgen mehr bereiten muss. Aber du ahnst wohl schon, dass es ganz so leicht nicht sein kann.

Es gibt dennoch bestimmte Punkte, die viele von uns, als Individuum oder als Paar, im Leben einholen. Ist man sich dieser bewusst – und dieses Bewusstsein will ich in diesem Buch schaffen –, ist man der Leichtigkeit in der Liebe auf jeden Fall einen Schritt näher. Beginnen wir mit den Grundlagen.

 

Was ist Liebe eigentlich? Wie würdest du Liebe definieren, wie tut es dein:e Partner:in? Verstehen wir alle dasselbe darunter, oder gibt es Unterschiede?

Menschen definieren Liebe unterschiedlich. Manche Definitionen sind sich ähnlich, andere total unterschiedlich. Wir scheinen also verschiedene Konzepte von Liebe im Kopf zu haben, ohne zu wissen, ob wir über dasselbe sprechen. Das Gleiche spielt sich in der Psychologie ab: Auch sie hat verschiedene Ideen, was das Konstrukt Liebe angeht.

LIEBE IST …

Oft werden bei der Liebe zwei Untertypen unterschieden, die aber beide zu jeweils typischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten führen: passionate love und companionate love.[1]

Bei passionate love kommt es zu einer gedanklichen Beschäftigung mit der anderen Person, die fast schon zwanghaft wirkt. Wir denken ständig an sie, wir überidealisieren sie und sehen ihre Fehler und Schwächen nicht. Emotional erleben wir eine Freude, eine übermäßige sexuelle Anziehung bis hin zu Ekstase, wenn die Person anwesend ist. Ist sie abwesend, verbringt mal Zeit mit ihrem Freundeskreis, dann kann das Gefühl ins Gegenteil bis hin zu starker Trauer ausschlagen. Und auch körperlich bemerken wir Reaktionen: Bei passionate love erhöht sich unser Herzschlag, wir schwitzen ein bisschen, uns wird warm, wir erröten, und wir haben die berühmten Schmetterlinge im Bauch. Wir wollen am liebsten den ganzen Tag im Bett bleiben, Sex haben und miteinander kuscheln. Erinnert dich das an was? Gesellschaftlich, im Alltag, nennen wir das »verknallt sein«. Und tatsächlich zeigt sich, dass passionate love am Anfang des Kennenlernens und im Anfangsstadium einer Partnerschaft auftritt. Wir tragen die berühmte rosarote Brille und denken wenig beziehungsweise wenig logisch oder kritisch.

Mit der Zeit nehmen vor allem die körperlichen Reaktionen ab: Wir haben nicht über Jahre und Jahrzehnte hinweg Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch – das wäre auch körperlich wirklich anstrengend.

Wir landen dann im Zustand von companionate love. Diese Art der Liebe ist weniger intensiv oder weniger leidenschaftlich, geht aber dafür mit einer stärkeren emotionalen Verbundenheit einher. Wenn wir vorher von »verknallt sein« gesprochen haben, dann sind wir jetzt bei »verliebt sein«. Wir beschäftigen uns gedanklich nicht mehr in jeder freien Sekunde mit der anderen Person, und wir idealisieren sie nicht. Wir wissen um die Macken oder Schwächen des Gegenübers. Wir nehmen eine realistische Einschätzung vor. Das bedeutet aber auch, dass wir die Person so wie sie ist akzeptieren. Wir wissen, der oder die andere ist nicht perfekt. Und das nimmt auch Druck von uns selbst: Wenn mein Gegenüber nicht perfekt ist, dann muss ich es auch nicht sein. Im Gegenzug darf auch ich mich so zeigen, wie ich bin. Wenn wir nun um die Macken der anderen Person wissen – vielleicht lässt sie Kleidung herumliegen, vielleicht kann sie nicht kochen –, dann gehen wir Kompromisse ein. Vielleicht sind wir komplett unterschiedliche Urlaubstypen. Eine Person möchte alle Tage des Urlaubs verplanen, Sightseeing machen, in Museen gehen, möglichst viel sehen und erleben. Die andere will die ganze Zeit am Strand liegen und einfach mal nichts tun. Im Zustand von companionate love geben wir in der Regel unsere rein egoistischen Wünsche auf und gehen Kompromisse ein, damit unsere Partnerschaft funktioniert. Wir einigen uns auf einen Urlaub mit beidem: Wir unternehmen etwas und bauen Strandtage ein.

