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Vokabellernen wird von Jugendlichen oft als notwendig, aber langweilig und anstrengend empfunden. Außerdem sind gelernte Wörter oft schnell wieder vergessen. In diesem Buch werden vier Vokabellernvarianten (gegenseitiges Abfragen, Zudecken einer Seite, Lernen mit sinntragenden Bewegungen und Lernen in Entspannung) hinsichtlich der kurz- und mittelfristigen Behaltensleistung englischer Vokabeln von Oberstufenschüler:innen am Gymnasium untersucht. In einem den beiden Studien vorangestellten Theorieteil werden Hintergründe für das Lernen, Behalten und Vergessen von Wörtern sowie Forschungen zum Lernen mit Bewegung, Lernen in Entspannung und Besonderheiten jugendlicher Fremdsprachenlernender dargestellt.
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Seitenzahl: 303
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Jennifer K. Schilitz
Lernen mit Bewegung und Lernen in Entspannung
Effekte auf die Wortschatzaneignung im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe
Dissertation an der Freien Universität Berlin, Didaktik des Englischen
Erstbetreuerin: Prof. Dr. Michaela Sambanis
Zweitbetreuer: Prof. Dr. Engelbert Thaler
© 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
ISSN 2367-3826
ISBN 978-3-8233-8508-0 (Print)
ISBN 978-3-8233-0311-4 (ePub)
Mein aufrichtiger Dank gilt als Erstes meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Michaela Sambanis, deren freundliche, zugewandte und kompetente Begleitung meines Promotionsprojektes von der Konzeption bis zur Fertigstellung mit stets konstruktiven Hinweisen besonders wertvoll für das Verfassen meiner Dissertation und die Erweiterung meines wissenschaftlichen Horizonts waren. Ihre ermutigende und erfrischende Art inspiriert immer wieder aufs Neue und ließ in all den Jahren wiederholt den Wunsch aufkommen, jede Doktorandin und jeder Doktorand möge eine solch hervorragende Erstbetreuung erleben dürfen. Durchdachte und konstruktive Anmerkungen zu Fragen erfolgten zumeist bereits am selben Tag und ihre Freundlichkeit, Klarheit und Genauigkeit machen sie neben ihrer ausgezeichneten fachlichen Kompetenz auch menschlich zu einer ganz besonderen Person, deren Verhalten mir u.a. in meiner Funktion als Gymnasiallehrerin ein Vorbild ist. Ich bin mir der Tatsache bewusst, was für ein großes Glück ich durch ihre Erstbetreuung erfahren durfte und bin von Herzen dankbar dafür.
Weiter bedanke ich mich bei Prof. Dr. Engelbert Thaler für die Zweitbetreuung meines Promotionsprojektes. Seine Werke begleiteten mich bereits durch das Lehramtsstudium und inspirierten und formten in einem nicht zu unterschätzenden Maße meine Sicht auf meine Aufgaben und meinen Fokus als Fremdsprachenlehrerin. Seine Zweitbetreuung meiner Arbeit bedeutet für mich eine große Ehre.
Unermesslich großer Dank gebührt meinem wundervollen Ehemann Christian, der mir über all die Jahre überhaupt erst ermöglicht hat, diese Promotion durchzuführen, mir Zeitfenster gegönnt hat, in denen ich konzentriert schreiben durfte, mir anderweitige Aufgaben abgenommen und gemeinsam Gedankenfäden des Projektes überprüft hat. Außerdem danke ich meinen vier wunderbaren Kindern, Jasmin, Johannes, Christopher und Charlotte, die viel Geduld aufweisen mussten, wenn ich ihnen nicht rund um die Uhr mit meiner Nähe zur Verfügung stehen konnte und die mich das eine oder andere Mal mit vor Begeisterung leuchtenden Augen in die Uni begleitet haben. Zudem danke ich meinen Eltern und meinen Geschwistern für alle Unterstützung.
Weiter bedanke ich mich bei Bernhard Uwe Hermes, Dr. Daniel Köhler und Dr. Christoph Hertzberg für hilfreiche Hinweise und ihren wertvollen Beitrag, sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch durch Ermutigung über all die Jahre. Dies gilt ebenfalls für das Doktorandenkolloquium, hierbei insbesondere Dr. Christiane Klempin und Natasha Janzen Ulbricht. Auch Enno Görlich, Michelle Tursi, Sibel Karamese, Merit Lais und Damaris Hilliger danke ich sehr.
Weiter danke ich den Gymnasien, die sich für die Durchführung meiner Studien zur Verfügung gestellt haben, insbesondere dabei den jeweiligen Lehrkräften und den 128 Versuchsteilnehmenden.
Zuletzt möchte ich augenzwinkernd noch der Serie The Big Bang Theory danken, dass sie mit Humor meine Liebe zur Wissenschaft immer wieder neu entfacht hat.
Christian Andrä (2020: 5), Sport- und Erziehungswissenschaftler an der Universität Potsdam, schreibt im aktuellen Handbuch Bewegtes Lernen: „Bewegung hat nicht nur unzählige positive Auswirkungen auf unseren Körper, sondern gleichzeitig einen kaum zu unterschätzenden Effekt auf unser Gehirn. Alle unsere kognitiven Funktionen können grundsätzlich von Bewegung profitieren […].“ Durch zahlreiche Studien sind positive Effekte für die Verbindung von Lernen und Bewegung nachgewiesen, auch für das Lernen von Fremdsprachen, allerdings bislang vor allem für jüngere Kinder oder für Erwachsene. Für die Gruppe der Jugendlichen sowie speziell die der Abiturient*innen zeichnet sich hingegen Forschungsbedarf ab, und in diese Lücke greift die vorliegende Arbeit ein. Sie ist im Feld der Lexikvermittlung und -aneignung verortet und verbindet eine Auseinandersetzung mit themenrelevanten Publikationen mit praxisbezogener Forschung.
