Lernstrategien im Grundschulalter -  - E-Book

Lernstrategien im Grundschulalter E-Book

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Beschreibung

Die Vermittlung von Lernstrategien gilt als wichtiges Bildungsziel und relevanter Bildungsauftrag der Grundschule. Erfolgreiche Lernstrategien bei Schülerinnen und Schülern bilden letztlich die Grundlage und Voraussetzung für gelingende Lehr- und Lernprozesesse in den einzelnen Unterrichtsfächern. Das Buch liefert erstmalig eine Zusammenschau von theoretischen Konzepten und Forschungsergebnissen zur Entwicklung, Erkennung und Förderung von Lernstrategien bei Kindern im Grundschulalter. Dabei wird nicht nur ein Überblick über Befunde aus der pädagogischen und psychologischen Lehr-Lernforschung geboten; ausführlich wird auch auf die praktischen Implikationen für die einzelnen Unterrichtsfächer und Lernfelder eingegangen.

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Seitenzahl: 402

Veröffentlichungsjahr: 2009

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Die Vermittlung von Lernstrategien gilt als wichtiges Bildungsziel und relevanter Bildungsauftrag der Grundschule. Erfolgreiche Lernstrategien bei Schülerinnen und Schülern bilden letztlich die Grundlage und Voraussetzung für gelingende Lehr- und Lernprozesesse in den einzelnen Unterrichtsfächern. Das Buch liefert erstmalig eine Zusammenschau von theoretischen Konzepten und Forschungsergebnissen zur Entwicklung, Erkennung und Förderung von Lernstrategien bei Kindern im Grundschulalter. Dabei wird nicht nur ein Überblick über Befunde aus der pädagogischen und psychologischen Lehr-Lernforschung geboten; ausführlich wird auch auf die praktischen Implikationen für die einzelnen Unterrichtsfächer und Lernfelder eingegangen.

Prof. Dr. phil. Frank Hellmich lehrt Schulpädagogik an der Universität Paderborn. Stephan Wernke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pädagogik (Arbeitsgruppe Empirische Lehr-Lernforschung) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

Frank Hellmich Stephan Wernke

Lernstrategien im Grundschulalter

Konzepte, Befunde und praktische Implikationen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung in elektronischen Systemen. Alle Rechte vorbehalten © 2009 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

Print: 978-3-17-020731-8

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978-3-17-027782-3

mobi:

978-3-17-027783-0

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der HerausgeberFrank Hellmich & Stephan Wernke

I Lernstrategien von Kindern im Grundschulalter

Was sind Lernstrategien … und warum sind sie wichtig?Frank Hellmich & Stephan Wernke

Entwicklung von Lernstrategien im GrundschulalterMartin Lehmann & Marcus Hasselhorn

II Erkennung von Lernstrategien im Grundschulunterricht

Handlungsnahe Erfassung von Lernstrategien mit Fragebögen im GrundschulalterStephan Wernke

Möglichkeiten der Erfassung von Lernstrategien im Leseunterricht der GrundschuleFrank Hellmich & Jens Höntges

Selbstberichtsverfahren zur Erfassung von Lernstrategien im GrundschulalterNadine Spörer

III Förderung von Lernstrategien im Grundschulunterricht

Selbstreguliertes Lernen in der GrundschuleHeidrun Stöger, Christine Sontag & Albert Ziegler

Förderung von Strategien des Textverstehens in der Grundschule? – Leseförderung zwischen Schriftspracherwerb und strategischer SteuerungJacqueline Matthäi & Cordula Artelt

Förderung von Lesestrategien im GrundschulalterCaros Kölbl, Elfriede Billman-Mahecha & Joachim Tiedemann

Regulation schulischer Langeweile durch GrundschulkinderKatrin Lohrmann

Vermittlung von Lesestrategien im UnterrichtIsolde Badel

Kooperatives Lernen in der GrundschuleElmar Souvignier

Förderung selbstregulierten Lernens im Vor- und GrundschulalterFranziska Perels & Barbara Otto

Differenzielle Effekte eines Selbstregulationstrainings für Mädchen und Jungen: Zeitreihenanalytische Erfassung mit Hilfe von LerntagebüchernBarbara Otto & Franziska Perels

