Lektüreschlüssel. Guy de Maupassant: Boule de suif - Thomas Degering - E-Book

Lektüreschlüssel. Guy de Maupassant: Boule de suif E-Book

Thomas Degering

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Beschreibung

Reclams "Fremdsprachen-Lektüreschlüssel" folgen dem bewährten Aufbau- und Darstellungsprinzip der Lektüreschlüssel zur deutschen Literatur. Sie beziehen sich auf den fremdsprachigen Originaltext (wenn möglich in Reclams Roter Reihe), sind aber auf Deutsch verfasst und unterstützen ebenso die Lektüre der deutschen Übersetzung. Eine "Checkliste" enthält Aufgaben zur Verständniskontrolle in der Fremdsprache. Unter dem Darstellungstext stehen Übersetzungshilfen und Schlüsselbegriffe in der Fremdsprache, um die Bearbeitung dieser Aufgaben und ein fremdsprachiges Referieren über das Werk zu erleichtern. Lektüreschlüssel erschließen einzelne literarische Werke. Um eine Interpretation als Zentrum gruppieren sich 10 wichtige Verständniszugänge: * Erstinformation zum Werk * Inhaltsangabe * Personen (Konstellationen) * Werk-Aufbau (Strukturskizze) * Wortkommentar * Interpretation * Autor und Zeit * Rezeption * "Checkliste" zur Verständniskontrolle * Lektüretipps mit Filmempfehlungen * Raum für Notizen Die Geschichte der kleinen, "Boule de suif" (dt. "Fettklößchen") genannten Kurtisane, die in den Wirren des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 in einen unlösbaren Konflikt zwischen Moral und Patriotismus gestürzt wird. Die Novelle begründet Maupassants literarischen Ruhm und zählt noch heute zu seinen beliebtesten Werken.

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Seitenzahl: 86

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Guy de Maupassant

Boule de suif

Von Thomas Degering

Reclam

Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe in der Originalsprache: Guy de Maupassant: Boule de suif. Hrsg. von Helmut Keil. Stuttgart: Reclam, 1994/2009. (Universal-Bibliothek. 9011)

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen

Made in Germany 2014

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960622-4

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015437-3

www.reclam.de

Inhalt

1. Erstinformation zum Werk

2. Inhalt

3. Personen

4. Aufbau, Struktur, Zeit, Erzähltechnik

5. Interpretation

6. Autor und Zeit

7. Rezeption

8. Dossier pédagogique

9. Lektüretipps/Filmempfehlungen

Anmerkungen

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

1. Erstinformation zum Werk

Boule de suif erschien zuerst am 16. April 1880 in dem von Émile Zola veranlassten und herausgegebenen SammelbandLes soirées de Médan, Les soirées de Médan, 1880 der Texte verschiedener, überwiegend naturalistisch orientierter Autoren über den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 enthielt. Begonnen etwa im Oktober 1879 und Anfang 1880 dem Herausgeber Zola bzw. dem Verleger Charpentier übergeben, war die Erzählung oder Novelle das erste Prosawerk, mit dem Maupassant unter seinem richtigen Namen an die Öffentlichkeit trat. Sein Début erwies sich als überraschend großer Erfolg, nachdem er etwa zehn Jahre lang, geschult von seinem Lehrer und Freund Gustave Flaubert Geschult von Flaubert(Madame Bovary), das Handwerk des literarischen Schreibens gründlich erlernt und nur wenig publiziert hatte. Boule de suif katapultierte den 29jährigen fast aus dem Nichts ins Rampenlicht, obgleich er schon zu dieser Zeit im Pariser Literaturleben kein ganz Unbekannter mehr war.

Flaubert, der kurz nach Erscheinen von Boule de suif plötzlich verstarb, hatte sowohl Maupassants folgende Laufbahn als einziger unbeirrt prophezeit (»Versuch ein Dutzend von dieser Sorte zu schreiben! und Du wirst ein bedeutender Mann sein!«1) als auch seinen Erstling uneingeschränkt gelobt; noch vor der Veröffentlichung der Soirées de Médan schrieb er an Maupassants Mutter Laure: »Ich habedas Bedürfnis, Dir zu sagen, daß mein Schüler […] dabei ist, ein toller Bursche zu werden! […] Seine Prosaerzählung Boule de suif ist ein wahres Wunder«.2 Bedeutend ist aber auch Zolas Anteil an Boule de suif und Maupassants Siegeszug Lob von Zola, denn er initiierte seinen Band, um mit seinem Namen unbekannte aktuelle Autoren uneigennützig zu fördern. Zola war überdies ehrlich genug, den eigenen groupe de Médan-Beitrag L’attaque du moulin sowie auch die übrigen Médan-Texte der Schriftsteller J.-K. Huysmans, Léon Hennique, Paul Alexis und Henri Céard dem Spitzenwerk des Buches unterzuordnen: »Sie ist mit Sicherheit die beste der sechs Novellen, sie besitzt die Kühnheit, die Sicherheit, die Raffinesse und Klarheit in der Analyse, die sie zu einem kleinen Meisterwerk machen. Außerdem reicht das, um Maupassant in der belesenen Öffentlichkeit auf den ersten Platz unter den jungen zukünftigen Schriftstellern zu heben.«3

