Leidenschaftliche Küsse unterm Mistelzweig - Debbie Macomber - E-Book
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Leidenschaftliche Küsse unterm Mistelzweig E-Book

Debbie Macomber

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Beschreibung

DAS WUNDER DIESER EINEN NACHT

"Du willst das Baby, aber nicht mich?" In seinem ganzen Leben war Forde Masterson noch nicht so fassungslos! Sieht Melanie denn nicht, welch überwältigendes Geschenk ihnen die letzte gemeinsame Liebesnacht beschert hat - eine Chance, ihre Ehe zu retten, zu dritt für immer glücklich zu sein? Doch die Verzweiflung in den Augen seiner Frau ist nicht gespielt: Melanie kann ihm einfach nicht vertrauen. Aber Forde beschließt, mit Herz, Seele und seiner ganzen Liebe um das Glück zu kämpfen. Schließlich steht Weihnachten vor der Tür, die Zeit der Wunder …

DAS, WAS MAN LIEBE NENNT

Wie jedes Jahr um die Weihnachtszeit ist bei Vicky Moreton das liebe Geld mal wieder sehr knapp. Um ihre karge Haushaltskasse ein wenig aufzubessern, vermietet sie eins der vielen Zimmer des alten Pfarrhauses an den Bauunternehmer Jay Brentford. Dieser kühle Geschäftsmann zieht sie magisch an - schon ewig hat Vicky nicht mehr ein so starkes Verlangen gespürt. Seit sie sich mit achtzehn - vom ersten Champagner berauscht - einem Fremden hingegeben hat, ist Liebe kein Thema mehr für sie gewesen. Ihre ganze Fürsorge galt ihren Zwillingen Julie und Jamie - gezeugt in jener Liebesnacht. Vickys heiße Gefühle werden anscheinend erwidert - Jay lässt keine Gelegenheit aus, mit ihr allein zu sein...

WEIHNACHTEN MIT EINEM ENGEL?

Tiefblaue Augen, die sie verzweifelt anschauen, ein markant-schönes Gesicht, und auf dem Arm ein weinendes Kind: Dieser Mann ist überfordert, denkt die junge Nanny Ashley. Ihre eigenen Probleme sind vergessen - arbeitslos in London gestrandet, Weihnachten vor der Tür und keine Bleibe - als sie ihre Hilfe anbietet. Und damit Dario Vantanis Herz stürmt! Der Millionär bittet sie, seinen rettenden Engel, bei ihm und seinem kleinen Neffen zu bleiben. Und noch während die Festtage die City verzaubern, macht Dario ihr einen Heiratsantrag. Nur aus Vernunft - oder etwa aus Liebe?

LASS NUR DEIN HERZ ENTSCHEIDEN!

Wie kann er es nur wagen, ihr so ein Ultimatum stellen? Nach allem, was er ihr angetan hat? Miriam ist empört: Jay fordert allen Ernstes von ihr, dass sie zu ihm zurückkehrt und bis Weihnachten bei ihm wohnt. Erst, wenn sie nach diesen zwei Monaten immer noch davon überzeugt ist, dass ihre Ehe keine Zukunft mehr hat, wird der Millionär sie freigeben. Miriams Verstand rät ihr, nicht in das Londoner Luxus-Apartment zurückzukehren - Jay wird sie doch nur wieder betrügen und verletzen. Doch ihr Herz fordert eine andere Entscheidung. Denn es sehnt sich immer noch nach Jays Liebe …

ZUM FEST DER LIEBE

Für die alleinstehende Emily scheint es ein einsames Weihnachtsfest zu werden - bis sie zufällig dem attraktiven Ray Brewster begegnet. Während leise der Schnee auf Boston rieselt, beginnt in ihrem Herzen eine warme Flamme zu lodern. Denn Rays Blicke versprechen ihr ein zärtliches Geschenk: Liebe … Rays Bruder Charles jedoch findet, dass Weihnachten abgeschafft gehört. Wie jedes Jahr flieht er vor dem schwärzesten Tag des Jahres. Doch diesmal hat die Rechnung ohne Emilys Freundin Faith gemacht, eine ebenso schöne wie entschlossene Weihnachts-Romantikerin …

ICH SEH DICH IN MEINEN TRÄUMEN

Alessandro ist kein Freund von Weihnachten, und so zieht er sich auch dieses Jahr in eine einsame Berghütte zurück. Vielleicht hilft ihm die Ruhe dort, endlich diesen Traum loszuwerden, den er fast jede Nacht hat: Eine hinreißende Frau, die er nicht kennt, verführt ihn. Doch dann passiert etwas, das ihn zunächst alle Träume vergessen lässt: Eine junge Frau mit einem Baby auf dem Arm steht vor seiner Tür und erklärt, der Kleine sei sein Sohn. Maureen behauptet, dass sie ihrer Schwester Meg, der Mutter des Babys, versprechen musste, Alessandro zu finden. Unglaublich - aber wahr? Unerklärlich ist auch, warum die Schöne in seinen zärtlichen Träumen Maureen so täuschend ähnlich sieht.

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Seitenzahl: 1178

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Helen Brooks, Penny Jordan, Carol Marinelli, Debbie Macomber, Day Leclaire

Leidenschaftliche Küsse unterm Mistelzweig

Helen Brooks

Das Wunder dieser einen Nacht

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2012 by Helen Brooks Originaltitel: „Just One Last Night“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2105 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Anike Pahl

Fotos: Jose Luis Pelaez / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733700164

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Melanie starrte auf den Brief in ihrer Hand. Das tiefschwarze Gekritzel verschwamm allmählich vor ihren Augen, und sie musste blinzeln, um es noch einmal entziffern zu können. Ihr Verstand vermochte den Inhalt trotzdem nicht zu erfassen.

Begriff Forde denn nicht, wie unmöglich sein Anliegen war? Wie absolut lächerlich? Es machte so wenig Sinn, dass sie den Brief sogar ein drittes Mal las, um sich davon zu überzeugen, dass sie nicht träumte. Seine Handschrift hatte sie gleich erkannt, als sie den Umschlag vor ihrer Haustür gefunden hatte, und ihr Herz war vor Freude aufgegangen. Dabei musste sie befürchten, dass er ihr nur wegen der Scheidung schrieb, doch dann …

Melanie atmete tief durch, um sich zu beruhigen.

Forde schlug ihr vor, für ihn zu arbeiten. Also nicht direkt für ihn, sondern vielmehr für seine Mutter. Aber das kam auf das Gleiche hinaus. Seit Monaten hatten sie kein Wort miteinander gewechselt, ihr Verhältnis war völlig abgekühlt, und nun flatterte aus heiterem Himmel dieser Brief ins Haus. Allein Forde Masterson konnte derart dreist sein! Wirklich unglaublich!

Sie schleuderte den Umschlag auf den Esstisch und sah den Rest ihrer Post durch. Währenddessen aß sie den Rest ihres Croissants und gönnte sich noch eine Extratasse Milchkaffee.

Ihr kleines Esszimmer war gleichzeitig ihr Arbeitszimmer. Dieses Arrangement hatte seine Nachteile, wenn sie Freunde zum Essen einladen wollte. Aber momentan blieb ihr sowieso keine Zeit für soziale Kontakte. Seit sie sich Anfang des Jahres von Forde getrennt hatte, arbeitete sie unablässig am Aufbau ihrer Firma für Landschaftsgestaltung. Ihrer gemeinsamen Firma, die sie gegründet hatten, kurz nachdem …

Innerlich schob sich ein eiserner Riegel vor die schmerzhaften Erinnerungen. Seit der Trennung von Forde vermied sie es, an die Zeit mit ihm zu denken. Es war besser so.

Seufzend leerte sie ihre Tasse Milchkaffee und ging nach oben, um zu duschen und sich anzuziehen. Dann rief sie ihren Assistenten James an, um mit ihm die Aufgaben des Tages zu besprechen. James war ein großartiger Mitarbeiter: voller Enthusiasmus für die Sache, und er scheute auch nicht vor harter Arbeit zurück. Mit seinem extrem muskulösen Körper und seinem südländischen Aussehen wirkte er ausgesprochen attraktiv, und Frauen umkreisten ihn wie Bienen einen Honigtopf. Aber das tat seiner Arbeit keinen Abbruch, demnach konnte Melanie sich nicht beschweren.

Ihre Arbeitskleidung bestand aus alten Jeans und einer Weste, die sie über einem engen T-Shirt trug. Die schulterlangen, aschblonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, und ihre helle, typisch englische Haut hatte sie dick mit Sonnenschutz eingecremt. Momentan litt das ganze Land unter einer Hitzewelle, und die Augustsonne war auch um acht Uhr morgens schon ziemlich stark.

Bevor sie ins Erdgeschoss zurückkehrte, machte sie ihr Schlafzimmerfenster sperrangelweit auf, um die nach Rosen duftende Luft von draußen in den Raum zu lassen. Das Cottage war winzig, im Obergeschoss befanden sich nur das eine Schlafzimmer und das Bad. Unten grenzte ein gemütliches Wohnzimmer an das kleine Esszimmer. In einem Anbau befand sich die kleine Küche, von der aus man in den gepflegten, übersichtlichen Garten gehen konnte. Melanie fühlte sich unglaublich wohl hier!

Die Grundstücksgrenze bestand aus einer alten Steinmauer, die – ebenso wie die Außenwand des Hauses – von Kletterrosen und Geißblatt überwuchert war. Auf der gepflasterten Terrasse stand ein Gartentisch mit Stühlen, umsäumt von bunt bepflanzten Blumenkübeln. Am Abend konnte man dort die warme, duftende Luft genießen in Gesellschaft von Bienen und Schmetterlingen. Es war nicht übertrieben zu behaupten, dass dieses Cottage Melanies wunde Seele geheilt hatte, nachdem sie aus dem Palast ausgezogen war, in dem sie bis dahin mit Forde gelebt hatte.