Leseprofi im Leseteam – ein Trainingsprogramm zur Förderung von Lesestrategien im GrundschulalterMeike Munser-Kiefer

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Vorwort der Herausgeber

Frank Hellmich & Stephan Wernke

Die Förderung von Lernstrategien gilt – hierin besteht kein Zweifel – als ein wichtiges Bildungsziel der Grundschule (vgl. z. B. Delors, 1998; Valtin, 2006). Die Entwicklung von Lernstrategien wird dabei ohne Einschränkung als eine zu erreichende Zieldimension des Grundschulunterrichts erachtet und auch als solche in aktuellen Modellen zur Erklärung unterrichtsbezogener Lehr-Lernprozesse ausgewiesen (vgl. z. B. Helmke, 2003, S. 42). Einheitlich werden Lernstrategien in diesem Zusammenhang als wichtige Lernkompetenzen bezeichnet. Häufig wird auch von dem Erwerb des Lernen Lernens oder selbstreguliertem Lernen gesprochen (vgl. hierzu z. B. Boekaerts, 1999).

Lernstrategien sind definiert als mental repräsentierte Handlungspläne, die zur Steuerung des eigenen Lernverhaltens dienlich sind. Sie setzen sich aus einzelnen Handlungssequenzen, d. h. verschiedenen Lerntechniken, zusammen und werden je nach Situation oder Belang abgerufen. Mit Lernstrategien werden dabei nicht nur kognitive Strategien bezeichnet, die die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung betreffen, vielmehr werden hierunter auch Metakognitionen gefasst, mit denen die Steuerung vor, während und nach den Lernprozessen gemeint ist, aber auch Aktivitäten von Lernenden, die auf eine Optimierung ihrer inneren und äußeren Ressourcen abzielen.

Während im Bereich der erziehungswissenschaftlichen und pädagogisch-psychologischen Lehr-Lernforschung einige Untersuchungen zur Erfassung und Förderung von Lernstrategien bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe sowie Studentinnen und Studenten vorliegen (vgl. z. B. im Überblick Artelt & Moschner, 2005; Mandl & Friedrich, 2006), mangelt es gerade und im Besonderen im deutschsprachigen Raum – mit wenigen Ausnahmen – an Studien mit jüngeren Kindern im Grundschulalter. Das Anliegen dieses Buches ist es, vor diesem Hintergrund Forschungsergebnisse zur Erkennung und Förderung von Lernstrategien im Grundschulalter gebündelt vorzustellen. Dabei werden in erster Linie Antworten auf die folgenden Fragen gegeben:

Auf welche Lernstrategien greifen Kinder in verschiedenen Lernsituationen zurück?

Wie können Lernstrategien im Grundschulalter diagnostiziert werden?

Lassen sich Leistungsunterschiede bei Kindern durch die Verfügbarkeit verschiedener Lernstrategien erklären? … und last not least …

Welche Möglichkeiten gibt es, um Lernstrategien von Kindern im Grundschulunterricht angemessen zu fördern?

Vor dem Hintergrund der Beantwortung dieser Fragen werden in den einzelnen Buchbeiträgen, Forschungsergebnisse zur Erkennung und Diagnose von Lernstrategien sowie zu deren Förderung referiert. Besonderes Augenmerk wird dabei jeweils auf Implikationen für die Grundschulpraxis gelegt, damit – auch auf längere Sicht – eine enge Verzahnung von Ergebnissen aus der Lehr-Lernforschung und Praxisentscheidungen in den Handlungsfeldern der Grundschule ermöglicht wird.

