Leni Behrendt Bestseller 21 – Liebesroman - Leni Behrendt - E-Book

Leni Behrendt Bestseller 21 – Liebesroman E-Book

Leni Behrendt

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Beschreibung

Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können. Die gepolsterte Tür, die zum Arbeitszimmer des Chefs führte, öffnete sich geräuschlos, und der Gestrenge wurde sichtbar. Er wollte das Gemach durchschreiten, verharrte dann jedoch vor dem reizvollen Bild, das sich seinen Augen bot. Da saß seine Privatsekretärin, völlig in die Arbeit vertieft. Die lachende Frühlingssonne gleißte in ihrem Haar, das funkelnd wie Altgold den schmalen Kopf in dicken Locken umbauschte. Tief war dieser entzückende Kopf über ein Stenogramm gebeugt. In dem Gesichtchen, zart und fein, stand ein Ausdruck von Ungeduld. Jetzt hoben sich die Augen, große grünblaue Sterne, wie sie wohl die Nixen haben mochten, die ihre Opfer damit betören und sie hinunter ins Verderben ziehen. Träumend schauten sie sekundenlang in die strahlende Sonne hinaus, bis sie dann wieder zu den Schreibmaschinentasten zurückkehrten. Zehn überaus zarte Finger hieben sie mühelos hinunter wie in wechselvollem Spiel. Der Smaragd an ihrer Linken funkelte und sprühte bei diesem Auf und Ab. Das Näschen krauste sich, und dem echtroten Mund entglitt das Zünglein, fuhr blitzschnell über die Lippen im rhythmischen Takt. »Re-ha-bi-li-ta-ti-on«, buchstabierte das Mädchen eifrig in die Maschine hinein. »Re-ha-bi-li-ta-ti-on. Endlich hab' ich dich nun schon. Was für ganz verrückte Worte es doch gibt, tralalala, und dazu scheint hell die Sonne, widihopsassasasa. Und die blauen Veilchen blühen, und ich habe nichts davon, muß hier sitzen und mich schinden in der Arbeit harter Fron. Ist das nicht ein dummer Esel, widewidewittbumbumjuchhe, hat geschrieben und kann nicht lesen, ach herrjeh, herrjemine…« Alles in allem war es ein sinnbetörendes, frohgemutes Menschenkind, das der Arbeit grauer Sachlichkeit die beste Seite abzugewinnen wußte, indem es bei der Ausführung seiner Pflicht durcheinandersang in kunterbuntem Kuddelmuddel. Die bauschigen Ärmel der weißen Seidenbluse wehten bei der schnellen Armbewegung wie ein Segel hin und her, und der Saum des dunkelblauen Wollrocks wippte lustig auf und nieder.

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Leni Behrendt Bestseller – 21 –

Die gekaufte Frau

Leni Behrendt

Die gepolsterte Tür, die zum Arbeitszimmer des Chefs führte, öffnete sich geräuschlos, und der Gestrenge wurde sichtbar.

Er wollte das Gemach durchschreiten, verharrte dann jedoch vor dem reizvollen Bild, das sich seinen Augen bot.

Da saß seine Privatsekretärin, völlig in die Arbeit vertieft. Die lachende Frühlingssonne gleißte in ihrem Haar, das funkelnd wie Altgold den schmalen Kopf in dicken Locken umbauschte. Tief war dieser entzückende Kopf über ein Stenogramm gebeugt. In dem Gesichtchen, zart und fein, stand ein Ausdruck von Ungeduld.

Jetzt hoben sich die Augen, große grünblaue Sterne, wie sie wohl die Nixen haben mochten, die ihre Opfer damit betören und sie hinunter ins Verderben ziehen.

Träumend schauten sie sekundenlang in die strahlende Sonne hinaus, bis sie dann wieder zu den Schreibmaschinentasten zurückkehrten.

Zehn überaus zarte Finger hieben sie mühelos hinunter wie in wechselvollem Spiel. Der Smaragd an ihrer Linken funkelte und sprühte bei diesem Auf und Ab. Das Näschen krauste sich, und dem echtroten Mund entglitt das Zünglein, fuhr blitzschnell über die Lippen im rhythmischen Takt.

»Re-ha-bi-li-ta-ti-on«, buchstabierte das Mädchen eifrig in die Maschine hinein. »Re-ha-bi-li-ta-ti-on. Endlich hab’ ich dich nun schon. Was für ganz verrückte Worte es doch gibt, tralalala, und dazu scheint hell die Sonne, widihopsassasasa.

Und die blauen Veilchen blühen, und ich habe nichts davon, muß hier sitzen und mich schinden in der Arbeit harter Fron.