In diesem Stadium der Beziehung nimmt oft auch die Häufigkeit von gemeinsamem Sex ab. Dafür wird er aber besser auf einer anderen Ebene: Wir vertrauen einander mehr, können uns besser fallen lassen und sprechen auch mehr über Sex. Wir achten die Wünsche der anderen Person, und im Zusammenspiel führen diese Aspekte zu einer erhöhten sexuellen Zufriedenheit, weil wir uns einander intimer verbunden fühlen als zu Beginn.

Der Übergang von passionate zu companionate love vollzieht sich in etwa sechs bis dreißig Monate nach Beginn der Partnerschaft. Es gibt auch Paare, die angeben, dass sie so verliebt seien wie an Tag eins und auch nach Jahrzehnten noch Schmetterlinge im Bauch erleben – das ist aber seltener als Langzeitbeziehungen, die in companionate love übergehen.

… EIN DREIECK?

Eine andere, umfassendere Erklärung ist die Dreieckstheorie der Liebe.[2] Hier wird nun gesagt, dass Liebe drei Komponenten habe: intimacy (Intimität), commitment (Festlegung) und passion (Leidenschaft). Eine Übersetzung der englischen Begriffe ist schwierig, weil mit der Übersetzung auch Bedeutungsverlust einhergeht.

Intimacy ist die emotionale Dimension. Hier ist nicht körperliche Intimität gemeint, sondern emotionale Nähe. Es beschreibt die Verbundenheit zu einer Person, die wir erleben, unsere Connection mit jemandem. Wir liegen auf einer Wellenlänge. Commitment ist eine kognitiv-rationale Dimension – wir entscheiden uns bewusst für eine Person; dafür, gemeinsam durch dick und dünn zu gehen und auch in schweren Zeiten füreinander da zu sein. Passion wiederum ist eine motivationale Dimension, wir möchten etwas machen: Ganz spezifisch sind hier körperliche Anziehung und sexuelle Begierde gemeint. Und in diesem dritten Aspekt liegt der Unterschied zur Liebe, die wir für unsere Familien und Freund:innen empfinden. In der Liebe, die wir dort empfinden, können wir uns für die Freundschaft und den Kontakt mit dieser Person entscheiden (commitment) und wir können eine tiefe Verbundenheit fühlen, aber es fehlt die sexuelle Komponente passion. In unserer Partnerschaft ist sie jedoch hoffentlich anwesend.

Form von Liebe

Passion

Intimacy

Commitment

Beispiel

Nonlove (keine Liebe)

N

N

N

Bekannte

Liking (Mögen)

N

J

N

Freundschaften

Infatuation (Vernarrtheit)

J

N

N

Verknallt sein

Empty love (leere Liebe)

N

N

J

Manche arrangierte Ehen

Fatuous love (illusorische Liebe)

J

N

J

Fernbeziehungen

Romantic love (romantische Liebe)

J

J

N

Freundschaft plus; friends with benefits

Companionate love (kumpelhafte Liebe)

N

J

J

Glückliche Langzeitbeziehungen

Consummate love (alles einnehmende Liebe)

J

J

J

»Epische« Liebe wie in Disney-Filmen oder in Literaturklassikern

Tabelle 1:

Lehmillers Darstellung verschiedener Liebesformen ausgehend von Sternbergs Dreieckstheorie der Liebe.[3]