Das Buch ist in drei Teile untergliedert. Im ersten Teil wird ein Überblick über die Relevanz einer Vermittlung von Lernstrategien im Kontext des Bildungsauftrags der Grundschule gegeben. Darüber hinaus wird die derzeitige Forschungslage zur Entwicklung, Diagnose und Förderung von Lernstrategien in der Grundschule skizziert. Frank Hellmich und Stephan Wernke analysieren in einem einleitenden Buchkapitel die Bedeutung von Lernstrategien im Kontext des Bildungsauftrags der Grundschule und geben eine Übersicht über verschiedene Lernstrategientypen, die es im Grundschulunterricht anzubahnen gilt. Martin Lehmann und Marcus Hasselhorn berichten über den gegenwärtigen empirischen Erkenntnisstand im Bereich der Entwicklung von Lernstrategien bei Kindern im Grundschulalter. Im Speziellen gehen die beiden Autoren dabei auf entwicklungspsychologische Gesetzmäßigkeiten des Erwerbs von Lernstrategien ein und erläutern in diesem Zusammenhang auch Einflussfaktoren, die die Entwicklung von Lernstrategien im Grundschulalter begünstigen.

Im zweiten Teil des Buchs werden Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Verfahren zur Erkennung von Lernstrategien bei Kindern im Grundschulalter vorgestellt. Die einzelnen Autorinnen und Autoren diskutieren verschiedene Erhebungsmethoden (wie z. B. Selbstberichtsverfahren, Beobachtungen, handlungsnahe Erfassungen, Fragebogen etc.), zum einen mit dem Blick auf die Erfassung von Lernstrategien im Rahmen empirischer Forschungsprojekte, zum anderen mit dem Fokus auf Möglichkeiten und Grenzen der Diagnostik von Lernstrategien im Grundschulunterricht. Stephan Wernke präsentiert in seinem Aufsatz Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, bei der er Lernstrategien von Kindern durch verschiedene Fragebogentypen (mit und ohne Handlungsorientierung) erfasst hat. Frank Hellmich und Jens Höntges referieren ebenfalls über verschiedene Erhebungsformen im Kontext der Diagnose von Lernstrategien. Im Rahmen einer Studie haben die beiden Autoren untersucht, inwiefern Lesestrategiewissen und Lesestrategieeinsatz bei Kindern im vierten Grundschulalter miteinander kompatibel sind. Nadine Spörer liefert in ihrem Beitrag schließlich einen Bericht über Möglichkeiten und Grenzen der Erhebung von Lernstrategien anhand von Selbstberichtsverfahren. Im Detail stellt sie eine im Querschnitt angelegte Studie vor, bei der sie das Leseverständnis von Brandenburger Grundschulkindern des vierten und fünften Schuljahres anhand von Pfadanalysen durch Aspekte selbstregulierten Lernens erklärt.

Im dritten Teil des Buchs werden sowohl konzeptionelle Ideen zur Förderung von Lernstrategien im Grundschulunterricht als auch empirische Ergebnisse aus quasiexperimentellen Studien dargestellt. Die einzelnen Konzeptionen zur Förderung von Lernstrategien beziehen sich dabei jeweils u.a. auf bereichsspezifische Inhalte wie zum Beispiel auf solche aus den Unterrichtsfächern Deutsch (Lesen), Mathematik und Sachunterricht. In einem Überblicksartikel stellen Heidrun Stöger, Christine Sontag und Albert Ziegler theoretische Überlegungen zu Konzeptionen selbstregulierten Lernens für den Grundschulunterricht (und darüber hinaus) dar und berichten über einige Ergebnisse aus der empirischen Lehr-Lernforschung. Jacqueline Matthäi und Cordula Artelt geben – unter Bezugnahme auf normative Vorgaben wie Lehrpläne und Bildungsstandards für das Unterrichtsfach Deutsch sowie Entwicklungsbedingungungen im Kindesalter – eine Übersicht über Möglichkeiten der Förderung von Strategien des Textverstehens in der Grundschule. Carlos Kölbl, Elfriede Billmann-Mahecha und Joachim Tiedemann stellen in ihrem Buchbeitrag ein Programm zur Förderung von Lesestrategien im Kontext der Vermittlung von Lesekompetenzen bei Kindern im Grundschulalter vor und berichten über Ergebnisse aus einer zugehörigen Evaluationsstudie. Katrin Lohrmann beschäftigt sich in ihrem Beitrag auf der Grundlage von qualitativen und quantitativen Befragungsdaten mit Strategien von Grundschülerinnen und Grundschülern, die sie im Sinne von Copingstrategien in aus ihrer Sicht langweilig erlebten Unterrichtssituationen einsetzen. Auf der Grundlage der dargestellten Untersuchungsbefunde formuliert Katrin Lohrmann Anregungen zur Regulation von Langeweile im Grundschulunterricht. Isolde Badel gibt einen Einblick in die Förderung von Lesestrategien im Rahmen des Deutschunterrichts in der Grundschule. Sie berichtet über konzeptionelle Ideen zur Einführung und Förderung von Lesestrategien bei Kindern im Grundschulalter. Elmar Souvignier referiert in seinem Beitrag über Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Lernens bei Kindern im Grundschulalter. In diesem Zusammenhang gibt er einen Einblick in Ergebnisse aus insgesamt drei empirischen Untersuchungen zur Förderung kooperativer Lernstrategien. Franziska Perels und Barbara Otto berichten in ihrem ersten Beitrag über zwei Untersuchungen zur Förderung des selbstregulierten Lernens im Vor- und Grundschulalter, an denen auch Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer bzw. Erzieherinnen beteiligt waren. In einem zweiten Beitrag berichten die beiden Autorinnen über Ergebnisse aus einer zeitreihenanalytischen Studie, bei der Möglichkeiten der Förderung selbstregulierten Lernens bei Kindern im vierten Grundschuljahr ‚unter die Lupe‘ genommen worden sind. Im Vordergrund analysieren sie hier geschlechtsspezifische Effekte des Trainings. In ihrem Beitrag stellt Meike Munser-Kiefer eine experimentelle Untersuchung sowie deren Ergebnisse zur Förderung von Lesestrategien mit dem Programm „Leseprofi im Leseteam“ vor.