Maupassant, der, ohne Naturalist zu sein, sich Zolas linksorientiertem Literatenkreis anschloss und der Aufforderung zur Mitarbeit an dem Antikriegs-Band gern gefolgt war, äußerte sich über dessen Ziel so: »Wir […] wollten nur versuchen, unseren Erzählungen einen wahren Ton über den Krieg zu verleihen«.4 »Ich arbeite hart an meiner Novelle über die Leute aus Rouen und den Krieg. Ich werde von nun an gezwungen sein, Pistolen in der Tasche zu haben, wenn ich durch Rouen fahre«5, hatte er Anfang Dezember 1879 an Flaubert berichtet, der seinerseits dann auch in der Folge von der »Rouen-Erzählung« sprach.

So war Boule de suif also zum einen eine Geschichte aus dem Krieg respektive über »den Krieg«. Zum zweiten ging die Erzählung »über die Leute aus Rouen«. Und drittens handelte das Werk natürlich von der Titelheldin selbst: der gutherzigen und couragierten Dirne Élisabeth Rousset alias »Boule de suif«, die auf einer kriegsbedingten Reise von Rouen nach Dieppe das Opfer eines preußischen Offiziers, aber viel mehr noch dasjenige ihrer schäbigen Rouener Mitreisenden – dieser speziellen »Leute aus Rouen« – wird. Boule de suif endet mit dem seelischen Zusammenbruch dieses Mädchens, das die extreme Kälte ihrer krass egoistischen ›Mitbürger‹ nicht aushält. Die Erzählung thematisierte hier wie ouvertürenhaft das Leitmotiv (man könnte auch sagen: »Leid-Motiv«), »Leid-Motiv« des Gesamtwerkes das Maupassants Gesamtwerk dominieren sollte: »Je vous dis, moi, que la misère humaine me ravage, que je la vois partout, avec des yeux aigus, que je la trouve où vous n’apercevez rien, vous qui marchez dans la rue avec la pensée de la fête de ce soir et de la fête de demain« (Misère humaine, 1886).

»Es ist hart zu leben«, äußerte er 1878; und diese Erkenntnis, die am Ende auch das innere Fazit von Boule de suif, der Rouener Prostituierten, sein wird, kann als Schlüssel zu Maupassants Denken und Schreiben definiert werden.

»Que c’est triste … tout ça!« heißt es etwa in der Erzählung L’épave (1886) oder: »Que c’est triste, la vie!« in der Erzählung Regret (1884). Die von Menschen (und genauso von Tieren, wie z. B. in der Erzählung Coco, 1885) erlittenen Seelenqualen Autor der Traurigkeit literarisiert Maupassant immer erneut mit größter Humanität und Erkenntnisschärfe; aber auch mit Fatalismus, denn wie Flaubert war er der Überzeugung, dass der Schriftsteller lediglich zu beschreiben, aber nichts zu ändern vermag, »sur cette planète à idées basses, utilitaires, humanitaires, égoïstes et coercitives de toute liberté réelle« (L’endormeuse, 1889). Das Leid des Freudenmädchens angesichts der Brutalität ihrer Rouener Mitmenschen wird nur protokolliert; an die Möglichkeit einer Welt ohne Tränen und Leid hat Maupassant nicht geglaubt. Obgleich Boule de suif wie andere Maupassant-Werke durchaus auch Elemente von Komik beziehungsweise Satire hat, ist ihr Verfasser aus Überzeugung zuvörderst der Autor der Traurigkeit, des Mitleids, der Verlierer und Geschlagenen des Lebens. Nach Flauberts Tod schrieb er an seine Cousine Caroline Commanville, was über viele seiner Geschichten gesagt werden kann: »Das, Madame, sind nun traurige Sachen, aber von den traurigen Sachen ist einem schwer ums Herz und deshalb sind sie mehr wert als die, die einen kalt lassen.«6

Maupassants fiktive Élisabeth Rousset existierte in der Realität. Nachdem er mit Boule de suif berühmt geworden war, traf er das lebende Vorbild seiner Kunstfigur (deren Spitznamen er aus der Wirklichkeit in die Literatur transponiert hatte) eines Abends im Theater von Rouen. Er sprach mit ihr und lud sie zum Essen ein. Adrienne-Annonciade Legay, Adrienne-Annonciade Legay geboren 1841, stammte aus dem bei Valmont gelegenen Küstenort Eletot. »Elle devait tomber dans la misère, et mourir à l’hôpital en 1892, après avoir tenté de se suicider.«7