Passion, Leidenschaft, für andere Menschen entsteht schnell und erreicht einen Höhepunkt – nimmt aber auch mit der Zeit ab. Es ist also erwartbar, dass wir mit der Zeit weniger sexuelle Begierde für unser Gegenüber empfinden. Die Idee ist, dass intimacy und commitment die Abnahme von passion kompensieren sollen. Wenn das gelingt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es zu einer Langzeitpartnerschaft kommt. Wenn aber nach der anfänglichen sexuellen Anziehung wenig intimacy und commitment auftreten – ganz plump ausgedrückt: wenn wir also im Bett miteinander super funktionieren, aber keine anständige Unterhaltung im Alltag führen können –, dann ist es eher unwahrscheinlich, dass wir eine Langzeitbeziehung miteinander führen werden. Mit dem Modell von passionate love und companionate love gesagt, bedeutet das: Zu Beginn, während passionate love, ist viel passion vorhanden, und mit der Zeit, wenn wir in den Zustand von companionate love übergehen, wird passion weniger. In der Dreieckstheorie wird nun aber einen Schritt weiter gegangen: Je nach Kombination der drei Aspekte, je nachdem, ob oder welche der drei Faktoren anwesend sind, wird zwischen acht verschiedenen Formen von Liebe unterschieden.

 

Obwohl angemerkt wird, dass keine dieser acht Formen besser oder schlechter sei, also dass keine Bewertung vorgenommen werde, komme ich nicht drum herum zu schmunzeln. Manche Begriffe, die verwendet werden, sind bereits selbst wertend: Vernarrtheit, leere Liebe und illusorische Liebe wecken eine negative Assoziation und werten zwischen den Zeilen ab. Und eine epische Liebe wie in Disney-Filmen, also dass wir über Jahrzehnte so verknallt sind wie am ersten Tag, ist unrealistisch. Ich will nicht ausschließen, dass es Paare gibt, die eine solche epische Liebe erleben, das ist aber selten. Filme und Bücher haben vielen Menschen diese Form von Liebe, Beziehung und Partnerschaft eingeredet, da brauchen wir nicht auch noch die Psychologie, die das macht.

Die bittere Wahrheit ist, dass eine Beziehung, neben all den schönen Aspekten, auch Arbeit bedeutet. Wir diskutieren, wir gehen Kompromisse ein, wir nehmen uns auch mal zurück, um den Bedürfnissen der anderen Person Raum zu geben. Dennoch kann diese Theorie ganz nützlich sein, um die verschiedenen Arten von Liebe, die wir unterschiedlichen Menschen gegenüber empfinden, zu beschreiben.

Wir alle messen den drei Komponenten in diesem Dreieck unterschiedliche Bedeutungen zu, das heißt, wir haben individuelle Wertigkeiten von passion, intimacy und commitment und somit unser eigenes Dreieck. Unsere idealen Partner:innen sind diejenigen, deren Liebesdreiecke zu unserem eigenen Dreieck bestmöglich passen.

Welche Komponenten sind dir wichtig?

Welche deinem Partner beziehungsweise deiner Partnerin?

… EIN INVESTMENT?

Eine dritte psychologische Theorie der Liebe orientiert sich an der Betriebswirtschaft.[4] Das mag nun sehr unromantisch klingen. Vielleicht empört sogar manche die Vorstellung, etwas so Emotionales wie die Liebe anhand von Wirtschaftlichkeit zu beschreiben – aber sind wir Menschen denn nur emotional oder haben wir nicht auch die Logik in uns? Gerade bei Promis, sagen wir mal: sehr junge Frau und alter Mann, sind Klatschpresse und Kommentarspalten im Internet voll von der Idee, dass der alte Mann reich und die junge Frau geldgeil sein müssten. Ich persönlich habe da noch nie gelesen: »Vielleicht bringt er sie einfach zum Lachen?«

Im Investmentmodell der Liebe wird die Intention, in einer Partnerschaft zu bleiben, als mathematische Gleichung dargestellt:

Intention, in Partnerschaft zu bleiben = Zufriedenheit + Qualität der Alternativen + Investitionen

Hiernach liegen der Entscheidung, ob wir in einer Partnerschaft bleiben wollen, drei Faktoren zugrunde. Wie bewerten wir unsere Beziehung (Zufriedenheit), wie bewerten wir die anderen Menschen, die wir potenziell daten könnten (Qualität der Alternativen), und wie viel haben wir bisher (materiell, aber auch emotional) schon investiert?