Das Cottage gehörte zu einer Siedlung mit zehn Häusern, alle bewohnt von Singles oder kinderlosen Paaren. Die meisten von ihnen, unter anderem auch die direkten Nachbargebäude, wurden sogar nur als Wochenendsitz genutzt. Hier im Südwesten des Londoner Umlands verfügten die Dörfer und Städtchen noch über einen zeitlosen Charme, der entspannend auf die Menschen wirkte.

Außerdem war das Cottage ganze sechzig Meilen von Fordes Haus in Kingston entfernt. Eine notwendige Bannmeile, wie Melanie fand, um ihm nicht zufällig über den Weg zu laufen.

Sie hatte ernsthaft Sorge gehabt, ob ihr relativ junges Unternehmen den Standortwechsel überleben würde, doch die Geschäfte liefen sogar so gut, dass sie kurz darauf einen Mitarbeiter einstellen konnte: James. Die Art und Weise ihrer Arbeit hatte sich verändert. Damals in Kingston an der Themse hatte sie hauptsächlich Wohnanlagen mit Spielplätzen und kleinen Parks entworfen. Heute ging es bei ihren Aufgaben eher um öffentliche und private Gartenanlagen und deren Pflege, Forstwirtschaft und Landgewinnung.

Manchmal arbeiteten sie und James mit einem Team zusammen, das aus Architekten, Planern, Ingenieuren und Bürokraten bestand, je nachdem, was der jeweilige Job erforderte. Bei anderen Projekten arbeiteten sie getrennt voneinander in Privatgärten oder auf größeren Anwesen. Der Papierkram gehörte natürlich ebenfalls zu Melanies Aufgabenbereich, genauso wie die Kundenakquise und die Koordination der Beteiligten in einer Projektgruppe.

Melanie merkte, wie sie sich in Tagträumen verlor, und sie wandte sich energisch vom Fenster ab. Ihr Verstand sprang an und fokussierte die Anforderungen des heutigen Tages. James musste den Abriss einiger alter Schweineställe beaufsichtigen, weil ein Kunde an der gleichen Stelle einen Wildblumengarten anpflanzen wollte. Damit sollte das ökologische Gleichgewicht auf dem traditionellen Bauernhof unterstützt werden, den er sich angeschafft hatte. Melanies Idee war eine Wildwiese mit Blumen, die auf dem Rasen wuchsen und sich regelmäßig selbst aussäen konnten, bevor gemäht wurde. Auf diese Weise würde ein richtiges Biotop für Insekten entstehen, das sich nach und nach perfektionierte.

Ihr eigener Tag stellte ein Kontrastprogramm dar. Sie würde einem neu angelegtem Garten, an dem sie und James bereits seit drei Wochen werkelten, den letzten Schliff verpassen. Die Anlage bestach durch eine ruhige Ordnung, klare Linien und eine ausgewogene Symmetrie, bei der auf Details höchsten Wert gelegt wurde. Ein pensionierter Banker und seine Frau hatten sich das Grundstück kürzlich gekauft. Und sie waren begeistert von dem Entwurf gewesen, den Melanie ihnen nach ihren Wünschen vorgelegt hatte.

Ja, sie liebte ihren Job. Dankbar schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel. Sie freute sich täglich über ihr Talent, für jeden Menschen individuelle Welten erschaffen zu können. Das war eine zutiefst befriedigende Berufung, auch wenn der Alltag nicht immer einfach war. Ganz besonders anstrengend wurde es, wenn ein Kunde seinen perfekten Garten in einer Zeitschrift oder einem Buch entdeckte. Denn die Vorlage war meistens aus schlichten Platzgründen nicht eins zu eins umsetzbar, was viele Laien nicht einsehen wollten. Aber auch das war Teil der beruflichen Herausforderung und machte letztendlich Spaß.

Mit einem Lächeln auf den Lippen schlenderte Melanie die Treppe hinunter und blieb in der Tür zum Esszimmer stehen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sich jedes geschriebene Wort aus Fordes Brief in ihr Gehirn eingebrannt hatte.

Liebe Melanie,

ich schreibe, weil ich Dich um einen Gefallen bitten möchte. Nicht für mich, sondern für Isabelle.

Typisch, dachte Melanie mit Herzklopfen und starrte den Brief auf ihrem Esstisch an. Er will gar nicht wissen, wie es mir ergangen ist oder was ich gerade mache. Ohne irgendwelche Floskeln kommt er gleich zum Punkt.

In letzter Zeit ging es ihr nicht besonders gut, und der Garten in Hillview wird zu viel für sie. Nicht, dass sie das zugeben würde. Die ganze Anlage müsste umgestaltet werden, wobei das Augenmerk auf einer möglichst pflegeleichten Lösung liegen sollte. Immerhin ist sie inzwischen fast achtzig. Nur leider lässt sie keinen Gärtner aufs Grundstück, und es ist mir unmöglich, ihr Hilfe an die Seite zu geben. Dir allerdings würde sie vertrauen. Würdest du bitte über meinen Vorschlag nachdenken? Du kannst mich dann anrufen.

Forde

Würdest du bitte über meinen Vorschlag nachdenken? Sie schüttelte den Kopf. Darüber brauchte sie nicht nachzudenken. Sie wusste ganz genau, was sie tun wollte – und dass sie Forde keinesfalls anrufen würde. Schließlich hatte sie nach der Trennung auf eine Kontaktsperre bestanden, und das galt immer noch.

Mit wenigen Schritten war sie am Schreibtisch und zerriss Brief und Umschlag in unzählige kleine Fetzen, die sie anschließend in den Papierkorb rieseln ließ. Fertig! Sie hatte heute genug zu tun, auch ohne sich den Kopf über Forde und seine wahnwitzige Anfrage zu zerbrechen.

Sie blieb noch einen Moment stehen und blickte ins Leere. Was meinte er wohl damit, es ginge Isabelle nicht besonders gut? Vor ihrem inneren Auge tauchte das Antlitz von Fordes liebenswürdiger Mutter auf, und Melanies Herz zog sich zusammen. Für sie war es schlimm gewesen, auch ihrer Schwiegermutter Lebewohl sagen zu müssen. Andererseits war Melanie sicher gewesen, die Trennung nicht durchziehen zu können, wenn sie nicht alle bestehenden Verbindungen zu Forde rigoros kappte.

In einem Brief hatte sie sich von Isabelle verabschiedet und der alten Dame versichert, wie viel Liebe und Respekt sie ihr gegenüber empfand. Melanie erwartete nicht, dass Isabelle verstand, warum sie gehen musste. Und sie hatte ausdrücklich darum gebeten, den Brief nicht zu beantworten. Isabelle schrieb trotzdem, und Melanie schickte den Umschlag ungeöffnet zurück. Es kostete sie unglaubliche Überwindung, trotzdem schien es ihr die einzig richtige Entscheidung zu sein. Die alte Dame hatte es nicht verdient, zwischen den Fronten aufgerieben zu werden.

Isabelle vergötterte ihren Sohn, ihr einziges Kind, und die beiden standen sich seit dem Tod des Vaters – damals war Forde kaum zwanzig gewesen – ganz besonders nah.

In diesem Moment klingelte Melanies Handy und riss sie aus ihren trüben Gedanken. Es war James. Er stand im Stau und würde es nun nicht mehr rechtzeitig zum Abriss der Ställe schaffen. Also fragte er, ob Melanie zum Ortstermin fahren und die Arbeiter des Abrissunternehmens einweisen könne, bevor sie sich an ihre eigene Arbeit machte. Der Auftrag war zwar auch schriftlich fixiert, doch es war erfahrungsgemäß ratsamer, persönliche Anweisungen zu geben, wenn alles reibungslos laufen sollte.

Melanie stimmte zu. Seitdem bei einem früheren Projekt ein einwandfreier Wintergarten eingerissen und das schrottreife Gewächshaus verschont worden war, traute sie den meisten Bauarbeitern nicht mehr über den Weg. Und James hatte von Anfang an ihre Meinung geteilt.

Seufzend organisierte sie im Kopf den Vormittag um und beschloss, gleich loszufahren, anstatt zuerst ihre Buchhaltung zu machen. Kurz darauf saß sie schon in ihrem rostigen Pick-up und holperte über die Landstraße. Es würde ein hektischer Tag werden, aber das passte ihr ganz gut. So blieb ihr wenigstens kaum Zeit, um über Fordes Brief nachzugrübeln.

Es wurde tatsächlich ein höchst hektischer Tag. Melanie kam erst spät am Abend wieder nach Hause, dafür steckte in ihrer Tasche ein ausgesprochen großzügiger Scheck. Das Bankerpaar war von ihrem Werk hingerissen und hatte sich dementsprechend erkenntlich gezeigt.

Sie parkte ihren Wagen auf dem reservierten Parkplatz, der den Bewohnern der Cottagesiedlung zur Verfügung stand, und ging auf dem Weg hinter den Häusern entlang bis zu ihrem eigenen Gartentor. Noch zwei Schritte und dann war sie in ihrem privaten, kleinen Paradies und atmete tief den schweren Rosenduft ein.

Ihr geliebtes Zuhause! Jetzt wünschte sie sich nur noch ein schönes heißes Bad, um die schmerzenden Muskeln zu lockern. Melanie war wild entschlossen gewesen, ihren Auftrag heute fristgerecht zu Ende zu bringen, und hatte sich daher nicht einmal die Zeit für eine Mittagspause genommen.

Durch die Küchentür trat sie ins Haus, streifte ihre Stiefel und ihre Strümpfe ab und schleppte sich barfuß die Treppe hinauf ins Badezimmer. Dort riss sie als Erstes das Fenster auf, um die milde Abendluft ins Haus zu lassen und ließ dann das Badewasser ein.