Ist das nicht ein dummer Esel, widewidewittbumbumjuchhe, hat geschrieben und kann nicht lesen, ach herrjeh, herrjemine…«

Alles in allem war es ein sinnbetörendes, frohgemutes Menschenkind, das der Arbeit grauer Sachlichkeit die beste Seite abzugewinnen wußte, indem es bei der Ausführung seiner Pflicht durcheinandersang in kunterbuntem Kuddelmuddel. Die bauschigen Ärmel der weißen Seidenbluse wehten bei der schnellen Armbewegung wie ein Segel hin und her, und der Saum des dunkelblauen Wollrocks wippte lustig auf und nieder. Die schlanken seidenbestrumpften Beine waren lang unter den Schreibmaschinentisch gestreckt, die hohen Absätze der hellen Schuhe klappten fröhlich im Rhythmus. Ganz einfach war das Mädchen gekleidet, wie es sich für den Dienst gehörte, und doch wirkte alles an ihm ausgesucht und elegant.

Der Mann, der das alles ganz heimlich, still und leise mit Ergötzen in sich aufnahm, wurde nachdenklich, wieso es wohl kommen mochte, daß seine Sekretärin hier noch arbeitete, während alle anderen Angestellten ihren Arbeitsplatz schon längst verlassen hatten, wie es an den Sonnabendnachmittagen üblich war. Sie allein nur machte Überstunden, mußte also die Arbeit, die er ihr aufbürdete, trotz ihrer Tüchtigkeit nicht bewältigen. Darüber hatte sie jedoch in den zwei Jahren, die sie bereits hier arbeitete, noch kein Wort gesagt.

Er trat schnell zurück, denn die gegenüberliegende Tür wurde vorsichtig geöffnet, und ein Mann huschte hinein, zu der emsig Arbeitenden hin. Sie bemerkte ihn nicht in ihrem Eifer und fuhr erschrocken herum, als sich seine Hände auf ihre Augen legten.

»Toi, toi, toi. Haben Sie mich ­erschreckt!« schrie sie leise auf, ihrem Drehstuhl einen verwegenen Schwung gebend, so daß sie dem Mann nun gegenübersaß, der sie mit heißen Augen betrachtete.

»Thora, wie kommt es, daß du noch arbeitest?« fragte er unwillig. Doch sie lachte ihn aus.

»Erstens haben wir beide noch keine Duzkeilchen miteinander gegessen, und dann arbeite ich, weil ich mein Pensum früher nicht geschafft habe.«

»Es ist unerhört, daß der Chef dich so ausnutzt. Na, lange hast du diese Fron ja nicht mehr nötig. Schau her!«

Er zog ein Kästchen aus seiner Rocktasche und hielt dem Mädchen zwei Ringe hin, zwei goldfunkelnde glatte Reifen.

Nun war sie doch verwirrt, schlug die Augen nieder und sah dabei so unglaublich reizend aus, daß der Mann sie hochriß an sein Herz. Doch mit einer energischen Bewegung machte sie sich frei. In ihren Augen funkelte es vor Unwillen und aufreizender Überlegenheit.

»Na, man immer sachte mit den jungen Pferdchen, mein stürmischer Herr Ingenieur«, spottete sie. »Sooooo weit sind wir noch lange nicht!«

»Thora, du machst mich verrückt mit deiner verflixten Überlegenheit und Kälte«, knirschte der Zurückgewiesene schweratmend hervor.

»Willst du noch einen deutlicheren Beweis für meine ernsten Absichten als diese Ringe? Ich liebe dich bis zum Wahnsinn, und du stößt mich immer wieder zurück. Ob du mir den Verlobungskuß jetzt gibst oder heute abend…«

»Ist noch lange nicht dasselbe«, lachte sie ihn ganz freundlich an, wobei es in ihren Augen lockte und flirrte. Es war dem Mann nicht zu verdenken, daß alles in ihm diesem sinnverwirrenden Geschöpf entgegenfieberte. Es konnte einen Mann schon um den Verstand bringen.

»Thora, du bist das grausamste Geschöpf unter der Sonne«, würgte er hervor. »Mach der Qual nun endlich ein Ende.«

Wieder wollte er sie an sich reißen, und wieder wehrte sie ihm entschieden.

»Sie kennen meine altmodischen Ansichten und müssen sich danach richten«, erklärte sie seelenruhig, indem sie sich ihrer Arbeit wieder zuwandte. »Heute abend ist die Verlobung, dann dürfen Sie Ihre Braut küssen. Früher nicht.«

»Ich kann mir nicht helfen, Thora. Du liebst mich nicht. Sonst würdest du anders zu mir sein.«

»Immer jeder, wie er kann, mein Herr.« Sie tippte ungerührt noch fünf Minuten lang. Dann legte sie die Briefe fein säuberlich in eine Mappe, schloß sie in das Seitenfach des Rolltisches und stülpte den Wachstuchüberzug über die Maschine. Dann erst erhob sie sich und stand nun vor dem Mann, der sie mit seinen Augen schier zu verschlingen drohte.