Für die Unterstützung bei der Herstellung des Buchmanuskripts bedanken wir uns ganz herzlich bei Herrn Thomas Deters und Herrn Christoph Schröder.

Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir viel Freude bei der Lektüre dieses Buchs.

Vechta/Oldenburg, im Februar 2009

Frank Hellmich & Stephan Wernke

Literatur

Artelt, C. & Moschner, B. (Hrsg.) (2005). Lernstrategien und Metakognition. Implikationen für Forschung und Praxis. Münster u. a.: Waxmann.

Boekaerts, M. (1999). Self-regulated learning: Where we are today. International Journal of Educational Research, 31, 445–457.

Delors, J. (1998). Learning: The treasure within. Report to UNESCO of the International Commission on Education for the Twenty-first Century. Paris: UNESCO.

Helmke, A. (2003). Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern. Seelze: Kallmeyer.

Mandl, H. & Friedrich, H.F. (Hrsg.) (2006). Handbuch Lernstrategien. Göttingen: Hogrefe.

Valtin, R. (2006). Grundschule – die Schule der Nation. Überlegungen zum Bildungsauftrag der Grundschule. Lehren und Lernen. Zeitschrift für Schule und Innovation in Baden-Württemberg, 32 (2), 4–11.

I Lernstrategien von Kindern im Grundschulalter

Was sind Lernstrategien … und warum sind sie wichtig?

Frank Hellmich & Stephan Wernke

Die Vermittlung von Lernstrategien gehört zu einer der wesentlichen Aufgaben im Rahmen des Grundschulunterrichts. Sie wird dabei in neueren Konzeptionen zur Erklärung der Qualität von Grundschulunterricht als eine entscheidende Zieldimension bestimmt (vgl. hierzu z. B. Helmke, 2006) und sowohl fachbezogen als auch fachübergreifend als bedeutsam für die Lernentwicklung von Kindern im Grundschulalter erachtet: Kinder sollen nach Möglichkeit bereits auf frühen Stufen ihrer Entwicklung lernen, das eigene Lernen selbst in die Hand zu nehmen, Lerngegenstände eigenständig zu durchdringen, sich selbstständig Ziele zu setzen und auch dann erfolgssicher im Unterricht mitzuarbeiten, wenn auf den ersten Blick keine Lösungsideen parat sind und diese erst noch entwickelt werden müssen.