Menschen scheinen am ehesten die Absicht zu haben, in einer Partnerschaft zu bleiben, wenn sie zufrieden sind, wenig Alternativen haben, was potenzielle Datingpartner:innen angeht, und bereits viel in ihre aktuelle Beziehung investiert haben.[5] Und all das stärkt eine Partnerschaft, weil es pro-soziales beziehungsweise propartnerschaftliches Verhalten, also Kompromisse einzugehen, fördert. In der Realität scheint die Zufriedenheit die stärkste Vorhersagekraft zu haben: Wer unzufrieden ist, kommt in der Regel irgendwann an den Punkt, an dem er oder sie nichts mehr auf die Investitionen oder die Frage nach potenziellen Datingpartner:innen gibt, sondern nur noch raus aus dieser Partnerschaft will.

 

So unromantisch und betriebswirtschaftlich das klingen mag: Kennst du Menschen, die lieber zusammenbleiben, anstatt sich scheiden zu lassen, weil sie die Hälfte ihres Geldes abgeben müssten? Kennst du Menschen, die vielleicht für die Kinder zusammenbleiben und sich erst trennen, wenn diese älter oder erwachsen sind? Beides sind Beispiele für Paare, die ein hohes Investment hatten und sich dann für diese Partnerschaft entscheiden, um diese Investitionen »nicht umsonst« gemacht zu haben. Diesen Menschen sind ihre Investitionen wichtig. Denn auch hier gilt: Wir alle sind verschieden, und deshalb gewichten wir die einzelnen Faktoren unterschiedlich.

Manchmal nimmt die Zufriedenheit in unseren Beziehungen mit der Zeit ab – der Alltag ist eingekehrt, man hat sich »auseinandergelebt«. Sich auseinanderzuleben ist ein schleichender Prozess, und ich bin überzeugt, dass man sich auch wieder »zusammenleben« kann. Man kann sich einander wieder annähern. Natürlich ist das mit Veränderung und folglich mit Einsatz und Energie verbunden. Hierfür sollten beide beziehungsweise alle Parteien der Liebesbeziehung einen Schritt aufeinander zugehen. Als Partner:innen sind wir ein Teil des Beziehungsgeflechts, wir können uns verändern, aber auch die Partnerschaft selbst ist Teil dieses Geflechts. Auch sie möchte, dass man sie beachtet und an ihr arbeitet.

PARTNERSCHAFT

Partnerschaft können wir verstehen als das universelle menschliche Grundbedürfnis dazuzugehören und soziale Bindungen einzugehen. Wenn wir uns das Phänomen aus evolutionärer Perspektive anschauen, dann hätten wir als Steinzeitmenschen nicht überlebt, wenn wir nicht zu einer Gruppe gehört hätten. Es gab zu viele räuberische Wildtiere, wir waren den Elementen ausgesetzt, und Schutz war überlebenswichtig! Wenn wir allein gewesen wären, dann wären wir verhungert. Der Tod wäre uns sicher gewesen. Deswegen musste man sich auf die Gemeinschaft verlassen können. Als Babys sind wir auch heute Nesthocker, keine Nestflüchtlinge. Das heißt, wir sind auf andere Menschen angewiesen: Ein Baby kann sich nicht eine störende Fliege aus dem Gesicht schlagen, es kann sich nicht selbst füttern oder zudecken, wenn es friert. Es ist in uns verankert, dass wir andere brauchen. Das Ausmaß, wie sehr wir menschliche Beziehungen brauchen – egal ob romantisch oder nicht –, ist individuell unterschiedlich. Es gibt Menschen, die benötigen mehr soziale Interaktionen, und es gibt diejenigen, die auch mit weniger zufrieden sind.