Es war ein schönes Paar, ein elegantes Paar, die Privatsekretärin der Großfirma Farnheimb und Söhne und der Ingenieur. Das Mädchen von taufrischer, bezaubernder Schönheit, der Mann das, was man einen bildhübschen Schwerenöter nennt, auf den die Frauen stets hereinfallen.

»Du, Thora, ich habe eine große Bitte.« Er legte nun seine ganze Unwiderstehlichkeit in Stimme und Blick. »Wollen wir heute nicht das alberne Fest schwänzen und unsere Verlobung feiern? Allein, bei dir?«

Sie sah ihn so erstaunt an, daß er unbehaglich zur Seite schaute. Und das grenzenlose Erstaunen schwang nun auch in ihrer Stimme, als sie ironisch sagte:

»Bei mir? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst. Sie wissen doch, daß ich allein wohne.«

»Das macht doch nichts. Du als modernes Mädchen…«

»Meinen Sie? In dieser Beziehung bin ich noch altmodischer als zu Urgroßmutters Zeiten. Mein guter Ruf ist nämlich alles, was ich noch zu verlieren habe.«

»Himmel, deine Ironie ist fürchterlich! Kein Mensch wird etwas dabei finden, wenn ich meine Braut besuche.«

»Ich bin es noch nicht, Herr Dr. Ing. Adolar Galbetz.«

»Thora, ich schwöre dir…«

»Schwören Sie nicht, warten Sie lieber mit den gewünschten Chambre séparée bis nach der Hochzeit.«

Das war so fest gesagt, daß er nichts darauf zu erwidern wagte.

Er half ihr in den Mantel und verließ mißgestimmt mit ihr das Zimmer.

Nun konnte sich auch der Lauscher hervorwagen. Rasch durchschritt er das Verwaltungsgebäude der Riesenfabrik und eilte hinüber zu seiner Villa, dessen Vornehmheit ein prächtiger Park von dem Arbeitsgelände abschloß.

»Franz«, sagte er zu seinem Diener, der ihm in der Halle Mantel und Hut abnahm. »Sie sorgen dafür, daß ein Blumenarrangement Nummer eins auf die heutige Festtafel des Hotels an den Platz meiner Privatsekretärin kommt. Sie feiert ihre Verlobung.«

Der gutgeschulte Diener verbeugte sich. Doch während sein Antlitz unbeweglich blieb, ironisierte es in seinem Innern:

»Schau an, Nummer eins für die Privatsekretärin! Alle Wetter!«

Derartige Aufträge hatte er schon zu vielen Malen ausgeführt. Nummer eins, Nummer zwei, Nummer drei, so staffelten sich die Aufmerksamkeiten, die sein Herr der Damenwelt zukommen zu lassen pflegte.

Nummer eins: Lilien, Flieder, zarte Nelken.

Nummer zwei: Rosen, Orchideen.

Nummer drei: Tulpen, Narzissen, Chrysanthemen.

Oder:

Verehrung, Liebe, Abschied.

*

Der Großindustrielle Normann Farnheimb gab seinen Beamten und Angestellten das große Fest, das er ihnen am ersten Mai zu geben pflegte. Es wurde im ersten Hotel der Stadt in aller Großzügigkeit und Noblesse gefeiert.

Dieses Fest wurde dann auch ungeduldig herbeigesehnt, und die meisten Teilnehmer fanden sich schon lange vor Beginn zusammen, um sich alles in Ruhe anschauen zu können. Wenn erst alles im Gange war, blieb ihnen dazu wenig Gelegenheit.

Mit glückseliger Freude wurde hauptsächlich die mächtig lange, wundervoll arrangierte Tafel in Augenschein genommen, die verschwenderisch mit Blumen geschmückt war. Trotzdem fiel der Strauß an dem einen Gedeck auf, dieses traumhaft schöne Gedicht von Lilien, weißem Flieder und zartrosa Nelken.

Und der Name am Gedeck?

Thora Wied.

Ein verständnisvolles Lächeln stahl sich um den Mund der Neugierigen.

Also doch! War das prächtige Menschenkind trotz aller Skepsis doch endlich in die Falle getappt, die dieser Windhund ihm schon so lange mit aller Raffiniertheit gestellt hatte. Schade!

So dachten die Vernünftigen. Und die anderen, die Neidischen und Eifersüchtigen?

Ausgerechnet dieser Thora Wied mußte das Glück blühen, diesen Vielgeliebten und Vielumschwärmten zu bekommen. Ihm würden schon die Augen aufgehen, wenn er erst diese gleißende hohle Puppe näher kennenlernte. Aber das geschah ihm dann recht. Warum ging er an treuen, aufrichtigen Herzen so achtlos vorbei?

Dabei tat es der schöne Adolar, wie er allgemein genannt wurde, ja gar nicht. Er pflückte sich lachend jede Blume, die ihm entgegenblühte, um sie nach kurzem Besitz wegzuwerfen, wie man es eben mit einer Blume macht, an deren Duft man sich genügend berauscht hat.