Wenige Minuten später lag sie in einem duftenden Schaumbad und sah durch das große Fenster in den Nachthimmel hinauf, wo bereits die ersten Sterne funkelten. Wieder einmal dankte sie im Stillen den Leuten, die diese kleine Cottagesiedlung einst renoviert hatten. Man hatte die freistehende Badewanne so installieren lassen, dass der jeweilige Bewohner von dort aus durch eine klare Glasscheibe das Farbenspiel am Himmel beobachten konnte. An Tagen wie diesen genoss Melanie es, einfach dort im Dunkeln zu liegen und nichts zu tun. Allerdings schaffte sie es nicht, ihre kreisenden Gedanken unter Kontrolle zu bringen …

Immer wieder drang das Bild von Forde in ihr Bewusstsein vor, so sehr sie auch versuchte, es zu ignorieren. Es gelang ihr einfach nicht, ihn aus ihrem Kopf zu verdrängen. Aber sie wollte auf keinen Fall Kontakt zu ihm aufnehmen, auch nicht für Isabelle. Er und seine Mutter gehörten der Vergangenheit an, und für sie beide gab es in Melanies Gegenwart und Zukunft keinen Platz mehr. Das hatte viel mit einem gesundem Überlebensinstinkt zu tun.

Sie hörte das Telefon unten klingeln und ließ den Anrufbeantworter anspringen, anstatt die Treppe hinunterzujagen. Energisch befahl sie jedem einzelnen ihrer Muskeln, sich vollkommen zu entspannen, Stück für Stück, dann schloss sie die Augen. Wenige Minuten später spielte das Handy in ihrer Arbeitshose seinen melodischen Klingelton ab. Vermutlich war es James, der mit ihr die letzten Dinge des Tages besprechen wollte, aber das war ihr jetzt egal. Diese freie Zeit gehörte ihr ganz allein. Der Rest der Welt konnte wohl für einen Augenblick warten!

Genüsslich gönnte sie sich noch eine halbe Stunde in der heißen Wanne, bevor sie ihre Haare wusch und sich anschließend in einen kuscheligen Bademantel hüllte. Unten hatte der Anrufbeantworter inzwischen zwei weitere Nachrichten aufgezeichnet. Ihr Magen fühlte sich flau und leer an, und sie konnte es kaum erwarten, sich endlich etwas zu essen zu machen.

Gerade berührte ihre Fußspitze die letzte Treppenstufe auf dem Weg nach unten, da klopfte es laut an der Haustür. Melanie wäre vor Schreck beinahe gestolpert. Das konnte eigentlich nur James sein. Bestimmt hatte er irgendeine Katastrophe zu berichten und kam nun vorbei, nachdem er sie telefonisch nicht erreicht hatte. Das war schon in Ordnung, schließlich war sie der Boss.

Entschlossen setzte sie eine freundliche Miene auf und zog den Bademantelgurt fester um ihre Taille. Dann öffnete sie die Tür.

Der große, gut aussehende Kerl auf der Schwelle war nicht James.

Melanie erstarrte.

„Hallo.“ Forde lächelte nicht. „Störe ich gerade?“

„Wie bitte?“ Verständnislos sah sie ihn an. Er sah einfach großartig aus. Weißes Hemd, schwarze enge Jeans und so muskulös wie eh und je.

Seine silberblauen Augen leuchteten im Kontrast zu den tiefschwarzen Wimpern. Er begutachtete ihren Aufzug und legte den Kopf schief. „Hast du gerade Besuch?“

Die Bedeutung hinter dieser Frage war klar. Melanie wurde rot bis zu den Haarspitzen, und das Adrenalin schoss wie Feuer durch ihre Adern. Der Gesichtsausdruck wurde allerdings regelrecht eisig. „Was hast du da gerade gesagt?“

Forde entspannte sich etwas, froh darüber, sich geirrt zu haben. Den ganzen Tag über hatte er vergeblich auf eine Antwort von ihr gewartet. Und nachdem sie auch nicht ans Telefon gegangen war, wollte er nachsehen, ob sie ihn absichtlich ignorierte oder ob sie einfach nicht zu Hause war.

Im Obergeschoss brannte Licht, und sie öffnete im Bademantel die Tür. Was sollte er da wohl denken?

„Ich bin wirklich davon ausgegangen, dass jemand bei dir ist“, erklärte er und bereitete sich darauf vor, zügig einen Schritt nach vorn zu kommen, falls sie ihm die Tür vor der Nase zuschlagen wollte. „Und du bist nicht an dein Telefon gegangen.“

„Weil ich heute sehr lange gearbeitet habe und erst mal ein ausgiebiges Bad nehmen wollte“, verteidigte sie sich. „Aber wieso muss ich mich eigentlich vor dir rechtfertigen? Und wie kommst du darauf, ich hätte einen Mann bei mir?“

„Es war das Offensichtliche.“

„Für dich vielleicht. Du solltest nicht zu voreilig von dir auf andere schließen.“ Herausfordernd kniff sie die Augen zusammen.

„Ich schäme mich ja auch in Grund und Boden dafür.“ Spott war seine übliche Masche in einer solchen Situation. Und für Melanie war es, als würde er Öl ins Feuer ihrer Wut schütten. Forde hatte es als einziger Mensch auf der Welt geschafft, ihre kühle Fassade – hinter der sie sich schützend verbarg – zum Schmelzen zu bringen. Bei ihm verlor sie allzu schnell die Kontrolle über sich und ihre Emotionen.

Da sie ihre Kindheit in verschiedenen Heimen verbracht hatte, musste sie früh lernen, ihr wahres Ich und ihre Gefühle sicher zu verstecken. Nur bei Forde funktionierte das leider nicht.

„Würdest du bitte gehen?“, verlangte sie mit gepresster Stimme und wollte die Tür schließen, doch er machte einen Satz nach vorn und stellte seinen Fuß in den Weg.

„Hast du meinen Brief bekommen?“ Im Gegensatz zu ihr wirkte er völlig ruhig und unbekümmert.

Das nervte sie mindestens ebenso sehr wie seine Annahme, sie hätte einen Lover im Bett. Ergeben ließ sie die Klinke los und nickte.

„Und?“, drängte er.

„Was und?“

Sein starrer Blick schien sich bis in ihre Seele vorzuarbeiten. „Tu nicht so, als würde es dir nichts ausmachen, wie es um Isabelle steht!“

Ihr Ärger verflog, und sie blinzelte. „Was ist mit ihr?“

Er zuckte die Achseln. „Stur wie ein Esel. Du kennst sie ja.“

Fast hätte Melanie gelächelt. Fordes Mutter war eine mildere, feminine Version ihres starrsinnigen Sohnes, aber mindestens genauso durchsetzungsstark. Gleichzeitig war sie ihrer Schwiegertochter eine äußerst liebevolle Unterstützerin gewesen – wie die Mutter, nach der Melanie sich immer gesehnt, die sie aber nie gehabt hatte.

Melanie schluckte, und ihre Besorgnis wuchs. „Du meintest, ihr würde es nicht besonders gut gehen?“

„Sie ist in ihrem verdammten Garten gestürzt und hat sich die Hüfte gebrochen. Und dann sind während der Operation Komplikationen aufgetreten. Sie hat etwas am Herzen.“

Ihre Augen wurden größer. Nach Fordes Brief war Melanie davon ausgegangen, die alte Dame hätte sich eine Grippe eingefangen oder Ähnliches. Aber einen Bruch und eine Operation … Isabelle hätte sterben können, ohne dass Melanie überhaupt eine Ahnung hatte. Ihre Kehle wurde trocken. „Das tut mir wahnsinnig leid.“

„Nicht so sehr wie mir“, erwiderte er grimmig. „Sie hört nicht auf das, was man ihr sagt, und legt es darauf an, wieder ins Krankenhaus eingewiesen zu werden. Um keinen Preis der Welt will sie sich bei mir einquartieren lassen oder eine Reha in Anspruch nehmen. Nach der OP hat sie sich auf eigenen Wunsch entlassen – gegen den Rat der Ärzte, wohlgemerkt! Das einzige Zugeständnis ihrerseits war eine Pflegekraft, die ich gnädigerweise einstellen durfte. Sie wird bei ihr bleiben, bis Mutter wieder mobil ist. Aber auch das war nur unter starkem Protest machbar. Meine Mutter führt sich wirklich unmöglich auf!“

Amüsiert sah Melanie ihn an. Forde würde sich unter vergleichbaren Umständen ganz genauso benehmen, kein Zweifel. In seinen guten Zeiten führte er sich unmöglich auf, es ging aber noch weitaus schlimmer. Trotzdem gab es keinen Mann auf Erden, der mehr Sexappeal besaß …

Energisch zog sie ihren Bademantelgurt noch fester.

Zeig ihm nicht, dass dich sein plötzliches Auftauchen durcheinanderbringt! ermahnte sie sich. Es ist ein für alle Mal vorbei. Sei stark!

„Tut mir ehrlich leid“, wiederholte sie. „Aber du musst einsehen, wie lächerlich deine Idee ist, Forde. Ich kann nicht für deine Mutter arbeiten. Wir sind mitten in der Scheidung.“

„Ja, wir schon. Das sollte jedoch keinen Einfluss auf dein Verhältnis zu Isabelle haben. Du hast sie übrigens extrem verletzt, als du ihren Brief einfach zurückgeschickt hast“, fügte er hinzu.

Wie unfair. Das ging unter die Gürtellinie. Aber so war Forde eben. „Es war besser so.“

„Ach, wirklich?“ Er machte eine kurze Pause. „Für wen?“

„Forde, ich habe jetzt keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit dir.“ Sie zitterte, obwohl der Abend recht warm war.