Frau Schilitz betrachtet in ihrer Arbeit das Lernen neuer Vokabeln mit Bewegungen nicht isoliert, sondern im Vergleich zu weiteren Vorgehensweisen, u.a. dem Lernen in Entspannung oder dem Vokabellernen mittels Liste und Abdecken einer Spalte. So gelingt es ihr, für die einzelnen Verfahren wichtige Hinweise zu generieren, sie aber auch, insbesondere im Hinblick auf den jeweils erzielten Lernertrag, miteinander zu vergleichen.
Als Lehrkraft an einem Berliner Gymnasium verfolgt Frau Schilitz mit ihrer Doktorarbeit an der Schnittstelle zwischen Praxis und Wissenschaft vor allem das Ziel der Perspektivierung auf den Unterricht. Die vorliegende Schrift eröffnet interessante Einblicke und gibt wertvolle Anstöße für die Weiterentwicklung der Praxis des Fremdsprachenunterrichts in der Oberstufe. Ferner stößt sie Fragen für weitere Forschung an.
Mit ihrer Dissertation verortet sich Frau Schilitz in einem der Schwerpunkte des Lehrstuhls der Didaktik des Englischen an der FU Berlin. Als empirisch forschende Abteilung verfolgt die Didaktik des Englischen an der FU das Ziel, Fragen zu beleuchten, die für die Praxis des Englischunterrichts von Bedeutung sind. Dabei werden auch Wissensbestände anderer Disziplinen, insbesondere der Neurowissenschaften, in den Blick genommen. Ein wesentliches Ziel ist die sorgsam gestaltete Verbindung von Wissenschaft und Praxis sowie das Schaffen von Anstößen für einen intensiven, wertschätzend geführten Dialog. Die vorliegende Publikation gibt solche Anstöße und zeigt außerdem beispielhaft auf, wie Lehrkräfte zu Forschenden werden können.
Berlin, im Frühsommer 2021 Prof. Dr. M. Sambanis
Tabelle 1
Ebbinghaus’sche Behaltensleistung sinnloser Silben nach einmaligem Lernen
Tabelle 2
Originalzitat und Formulierungsalternative zur Vermeidung von DSF
Tabelle 3
Originalzitate und Formulierungsalternativen zur Vermeidung von DSF
Tabelle 4
Kurzfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln durch Lernen in Einzelarbeit im Anschluss an das Lernen nach 20-minütiger Pause
Tabelle 5
Mittelfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln durch Lernen in Einzelarbeit nach einer sechswöchigen Interimsphase
Tabelle 6
Kurzfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln durch Lernen in Partnerarbeit im Anschluss an das Lernen nach 20-minütiger Pause
Tabelle 7
Mittelfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln durch Lernen in Partnerarbeit nach sechswöchiger Interimsphase
Tabelle 8
Vergleich der vier Vokabellernvarianten in Bezug auf die kurzfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln im Anschluss an das Lernen nach 20-minütiger Pause
Tabelle 9
Vergleich der vier Vokabellernvarianten in Bezug auf die mittelfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln im Anschluss an das Lernen nach 20-minütiger Pause
Tabelle 10
Mittelwert, Standardabweichung, Median und Modalwert der Studie 2 hinsichtlich der kurzfristigen Behaltensleistung
Tabelle 11
Mittelwerte, Standardabweichung, Median und Modalwert der Studie 2 hinsichtlich der mittelfristigen Behaltensleistung 2018
Tabelle 12
Verwendung von Gesten beim Sprechen
Tabelle 13
Sport in der Freizeit
Tabelle 14
Persönliches Empfinden bezüglich des Bewegungslernens
Tabelle 15
Einschätzung des Nutzens des Bewegungslernens
Tabelle 16
Einschätzung der Schülerinnen und Schüler bezüglich der behaltenen Vokabeln durch das LmB im Vergleich zum AF
Tabelle 17
Festlegung der Bewegungen
Tabelle 18
Ort des Lernens der Vokabeln mit sinntragenden Bewegungen
Tabelle 19
Verwendung eines Videos mit Bewegungen zum eigenständigen Lernen
Tabelle 20
Gemittelte Behaltensleistung von Vokabeln anhand beider Vokabellernvarianten (AF, LmB) aufgeteilt nach Integration von Sport in den Alltag der SuS
Tabelle 21
Behaltensleistung von Vokabeln anhand des LmB aufgeteilt nach Integration von Sport in die Freizeit der SuS
Tabelle 22
Anzahl der SuS, die durch das Bewegungslernen mehr Vokabeln behalten haben als durch das Abfragen, aufgeteilt nach Integration von Sport in den Alltag der SuS
Tabelle 23
Sport in der Freizeit und persönliches Empfinden bezüglich des Bewegungslernens
Tabelle 24
Kurzfristige Behaltensleistung der SuS, die das LmB als angenehm empfunden haben
Tabelle 25
Kurz- und mittelfristige Behaltensleistung in Verbindung mit persönlichem Empfinden in Bezug auf das Bewegungslernen
Tabelle 26
Persönliches Empfinden in Bezug auf das Bewegungslernen und Behaltensleistung durch das Bewegungslernen im Vergleich zum gegenseitigen Abfragen
Tabelle 27
Selbsteinschätzung (in %) der Probandinnen und Probanden bezüglich der Behaltensleistung nach Vokabellernvariante