Ein Merkmal von Partnerschaft ist Intimität. In einer Partnerschaft erleben wir eine besonders intensive Form der körperlichen Intimität. Intim können zwar auch Freundschaften oder Verwandtschaften sein, aber, zugegeben, das sind andere Formen von Verbundenheit. Hier haben wir zwar auch Menschen um uns, die uns sehr nahestehen und mit denen wir im Idealfall unser Innerstes teilen können – mit ihnen teilen wir aber keine körperliche, sondern emotionale Form der Intimität. Sie muss also nicht zwangsläufig die Partnerschaft mit körperlicher Nähe bedeuten; sonst wäre es um Singles schlecht bestellt. Auch asexuelle Menschen, Menschen ohne Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Sexualität oder Sex im Allgemeinen, würden zugrunde gehen, wenn nur die körperlich intime Partnerschaft das Bedürfnis nach Zugehörigkeit stillen könnte. Unser Bedürfnis, dazuzugehören, kann also auch durch andere Formen von menschlichem Miteinander gestillt werden.

Das bedeutet auch, dass unsere Partner:innen nicht alle unsere Bedürfnisse erfüllen müssen. Bestimmte Bedürfnisse können zwar eher innerhalb einer Partnerschaft erfüllt werden als in anderen sozialen Beziehungen. Aber unsere Partner:innen müssen nicht zeitgleich unsere besten Freund:innen, Liebhaber:innen und, und, und sein. Wir dürfen unseren Kreis an wichtigen Menschen erweitern. Wir dürfen einander Raum geben.

Aus der Forschung wissen wir, dass eine funktionale Partnerschaft einen positiven Zusammenhang mit Gesundheit und Lebensdauer hat. Menschen leben natürlich nicht länger, weil sie eine funktionale Partnerschaft haben. Wir dürfen hier nicht Kausalität (Wirkungsursache) mit Korrelation (Zusammenhang) verwechseln. Aber eine funktionale Partnerschaft bringt in der Regel auch andere positive Faktoren mit sich, und die Summe dieser positiven Faktoren führt zu mehr Gesundheit und einer längeren Lebensdauer.[6] Speziell trifft dies auf heterosexuelle Männer zu: Es scheint wirklich so zu sein, dass Frauen tendenziell mehr Menschen in ihrem Umfeld haben, mit denen sie über Belastungen und Stress reden, als Männer. Heterosexuelle Männer scheinen diese Belastungen eher mit ihrer Partnerin zu besprechen als mit ihren Freund:innen – und deshalb scheinen sie gesundheitlich von einer Langzeitpartnerschaft zu profitieren. Das steht im Einklang mit dem, was wir über die Klientel der Psychotherapie wissen: Es sind auch hier eher Frauen, die eine Psychotherapie in Anspruch nehmen – also sich dafür entscheiden, über ihre Probleme und Belastungen zu sprechen. Männer machen das eher seltener beziehungsweise weniger.[7], [8], [9]

Im Umkehrschluss zeigt die Forschung auch, dass verwitwete Personen und Singles im Durchschnitt eine kürzere Lebenserwartung und einen schlechteren Gesundheitszustand haben.[10] Es liegt zwar auch hier nicht daran, dass sie alleinstehend sind, sondern meist gehören weitere Faktoren mit dazu. Dennoch sollte uns durchaus etwas daran liegen, eine funktionale Partnerschaft zu führen, da daraus mehr positive Effekte als »nur« Liebe und Zuneigung resultieren.

Jetzt fragt man sich natürlich, wann eine Partnerschaft funktional ist – anhand welcher Merkmale wird sie in der Psychologie in »qualitativ gut« oder auch »weniger gut« eingeteilt? Die Gemeinsamkeiten gut funktionierender Langzeitbeziehungen sind positive Kommunikation, eine funktionale Sexualität und Entwicklung – sowohl, dass man sich als Einzelperson, aber auch als Paar gemeinsam weiterentwickelt.