„Du frierst ja.“ Mit einer kräftigen Armbewegung stieß er die Tür ganz auf. „Lass uns das Ganze drinnen besprechen!“

„Entschuldige mal!“ Wenigstens war sie besonnen genug, ihm den Weg zu versperren. „Ich erinnere mich nicht, dich hereingebeten zu haben.“

„Melanie, wir beide sind seit zwei Jahren verheiratet. Und falls du keine perfekte Schauspielerin bist und dich die ganze Zeit über verstellt hast, liebst du meine Mutter genau wie ich. Ihretwegen bitte ich dich um deine Hilfe. Okay? Willst du mir das tatsächlich abschlagen?“

Zwei Jahre, vier Monate und fünf Tage, um genau zu sein. Und die ersten elf Monate waren der Himmel auf Erden gewesen. Danach allerdings … „Geh jetzt bitte“, bat sie ihn und klang dabei schwächer als beabsichtigt. „Unseren Anwälten wäre diese Diskussion hier auch nicht recht.“

„Ach, vergiss die Anwälte!“ Ohne zu zögern, betrat er den Flur und schloss die Haustür hinter sich. „Das sind doch alles Blutsauger! Ich muss hier und jetzt mit dir reden, allein das zählt.“

Weil er so dicht vor ihr stand, nahm sie seinen Duft wahr, der alte Erinnerungen in ihr weckte. Erinnerungen, die allesamt ziemlich verführerisch und intim waren. Sie ließen Melanie erneut erzittern – und wieder nicht vor Kälte. Forde war der einzige Mann, den sie jemals geliebt hatte. Und seine Macht über sie war heute noch beängstigend. „Bitte verschwinde!“

„Hör mal, Nell!“, begann er sanft, „Lass uns zusammen einen Kaffee trinken. Wir setzen uns hin, und du lässt mich reden. Mehr verlange ich doch gar nicht. Mir geht es allein um Isabelle.“

Obwohl er sie nicht berührte, fühlte es sich für Melanie an, als würde Forde ihr körperliche Schmerzen zufügen. Jetzt kam ihr die Disziplin, die sie sich schon als Kind erarbeitet hatte, zugute. Da brachte es sie auch nicht ins Wanken, dass er sie mit ihrem alten Kosenamen ansprach. „Das halte ich für keine gute Idee, Forde.“

„Ganz im Gegenteil, es ist sogar eine exzellente Idee!“

Seine dunklen Haare fielen ihm tief in die Stirn. Es war offensichtlich, dass er kein Nein gelten lassen würde. Und da er viel größer und kräftiger war als sie, würde Melanie ihn wohl kaum gegen seinen Willen aus ihrem Haus bugsieren können. Ergeben ging sie voraus in ihr winziges Wohnzimmer.

„Mir bleibt ja keine andere Wahl, oder?“, rief sie über die Schulter.

Forde folgte ihr und freute sich insgeheim darüber, ohne weitere Diskussionen Einlass gewährt zu bekommen. Allerdings sollte man den Tag nicht vor dem Abend loben. Eine Schlacht war gewonnen, aber der Krieg war noch lange nicht entschieden.

Rasch sah er sich im Zimmer um und bemerkte, dass jedes Detail der Einrichtung Melanies ganz persönliche Handschrift trug. Die cremefarbenen Vorhänge passten zu den beiden kuscheligen Sofas und dem dicken kaffeebraunen Teppich. Ein offener, viktorianischer Kamin war aufwändig restauriert worden, wurde um diese Jahreszeit jedoch nicht benötigt. Der große Spiegel an der gegenüberliegenden Wand ließ den Raum viel größer wirken und reflektierte mit Sicherheit tagsüber das Licht aus den beiden Fenstern. Geschickt geplant, hübsches Interieur, modern und gleichzeitig gemütlich … trotzdem fehlten persönliche Dinge wie Fotos und dergleichen.

„Setz dich, ich hole Kaffee!“ Genervt zeigte sie auf ein Sofa. Dann verschwand sie wieder im Flur und zog sich dabei den Handtuchturban vom Kopf.

Doch Forde folgte ihrer unfreundlichen Einladung nicht, sondern kam ihr in die Küche hinterher. Hier sah es gleich bewohnter aus: vollgestopfte Regale, zahllose Papiere und Unterlagen auf dem Küchentresen, und in der Spüle lag schmutziges Geschirr. Wahrscheinlich verbrachte Melanie auch zu Hause die meiste Zeit mit Arbeiten.

Hektisch drehte sie sich zu ihm um. „Ich hatte noch keine Zeit zum Abwaschen“, sagte sie giftig.

„Vor mir brauchst du dich nicht zu rechtfertigen.“

„Habe ich auch nicht. Es sollte bloß eine Erklärung sein.“

Um die Wogen zu glätten, wechselte Forde das Thema. „Nett hast du es hier.“

Ihre Blicke trafen sich, und er merkte, dass Melanie seine Aufrichtigkeit infrage stellte. Dann sackten ihre Schultern ein Stück nach unten. Offenbar war sie innerlich zum dem Schluss gekommen, dass dieses Kompliment sein Ernst war.

„Danke. Mir gefällt es selbst sehr gut. Ein wahrer Glücksgriff.“

„Übrigens soll ich dich von Janet grüßen.“

Janet war Fordes Köchin und Haushälterin. Sie kam täglich für mehrere Stunden, putzte, kümmerte sich um die Wäsche und bereitete das Abendessen vor. Sie war die gute Seele seines Hauses, obwohl sie sich obendrein um einen arbeitsfaulen Ehemann und ihre drei Teenager kümmern musste. Melanie mochte sie sehr. Janet war am Tag des Unfalls bei ihr gewesen und hatte ihre Hand gehalten, bis der Krankenwagen eintraf …

Schnell schlug sie sich diesen Gedanken aus dem Kopf. „Bitte grüß Janet von mir zurück“, erwiderte sie steif und öffnete den Kühlschrank. Im Augenblick brauchte sie etwas Stärkeres als Kaffee. „Ich habe Weißwein da. Möchtest du auch ein Glas anstelle von Kaffee?“

„Großartig, danke.“ Er schlenderte am Arbeitstresen vorbei und sah durch die Hintertür auf die kleine, schwach beleuchtete Terrasse. „Das ist ja hübsch. Sollen wir uns hier nach draußen setzen?“ Forde machte sich an der Tür zu schaffen.

Mit aller Kraft versuchte sie die Tatsache zu ignorieren, dass sie unter ihrem Bademantel splitterfasernackt war. Zu allem Überfluss reagierte ihr Körper wie immer heftig auf Fordes Nähe. Er brauchte sie nur anzusehen, und schon wurde ihr heiß. Forde gehörte zu den wenigen Männern, die eine angeborene, männliche Anziehungskraft besaßen. Das erkannte man an seinem Gang, an seinem Lächeln und an praktisch jeder Bewegung von ihm.

Seine Größe und sein muskulöser Körperbau waren ziemlich beeindruckend. Aber vor allem sein Gesicht – zu markant geschnitten, um nur als schön zu gelten, und trotzdem atemberaubend attraktiv – zog Frauen von jung bis alt an. Pechschwarze Haare und silberblaue Augen, einen zynischen Zug um den erotischen Mund und ein sexy Grübchen im Kinn.

Pures Dynamit. So hatte eine ihrer Freundinnen Forde getauft, nachdem Melanie regelmäßig mit ihm ausging. Und diese Freundin sollte recht behalten.

Aber Dynamit kann unberechenbar und gefährlich sein, überlegte Melanie und fuhr sich nachdenklich mit gespreizten Fingern durch das feuchte Haar.

Mit der Weinflasche und zwei Gläsern in den Händen trat sie auf die schattige Terrasse hinaus, wo es herrlich nach Blüten duftete. Forde saß schon am Bistrotisch, hatte seine langen Beine vor sich ausgestreckt und schien die Kletterrosen zu bewundern, die an der Rückseite des Hauses emporrankten.

An dem Tag, als sie Forde verlassen hatte, hatte es geschneit. Seitdem waren sieben Monate vergangen. Sieben Monate, in denen er kein Teil ihres Lebens war … in denen er nicht in ihrem Bett lag …

Stumm setzte sie sich zu ihm an den Tisch und stellte die Gläser ab. Dann wickelte sie sich den Bademantel fester um den Körper und ärgerte sich darüber, nicht nach oben gegangen zu sein und sich umgezogen zu haben. Andererseits hätte das nur ausgesehen, als würde sie sich auf einen längeren Besuch von Forde einrichten. Nein, sie wollte, dass er endlich ging – und zwar so schnell wie möglich.

Ein Teil von ihr hatte sich aber danach gesehnt, ihn wiederzusehen. Seit der Trennung träumte sie fast jede Nacht von ihm. Manchmal wachte sie nach einer besonders erotischen Fantasie auf und lag stundenlang in der Dunkelheit wach, während der Rest der Welt friedlich vor sich hinschlummerte.

„Wie geht es dir so?“ Seine tiefe Stimme klang wie Samt und Seide.