Die Intention dieses Beitrags ist es, eine begriffliche Klärung des Begriffs Lernstrategien im Kontext von Formaten selbstregulierten Lernens vorzunehmen und die Relevanz einer Vermittlung von Lernstrategien im Grundschulunterricht zu erörtern, gerade und insbesondere auch in Hinblick auf das Lernen an den weiterführenden Schulen. Mit dem vorliegenden Beitrag wird auf diese Weise das Ziel verfolgt, die im vorliegenden Buch zusammengetragenen Beiträge einerseits vor dem Hintergrund des Bildungsauftrags der Grundschule einordnen und andererseits die einzelnen im Detail dargestellten Forschungserträge theoretisch verorten zu können.

1 Lernstrategien als Bildungsziel der Grundschule

Weitgehend Einigkeit besteht darin, dass die Vermittlung von Lernstrategien als ein wichtiges Bildungsziel der Schule im Allgemeinen und der Grundschule im Speziellen betrachtet wird. Lernstrategien werden dabei gerade im Kontext lebenslangen Lernens als wichtig erachtet – analog dem Motto „Was heute als richtig und wichtig angesehen wird, kann morgen schon überholt sein“ (Moschner & Wagener, 2006, S. 48). Es wird vermutet und aus theoretischer Perspektive scheint dies zweifellos plausibel, dass Menschen, die sich eigenständig Wissen und Fähigkeiten aneignen können, in verschiedenen, manchmal auch schwierigen Situationen handlungsfähig sind und Herausforderungen aufgrund ihres Know-hows geeignet und zuversichtlich begegnen können.

Die Relevanz einer Förderung von Lernstrategien in der Grundschule lässt sich dabei grundlegend auf der Basis verschiedener Argumente stützen: Auf der einen Seite ist – wie noch weiter auszuführen sein wird – die Förderung von Lernstrategien in verschiedenen Konzeptionen zum Bildungsauftrag der Grundschule und auch in verschiedenen bildungspolitischen Erlassen zum Unterrichten in der Grundschule, wie zum Beispiel in den Bildungsstandards für den Primarbereich (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2004a/b) verankert. Auf der anderen Seite wird die Bedeutung einer Vermittlung von Lernstrategien gestützt durch Befunde aus verschiedenen empirischen Untersuchungen, bei denen gezeigt werden konnte, dass Unterschiede in den von Kindern erbrachten Schulleistungen erklärt werden können durch Unterschiede in der Verfügbarkeit ihres habituellen Lernstrategieneinsatzes (vgl. z. B. van Kraayenoord & Schneider, 1999). Darüber hinaus lässt sich eine Förderung von Lernstrategien aber auch lehr-lerntheoretisch begründen. Gerade in den letzten Jahren wurde mit dem Ziel der Begegnung heterogener Lernausgangslagen bei Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter auf individuelles und zugleich selbstreguliertes Lernen in nahezu konstruktivistischen Lehr-Lernumgebungen gesetzt, bei denen der Anwendung von Lernstrategien seitens der Schülerinnen und Schüler häufig ein hohes Maß an Selbstregulation und die Verwendung von Lernstrategien beim Aufgaben- oder Problemlösen vorausgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund hat die Vermittlung von Lernstrategien unweigerlich auch eine Bedeutung für Gelingensprozesse eines als modern zu bezeichnenden Grundschulunterrichts, bei dem auf eine anspruchsvolle individuelle Förderung von Kindern auf frühen Stufen ihrer Entwicklung gesetzt wird.

Die Relevanz einer Förderung von Lernstrategien in der Grundschule lässt sich damit detailliert und zusammengefasst an den drei im Folgenden beschriebenen Ebenen festmachen:

1.1 Lernstrategien im Kontext des Bildungsauftrags der Grundschule

Besonders im Zeitalter grundschulbezogener Schulleistungsstudien (z. B. Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung, IGLU; vgl. z. B. Bos, Hornberg, Arnold, Faust, Fried, Lankes, Schwippert & Valtin, 2007), Bildungsstandards für den Primarbereich (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister, 2004a/b) und Vergleichsarbeiten (z.B. VERgleichsArbeiten in der Grundschule, VERA; vgl. z. B. Groß Ophoff, Koch, Helmke & Hosenfeld, 2006) gewinnt die Frage, wie Kompetenzerwerbsprozesse von Kindern bereits auf frühen Stufen ihrer Entwicklung optimiert werden können, an Bedeutung. Wenn auch tendenziell im gesamten Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland – analog zur Steuerung institutioneller Bildungsprozesse in anderen Ländern – besonderes Augenmerk auf Output-Orientierungen bei der Entwicklung von Schülerkompetenzen gelegt wird, dürfen gerade in der heutigen Zeit Fragen in Bezug auf die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen sowie die Förderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Lernen und Wissenserwerbsprozesse begünstigen, nicht aus dem Blick geraten. Während in Zeiten der Output-Orientierung zentrale Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern am Ende der Grundschulzeit in den Unterrichtsfächern Deutsch und Mathematik angebahnt werden sollten, muss bzw. sollte im Sinne einer Input-Orientierung überlegt werden, welche bedeutsamen überfachlichen Kompetenzen Schülerinnen und Schüler unter Standard bezogenem Gesichtspunkt entwickeln sollten, die sich zum einen in Hinblick auf ihre Kompetenzentwicklung positiv auswirken und zum anderen die Entwicklung ihrer Persönlichkeit begünstigen. Insbesondere der Förderung von Lernstrategien im Grundschulalter werden in Zeiten sich ständig verändernder Technologien sowie neuer Informations- und Kommunikationsmedien eine Schlüsselrolle zugesprochen. Der Erwerb zielführender Lernstrategien gewinnt vor diesem Hintergrund eine zentrale Bedeutung im Kontext lebenslangen Lernens. Die Schule und insbesondere die Grundschule können den Boden für die Anbahnung von Lernstrategien bereiten. Gerade im Unterricht an den weiterführenden Schulen stellen Qualifikationen, die vor allem die Organisation und Gestaltung eigenständiger Lehr-Lernprozesse betreffen, voraussichtlich eine wichtige proximale Bedingung dar, um auch mit schwierigen und herausfordernden Problemstellungen umgehen zu können. Die Relevanz einer Förderung von Lernstrategien in der Grundschule wird dementsprechend auch im Rahmen des von der UNESCO-Kommission entwickelten Papiers „Education for the 21st century“ hervorgehoben (vgl. Delors, 1998). Als eine von vier grundlegenden Säulen der Bildung im Grundschulalter wird dabei die Vermittlung und Förderung von Lernstrategien in der Grundschule genannt. Kinder sollen lernen, wie und auf welche Weise Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden können (vgl. Valtin, 2006, S. 8). Hierbei wird im Speziellen auf die Vermittlung metakognitiver Kompetenzen sowie den Erwerb bereichsübergreifender Methodenkompetenz gesetzt (vgl. Valtin, 2006, S. 8). Das gezielte Üben und Reflektieren eigener Lernprozesse und -fortschritte sowie die Aneignung gezielter Lernmethoden werden als bedeutsam erachtet, um Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter Transparenz in Bezug auf die Gestaltung eigener Lernprozesse zu verschaffen. Besonders in den letzten Jahren wurde die Förderung bereichsspezifischer Kompetenzen in den Unterrichtsfächern Deutsch, Mathematik und dem naturwissenschaftlichen Lernen im Rahmen des Sachunterrichts als relevant herausgestellt. Dass der Grundschulunterricht auf diese fachgebundenen Lernziele verkürzt werden darf, wird dabei von verschiedenen Vertreterinnen und Vertretern aus der Disziplin Grundschulpädagogik hervorgehoben (vgl. hierzu Valtin, 2006; Hellmich & Kiper, 2006, S. 90). In dem vom Grundschulverband im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Einführung von Bildungsstandards formulierten Positionspapier „Bildungsansprüche von Grundschulkindern – Standards zeitgemäßer Grundschularbeit“ wird beispielsweise hervorgehoben, dass der Bildungsauftrag und vor allen Dingen die Anbahnung von Basiskompetenzen in der Primarstufe nicht beschränkt sein dürfe auf das Lernen in den einzelnen Unterrichtsfächern; gerade die Förderung überfachlicher Aspekte wie u. a. Methoden- und Verfahrensweisen sowie die Genese geeigneter Einstellungen und Haltungen in Bezug auf das Lernen seien für die Lernentwicklungen von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter bedeutsam. In ähnlicher Weise formulierte auch Weinert (2000, 2001) überfachliche Bildungsziele, die aus seiner Sicht wesentliche Bestandteile des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule darstellen. Als eines von sechs essentiellen Bildungszielen nannte er dabei den Erwerb der Lernkompetenz, der es Schülerinnen und Schülern ermöglicht, im Laufe ihrer Schulzeit Expertise über das eigene Lernen zu entwickeln und vor diesem Hintergrund auf der einen Seite eine wesentliche und nicht zu vernachlässigende Basiskompetenz darstellt sowie auf der anderen Seite selbstverständlich als Schlüsselkompetenz zu verstehen ist, die eigenverantwortliches und selbstgesteuertes Lernen erst ermöglicht.