Tabelle 28
Vergleich der Behaltensleistung der Studien 1 und 2 mit der Behaltensleistung von Ebbinghaus (1885)
Abbildung 1
Ebbinghaus’sche Behaltensleistung sinnloser Silben nach einmaligem Lernen
Abbildung 2
Sprachlernstrategien
Abbildung 3
Graphik nach Vaitls Abbildung der „[s]chematische[n] Darstellung der Entwicklung eines Entspannungszustandes anhand von charakteristischen EEG-Veränderungen“
Abbildung 4
Graphik nach der Abbildung „Theory of change“
Abbildung 5
Ausgewählte Lernvarianten zur Überprüfung der Behaltensleistung
Abbildung 6
Forschungsdesign erweitertes lateinisches Quadrat, Studie 1
Abbildung 7
Kurzfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln durch Lernen in Einzelarbeit im Anschluss an das Lernen nach 20-minütiger Pause
Abbildung 8
Mittelfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln durch Lernen in Einzelarbeit nach einer sechswöchigen Interimsphase
Abbildung 9
Kurzfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln durch Lernen in Partnerarbeit im Anschluss an das Lernen nach 20-minütiger Pause
Abbildung 10
Mittelfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln durch Lernen in Partnerarbeit nach sechswöchiger Interimsphase
Abbildung 11
Vergleich der vier Vokabellernvarianten in Bezug auf die kurzfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln im Anschluss an das Lernen nach 20-minütiger Pause
Abbildung 12
Vergleich der vier Vokabellernvarianten in Bezug auf die mittelfristige Behaltensleistung von jeweils 9 Vokabeln im Anschluss an das Lernen nach 20-minütiger Pause
Abbildung 13
Forschungsdesign erweitertes lateinisches Quadrat, Studie 2
Abbildung 14
Kurzzeitbehaltensleistung von jeweils 20 Vokabeln direkt nach dem Lernen nach 20-minütiger Pause
Abbildung 15
Mittelfristige Behaltensleistung von jeweils 20 Vokabeln nach sechs-wöchiger Interimsphase
Abbildung 16
Sport in der Freizeit
Abbildung 17
Persönliches Empfinden bezüglich des Bewegungslernens
Abbildung 18
Einschätzung des Nutzens des Bewegungslernens
Abbildung 19
Einschätzung der Schülerinnen und Schüler bezüglich der behaltenen Vokabeln durch das LmB im Vergleich zum AF
Abbildung 20
Behaltensleistung von jeweils 20 Vokabeln und Sport im Alltag
Abbildung 21
Behaltensleistung von Vokabeln anhand des LmBs aufgeteilt nach Integration von Sport in die Freizeit der SuS
Abbildung 22
Behaltensleistung durch Bewegungslernen vs. Abfragen und Sport in der Freizeit
Abbildung 23
Sport in der Freizeit und persönliches Empfinden bezüglich des Bewegungslernens
Abbildung 24
Persönliches Empfinden in Bezug auf das Bewegungslernen und Behaltensleistung durch das Bewegungslernen im Vergleich zum gegenseitigen Abfragen
Abbildung 25
Selbsteinschätzung (in %) der Probandinnen und Probanden bezüglich der Behaltensleistung nach Vokabellernvariante
Abbildung 26
Vergleich der Behaltensleistung der Studien 1 und 2 mit der Behaltensleistung von Ebbinghaus (1885)
Abbildung 27
Vokabeln geordnet nach Wortart, Set I, Einzelarbeit
Abbildung 28
Vokabeln geordnet nach Wortart, Set II, Partnerarbeit
Abbildung 29
Durchführung der Studie 2 am Beispiel der Gruppe 3, bekannte Vokabellernvarianten
Abbildung 30
Durchführung der Studie 2 am Beispiel der Gruppe 3, unbekannte Vokabellernvarianten
Abbildung 31
Schwereübung in Anlehnung an Schiffler
Abbildung 32
Merkhilfen science beim LiE
Abbildung 33
Merkhilfen media beim LiE
Abbildung 34
Bewegungen Studie 1, science
Abbildung 35
Test zur Gewöhnung an die Lernvariante, media
Abbildung 36
Test zur Überprüfung der kurzfristigen Behaltensleistung Studie 1, Stunde 2, media
Abbildung 37
Test zur Gewöhnung an die Lernvariante, science
Abbildung 38
Test zur Überprüfung der kurzfristigen Behaltensleistung Studie 1, Stunde 2, science
Abbildung 39
Test zur Überprüfung der mittelfristigen Behaltensleistung Studie 1, media
Abbildung 40
Test zur Überprüfung der kurzfristigen Behaltensleistung Studie 1, science
Abbildung 41
Auswertungsschablone Studie 1, science
Abbildung 42
Vokabeln geordnet nach Wortart, Studie 2
Abbildung 43
Durchführung am Beispiel der Gruppe 2, bekannte Vokabellernvariante
Abbildung 44
Durchführung am Beispiel der Gruppe 2, unbekannte Vokabellernvarianten
Abbildung 45
Bewegungen Studie 2, media
Abbildung 46
Bewegungen Studie 2, science
AF
Abfragen
Anh.
Anhang innerhalb der vorliegenden Schrift
DSF
Double-Subject Fallacy
DCT
Dual Coding Theory
EC
Embodied Cognition
F
Forscherin
FSU
Fremdsprachenunterricht
GER
Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen
IVA
Intelligent Virtual Agent
Kap.