Zur Stärkung schenkte Melanie sich selbst einen besonders großen Schluck Wein ein. „Gut. Und dir?“

„Großartig. Einfach großartig.“ Sein Ton bebte vor Sarkasmus. „Meine Ehefrau packt wegen angeblicher unüberbrückbarer Differenzen ihre Sachen und droht mir damit, eine einstweilige Anordnung zu erwirken, sollte ich auch nur versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen.“

„Du hast mich jeden Tag zig Mal angerufen und bist mir ständig überall nachgelaufen“, unterbrach sie ihn. „Das war doch schon nicht mehr normal.“

„Was hast du denn erwartet? Mir ist klar, dass sich die Dinge nach dem Unfall geändert haben, aber …“

„Hör auf!“ Mit einem gehetzten Blick in den Augen sprang sie auf. „Darüber will ich nicht reden, Forde. Wenn du deshalb gekommen bist, kannst du sofort gehen.“

„Verdammt nochmal, Nell!“ Auf seiner Stirn erschien eine steile Falte, und er biss die Zähne zusammen, um ruhig zu bleiben. „Setz dich wieder hin und trink deinen Wein! Ich bin hergekommen, um mit dir über den Garten in Hillview zu sprechen. Das ist alles. Wir müssen es hinbekommen, dass die Arbeit für meine Mutter leichter wird.“

„Du solltest besser gehen.“

„Vergiss es!“

Ihre Augen wurden schmal. „Also, du bist wirklich der arroganteste Mann auf diesem Planeten!“ Leider auch der attraktivste.

Forde zuckte die Achseln. „Damit kann ich leben.“ Er hob sein Glas. „Und jetzt setz dich hin und benimm dich nicht wie eine viktorianische Heldin in irgendeinem schlechten Film! Ich möchte dir in Ruhe erklären, wie es um meine Mutter steht. Danach kannst du deine Entscheidung treffen, in Ordnung?“

Melanie ließ sich auf den Stuhl zurücksinken. Nicht weil sie es wollte, sondern weil sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte.

„Zusätzlich zu ihrer gebrochenen Hüfte hat sie ernstzunehmende Herzprobleme, Nell. Aber das größte Problem ist wohl ihre Einstellung. Vor ein paar Tagen habe ich sie dabei erwischt, wie sie einen Busch zurückschneiden wollte. Sie hatte sich aus dem Haus geschlichen, als die Schwester beschäftigt war. Ich wollte ihr einen Gärtner besorgen, ich wollte die Arbeiten sogar selbst übernehmen, aber sie lässt mich nicht. Sobald man sie aber unter Druck setzt, gibt sie zu, hoffnungslos überfordert zu sein. Und das macht ihr schwer zu schaffen. Als ich vorschlug, den Garten generalüberholen zu lassen, stimmte sie erst zu, doch dann wollte sie auf keinen Fall eine Horde Fremder über ihr Land trampeln lassen. Jede Wette, wenn die Schwester in zwei Wochen überflüssig ist und auszieht, wird Isabelle die Gartenarbeit selbst in die Hand nehmen. Eines Tages finde ich sie noch mit einem Kreislaufzusammenbruch oder Schlimmerem. Du weißt, wie riesig ihr Stück Land ist. Es ist zu viel für sie.“

Er machte sich wirklich große Sorgen, das war nicht zu übersehen. Wie gebannt starrte Melanie ihn an. Ihr war nicht neu, wie sehr die alte Dame ihren Garten liebte, und wie gern sie ihn hegte und pflegte. Früher hatten sie und Isabelle etliche Stunden auf dem herrlich angelegten Grundstück verbracht.

Fordes Mutter würde ihren Lebenswillen verlieren, wenn sie nicht mehr in ihrem Garten herumwerkeln durfte. Man bräuchte eine völlig neue Planung für das Gelände, es musste übersichtlich und pflegeleicht gestaltet werden. Aber wenn Isabelle ihre geliebten alten Bäume behalten wollte, musste sie letztendlich zustimmen, wenigstens zweimal im Jahr einen Gärtner kommen zu lassen. Alles konnte sie nicht allein machen. Aber würde Isabelle damit einverstanden sein?

Melanie fasste sich ein Herz. „Erst einmal müsste ich eine genaue Aufstellung machen“, überlegte sie laut. „Was die Umsetzung angeht … mein Mitarbeiter James hat einen ziemlichen Schlag bei älteren Damen.“ Bei jüngeren ebenfalls. „Wenn Isabelle ihn erst einmal kennengelernt hat, lässt sie ihn vielleicht ein oder zwei Tage im Monat kommen, um den neuen Garten mit in Schuss zu halten. Ich werde ihn so entwerfen, dass man ihn mit einem minimalen Aufwand pflegen kann.“

Forde setzte sich aufrecht hin. „Dann machst du es?“, fragte er. „Du nimmst den Job an?“

Ihr war vollkommen klar, dass sie mit dem Feuer spielte. „Unter einer Bedingung.“

Seine Augenbrauen schossen nach oben. „Damit musste ich rechnen. Mit dir verläuft keine Verhandlung reibungslos. Okay, worum handelt es sich bei deiner Bedingung? Du wirst mich ja wohl vor keine unlösbare Aufgabe stellen, was?“

Die ganze Atmosphäre zwischen ihnen wurde Melanie bei Weitem zu intim. Forde war in ihre friedliche, kleine Welt eingedrungen, und jetzt gab es nur noch ihn und seine unglaublich maskuline Anziehungskraft. Und sie selbst war unter ihrem Bademantel nackt! Sie hätte Forde niemals in ihr Haus lassen dürfen …

Zügig leerte sie ihr Glas und schenkte gleich noch einmal nach. Fordes Glas war noch halb voll, und er legte eine Hand auf den Rand, als sie es auffüllen wollte.

„Ich muss noch fahren“, sagte er knapp und schlug ein Bein über das andere Knie. „Spuck aus, worauf es dir ankommt! Nur keine falsche Bescheidenheit.“

Sein Sarkasmus half ihr, sich zusammenzureißen. Sie fühlte sich wie am Rand einer steilen Klippe. Ein falscher Schritt, und sie war verloren.

„Ach, bevor du was sagst …“, fuhr er fort und beugte sich vor, um ihre Hand zu nehmen. „Liebst du mich noch, Nell?“

2. KAPITEL

Das war so typisch für Forde Masterson! Damit hatte Melanie eigentlich rechnen müssen, früher oder später erwischte er sie immer auf dem falschen Fuß.

Seine gnadenlose psychologische Kriegsführung hatte ihm auch beruflich zu großem Erfolg verholfen. Mit achtzehn Jahren hatte Forde das Erbe seiner Großmutter benutzt, um quasi von seinem Kinderzimmer aus in die Immobilienbranche einzusteigen. In mittlerweile sechzehn Jahren hatte er sich vom Amateur zu einem millionenschweren Unternehmer gemausert.

Freunde nannten ihn erbarmungslos, zu fokussiert und zu unbeweglich – seine Feinde benutzten wesentlich negativere Begriffe, um Forde zu beschreiben. Doch selbst sie mussten zugeben, dass seine Methoden weitaus fairer waren als die anderer Immobilienhaie. Er konnte zwar unerbittlich sein, wenn die Situation es erforderte, trotzdem war er ein Ehrenmann. Eine Seltenheit in dieser Branche.

In der Dunkelheit konnte sie sein Gesicht erst erkennen, als er ihr ganz nahe kam. Sie schluckte. „Ich meine es ernst, Forde. Ich will nicht über uns reden.“

„Das verlange ich auch gar nicht. Ein einfaches Ja oder Nein reicht mir schon.“

Melanie wandte sich von ihm ab und entzog ihm energisch ihre Hand. „Wozu das Ganze? Es ist vorbei. Uns gibt es nicht mehr als Paar. Akzeptiere das endlich! Ich habe es auch getan.“ Eine glatte Lüge.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“

„Muss ich auch nicht.“ Mit zitternder Hand nahm sie ihr Weinglas und trank einen großzügigen Schluck. „Dies ist mein Haus, und ich stelle hier die Regeln auf.“

„Du hast nie an Happy Ends geglaubt, Nell, oder?“

Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Forde konnte beobachten, wie Melanie innerlich dicht machte. Diese Fähigkeit hatte sie schon immer besessen. Sobald es ihr zu viel wurde, zog sie eine schützende Mauer um ihre wahren Gefühle. Allerdings gelang es ihm in neun von zehn Fällen, diese Mauer zu überwinden.

Er wusste, was für eine schwere Kindheit sie gehabt hatte. Da sie schon mit drei Jahren zur Vollwaise geworden war, konnte sie sich an ihre leiblichen Eltern nicht mehr erinnern. Zuerst nahm sie die Großmutter mütterlicherseits auf, doch tragischerweise starb auch sie nur ein Jahr später. Niemand aus Melanies Familie sprang ein, und so wurde das kleine Mädchen von einem Kinderheim ins nächste abgeschoben.

Sie hatte selbst einmal zugegeben, ein ziemlich schwieriges Kind gewesen zu sein. Wer konnte es ihr verdenken? Als Forde sich in sie verliebte, wollte er alles für sie besser und leichter machen. Das wünschte er sich immer noch. Nur leider wehrte sie sich mit Händen und Füßen dagegen!

„Vom ersten Tag unserer Beziehung an hast du darauf gewartet, dass wir uns entzweien“, fuhr er in ruhigem Ton fort. „Du hast gewartet, bis endlich alles schief geht. Das ist mir erst kürzlich klar geworden. Keine Ahnung warum, denn Anzeichen dafür gab es ja genug.“

„Ich weiß nicht, wovon du da sprichst“, erwiderte sie leise.

Nachdenklich sah er dabei zu, wie sie ihr zweites Glas Wein leerte. Ihre Körpersprache und ihre zittrige Stimme standen im Kontrast zu ihrer ausdruckslosen Miene. Hinter der Maske einer souveränen und fähigen Geschäftsfrau hatte Melanie fürchterliche Angst. Vor ihm.

Forde wusste, dass sie ihn geliebt und ihm vertraut hatte. Und genau das hatte sie verletzlich und unsicher gemacht. Ihr ganzes Leben lang war sie emotional auf sich allein gestellt gewesen, ganze fünfundzwanzig Jahre. Es war schwierig gewesen, ihre harte Schale zu durchbrechen, aber er hatte es geschafft. Sie hatte es zugelassen … sich ihm geöffnet. Aber nicht weit genug, sonst würden sie wohl kaum in diesem Dilemma stecken.