Je näher die Stunde der Festeröffnung rückte, um so ungeduldiger wurden die zahlreichen Gäste. Um so mehr, da man auf die Verlobung sehr neugierig war.

Neugieriger jedenfalls als die Braut selber, die ganz gelassen bei dem herrlichen Wetter den Weg zum Hotel zu Fuß zurücklegte. Die glatte Straße war trocken. Da konnte sie getrost zuschreiten, ohne daß die Silberbrokatschuhe Schaden litten, konnte das silberschimmernde Ballkleid sie lang umbauschen, ohne Spritzer davonzutragen. Daher sah sie gar nicht ein, weshalb sie sich um den Genuß dieses Spazierganges bringen sollte.

Eigentlich sonderbar, daß sie nicht ungeduldiger zu Adolar strebte. Aber das heutige stürmische Vorgehen des sonst immer so Zurückhaltenden hatte sie nachdenklich gemacht. Sie konnte sich nicht helfen. Sein ganzes Gebaren hatte sie angewidert.

Schade, daß die heute steigende Verlobung schon so populär geworden war. Da durfte sie kein Aufsehen erregen und keinesfalls zurücktreten. Aber verlobt ist ja, Gott sei Dank, noch nicht verheiratet. Also alles hübsch auf sich zukommen lassen.

Die vielgepriesene Liebe schien es sowieso nicht zu sein, also warum alles überstürzen? Ins Ehejoch kam sie noch früh genug. Heute hieß es wohl in den sauren Apfel zu beißen und sich als Braut feiern zu lassen, denn ihr Chef haßte nichts so sehr wie einen Skandal. Nicht nur bei sich, sondern auch bei seinen Untergebenen. Aber morgen wollte sie ihn um Urlaub bitten, den er ihr, soweit sie ihn kannte, bewilligen würde. So arrogant dieser Mann ohne Gnade, wie sie ihn bei sich nannte, auch sonst war, als Chef ließ er nichts zu wünschen übrig. Und wenn sie dann zurückkehrte, war die Sache fein säuberlich im Sand verlaufen.

Vergnügt vor sich hin trällernd, schritt sie dahin. Das Klapp-Klapp der Absätze hallte auf der abendstillen Straße laut wider. Daher hörte sie nicht, daß ein Auto ihr schon einige Minuten folgte. Fast lautlos wie eine Katze glitt es dicht hinter ihr hart am Bordstein dahin. Als es dann ganz plötzlich vor ihr hielt, schrak sie zusammen. Der Schlag wurde geöffnet, und der Chef stieg aus.

»Darf ich Ihnen einen Platz in meinem Wagen anbieten, Fräulein Wied?«

Sie sah ihn an, den Mann, mit dem zusammen sie schon zwei Jahre arbeiteten, sah ihn so genau an, als sähe sie ihn heute zum ersten Mal, diese faszinierende Persönlichkeit, mit der Gloriole des Reichtums und der Vornehmheit umwoben. Wer sich diesen Mann erringen wollte, der mußte schon etwas Besonderes sein. Nach diesem Stern zu greifen, hieß für einen Dutzendmenschen, die Finger gehörig beklopft zu bekommen.

Das alles ging ihr durch den Sinn, während sie in das Gesicht sah, in dessen Mundwinkel oft so ein ironischer Zug hockte, dessen rassiges Antlitz in Arroganz erstarren konnte, wenn man den gefährlichen Frauenfresser seine Bewunderung fühlen ließ.

Na schön, mochte er, was ging es sie an? In den Werken war er der korrekteste, anständigste Chef, und das war ja die Hauptsache. Es arbeitete sich gut unter seinem Befehl.

»Nach Ihrem weltentrückten Gesichtsausdruck zu schließen, müssen Sie überall sein, nur nicht gerade hier, Fräulein Wied«, spottete er, und da schrak sie zusammen. »Steigen Sie ein, der Liebste wird schon ungeduldig auf die Verlobung warten.«

»Woher wissen Sie das schon wieder, Herr Doktor?«

»Aber, aber, ein guter Hausvater wird doch seinen Hausstand kennen, mein Fräulein!«

Er unterbrach seine Rede und horchte auf, denn an der Straßenecke wurden Stimmen laut. Die Bogenlampe beleuchtete ein Paar, das in Meinungsverschiedenheiten geraten zu sein schien. Ganz deutlich hörte man die männliche Stimme, bei der Thora zusammenzuckte.

»Du gibst mir augenblicklich den Weg frei, du lästiges Frauenzimmer, sonst…«

»Schlag zu, schlag doch zu!« kreischte nun eine Frauenstimme auf. »Ich bin noch lange kein Frauenzimmer. Ich will nur mein Recht für mich und das Kind, das ich von dir bekommen werde. Und wenn du von deiner heutigen Verlobung nicht absehen wirst, dann weiß deine Braut schon morgen…«

Ein brutaler Stoß traf die Frau, die nun wimmernd am Boden lag, während der Mann wie gehetzt davoneilte.