Sammelband: le recueilunter seinem richtigen Namen: sous son vrai nomüberraschend (Adv.): inattendu, egründlich (Adv.): minutieusementjdn. katapultieren: propulserunbeirrt (Adv.): sans relâcheuneingeschränkt (Adv.): sans reserve (f.)Siegeszug: le triompheMitarbeit an etwas: la collaboration à qcgutherzig sein (Adj.): avoir bon cœurjds. Opfer sein: être (la) victime de qn schäbig (Adj.): mesquin, eetwas dominieren: dominer qcSchlüssel: la cléSeelenqual: le tourment (intérieur)Freudenmädchen: la fille de joieBrutalität: la brutalitéetwas protokollieren: enregistrer qcaus Überzeugung: par convictionTraurigkeit: la tristesseVorbild: le modèleSpitzname: le sobriquet

2. Inhalt

Es gibt in Boule de suif (einer nicht gerade kurzen Geschichte von 54 Seiten in der deutschen Reclam-Ausgabe) überhaupt keine äußeren Merkmale der Gliederung des Textes, wie etwa Kapitel oder mit Zahlen ausgewiesene Teilabschnitte; der Text verzichtet auf voneinander deutlich abgesetzte äußere Unterbrechungen (vgl. Kap. 4). Es gibt aber eine klare logische innere Gliederung, die ihm zugrunde liegt. Man kann bei immanenter Analyse dreiunddreißig logisch-inhaltliche Abschnitte oder Textbausteine unterscheiden.

Abschnitte des Textes

I (3–11). »Pendant plusieurs jours de suite des lambeaux d’armée en déroute avaient traversé la ville. Ce n’était point de la troupe, mais des hordes débandées« (3,2–4). In der Expositionder Handlung Exposition wird zunächst der Durchmarsch von Teilen der im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 geschlagenen und sich auflösenden französischen Armee durch Rouen im Winter 1870 (s. Kap. 4) geschildert. Dann erwartet die Stadt die Invasion der Preußen. »Beaucoup de bourgeois bedonnants, émasculés par le commerce, attendaient anxieusement les vainqueurs« (6,10–12). Die Einwohner passen sich den Okkupanten opportunistisch an, werfen aber auch ermordete Preußen in die Seine. »Les vases du fleuve ensevelissaient ces vengeances obscures, sauvages et légitimes« (10,21–11,1). Die deutschen Invasoren begehen keine der Untaten, die man ihnen angelastet hatte, man beruhigt sich, »et le besoin du négoce travailla de nouveau le cœur des commerçants du pays« (11,11 f.). Eine Gruppe von Bürgern mit überwiegend ökonomischen Interessen im noch von den Franzosen kontrollierten Le Havre erlangt eine (Aus-)Reisebewilligung. – In der Exposition taucht keine Person der folgenden Handlung auf, nur ein versteckterHinweis auf die Titelheldin, insofern sich unter den »Chefs« der Rouen auch durchziehenden »légions de francs-tireurs« (4,7) unter anderem »ex-marchands de suif ou de savon« (4,12) befinden.

II (11–16). Zehn Ausreisewillige mieten für die Reise aufdem Landweg über Dieppe eine Postkutsche. Abfahrt ist an einem Dienstagmorgen, nachdem am Montag zuvor Schneefall eingesetzt hat. »À quatre heures et demie du matin, les voyageurs se réunirent dans la cour de l’Hôtel de Normandie, où l’on devait monter en voiture« (12,7–9). Die Abfahrt verzögert sich, die Rouener Reisenden warten in Schnee und Kälte. Endlich fährt die Kutsche los.

III (16–22). »Dans la voiture on se regardait curieusement, à la triste clarté de cette aurore« (16,5 f.). Alle zehn Insassen Die zehn Reisenden werden in der von ihnen eingenommenen Sitzordnung geschildert. Es sind dies: das Weinhändlerehepaar M. und Mme Loiseau; der Kapitalist M. Carée-Lamadon und Frau; der Comte und die Comtesse Hubert de Bréville; zwei Nonnen; ferner der »Demokrat« Cornudet sowie schließlich die Prostituierte Élisabeth Rousset. »La femme, une de celles appelées galantes, était célèbre par son embonpoint précoce qui lui avait valu le surnom de Boule de suif« (21,8–10).

IV (22–23). »Aussitôt qu’elle fut reconnue, des chuchotements coururent parmi les femmes honnêtes, et les mots de ›prostituée‹, de ›honte publique‹ furent chuchotés si haut qu’elle leva la tête« (22,8–11). Die drei Männer dieser Frauen »parlaient argent d’un certain ton dédaigneux pour les pauvres« (23,2 f.).

V (23–26). Man will in dem Ort Tôtes auf der Hälfte der Strecke zu Mittag essen, aber die Kutsche kommt kaum voran und bleibt in einer Schneeverwehungstecken. Alle haben Hunger. Niemand scheint sich mit Proviant versehen zu haben. Monsieur Loiseau macht den brutalen Scherz, »de faire comme sur le petit navire de la chanson: de manger le plus gras des voyageurs. Cette allusion indirecte à Boule de suif choqua les gens bien élevés« (25,19–21).

VI (26–30). Einzig die im Wagen verachtete Prostituierte hat an Wegzehrung gedacht. Boule de suifs Proviant Als sie ihren prall gefüllten Korb enthüllt, werden Neid und Hass