Kapitel innerhalb der vorliegenden Schrift
L2
Zweitsprache
L2B
Learning to BREATHE
LiE
Lernen in Entspannung
LmB
Lernen mit Bewegung
MZP
Messzeitpunkt
SuS
Schülerinnen und Schüler
Studie 1
Studie Schilitz 2013
Studie 2
Studie Schilitz 2017/18
SuS
Schülerinnen und Schüler
TPR
Total Physical Response
V
Vokabel(n)
ZD
Zudecken
ZNL
Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen
Jugendliche Fremdsprachenlernende müssen für den Englischunterricht in der gymnasialen Oberstufe einen großen und exakten Wortschatz der englischen Sprache zu verschiedenen Themengebieten wie beispielsweise dem Individuum in der Gesellschaft, Utopien und Dystopien, dem Einfluss von Medien auf eine Gesellschaft oder auch zu Bereichen von Wissenschaft und Technik aufbauen. Die hierbei zu erwerbende Kompetenz umfasst, sowohl Gesprochenes und Geschriebenes zu verstehen als auch, sich selbst präzise in der englischen Sprache dazu zu äußern.
Da der Aufbau des Wortschatzes1 für das Fremdsprachenlernen von zentraler Bedeutung ist (vgl. Kap. 2.6; Haudeck 2008: 13) und jugendliche Fremdsprachenlernende eine Vielzahl fremdsprachiger Begriffe in häufig kurzer Zeit verinnerlichen und langfristig abrufbar halten müssen, lohnen sich Überlegungen bezüglich effizienter Vokabellernstrategien. Hierzu gehören empirische Überprüfungen, ob sich unbekanntere, aber aufgrund der Forschungslage vielversprechende Möglichkeiten des Vokabellernens gegenüber solchen von Schülerinnen und Schülern bereits eingesetzten als wirkungsvoller erweisen und daher auch die Überlegung, ob sich die Einführung neuer Vokabellernvarianten auch in der Oberstufe und somit in direkter Nähe zum Abitur noch lohnt, was ein Forschungsdesiderat darstellt.
Zu diesem Zweck wurde die Behaltensleistung englischer Vokabeln in einem Quasi-Experiment anhand von zwei den Lernenden bekannten (1. klassisches Listenlernen mit dem Zudecken einer Seite sowie 2. gegenseitiges Abfragen anhand einer Vokabelliste) mit zwei den Schülerinnen und Schülern unbekannteren Vokabellernvarianten (3. dem Lernen in Entspannung wie auch 4. dem Lernen mit sinntragenden Bewegungen) hinsichtlich des kurzfristigen wie auch mittelfristigen Lernertrags in zwei Studien miteinander verglichen. Zusätzlich werden innerhalb der zweiten Studie mögliche Verbindungen von persönlichen Präferenzen, Selbsteinschätzungen sowie Gewohnheiten der Schülerinnen und Schüler und den Behaltensleistungen in den Vokabeltests aufgezeigt.
Anhand dieses Promotionsprojektes2 werden somit durch Transferforschung als Bindeglied Theorien aus Fremdsprachendidaktik und Neurowissenschaft in die Unterrichtspraxis des Englischunterrichts am Gymnasium übersetzt, ihr Nutzen empirisch überprüft und hieraus resultierende Erkenntnisse an die Forschungsgemeinschaft rückgemeldet. Verortet ist diese Dissertation in der Englischdidaktik, wobei sie in Bezug auf das Vokabellernen im Allgemeinen an Studien von Stork (2003), Neveling (2004) und Haudeck (2008), in Bezug auf das Bewegungslernen an Studien von Hille et al. (2010), Macedonia (2003, 2011) sowie hinsichtlich des Entspannungslernens an Studien von Schiffler (1989), Schonert-Reichl und Hymel (2007) und Broderick und Metz (2009) anschließt. Ein Alleinstellungsmerkmal stellt in diesem Forschungsprojekt die Überprüfung von Effekten verschiedener Vokabellernvarianten bei Schülerinnen und Schülern im elften Jahrgang und damit in zeitlich großer Nähe zum Abitur dar, da sonst häufig Grundschulkinder oder Erwachsene (hier vor allem Studierende) für Studien dieser Art als Probandinnen und Probanden eingesetzt werden (vgl. Kapitel 6.7.2 und 6.8.2).
So soll die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Erweiterung der Wissensbasis des Fremdsprachenunterrichts (FSU) in der Didaktik des Englischen in Bezug auf das Vokabellernen in der Oberstufe leisten.
Gegliedert ist diese Dissertation in einen theoretischen und einen empirischen Teil, wobei Verknüpfungen von Theorie und Praxis durch Bezüge untereinander hergestellt werden. Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Information darüber, was es leisten soll, d.h. es wird präzisiert, welche für die vorliegende Schrift relevanten Fragen beantwortet werden sollen, um diese anschließend im Hauptteil des Kapitels detailliert zu erörtern. Jedes Kapitel schließt eine kurze Zusammenfassung ab, in der die wesentlichsten Punkte aufgeführt werden, um zuletzt jeweils Implikationen für Wissenschaft, Unterrichtspraxis und außerschulisches Lernen abzuleiten.
Im Folgenden werden in Kapitel 2 zunächst Grundlagen des Wortschatzerwerbs erläutert, welche u.a. Konzepte des Speicherns, Abrufens und Ursachen des Vergessens umfassen, um anschließend die Verwendung von Lernstrategien für den Fremdsprachenerwerb und hierbei insbesondere für das Vokabellernen zu betrachten.
Das 3. Kapitel enthält einen Überblick über relevante Theorien und ausgewählte Studien zum Einsatz von Bewegung sowohl zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit als auch zum direkten Lernen von Inhalten durch Kopplung an Bewegungen.