Er versuchte, seine Gedanken in Worte zu fassen. „Nach dem Unfall habe ich mir selbst die Schuld an allem gegeben, weißt du? Weil wir beide so distanziert waren. Jedes Gespräch verwandelte sich blitzschnell in einen Streit. Ich konnte trotzdem nicht begreifen, warum du mich einfach ausgeschlossen hast und mir permanent nur die kalte Schulter zeigtest.“

Sie sagte keinen Ton. Ebenso gut hätte sie aus Stein sein können. Eine wunderschöne Steinskulptur …

„Dieser Unfall …“

„Hör endlich auf, dauernd vom Unfall zu reden!“, herrschte sie ihn an. Dabei war sie es damals gewesen, die diesen Begriff ausgesucht hatte, um das Unfassbare zu beschreiben. „Es war eine Fehlgeburt. Ich war bescheuert genug, die Treppe hinunterzufallen, und dabei habe ich unseren Sohn umgebracht.“

„Nell …“

„Nein.“ Abwehrend hob sie die Hand. „Lass uns bitte bei den Tatsachen bleiben. Genau so war es, Forde. Der Kleine wurde zu früh geboren, und sie konnten ihn nicht retten. Ein paar Wochen später wäre alles anders gekommen, und er hätte überlebt. Aber in der zweiundzwanzigsten Schwangerschaftswoche hatte er kaum eine Chance. Ich hätte für ihn da sein müssen, sein kleines Leben beschützen sollen, aber ich habe versagt.“

Einerseits war er heilfroh, dass sie endlich über die Tragödie sprach. Bis jetzt hatte sie sich ihm und jedem anderen gegenüber geweigert, Gefühle zuzulassen. Andererseits erschreckte ihn, wie viel Schuld sie sich selbst an der Fehlgeburt gab.

Es war jetzt sechzehn Monate her …

Melanie hatte sich unwohl gefühlt und war deshalb im Bett geblieben, während er zur Arbeit aufbrach. Um etwa zehn Uhr vormittags brachte Janet ihr ein Frühstückstablett hinauf. Genau um halb elf hörte die Haushälterin einen entsetzlichen Schrei, gefolgt von lautem Gepolter. Sie stürzte aus der Küche in die Eingangshalle und fand Melanie am Fuß der Treppe. Sie lag zusammengekrümmt in den Überresten ihres Frühstückstabletts.

Es war ein Unfall. Ein tragischer, furchtbarer Unfall. Aber nachdem ihr gemeinsamer Sohn wenige Stunden später tot zur Welt gekommen war, hatte Melanie sich in das Innerste ihrer Seele zurückgezogen.

Zu keinem Zeitpunkt war es Forde gelungen, sie zu trösten oder überhaupt mit ihr über den Vorfall offen zu reden. Sie ließ ihn kaum in ihre Nähe, und wenn sie es tat, bekam er den Eindruck, sie würde ihn regelrecht hassen. Und zwar weil er sie an das erinnerte, was sie verloren hatte.

Monat für Monat hatten sie mit diesem Verlust gekämpft. Melanie vergrub sich in ihrer Arbeit, und Forde bekam sie schließlich höchstens eine Stunde am Abend zu Gesicht. Und er selbst … nun, für ihn war es die Hölle.

Gern hätte er jetzt gesagt, Unfälle geschehen eben. Aber das wäre den traurigen Umständen nicht gerecht geworden. Stattdessen stand er auf und zog Melanies starren, unwilligen Körper in seine Arme. „Du hättest dein Leben für ihn gegeben, wenn es möglich gewesen wäre“, raunte er. „Niemand macht dich für das verantwortlich, was passiert ist. Siehst du das denn nicht, Nell?“

Ein verzweifelter Schluchzer durchdrang die Stille. „Lass mich bitte allein!“

In der Tat war sie viel dünner als früher, außerdem schwankte sie leicht. Forde fürchtete, sie könnte ohnmächtig werden. „Was ist los mit dir?“, fragte er besorgt. „Bist du krank?“

Melanie klammerte sich haltsuchend an ihn. „Nur ein bisschen beschwipst, denke ich. Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen, und dann zwei Gläser Wein …“

Nur deshalb hatte sie auch über die Fehlgeburt sprechen können, wurde ihm jetzt klar. Allerdings konnte er seine Noch-Ehefrau wohl kaum permanent betrunken machen, damit sie ihren Schutzwall endgültig fallen ließ! „Komm mit rein! Ich mach dir was zu essen.“

„Nein, geht schon. Ich rufe dich dann morgen oder so an“, versuchte sie sich zu wehren.

Keine Chance. Niemals würde er sie jetzt allein lassen. Nicht nachdem sie zum ersten Mal über Matthews Tod gesprochen hatte. Für einen kurzen Moment durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz, als er an seinen kleinen Sohn dachte.

Dann schob er Melanie sanft durch die Tür ins Innere des Hauses und führte sie zu einem Stuhl im Esszimmer. Anschließend ging er in die Küche und machte sich einen Überblick, was der Kühlschrank hergab. „Also, ich könnte dir ein ganz passables Käseomelette zaubern“, rief er, da hörte er sie plötzlich leise weinen.

In Sekundenschnelle war er bei ihr und schloss sie fest in seine Arme. Immer wieder murmelte er ihr all die Dinge ins Ohr, die er ihr schon seit Monaten hatte sagen wollen. Dass er sie liebte, dass sie alles für ihn war, dass ihm ein Leben ohne sie nichts bedeutete, dass der Unfall nicht ihre Schuld war …

Und Melanie schmiegte sich voller Verzweiflung an ihn. Ihre Abwehr war durchbrochen, und sie hatte das Gefühl, Forde mehr zu brauchen als jemals zuvor. Keinen anderen könnte sie so lieben wie ihn. Er war alles, was sie sich je bei einem Mann gewünscht hatte, und mehr. Eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf riet ihr, sich von Forde zu lösen, aber Melanie hörte nicht auf sie. Es tat so gut, ihm nach all den Monaten wieder so nahe zu sein.

„Küss mich!“, flüsterte sie und sah ihm dabei tief in die Augen. „Zeig mir, wie sehr du mich liebst!“

Er senkte den Kopf und verschloss ihre Lippen mit einem zarten Kuss. Doch als Melanie ihm unmissverständlich zu verstehen gab, wonach sie sich sehnte, stöhnte Forde kehlig auf. Mit einem Mal war alle seine Zurückhaltung vergessen. Gierig stieß er mit seiner Zunge vor, und hob Melanie auf die Arme. Dabei hörte er nicht auf, sie leidenschaftlich zu küssen.

Melanie seufzte auf. Der Sex zwischen ihnen war schon immer atemberaubend gewesen. Sie hatte viel zu lange darauf verzichtet. Sie wollte ihren Mann riechen, ihn schmecken, ihn wieder in sich spüren. Wie in Trance realisierte sie, dass er sie die Treppe hinauf ins Schlafzimmer trug. Und plötzlich lag sie auf der kühlen Decke, und Forde streckte sich neben ihr aus. Im fahlen Mondlicht erkannte sie nur seine Umrisse.

Er küsste sie immer hemmungsloser und riss sich dabei die Kleider vom Leib. Melanies Bademantelgurt hatte sich gelöst, und Forde zog ihren nackten Körper auf sich. „Meine Schöne, meine unvergleichliche Liebe …“, wisperte er ihr zu.

In ihrem Kopf war kein Platz für zusammenhängende Gedanken. Sie war ausschließlich von ihrer Sehnsucht nach Nähe getrieben, die sich allmählich in rasendes Verlangen verwandelte.

Mit süßer Gier klammerten sie sich aneinander, berührten sich überall und wanden sich, als würden sie zu einer Einheit werden wollen – für immer. Als er endlich in sie drang, schrie Melanie seinen Namen laut heraus, so befreiend war das Gefühl. Ihr Höhepunkt war genauso ungezügelt wie ihre Bewegungen, und jede einzelne Welle trieb ihr buchstäblich die Anspannung aus dem Körper, bis Melanie schließlich kraftlos zurück in die Kissen fiel. Für wenige Augenblicke gab es keine Vergangenheit und keine Zukunft, nur das gleißende Licht der erfüllenden Gegenwart.

Forde hielt sie ganz fest, bis ihrer beider Herzschlag sich allmählich wieder beruhigte. Immer wieder flüsterte er ihr Zärtlichkeiten zu, und sie lag mit geschlossenen Augen da und ließ sich von dem Gefühl unendlicher Geborgenheit einhüllen. Es war wie früher, wenn sie miteinander geschlafen hatten: vertraut, still und unbeschreiblich schön. Und schon wenig später war sie tief eingeschlafen.

In Grübeleien versunken betrachtete Forde die schlafende Frau in seinen Armen. Ihre Haut war zart und hell. Die geschlossenen Lider zeichneten sich oval unter schön geschwungenen Brauen ab, und der sinnliche Mund war von den heißen Küssen leicht geschwollen. Behutsam strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und konnte immer noch kaum glauben, was in der vergangenen Stunde zwischen ihnen geschehen war.

Bevor er Melanie traf, hatte er mehrere Frauenbekanntschaften gehabt. Und als ihm Melanie auf der Hochzeit einer gemeinsamen Freundin vorgestellt wurde, hatte er sie genau wie die anderen einfach nur kurz erobern wollen. Eine kurze, flüchtige Affäre ohne weitere Hintergedanken.

Aber nach ihrem ersten richtigen Date war er bis über beide Ohren verliebt in sie gewesen. Bis dahin ein völlig unbekannter Zustand für Forde, der ihm zuerst ziemlich zu schaffen machte. Schon drei Monate später – an Melanies sechsundzwanzigstem Geburtstag – heirateten sie und verbrachten eine ausgiebige Hochzeitsreise in der Karibik. Es war eine absolut magische Zeit gewesen.