Farnheimb gelang es gerade noch, das wie erstarrt dastehende Mädchen ins Auto zu schieben. Da stob er schon vorbei, mit scheuen Augen das Auto am Bordstein musternd.

Still saß Thora im Auto, ganz still. Den Kopf zurückgelegt, die Augen geschlossen, so verharrte sie. Auch der Mann verhielt sich ganz ruhig.

Als jedoch Minuten vergingen und sie noch immer so dasaß, entnahm er seinem Etui eine Zigarette, schob sie ihr zart zwischen die Lippen und hielt ihr Feuer hin.

»Danke«, sagte sie einfach. »Wissen Sie, Herr Doktor, wie mir zumute ist?«

»Nun?«

»Wie dem Reiter, der über den Bodensee ritt.«

»Kann ich mir denken. Und was weiter, Fräulein Wied? Soll ich Sie nach Hause fahren?«

»Nein!« entgegnete sie hart. »Dieser dunkle Ehrenmann soll mich heute kennenlernen. Fahren Sie bitte zum Hotel, Herr Doktor.«

Vor dem Portal des großen Hauses half er Thora aus dem Wagen, den er dem Portier übergab. Dann stieg er an ihrer Seite die Stufen hinauf. In der großen Hotelhalle war es menschenleer. Nur aus der Portierloge, deren Tür halb geöffnet war, hörte das Mädchen die ihr nur zu bekannte Stimme wieder.

»Was wollen Sie denn von mir, Sie Narr!« klang die Stimme wütend. »Was kann ich dafür, wenn Ihre Tochter sich auf das Gerücht hin, daß ich mich verloben will, ertränkt hat?«

Farnheimbs Blick suchte das Mädchen an seiner Seite, das nun ruhig weiterschritt. Vor der Tür, die zur Damengarderobe führte, machte es halt.

»Ich danke Ihnen, Herr Doktor.«

»Was werden Sie beginnen?«

»Wenn ich aus der Garderobe komme, dort in den Saal gehen und mich amüsieren.«

Als sie wiederkam, stand er schon wartend da und bot ihr mit tadelloser Verbeugung seinen Arm.

»Kommen Sie, Fräulein Wied, dann werden Sie die nächsten Augenblicke vielleicht leichter überstehen.«

Hell loderte es in ihren Augen auf, in denen ein unbändiger Stolz stand. Der Kopf flog in den Nacken.

»Wer sagt Ihnen, Herr Doktor, daß ich überhaupt etwas zu überstehen habe?«

»Kleines Mädchen!« Er lächelte. »Warum gleich so grantig? Ich war heute Zeuge des kleinen Intermezzos in Ihrem Büro. Wollte durch Ihr Zimmer gehen, um auf den Korridor zu gelangen, als Herr Doktor Galbetz zu Ihnen kam. Um nicht zu stören, verharrte ich, bis Sie an seiner Seite hinausgingen. Und so wie ich Ihre Verlobung heute abend erwartete, so tun es alle andern auch. Zumal mein Blumengebinde an Ihrem Platz diese Erwartung noch steigert.«

Sie sah ihn an, groß, forschend, doch nichts von der gewohnten Ironie konnte sie in seinem Antlitz entdecken.

»Und wie wollen Sie mir helfen, Herr Doktor?« fragte sie bitter. »Was wissen Sie von den geifernden Klatschmäulern, die einem schutzlosen Mädchen die Ehre abschneiden können –, so zwischen Kaffee und Kuchen?«

»Meine Gegenwart wird Sie davor schützen, Fräulein Wied, auch vor den Belästigungen des Herrn Galbetz.«

Dieser näherte sich ihnen in hastigem Schritt. Es mußte ihm also gelungen sein, den verzweifelten Vater abzuschütteln. Vielleicht durch Beschwichtigungen, vielleicht auch mit Gewalt, wie das Mädchen an der Straßenecke. Nun eilte er wohl, um seine Braut in die Arme zu schließen.

Da stieg es in Thora hoch. Ekel, verletzter Stolz, Angst vor der Blamage, das alles vereint, ließ sie nach dem Arm ihres Retters greifen. Vor dem völlig konsternierten Galbetz schritten sie Arm in Arm dahin, ein distinguiertes Paar. Thora wußte nicht, was werden sollte. Sie wußte nur, daß sie diesen Mann hinter ihr demütigen mußte, wie er es verdient hatte.

Im Saal machte sich eine große Unruhe bemerkbar. Es war schon längst über die Zeit, und der Gastgeber erschien immer noch nicht, obwohl er sonst doch die Pünktlichkeit in Person war.

Endlich sah ein Lehrmädchen, das an der Saaltür Posto gefaßt hatte, Thora Wied am Arm eines Herrn dahinschreiten, den sie nicht weiter betrachtete, sondern ihn mit Selbstverständlichkeit für den Ingenieur hielt.