Das 4. Kapitel widmet sich Studien und Theorien, die das Lernen in Entspannung betreffen. Auch hier erfolgt eine Aufteilung in zwei Bereiche, einerseits mit Fokus auf eine optimierte Ausschöpfung des kognitiven Leistungspotentials, andererseits auf das Erlernen von Inhalten in Entspannung. Den theoretischen Teil dieser Arbeit abschließend, werden im 5. Kapitel Besonderheiten Jugendlicher in Bezug auf Kognition, Fremdsprachenerwerb, Entspannung und Bewegung betrachtet.
Im Anschluss an den theoretischen Rahmen stellt das 6. Kapitel die beiden empirischen Studien dar, in welchen Vokabellernvarianten in vier, später zwei Ausprägungen zum Einsatz kamen. Neben dem zentralen Interesse an Unterschieden in der Behaltensleistung durch verschiedene Vokabellernvarianten wurden in der Folgestudie (Studie 2) für einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn außerdem Daten bezüglich weiterer in Anlehnung an die Forschungsfrage interessanter Faktoren erhoben. Um Redundanzen zu vermeiden, werden den Studien gemeinsam entsprechende Elemente, wie z. B. die übergeordnete Forschungsfrage, die Darstellung von unabhängigen und abhängigen Variablen, die Erläuterung der ausgewählten Vokabellernvarianten oder auch die forschungsethische Stellungnahme zu Beginn des empirischen Teils der Schrift, vereint betrachtet. Anschließend werden die beiden Studien einzeln detailliert dargestellt. Darauf folgend werden die Erkenntnisse beider Studien zusammengeführt und im Hinblick auf Implikationen für Wissenschaft, Unterrichtspraxis und außerschulisches Lernen diskutiert. Zuletzt sollen Limitationen der durchgeführten Studien und hieraus wahrgenommene Forschungsdesiderate im Bereich des Wortschatzerwerbs in der Oberstufe benannt werden. Abgerundet wird die Arbeit mit Schlussfolgerungen und einem Ausblick (Kap. 7).
Wörter sind die Bausteine der Sprache.
Thaler (2012: 223)
Das vorliegende Kapitel befasst sich mit dem Thema Wortschatzaneignung und den Fragen, wie sich der Terminus Wort und einige seiner Synonyme definieren lassen, und auch, was es bedeutet, ein Wort zu beherrschen. Weiter soll geklärt werden, wie Wörter ins Gehirn gelangen und wo und auf welche Weise sie dort gespeichert und abrufbereit gehalten werden, wofür verschiedene Gedächtnismodelle, aber auch neurobiologische Erklärungen von Interesse sind. Im Anschluss soll dargestellt werden, welche Relevanz fremdsprachliche Wortschatzaneignung in der gymnasialen Oberstufe erfährt und was von Schülerinnen und Schülern hierbei gefordert wird, um darauffolgend Lerntechniken und –strategien zum Vokabellernen zu betrachten.
Eine umfassende, jedoch prägnante Terminologie des Begriffs Wort gestaltet sich als herausfordernd, da ein Wort vielfältige Eigenschaften besitzt und je nach der jeweiligen Perspektive unterschiedliche Aspekte von Bedeutung sind.
Der Wert eines Wortes zeigt sich nach Ferdinand de Saussure1 (2005: 123) in erster Linie darin, eine Idee auszudrücken, denn „Quand on parle de la valeur d’un mot, on pense généralement et avant tout à la propriété qu’il a de représenter une idée […].“ Weiter vergleicht er Sprache mit einem Blatt Papier, wobei der Gedanke auf der Vorderseite, der Laut auf der Rückseite steht und beides als untrennbar miteinander verknüpfte Einheit gesehen wird:
La langue est encore comparable à une feuille de papier: la pensée est le recto et le son le verso; on ne peut découper le recto sans découper en même temps le verso; de même dans la langue, on ne saurait isoler ni le son de la pensée, ni la pensée du son. (ebd.: 121)
Hierbei unterscheidet Saussure die zwei Seiten eines Wortes anhand der Begriffe signifiant (Bedeutendes) und signifié (Bedeutetes), wobei zweiteres das kognitive Konzept, also die Vorstellung einer Sache, darstellt, wohingegen ersteres die Benennung dieses Konzepts mit seinen phonologischen und orthographischen Eigenschaften umfasst (vgl. ebd.: 122f.). Das Zeichen (signe), mit welchem die Idee dargestellt wird, ist hierbei vollkommen arbiträr (vgl. ebd.: 121).