Seine Männlichkeit regte sich sofort, wenn Forde an die heißen Nächte dachte, die sie miteinander verbracht hatten. Zum ersten Mal war ihm der Unterschied zwischen Sex und Liebe machen verdeutlicht worden. Und er wusste, er würde niemals wieder ohne diese einzigartige Frau sein wollen.

Sie kehrten nach England zurück, und Melanie machte sich daran, sein Haus in Kingston an der Themse in ein gemütliches, gemeinsames Heim zu verwandeln. Sie renovierte und dekorierte um, bis der eingefleischte Junggesellencharme des Interieurs völlig verschwunden war. Ihren Job bei einer Gartenbaufirma hatte sie nach der Hochzeit aufgegeben. Sie wollte so schnell wie möglich ein Baby bekommen, und Forde war bereit, ihr jeden ihrer Wünsche zu erfüllen.

Immerhin kannte er ihre problematische Lebensgeschichte. Er wusste um die Tatsache, dass sie niemals eine Familie gehabt hatte, und verstand daher ihre Sehnsucht nach eigenen Kindern. Kleine Menschen … ein Produkt ihrer Liebe.

Mit gerunzelter Stirn starrte er in die Dunkelheit. Was er damals nicht begriffen hatte: Melanie glaubte nicht an das große Glück. Stattdessen rechnete sie jeden Moment damit, dass alles wieder vorbei sein könnte.

Und dann das Unglück mit der Fehlgeburt.

Er stöhnte gequält und schloss für einen Moment die Augen.

Danach hatte sich alles verändert. Melanie hatte sich verändert. An nur einem Tag hatte er sein Kind und auch seine Ehefrau verloren. Zuerst hatte er geglaubt, irgendwann zu ihr vordringen zu können, schließlich liebte er sie abgöttisch. Aber dann vergingen die Wochen und Monate, ohne dass sich die Situation zwischen ihnen verbesserte. Im Gegenteil, die Mauer des Schweigens wurde immer höher, und Forde kamen mehr und mehr Zweifel. Und dann hatte er eines Abends ein leeres Haus vorgefunden: Kleider, Schuhe, Kosmetik, jeglicher persönlicher Besitz – alles weg. In dem kurzen Abschiedsbrief hatte gestanden, dass sie die Scheidung verlangte.

An jenem Abend war er außer sich vor Wut gewesen. Wie hatte sie ihn bloß verlassen können? Er selbst hätte das niemals fertiggebracht! Außerdem hatte er fürchterliche Angst um sie. Was, wenn sie sich etwas antat?

Melanie rührte sich und kuschelte sich im Schlaf fester an ihn. Sie wirkte zart und zerbrechlich, allerdings trog dieser Schein. Innerhalb weniger Monate hatte sie sich ein neues Leben aufgebaut und kam offenbar hervorragend ohne ihn zurecht. Er dagegen … hatte es irgendwie geschafft weiterzuleben.

Das heute Abend hatte er wirklich nicht erwartet! Und das war noch die Untertreibung des Jahres! Ob Melanie es morgen früh bereute? Er rieb sein Kinn an ihren Haaren und grübelte.

Jedenfalls musste er alles daran setzen, dass sie ihre Wiedervereinigung nicht bereute. Das nahm er sich fest vor. Bei einem heftigen Streit kurz nach der Trennung, als Melanie vorübergehend bei Freunden untergekommen war, hatte Forde ihr geschworen, sie niemals gehen zu lassen. Und das meinte er immer noch vollkommen ernst.

Damals war sie allerdings emotional, mental und körperlich am Ende gewesen. Also hatte er sich zurückgezogen und ihr Freiraum gegeben. Dennoch, genug war genug. Heute Nacht hatte sie bewiesen, wie viel ihr an ihm lag – zumindest im Bett. Das war immerhin ein Anfang.

Ganz still blieb er liegen und drückte seine Noch-Ehefrau an sich. Im Geiste rief er sich jede einzelne Geste, jedes geflüsterte Wort und jeden Kuss noch einmal in Erinnerung, bis der Morgen dämmerte. Als die ersten Vögel ihre Lieder anstimmten, fiel er endlich in einen leichten Schlaf, und Melanie lag immer noch friedlich in seinen Armen.

3. KAPITEL

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Melanie die Augen aufschlug. So gut hatte sie nicht mehr geschlafen, seit sie bei Forde ausgezogen war. Ganz allmählich wurde sie wacher … und augenblicklich überfielen sie die Bilder der vergangenen Nacht. Gnadenlos heftig und atemberaubend aufregend. Erst jetzt stellte sie fest, dass sie immer noch in Fordes Armen lag.

Forde.

Mit klopfendem Herzen blieb sie ganz still liegen und lauschte den Geräuschen um sich herum. Unter ihrer Wange hob und senkte sich sein Brustkorb in regelmäßigen Abständen, und nach einer Weile entspannte sich Melanie wieder etwas.

Ganz langsam befreite sie sich aus seiner Umarmung und nahm sich noch die Zeit, sein schönes Gesicht zu mustern. All die Kanten, winzigen Fältchen und Grübchen waren ihr unendlich vertraut, und im Schlaf sah Forde besonders jungenhaft aus.

Wie konnte ich bloß so dumm sein und mit ihm schlafen? fragte sie sich, und ihr Magen zog sich bei diesem Gedanken schmerzhaft zusammen. Sie konnte nicht allein den Wein dafür verantwortlich machen. Gestern Abend hatte sie ihren Mann begehrt, sie hatte sich regelrecht nach ihm verzehrt. Wie schon die ganze Zeit über, seit sie getrennt waren.

Aber ich brauche ihn nicht, redete Melanie sich ein. Das hatte sie sich selbst schon bewiesen. Immerhin lebte seit sieben Monaten wieder allein. Und kam gut zurecht, oder etwa nicht?

Sie hätte es fast nicht überlebt, Matthew zu verlieren. Die Trauer und das schlechte Gewissen waren unerträglich gewesen, und sie wollte nur noch sterben. Nicht mehr an einem Ort sein müssen, an dem solche schrecklichen Dinge geschehen konnten.

Vorsichtig schlüpfte sie aus dem Bett und schlich auf wackligen Beinen über den Teppich. Sie wollte unbedingt fort sein, bevor er aufwachte. Das war zwar feige, aber trotzdem musste sie es tun. Sie liebte ihn zu sehr. Sie durfte ihm nicht vorgaukeln, es gäbe noch Hoffnung für sie. Ihre Ehe war aus und vorbei, kalte Asche, die man nicht mehr zum Leben erwecken konnte. Sie war in dem Augenblick gestorben, als Melanie die Treppe hinabgestürzt war.

Und er würde sich Hoffnungen machen. Kein Wunder bei den widersprüchlichen Signalen, die sie aussandte!

Unten in der Küche zog sie sich an, nachdem sie ein paar Klamotten aus dem Wäschekorb gefischt hatte. Dabei lauschte sie mit rasendem Herzen, ob Forde sich inzwischen rührte. Dann kritzelte sie hastig eine Nachricht auf ein Blatt Papier.

Forde, ich habe keine Ahnung, wie ich anfangen soll. Es tut mir unendlich leid, wie ich mich gestern Abend benommen habe. Es lag an mir, das ist mir bewusst, und das ist eigentlich unentschuldbar.

Sie machte eine Pause und dachte über ihre nächsten Worte nach, während ihr Magen immer stärker schmerzte. Es gab keinen sanften Weg, die Wahrheit auszusprechen.

Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein, und das hat nichts mit dir als Person zu tun. Wieder liegt es allein an mir. Aber es ist nur fair, wenn du weißt, dass ich meine Meinung in Bezug auf die Scheidung nicht geändert habe. Den Auftrag für Isabelle werde ich trotzdem übernehmen, falls du damit einverstanden bist. Ruf mich deswegen heute Abend nochmal an. Aber keine Besuche mehr! Das ist meine erste Bedingung.

Wieder zögerte sie. Wie beendete man einen Brief wie diesen? Besonders nach einer Nacht wie der letzten?

Ihr traten Tränen in die Augen, die sie ungeduldig fortblinzelte. Dann schrieb sie einfach:

Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen. Nell.

Zumindest die Intimität ihres Spitznamens schuldete sie ihm. Melanie fühlte sich hundeelend. Gestern hatte Forde versucht, sie zu trösten und für sie da zu sein. Und sie hatte ihn regelrecht angefleht, mit ihr zu schlafen. Und jetzt das! Es war wieder einmal alles ihre Schuld!

Erst im Auto ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Nach ein paar Minuten musste sie sogar rechts ranfahren, weil sie die Straße vor sich nicht mehr erkennen konnte. Sie fühlte sich absolut miserabel wegen der schäbigen Art, wie sie Forde behandelte. Aber es ging nicht anders.

Als sie sich etwas beruhigt hatte, putzte sie sich die Nase und stieg aus dem Wagen, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Die warme, klare Luft tat ihr gut.

Fordes Duft lag noch auf ihrer Haut, sein Geschmack auf ihren Lippen. Es war, als wäre er direkt bei ihr, obwohl er sich eigentlich weit weg in ihrem Haus befand.

Melanie schlang die Arme um den Oberkörper und dachte daran, wie es war, ihn in sich zu spüren. Er hatte sie in den siebten Himmel entführt, und auf seiner Brust hatte sie sich anschließend friedlich ausgeschlafen, ganz dicht an seinem Herzschlag. Es hatte sich angefühlt, wie nach Hause zu kommen.