»Sie kommen, sie kommen!« schrie die Kleine aufgeregt. »Hurra, unser Brautpaar soll leben!«

Und als das Paar über die Schwelle trat, brausten ihm die Hochrufe aus vielen Kehlen entgegen.

Die dann jedoch jäh abrissen. Mit erschrockenen Augen starrten sie alle auf den Chef, der die todblasse Thora Wied am Arm führte, während der geisterbleiche Galbetz hinter ihnen sichtbar wurde.

»Nun, meine Herrschaften, warum brechen Sie so plötzlich ab?« fragte der Gebieter spöttisch in die lähmende Stille hinein. »Gefällt Ihnen meine Braut nicht?«

Sekundenlanges Schweigen noch, dann ging der Jubel erst recht los. Thora, deren Blässe nun der Röte der Empörung wich, wollte den Mund zum Dementi öffnen, als sie die gepreßten Atemzüge Galbetz’ hinter sich vernahm. Hochauf bäumte sich der verletzte Stolz, und fest krallten sich ihre Finger in den Frackärmel ihres Nachbarn.

Es gelang ihr auch, die Glückwünsche in würdiger Haltung entgegenzunehmen. Es gelang ihr sogar, lächelnd bis zuletzt durchzuhalten. Sie war ja auch gar nicht sie selbst, die hier stand, sondern eine ganz andere. Sie war die Braut des Normann Farnheimb, des vergötterten Lieblings der mondänen Frauenwelt, der im Ernst eine ganz andere an seine Seite stellen würde als seine Privatsekretärin, die Tochter eines verkrachten Vaters.

Endlich war auch das vorüber, und man nahm an der Festtafel Platz. Das eifrige kleine Lehrmädchen, das die Verlobung proklamiert hatte, schleppte die Blumen von dem Platz herbei, der ursprünglich für Thoma Wied bestimmt gewesen war, die nun neben dem Ehrenplatz des Chefs saß.

»Hier, gnädiges Fräulein Wied«, sagte das knicksende Mädchen hochrot vor Begeisterung. »Hier ist der Strauß von dem Herrn Bräutigam, der an einen falschen Platz gestellt worden ist.«

Mechanisch griff Thora nach dem duftenden Gebinde und drückte das heiße Antlitz hinein, während der Gastgeber das Mädchen freundlich ansah.

»Danke, Kleine, das war sehr aufmerksam«, lobte er, und ein so schwärmerischer Blick traf ihn, daß er ein amüsiertes Lächeln kaum unterdrücken konnte.

Als Tischdame des Chefs war die Leiterin der Zeichenabteilung bestimmt, eine Dame gesetzten Alters, die von ihrem Vorgesetzten als Mitarbeiterin sowie als Mensch sehr geschätzt wurde. Sie wollte ihren Platz nun Thora überlassen und sich an den für diese bestimmten begeben. Allein Farnheimb hielt sie zurück.

»Sie dürfen nicht verdrängt werden, Frau Schmidt, das wäre ja noch schöner!« protestierte er. »Dieses kleine Mädchen hier ist nur ein angenehmes Anhängsel für uns. Oder trauen Sie mir nicht zu, daß ich zwei Damen unterhalten kann?«

»Ich traue Ihnen noch viel mehr zu, Herr Doktor«, lächelte sie. »Aber ein Brautpaar bleibt doch gern unter sich.«

»Oh, so ein Brautpaar sind wir nicht, nicht wahr, Thora?« Da war wieder sein ironisches Lächeln. »Wir stammen ja nicht aus den Tagen des ›Herzblättchens Zeitvertreib‹.«

»Da nehmen Sie also an, Herr Doktor, daß sich die Liebe im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat?« fragte sie mit feinem Lächeln. »Ich bin der Ansicht, daß Liebe Liebe ist und bleibt, weil sie ja Naturgesetz ist.«

»Ich bin zu galant, um zu widersprechen«, lachte er herzlich. »Man muß Damen immer recht geben.«

»Das würde nur den Charakter verderben«, stimmte sie in das Lachen fröhlich ein. »Eine kluge Frau kann nichts weniger vertragen als ewige Nachgiebigkeit. Das macht sie herrisch und rechthaberisch.«

»Hörst du es, Thora?« Er zwinkerte ihr zu. »Das muß man sich merken.«

O ja, sie hörte es. Hörte auch, wie glatt ihm das ›Du‹ über die Lippen ging.

Sie war neugierig, wie lange diese Komödie so weitergehen sollte, und noch neugieriger, wie er sich aus der Affäre ziehen würde. Denn daß er diese Verlobung bestehen ließ, war gewiß nicht anzunehmen.

Nun, mochte er sehen, wie er damit fertig wurde. Sie war so töricht nicht, sich diese schönen Stunden, deren es jetzt so wenige in ihrem Leben gab, durch quälende Gedanken zu vergällen. Dazu war morgen noch Zeit und all die grauen Tage hinterher, von denen es fortan für sie so viele geben würde wie Sand am Meer.