Aitchison (2012: 262) vergleicht Wörter sinnbildlich mit Münzen: „Words, we have said, are like coins, with meaning and word class on the one side and sounds on the other.“ Wenngleich Metaphern verschiedene Aspekte eines Wortes anschaulich verdeutlichen mögen, bleibt eine allgemeine Definition, die allen Perspektiven gerecht wird, schwierig. Dies liegt in der Vielschichtigkeit von Wörtern begründet. So „bildet [ein Wort] keine geschlossene Einheit, sondern stellt in sich bereits einen komplexen Lerngegenstand dar“ (Reinfried 2006: 176). Auch Mel’čuk (1981: 570) ist sich sicher: „Not only every language but every lexeme of a language is an entire world in itself.“ Somit gibt es für den Terminus Wort aufgrund verschiedener Blickwinkel diverse Begriffsbestimmungen:
Aus kognitivistischer Perspektive dienen Wörter der Benennung von Gegenständen und Sachverhalten in der außersprachlichen Welt, aus linguistischer Sicht sind es Zeichen mit Form- und Ausdrucksseite, selbständige sprachliche und kommunikationsorientierte Grundeinheiten. Der präzisere Begriff der lexical unit trägt der häufigen Mehrgliedrigkeit von Wörtern Rechnung. (Neveling 2017: 378)
Der von Cruse (1986) eingeführte Begriff der lexical unit (lexikalische Einheit) wird definiert als „the union of a lexical form and a single sense“ (ebd.: 77, zitiert nach Bogaards 2001: 326), was u.a. zur Folge hat, dass es deutlich mehr lexical units in einer Sprache gibt als Wörter, da ein Wort mehrere Bedeutungen tragen kann2. Bogaards spricht sich auch für die Betrachtung der fremdsprachigen Wortschatzaneignung für den Terminus der lexical unit aus:
Although it does not solve all problems in lexicology or in applied linguistics, the lexical unit as discussed by Cruse (1986) emerges as a far less capricious and much clearer linguistic element than word. It has a well-determined form that has its own set of properties and a clear meaning that is part of a specific semantic network. The notion of „lexical unit“ can also be better used than „word“ to describe the processes of vocabulary learning in a second or foreign language. (Bogaards 2001: 327)
Bogaards (2001: 325) beharrt sogar darauf, dass die Verwendung des Begriffs Wort dem Prozess, den Lernende für die Aneignung eines Wortes durchlaufen müssen, nicht gerecht wird. Neben dem vermutlich korrektesten Terminus der lexikalischen Einheit gibt es weitere Synonyme für den Begriff Wort, wie die vor allem im Schulkontext gängige Bezeichnung Vokabel. Laut Duden ist eine Vokabel „ein einzelnes Wort in einer (anderen, fremden) Sprache“ und Möhle (1994: 40) setzt den Terminus ‚Begriff‘ gleich mit dem Saussure’schen ‚concept‘, also der Inhaltsseite des Wortes“. Weitere Synonyme hierfür sind Terminus oder auch Bezeichnung.
Obwohl deutlich wird, dass der Begriff Wort aufgrund seiner phonologischen, syntaktischen, morphologischen sowie semantischen Informationen in seiner Komplexität schwer zu definieren ist, löst der Gebrauch des Begriffs im Alltag nur selten Verwirrung aus. So stellt Carter (2002: 4) fest: „Everyone knows what a word is“.3 Auch Haudeck (2008: 49) konstatiert: „Spricht man im Alltagsleben von einem Wort, dann entstehen dadurch keine wirklichen Verständnisprobleme.“ Ebenso sieht Lutjeharms (2004: 10 zitiert nach Haudeck 2008: 49) die „intuitive, alltagssprachliche Bedeutung von Wort als Grundeinheit der Sprache“ gegeben. Daher werden die Termini Wort, lexikalische Einheit und Begriff, aber auch Vokabel im Bewusstsein, dass ein Wort viel mehr beinhaltet als hier dargestellt werden kann, in der vorliegenden Schrift weitestgehend synonym verwendet.
Für eine gelingende Kommunikation kann der Wert lexikalischer Kompetenz kaum überschätzt werden:
Die Bedeutung lexikalischer Kompetenz zeigt sich auch daran, dass in der überwältigenden Mehrzahl von Kommunikationsstörungen nicht falsche Grammatik, sondern fehlende oder falsch verwendete Wörter die Ursache sind. (Thaler 2012: 223)
Die vielfältigen Eigenschaften, die Wörter beinhalten, erschweren nicht nur das eindeutige Definieren des Begriffs Wort, sondern werfen ebenso die Frage auf, ab wann ein Wort beherrscht wird. Nation (2001: 23) spricht von der learning burden durch die Mühe, die Lernende aufbringen müssen, um sich ein Wort in seiner Vielschichtigkeit anzueignen. Ob und inwieweit ein Wort beherrscht wird, variiert von Fall zu Fall, denn „the difference between total ignorance and partial or full knowledge of a word is not always straightforward.“ (Bogaards 2001: 323) Auch Haudeck (2008: 53) stellt fest:
In der Realität zeigt sich lexikalische Kompetenz in unterschiedlichen Ausprägungen, von rudimentärer Kenntnis einzelner Wörter bis zu differenzierten formalen, semantischen und pragmatischen Wissensbeständen.
Schmitt (2007: 828) zufolge sind zwar 54.000 Wortfamilien1 in Webster’s Third New International Dictionary (1961) gelistet, jedoch genügt die Kenntnis der 2.000 – 3.000 am häufigsten vorkommenden Wortfamilien für einen gelingenden gesprochenen Diskurs, und mit 5.000 bekannten Wortfamilien können authentische Texte gelesen werden, wobei der Beginn des Verstehens authentischer Texte im Englischen mit 3.000 bekannten Wortfamilien angegeben wird. „Second language learners with a knowledge of the most frequent 10,000 word families in English can be considered to have a wide vocabulary“ (Schmitt 2007: 828) und die doppelte Kenntnis häufig vorkommender Wortfamilien entspricht der von Muttersprachlern der englischen Sprache.
Nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen, kurz GER, (Europarat 2001: 111) umfasst lexikalische Kompetenz „die Kenntnis des Vokabulars einer Sprache, das aus lexikalischen und grammatischen Elementen besteht, sowie die Fähigkeit, es zu verwenden“.
Die Darstellung einzelner Bereiche lexikalischen Wissens kann mithilfe verschiedener voneinander getrennt betrachteter Kategorien, aber auch durch in ihrem Verlauf progressiv angesehener Stufen erfolgen.