HAUS, HUND, GARTEN

Wenn wir von Partnerschaft sprechen, ist das gesellschaftlich vorherrschende Ideal die monogame heterosexuelle Ehe. Eine jede funktionierende Beziehung soll, so ist oft die Erwartung, in einer Ehe enden. Spätestens mit dreißig hören die meisten regelmäßig die Frage nach der Hochzeit. Die monogame Ehe ist in der westlichen Welt die Norm, und zwar so sehr, dass sie der sogenannte Halo-Effekt umgibt. Der Begriff kommt aus der Sozialpsychologie: Ein Halo ist ein Heiligenschein und vom Halo-Effekt sprechen wir, wenn wir eine (zu) positiv verzerrte Wahrnehmung von etwas haben. Dieser Begriff lässt erahnen, für wie groß, mächtig, toll und heilig wir die Monogamie halten. In Befragungen assoziieren Menschen mit der Monogamie beispielsweise einen besseren Gesundheitsstatus, weil sie annehmen, dass Menschen in offenen Beziehungen häufiger sexuell übertragbare Infektionen hätten. Es wird davon ausgegangen, dass Menschen in monogamen Beziehungen diese wirklich wollen und sie sich deshalb mehr lieben würden.

In Wahrheit stecken unzählige Menschen in Partnerschaften fest, in denen sie ihre Partner:innen nicht (mehr) lieben, die Beziehung aber auch nicht beenden wollen. Und für gewöhnlich verhüten Menschen in offenen Beziehungen, wenn sie mit Dritten Sex haben. Aber solche Faktoren macht man sich nicht bewusst, denn falls doch, dann müsste man ja an der eigenen verzerrten Wahrnehmung und dem eigenen Weltbild arbeiten. Und das ist anstrengend. Anstrengend mögen wir Menschen nicht. Wir liegen lieber in unserem bequemen Bett der verzerrten Wahrnehmungen.

1 + 1 = 3

Unter die Kategorie der einvernehmlichen Nonmonogamie fallen Beziehungsformen wie offene Partnerschaften. Hier ist die Partnerschaft mit einer Person quasi der Heimathafen, aber Sex mit anderen ist erlaubt, ob Dreier mit anderen Menschen oder Swinging, also Sex mit anderen Paaren. Zur Nonmonogamie zählt auch die Polygamie, also eine gleichberechtigte Beziehung mit mehreren Menschen. Oftmals wird medial die Polygynie dargestellt, also ein Mann mit mehreren Partnerinnen, aber es gibt auch die sogenannte Polyandrie: eine Frau mit mehreren Partnern, oder eben polygame Partnerschaften, in denen es gegengeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Partner:innen gibt. Polygamie und Polyamorie sind zwei unterschiedliche Dinge: Nicht alle polyamourösen Menschen leben polygam, also nicht alle, die zeitgleich in mehr als eine Person verliebt sind, haben auch eine Beziehung mit mehr als einer Person und umgekehrt. Wenn wir aber eine Vereinbarung eingehen, was die Beziehungsform angeht, sind wir Menschen durchaus in der Lage, uns daran zu halten, also zum Beispiel monogam zu leben, auch wenn wir eigentlich eine nonmonogame Beziehung führen möchten oder in mehr als eine Person verliebt sind. Die Vereinbarung sollte aber auf den Bedürfnissen der Beteiligten beruhen, nicht auf den gesellschaftlichen Erwartungen anderer Menschen. Es zählt nur, ob du und dein:e Partner:in mit eurer Beziehungsform zufrieden seid. Lasst die Leute reden: Denn im Zweifel ist es diesen anderen Menschen, die gerne ein bestimmtes Bild von Beziehungen sehen wollen, egal, wie glücklich oder unglücklich du in deiner Partnerschaft bist. Sie werden dich nicht trösten, sie werden nicht für dich da sein, wenn es dir schlecht geht. Sie werden dir kein Dach über dem Kopf anbieten, wenn du deine unglückliche Beziehung beendest und ausziehen musst – und dennoch meinen sie, dass sie sich in deine Beziehung einmischen dürften.