In ihren Augen blitzte es auf. Die Locken tanzten nach hinten, daß sie in dem hellen Kronleuchterlicht auffunkelten wie goldene Schlänglein. Die Hand mit dem blitzenden Smaragd griff nach dem Sektglas, das noch unberührt vor ihr stand.

Farnheimb, der sie unauffällig beobachtete, hätte gern gewußt, welche Gedanken hinter der glatten weißen Stirn durcheinanderwirbelten. Daß sie nicht erfreulicher Art waren, ließ das rege Mienenspiel erkennen. Der ohnehin schon hoch­mütige Zug in dem feinen Antlitz verstärkte sich immer mehr.

Jetzt sah sie ihn an, mitten in seine Augen hinein, die unter ihrem hochmütigen Blick das Grüblerische verloren und den gewohnten Spott widerspiegelten.

»Nanu, Kleines, mit welch aufrührerischen Gedanken schlägst du dich denn herum?« fragte er in onkelhafter Nachsicht. »Du läßt ja dein Köpfchen tanzen wie ein unwilliges Schlittenpferdchen.«

»Es waren die Gedanken einer – Braut«, gab sie mit ihrem süßesten Lächeln zur Antwort, aber das gefährliche Flimmern in der Tiefe ihrer Augensterne entging ihm nicht. Ihr Glas hob sich dem seinen entgegen.

»Es lebe die Liebe«, höhnte sie immer noch so süß lächelnd und leerte den Kelch in einem Zuge.

Sie wurde nun gesprächig, lachte und scherzte und blieb trotzdem bei dem gewohnten Rührmichnichtan, das ihre Person wie ein Wall umgab. Zauberschön war sie anzuschauen mit den blitzenden Augen, in dem durchsichtig zarten Gesicht, mit dem lockenden, verheißenden Lächeln. Blütengleich hoben sich die Schultern und Arme aus der glitzernden Seide des Festgewandes, das die grazile Gestalt umwallte und umbauschte. Außer dem kostbaren Smaragd trug sie kein Schmuckstück. Nur einige der zartrosa Nelken, lachend dem Verlobungsstrauß entnommen und in dem Ausschnitt des Kleides gesteckt, schmückten dieses zaubersüße Menschenkind. Wie ein schillernder Schmetterling durchgaukelte sie die Festräume, tanzte, lachte, scherzte und gab sich von ganzem Herzen diesen Freudenstunden hin.

Warum auch nicht? Heute war doch ihr Verlobungstag, ein Glückstag voller Wonne. Ob der Bräutigam nun so hieß oder so, das war ja egal, so egal. Verlobung bleibt Verlobung.

Sie hatte keine Ahnung, wo der schöne Adolar geblieben war. Die beiden Stühle in der Mitte der Tafel waren leer geblieben, die Ehrenplätze für das richtige Brautpaar, für die Sekretärin und den Ingenieur der Farnheimb-Werke.

Thora tanzte ohne Unterlaß. Man ließ sie nicht zu Atem kommen, holte sie immer wieder, wetteiferte förmlich um die Gunst der schönen Braut, der zukünftigen Gattin des Gebieters. Sie alle gönnten ihr, die immer eine so hilfsbereite, kameradschaftliche Kollegin gewesen war, das Glück von Herzen. Selbst die neideten es ihr nicht einmal, die ihr den schönen Adolar nicht gegönnt hatten. Denn die Gattin dieses Lieblings zu werden, das erschien keiner unmöglich, während der Chef so eine Art Halbgott für sie war, der außerhalb ihrer Wünsche und Träume stand. So was konnte man nur aus der Ferne anhimmeln. Man war der Braut sogar dankbar, daß der schöne Adolar wieder für sie frei blieb.

Endlich gelang es dem Bräutigam, seine Braut selbst zum Tanz aufzufordern. Mit einer Bewegung, die etwas Besitzergreifendes hatte, legte er seinen Arm um ihre schlanke Mitte.

Ein schönes Paar, ein wunderschönes Paar, mußten die Zuschauer zugeben. Wie eine schimmernde, glitzernde Wolke umwallte ihr Kleid die Schwärze seines Fracks, den wohl selten jemand so zu tragen verstand wie dieser Mann. Das Lockengeflimmer reichte ihm bis zum Mund, diesem schmalen, spöttischen Mund, über dessen Lippen so manches befehlsgewohnte Wort kam.

Sie waren beide gute Tänzer, deren Füße über so manches Parkett geglitten waren. Mit traumhafter Sicherheit wiegten sie sich im Rhythmus des Tangos. Die zärtliche Weise umschmeichelte Kopf und Herz.