Neben der Semantik, zu welcher angrenzend an die primäre Bedeutung auch Nebenbedeutungen gehören können, zählen zu den „Dimensionen der Wortbeherrschung“ (Thaler 2012: 223) auch die Orthographie, Aussprache, Morphologie, Syntax sowie die Verfügbarkeit, was bedeutet, dass ein Wort abrufbar ist. Nation (2001: 26) gliedert die Kenntnis eines Wortes in die drei Kategorien form, meaning und use, die er jeweils in drei Untergruppen aufteilt. So differenziert er form in spoken, written und word parts. Zu meaning gehören form and meaning, concept and referents sowie associations. Use unterteilt er in grammatical functions, collocations und constraints on use (register, frequency…). Weitere Modelle der Wortbeherrschung finden sich u.a. bei Richards (1976), Löschmann (1993) und Bohn (1999), wobei „Einigkeit darin [besteht], dass die semantische Komponente einen herausragenden Stellenwert besitzt.“ (Stork 2003: 18f.). Allerdings ist zu beachten, dass, obschon zu Studienzwecken der verschiedenen Aspekte der Wortbeherrschung eine künstliche Trennung deren Betrachtung vereinfachen, diese real doch verbunden sind (vgl. ebd.: 19).
Die Kenntnis eines Wortes kann jedoch nicht nur in Kategorien, sondern ebenfalls in verschiedene Stufen unterteilt werden. Hierbei finden sich Stadienmodelle u.a. bei Cronbach (1942), Dale (1965), sowie bei Hatch und Brown (1995). Bei Letztgenannten erfolgt die Wortkenntnis in fünf verschiedenen Stufen:
der Begegnung mit dem neuen Wort,
dem Erhalten der Wortform,
dem Erhalten der Wortbedeutung,
dem Konsolidieren von Wortform und Wortbedeutung und
dem Gebrauch des Wortes (vgl. Stork 2003: 20).
Ebenso entwickelten Wesche und Paribakht (1996) ein Stufenmodell, jedoch kritisiert Haudeck (2008: 53) die linear erscheinende Progression des Modells, wobei Stillstand durch Fossilisierungen oder sogar Rückschritte aufgrund von Vergessen nicht beachtet werden und lobt das Mehrstadienmodell von Maera und Sanchez (1993), welches „empirischen Untersuchungen zufolge recht zuverlässige Voraussagen des individuellen Wortschatzzuwachses eines Zweitsprachenlerners erlaubt“ (Haudeck 2008: 53).
Es erscheint nachvollziehbar, dass dem produktiven Gebrauch eines Wortes, sei es in schriftlicher oder mündlicher Form, ein rezeptiver vorangegangen sein muss. Zunächst muss ein Begriff gehört oder gelesen und im Idealfall verstanden worden sein, bevor es selbst ausgesprochen oder geschrieben werden kann, wobei sowohl rezeptiv als auch produktiv verschiedene Ausprägungen der Wortkenntnis vorhanden sein können.
Vocabulary knowledge can be viewed as a continuum starting with the ability to understand vaguely what a word means in a given context and ending with the free use of a word in expression. (Laufer 1991: 445)
Stork (2003: 19f.) mahnt bei der Betrachtung lexikalischer Kompetenz als Kontinuum, nicht zu vergessen, dass Wortkenntnisse nicht nur in eine Richtung fortschreiten, sondern ebenso das Vergessen und erneute Lernen von Wörtern möglich sind.
Laufer (1991: 446) sieht im L2-Erwerb Lehrkräfte in der Pflicht, den Lernenden auch solche Wörter im produktiven Gebrauch zu entlocken, die diese zu vermeiden suchen, um somit die Schwelle vom bloßen Verstehen zur aktiven Verwendung jener Wörter zu überschreiten:
If the tendency of L2 learners is to remain at the threshold level, it is the task of the teacher to elicit the above-threshold vocabulary, which is precisely the vocabulary that learners try to avoid. Whatever form this elicitation might take (asking for words with different shades of meaning, reformulating sentences, gap filling, translation from L1 to L2, etc.) its goal is to activate the vocabulary which may otherwise remain at the passive end of the vocabulary knowledge continuum. (ebd.)
Nation (2001: 28) weist darauf hin, dass allgemeinhin rezeptives Sprachenlernen sowie rezeptiver Sprachgebrauch als leichter angesehen werden als das produktive Äquivalent. Unter anderem nach Ellis und Beaton (1993) führt Nation (2001: 28f.) vier Gründe an, weshalb dies so empfunden wird:
amount of knowledge explanation:
Für die Sprachproduktion in geschriebener oder gesprochener Form muss mehr Wissen vorhanden sein als beim rezeptiven Gebrauch. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Zielsprache ein anderes Zeichensystem verwendet als die Erstsprache. Hingegen wird für die rezeptive Verwendung häufig nur ein kleiner Teil der Wortkenntnis benötigt (vgl. ebd.).
practice explanation:
Im gewöhnlichen Sprachenlernen kommt der rezeptive Gebrauch der Sprache häufiger zur Anwendung als der produktive (vgl. ebd.).
access explanation:
In anfänglichen Sprachlernstadien hat das Wort in der Zielsprache nur eine einfache Verbindung zur Erstsprache. In der Erstsprache hingegen ruft ein Wort in Bezug auf die Sprachproduktion zahlreiche wetteifernde Assoziationen hervor, weswegen sich die Erinnerung des fremdsprachlichen Äquivalents für die Produktion schwerer gestaltet als für die Rezeption (vgl. ebd.).
motivation explanation:
Eine Person verfügt womöglich über alle Informationen, um ein Wort produktiv zu verwenden, kennt dieses gut, setzt es aus verschiedenen Gründen aber nicht aktiv ein. Hierbei stellt er die Frage, ob ein solches Wort in diesem Fall zum produktiven Wortschatz der Person gezählt werden kann (vgl. ebd.: 30).1
Sämtliche Wörter einer Sprache lassen sich unter dem Terminus Wortschatz zusammenfassen.