Für Teile unserer Gesellschaft ist das Modell der monogam-heterosexuellen Ehe so wichtig und steht so dermaßen über jeglicher anderen Idee von Partnerschaft, dass es bis zum Gehtnichtmehr verteidigt wird. So sehr, dass Menschen, die nicht in dieser Beziehungsform leben, lange Zeit etwas ganz Grundlegendes verwehrt wurde: das Recht, amtlich die eigene Partnerschaft eintragen zu lassen und der Welt zu zeigen, dass man sich für die Beziehung mit dieser einen geliebten Person entschieden hat. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften waren lange Zeit nicht akzeptiert und sind es teilweise bis heute nicht. Eine Heirat ist in Deutschland erst seit dem 1. Oktober 2017 möglich. Vorher gab es zwar die eingetragene Lebenspartnerschaft, aber die ging nicht mit den Rechten einer Ehe einher. Es kam immer wieder zu Erbschaftsproblemen, Partner:innen konnten keine Informationen im Krankheitsfalle bekommen oder teilweise die erkrankte Person nicht einmal besuchen. Ein wesentliches Vorurteil ist, dass die Akzeptanz abnimmt, je ländlicher, konservativer oder religiöser. Deshalb erleben wir eine Landflucht von Menschen, die nicht eine traditionelle Partnerschaft leben wollen oder können. Es gibt aber genauso Vorurteile und Mythen zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Es wird zum Beispiel davon ausgegangen, dass es stereotyp »männliche« und »weibliche« Rollenverteilungen gebe oder dass es in gleichgeschlechtlichen monogamen Partnerschaften zu mehr Untreue komme als in heterosexuellen. Die Forschung zeigt ein anderes Bild: Es scheint sogar das Gegenteil der Fall zu sein. In gleichgeschlechtlichen Beziehungen sind die Aufgaben und Rollen häufig fairer verteilt, und Treue wird genauso (oder eben nicht) ausgelebt.[11] Es kann eher und häufiger Trennungen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geben – aber auch hier gilt es, bestimmte Faktoren zu berücksichtigen. Man könnte jetzt klischeehaft vermuten, dass sich »natürlich zwei Frauen früher oder später gegenseitig anzicken und deshalb trennen« oder dass »zwei Männer nicht treu sein können, sich durch die Gegend schlafen wollen und sich deshalb irgendwann trennen«; all das sagt mehr über den Menschen aus, der so denkt, als über gleichgeschlechtliche Paare! Menschen trennen sich nicht, weil sie gleichgeschlechtlich orientiert sind und eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft führen. Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften trennen sich öfter im Vergleich zu Menschen in heterosexuellen Partnerschaften, weil sie häufiger nicht verheiratet sind und somit die Trennung mit weniger Aufwand verbunden ist und weniger Geld kostet als bei verheirateten heterosexuellen Paaren. Es ist unbürokratischer und schneller machbar, wenn man unzufrieden oder unglücklich ist.

Statt den Menschen die freie Wahl zu lassen, werden wir ständig konfrontiert mit der Vorstellung, unbedingt heiraten zu müssen – wer sorgt denn sonst für uns, wenn wir krank oder alt sind?

Andererseits existiert die Ehe in vielen, aber längst nicht in allen Kulturen! Und die eigenen Motive, warum jemand heiratet, könnten auch unterschiedlicher nicht sein. Während die einen die romantische Liebe als Grund für die Ehe angeben, hat sie für andere eher pragmatische Gründe wie die finanzielle Absicherung, um Kinder zu kriegen. Bis ins frühe 19