»Kleines Mädchen, du schwebst ja wie eine Elfe dahin«, lächelte er zu ihr nieder. »Ich fühle dich ja gar nicht in meinem Arm. Ist’s schön heute?«

»Sehr schön, noch schöner als schön. Heute ist eben heut, mein Herr Bräutigam!«

»Und morgen ist morgen, mein Fräulein Braut.«

»Nun, zanken wir uns nicht«, lächelte sie süß zu ihm auf. »Hören wir lieber, was dieser Tango sagt:

Liebe war es nie, denn du hast leider doch kein Herz.

Liebe war es nie, es war nur ein Scherz…«, sang sie leise und verhalten zu ihm auf. Die Augen glichen dem blitzenden Smaragd an ihrer Hand, der rätselhaft lächelnde Mund lockte blutrot zu ihm empor.

»Denn ein Liebesschwur gehört zum Küssen schon dazu,

Liebe war es nie, das weißt auch du«, schmeichelte die zärtliche Stimme weiter.

»Wenn ich auch wußte, du lügst so wunderbar, es war ein Märchen, und Märchen sind nicht wahr.«

Der Mann konnte seine Augen nicht wenden von dem zaubersüßen Antlitz, das in den seltsamen Augen Rätsel über Rätsel zu bergen schien. Ein ganz gefährlicher Zauber ging von diesem Geschöpf aus, vor dem man sich hüten mußte.

»Weißt du auch, daß du eine ganz gefährliche kleine Circe bist?« fragte er, seinen Blick tief in den ihren senkend. »Ich kenne meine korrekte, ehrpusselige Privatsekretärin gar nicht mehr wieder. Habe nicht gewußt, daß sie so einen Nixenzauber ausstrahlen kann.«

»Liebe war es nie, nur eine kleine Liebelei«, trällerte sie übermütig den Schluß des Tangos.

»Darum ging sie auch so schnell vorbei…«

Sie sang dann auf eigene Faust weiter:

»Es war auch nicht mal ’ne kleine Liebelei, darum braucht sie auch nicht gehn vorbei!«

Wie ein kleiner Kobold lachte sie zu ihm auf, sich ihres gefährlichen Zaubers voll bewußt. Die Lippen leuchteten wie volle Rosen, schneeweiß blitzten die Zähne hervor.

Da beugte sich der Mann vor und drückte seine Lippen auf den leuchtenden, lockenden Mund. Wie mit einem Schlage war nun ihr Übermut dahin. Schneeweiß wurde das Lippenpaar, ebenso schneeweiß wie das Antlitz. Die Augen wurden dunkel wie das grollende Meer im Sturmgebraus. Schroff wollte sie sich seinem Arm entwinden, doch er hielt sie unerbittlich fest.

»Gib hier kein Schauspiel, Thora«, verlangte er gebieterisch. »Wir werden von unzähligen Augen beobachtet. Besinne dich auf deine gute Kinderstube.«

»Natürlich, ich, die kleine Sekretärin, soll das!« stieß sie zornbebend hervor. »Der großmächtige Herr hat das nicht nötig. Lassen Sie mich los!«

Er löste seinen Arm von ihrer Mitte, schob ihn jedoch sofort unter den ihren.

»Lächle, Nixlein, lächle«, flüsterte er ihr zu. »Dort an der Tür steht ein junger Mann, der seine winzige Kamera auf uns zückt. Lächle, Nixlein, lächle, wenn du vor Zorn auch bersten möchtest. Warum soll es dir bessergehen als mir, der ich das schon so oft mußte?«

Thora lächelte nun tatsächlich, lächelte wie unter einem Zwang. Ein heller Schein traf für den Bruchteil einer Sekunde ihr Gesicht.

»Bravo«, lobte der Mann. »Es geht doch nichts über eine gute Kinderstube. Sie ist im menschlichen Leben der beste Halt. Morgen schon werden die Zeitungen hier bringen: Sensation für unsere Stadt. Der große Farnheimb heiratet seine Privatsekretärin. Sind tüchtig, die Jungen. Nehmen für ihre Zeitungen alles wahr.«

Thora war immer noch erschrek­kend blaß. Sie stöhnte leise auf.

»Komm, Kind, wir trinken ein Glas Sekt. Du siehst erbärmlich aus.«

Sie löste sich von seinem Arm. Er sah ihr beunruhigt nach. Dann bestellte er eine Flasche Sekt und zwei Gläser beim Ober, suchte ein Tischchen, das versteckt stand. Hier waren sie unbeobachtet, hier konnte Thora sich beruhigen. Es war ja kein Wunder, daß sie schlapp machen wollte, es war ja in den letzten Stunden so allerlei auf sie eingestürmt. Tadellos war ihr Verhalten gewesen, hoffentlich hielt sie in dieser bewundernswerten Haltung durch bis zum Schluß.

Aber sie kam nicht wieder. Er wartete vergeblich auf seine Braut.

Sie ging durch die duftende Frühlingsnacht nach Hause. Schritt für Schritt setzte sie auf die nachtdunkle Straße, sicher, unbeirrt wie eine Traumwandlerin.