Als Wortschatz wird das die Gesamtheit an Wörtern und Wendungen umfassende Teilsystem einer bestimmten Sprache bezeichnet. Die Sprachwissenschaft verwendet anstelle von Wortschatz den Begriff Lexik. Umgangssprachlich wird unter dem Wortschatz eines Individuums das ihm zur Verfügung stehende ‚geistige Wortinventar‘, quasi der ontogenetisch in seinem Gehirn aufgebauten Wortspeicher, der für lexikalische Sprachverarbeitungsprozesse benötigt wird, verstanden. (Haudeck 2008: 47)
Allerdings darf der Wortschatz einer Person nicht als statisches Inventar gesehen werden. Vielmehr wird er „als dynamisches System bezeichnet, weil der Erwerbsprozess nie zum Abschluss kommt“ (Maljuna 2013: 3).
Thaler (2012: 224) unterscheidet aus didaktischer Sicht vier Wortschatzklassen im mentalen Lexikon (vgl. Kap. 2.3.2): den produktiven, rezeptiven, potentiellen und individuellen Wortschatz. Während der produktive Wortschatz, mitunter auch aktiver Wortschatz genannt, jedwede Begriffe umfasst, die eine Person selbst benutzen kann, sind mit dem rezeptiven Wortschatz all jene Wörter gemeint, die die Person verstehen kann. Nicht selten wird der rezeptive Wortschatz auch als passiver Wortschatz bezeichnet. Dies ist jedoch irreführend, da das Verstehen von Wörtern keineswegs ohne eigene Beteiligung erfolgt und eine aktive Leistung erfordert (vgl. Nodari 2010: 1). Zudem gestalten sich die Grenzen zwischen produktivem und rezeptivem Wortschatz fließend. „Ein Wort kann vom rezeptiven zum produktiven Wortschatz wechseln und bei mangelndem Gebrauch aber wieder in den rezeptiven Wortschatz zurückfallen.“ (ebd.) Zum potentiellen Wortschatz gehören all jene Wörter, welche eine Person zwar bisher weder gesehen noch gehört hat, die sie aber „dennoch verstehen und/oder verwenden kann (z. B. durch Weltwissen, Wortbildungskenntnisse, Vergleiche mit anderen Sprachen)“ (Thaler 2012: 224). Für Begriffe aus dem potentiellen Wortschatz gilt für die fremdsprachliche Wortschatzaneignung dank der Vermutung, dass solche Begriffe
aufgrund von binnensprachlichen Ableitungen sowie von zwischensprachlichen Wortverwandtschaften von den Schülern eigenständig erschlossen werden können, so dass der Lernaufwand für den rezeptiven Sprachgebrauch entfällt und für den aktiven Sprachgebrauch stark verringert wird. (Reinfried 2006: 175)
Alle Wörter, die einem Menschen persönlich und damit individuell zur Verfügung stehen, können als individueller Wortschatz bezeichnet werden (vgl. Thaler 2012: 224).
Ein kurzer Exkurs zur Verbindung von Wortschatz und Grammatik soll an dieser Stelle erfolgen, da sich in der Perspektive, welchen Wert das eine im Vergleich zum anderen für das Sprachenlernen aufweist, in den vergangenen Jahrzehnten eine große Wende vollzogen hat. Wenngleich der Grammatik nach der bis ins 20. Jahrhundert angewendeten Grammatik-Übersetzungsmethode im Anschluss eher eine dienende Funktion beikommen sollte (vgl. Thaler 2012: 236), wird der Übergang zwischen Grammatik und Wortschatz inzwischen zunehmend als fließend erachtet (vgl. Neveling 2017: 378). „Vocabulary and grammar are not separate categories, but are inextricably linked. Separating them creates confusion not clarity.“ (Lewis 2005: 8) In seinem Ansatz des Lexical Approach stellt Lewis (1993) beide Kategorien als miteinander verbunden dar. Thaler (2012: 226) leitet daraus für den Fremdsprachenunterricht ab, „dass Wörter nicht als isolierte Einzelwörter, sondern in einem grammatischen Umfeld vermittelt werden sollten, in sogenannten chunks“. Der Sinn eines fließenden Übergangs von Wortschatz und Grammatik findet sich dadurch begründet, dass „die morpho-syntaktischen Informationen im […] mentalen Lexikon zusammen mit der Wortform gespeichert sind“ (Neveling 2017: 378).
Um den menschlichen Wortspeicher genauer zu beschreiben, wird häufig der Begriff des mentalen Lexikons genannt (vgl. Aitchison 2012). Thaler (2012: 224) definiert es folgendermaßen:
Das mentale Lexikon ist derjenige Teil des Langzeitgedächtnisses, in dem der gesamte Wortschatz eines Menschen geordnet gespeichert ist (human word store). Die lexikalischen Einheiten sind dabei in verschiedenen Netzen systematisch verbunden.
Möhle (1994: 39) bezeichnet das mentale Lexikon im Langzeitgedächtnis als „Reservoir […], in dem unser Wissen über alle uns bekannten Wörter unserer eigenen und ggf. auch anderer uns verfügbarer Sprachen gespeichert ist“, woraus die Existenz „so viele[r] mentale[r] Lexika, wie es sprechende Menschen gibt“, resultiert. Jedoch ist die Metapher eines Lexikons hierfür nur bedingt passend.
Der Begriff des mentalen Lexikons ist jedoch auf den ersten Blick irreführend, denn es ist keineswegs mit einem Wörterbuch vergleichbar, in dem Lexeme üblicherweise alphabetisch mit den für ihren Gebrauch relevanten Informationen nach einheitlichen Kriterien in einer festen Reihenfolge aufgelistet sind. (Haudeck 2008: 50)