Ein Ruck ging durch ihren Körper. An all das durfte sie jetzt nicht denken, es führte zu nichts. Noch war es zu früh, um zum Bauernhof zu fahren, wo sie und James in dieser Woche gemeinsam arbeiten wollten. Aber auf dem Weg dorthin gab es ein Café, das um diese Zeit schon geöffnet war.

Außer ihr saß nur ein Gast im Raum. Ein Lastwagenfahrer, der in seine Zeitung vertieft war und unablässig Rührei in sich hineinschaufelte. Melanie bestellte sich ein Schinkensandwich und eine Kanne Tee und verschwand dann für eine Katzenwäsche in der Restauranttoilette. Zu Hause hatte sie sich nicht die Zeit genommen, sich zurechtzumachen, aber glücklicherweise hatte sie immer Deo und eine Reisezahnbürste dabei.

Im Spiegelbild entdeckte sie die unsagbare Traurigkeit in ihren Augen. Hatte Forde das ebenfalls bemerkt? War er deshalb gestern bei ihr geblieben und hatte am Ende vielleicht sogar nur deshalb mit ihr geschlafen? Ein grauenhafter Gedanke!

Eigentlich hatte er ja bloß den Auftrag für Isabelles Garten mit ihr besprechen wollen. War seine Fürsorge bloßes Mitleid gewesen? Denn seit sie mit einer einstweiligen Anordnung gedroht hatte, ließ er sie anstandslos in Ruhe. Vielleicht traf er sich inzwischen schon mit einer anderen Frau?

Bei diesem Gedanken wurde ihr übel, und sie kehrte lustlos an ihren Tisch zurück. Der Trucker war verschwunden, doch an seiner Stelle hatte eine Gruppe lärmender Motorradfahrer das Café betreten. Sie bevölkerten nicht weniger als drei Tische und lachten ausgelassen miteinander. Melanie fühlte sich von ihnen beobachtet, vermied es jedoch, in ihre Richtung zu blicken. Mit ihren Lederkombis und den vielen Tätowierungen wirkten die Kerle ziemlich einschüchternd, genau wie ihre gigantischen Maschinen, die draußen neben Melanies Pick-up geparkt waren.

Die Kellnerin brachte ihr den Tee und das Sandwich, obwohl Melanie alle Mühe hatte, genügend Appetit für ihr Frühstück aufzubringen. Hastig schlang sie ein paar Bissen hinunter und spülte eineinhalb Tassen Tee hinterher. Danach legte sie etwas Geld auf den Tisch und verließ beinahe fluchtartig den Laden, als ihr plötzlich jemand auf die Schulter tippte. Sie drehte sich um und sah einen riesigen, bärtigen Motorradrocker hinter sich stehen.

„Deine Handtasche, Kleine“, brummte er und hielt sie ihr hin. Dann kniff er die Augen zusammen. „Alles in Ordnung mit dir?“

„Oh, ja, danke“, stammelte Melanie peinlich berührt.

„Bist du sicher?“ Die kleinen, blauen Augen unter den buschigen Brauen blickten sie freundlich an.

Sie riss sich zusammen und lächelte. „Auf jeden Fall, vielen Dank. Auch dafür, dass Sie das mit meiner Tasche bemerkt haben.“

Er grinste. „Bin ja auch daran gewöhnt, Kleines. Meine Freundin ist genauso. Würde ihren eigenen Kopf vergessen, wenn er nicht angeschraubt wäre.“

Auf dem Weg nach draußen dachte sie darüber nach, warum sie eigentlich behauptete, alles wäre in bester Ordnung. Das war es schließlich nicht! Sie hätte Forde niemals heiraten dürfen, nur um so tun zu können, als würde sie ein normales Leben führen. Sie war nicht wie alle anderen.

Wenig später überholte sie mit dem Auto eine junge Frau, die am Straßenrand spazieren ging und einen Kinderwagen vor sich herschob. Es tat Melanie immer noch sehr weh, andere Mütter mit ihren Babys zu sehen. Jedes Mal war es, als würde man ihr wieder ein Messer ins Herz jagen.

Ihr ganzes Leben lang waren ihr die Menschen, die sie liebte, auf grausamste Weise entrissen worden. Zuerst ihre Eltern, dann ihre Großmutter, sogar ihre Freundin auf der Schule … Ihre einzige Freundin, denn Melanie war kein Kind mit großem Freundeskreis gewesen. Das Mädchen war während eines Sommerurlaubs, den sie mit ihrer Familie in Übersee verbrachte, ertrunken.

Melanie konnte sich gut an die Schulversammlung erinnern, bei der ihr Direktor Pams Tod bekannt gegeben hatte. Für Melanie war eine Welt zusammengebrochen, vor allem, weil sie glaubte, Pams Unfalls stünde in irgendeiner Beziehung zu ihrer gemeinsamen Freundschaft. Schließlich starben auffallend viele Menschen in Melanies unmittelbarer Umgebung unter tragischen Umständen.

Und wenn sie Forde nicht geheiratet und auf eine baldige Schwangerschaft bestanden hätte, wäre Matthew nicht gestorben. Sie hatte das Schicksal herausgefordert und geglaubt, sie könnte dem Unausweichlichen entkommen. Nur darum war Forde das Herz gebrochen worden – genau wie ihr. Nie würde sie den Ausdruck auf seinem Gesicht vergessen, als er den winzigen Körper seines Sohnes in den Händen gehalten hatte.

In diesem Moment hatte sie geschworen, dass sie ihn gehen lassen musste. Er sollte frei sein, um sein Glück anderswo zu finden. Gestern Abend hatte er behauptet, sie hätte ihr Leben für Matthew gegeben, wenn das möglich gewesen wäre. Und das stimmte, nur war das leider nicht möglich gewesen. Aber sie konnte Forde vor noch mehr Unglück im Leben schützen.

Nach der Scheidung würde sie wegziehen, und irgendwann würde Forde eine neue Partnerin finden. Frauen rissen sich regelrecht ein Bein aus, um von ihm beachtet zu werden. Er war ein anziehender, leidenschaftlicher Mann mit viel Charisma. Trotzdem durfte es Vorfälle wie den in der vergangenen Nacht keinesfalls mehr geben!

Der einzige Ausweg war, grausam zu sein, um Gutes zu tun.

Forde wachte mit dem unguten Gefühl auf, dass etwas nicht stimmte. Im ersten Augenblick wusste er nicht recht, woran es lag, dann fiel ihm alles wieder ein. Er drehte sich zur Seite: Der Platz neben ihm im Bett war leer. Das Haus wirkte verdächtig still, kein Geräusch kam aus dem Bad oder der Küche unten.

Er merkte, dass er die Luft anhielt. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es schon nach neun war. Mit einem Fluch auf den Lippen sprang er aus den Federn und fuhr sich mit beiden Händen durch die zerzausten Haare. Verdammt, genau das hier hatte er verhindern wollen. Aber eventuell saß Melanie ja draußen auf der Terrasse und frühstückte?

Splitternackt hetzte er die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal. Aber noch bevor er die Hintertür aufriss, wusste er, dass Melanie nicht dort draußen sitzen würde. Das kleine Häuschen wirkte ausgestorben, so, als hätte es seine Seele verloren.

Er fluchte noch heftiger, während er die Treppenstufen wieder hinaufhastete. Er hatte ihre Nachricht auf dem Küchentisch gefunden, las ihn aber erst oben auf dem Weg ins Schlafzimmer.

Seine Bauchmuskeln zogen sich zusammen, und er musste einen Würgereiz unterdrücken, so sehr trafen ihn ihre kühlen Worte. Also hatte sich nichts geändert. Nach allem, was sie letzte Nacht miteinander geteilt hatten – dem Feuer, der Lust – hielt sie daran fest, sich von ihm scheiden zu lassen.

Mit einer Hand zerknüllte er den Brief und warf ihn quer durch den Raum. Dann zog er sich an. Er musste unbedingt raus hier, bevor er sich vergaß und etwas zertrümmerte!

Nur Minuten später saß er in seinem Aston Martin und umklammerte das Lenkrad. Dieser Morgen erinnerte an so viele andere, in denen er nach einer erotischen Fantasie aus seinen Träumen erwachte, um ein leeres, kaltes Bett vorzufinden. Aber die vergangene Nacht war real gewesen. Melanie war in seinen Armen dahingeschmolzen, sie hatte sich ihm ganz geöffnet, und auf dem Gipfel ihrer Lust seinen Namen gerufen. Aber es war nicht nur sein Körper, der sich nach ihr verzehrte. Forde wollte sie ganz zurück, seine Nell!

Eine schwarze Katze kreuzte seinen Weg und blieb kurz stehen, um ihn mit giftgrünen Augen durchs Autofenster zu mustern. Nachdem sie festgestellt hatte, dass er keine Gefahr für sie darstellte, schlich sie seelenruhig weiter über den Parkplatz. Diese Katze ging allein ihren Weg, genau wie Nell.

Forde seufzte. Seine Frau war zu demselben Schluss gekommen wie dieses verflixte Tier. Die beiden waren unabhängig und verließen sich ausschließlich auf sich selbst. Er dagegen brauchte Nell! Er wollte mit ihr zusammen aufwachen, die Sonntagszeitung gemütlich im Bett lesen und dabei Croissants mit Marmelade und Milchkaffee frühstücken. Er wollte sich mit ihr über Gott und die Welt unterhalten, und abends mit einem Glas Wein gemeinsam vor dem Fernseher sitzen. Er wollte mit ihr kochen, einen Theater- oder Kinobesuch planen und Arm in Arm mit ihr spazieren gehen.

Früher hatten sie all diese Dinge gemacht. Aber heute war ihm klar, dass es einen Teil von ihr gab, zu dem sie ihm niemals Zugang gewährt hatte. Sie waren sich nicht so nah gewesen, wie er geglaubt hatte.

Mit finsterer Miene startete er den Motor.