1.2 Ergebnisse aus der empirischen Lehr-Lernforschung

Die Relevanz einer Förderung von Lernstrategien im Grundschulunterricht lässt sich über den Bildungsauftrag hinaus auch durch bereits vorliegende Ergebnisse aus der empirischen Lehr-Lernforschung stützen. Gezeigt werden konnte beispielsweise, dass sich Unterschiede in Leseleistungen von Grundschulkindern erklären lassen durch Unterschiede in der Verfügbarkeit ihres Lesestrategiewissens (vgl. van Kraayenoord & Schneider, 1999). Die vorliegenden Befunde verdeutlichen allerdings zusammenfassend kein einheitliches Bild. So konnte in neueren Untersuchungen beispielsweise der Beleg erbracht werden, dass Lesekompetenzen von Kindern und verfügbares Lesestrategiewissen – im Sinne eines habituellen Lesestrategieeinsatzes – signifikant negativ korrelieren; leistungsschwächere Kinder verfügen demzufolge über deutlich mehr Lesestrategiewissen als ihre leistungsstärkeren Klassenkameradinnen und Kameraden (vgl. Artelt, 2000; Hellmich, 2008, im Druck).

Diese sich widersprechenden Befunde sind vermutlich darauf zurückzuführen, dass sich gerade kognitive Lernstrategien nur sehr schwer mittels Fragebogenverfahren empirisch erfassen lassen (vgl. hierzu im Detail auch Souvignier & Rös, 2005, S. 65, im Überblick: Artelt & Moschner, 2005). Theoretisch plausibel ist und bleibt auch bei der Berücksichtigung der gegenwärtigen und teilweise widersprüchlichen Befundlage, dass Lernleistungen durch die Verfügbarkeit von Lernstrategien beeinflusst werden. Sicherlich wäre dies noch im Rahmen weiterer Forschungsarbeiten zu zeigen. Beispielsweise müsste – und hierin begründen sich sicherlich wichtige Forschungslücken – im Rahmen (quasi-)experimenteller Studien zu Möglichkeiten der Förderung bereichsspezifischer Lernstrategien der Nachweis erbracht werden, dass eine Lernstrategieförderung positiv auf den Kompetenzerwerb in einem jeweiligen Unterrichtsfach bzw. Lernbereich transferiert.

1.3 Lehr-lerntheoretische Begründungen für die Förderung von Lernstrategien im Grundschulunterricht

Mit dem Blick auf die Begegnung der größtenteils sehr heterogenen Eingangsvoraussetzungen von Kindern in der Grundschule (vgl. hierzu Einsiedler, Martschinke & Kammermeyer, 2007, S. 9ff.) wurden in den vergangenen zwanzig Jahren – unter der Gewährleistung des Bildungsauftrags der Grundschule für alle Kinder – verschiedene Unterrichtsmethoden entwickelt und in den Grundschulunterricht implementiert, die gemeinhin als ‚Offener Unterricht‘, ‚Freiarbeit‘ oder beispielsweise ‚Wochenplanunterricht‘ bekannt geworden sind. Es wurde auf diese Weise beabsichtigt, den heterogenen Eingangsvoraussetzungen der Kinder durch geeignete innere und äußere Differenzierungsmaßnahmen zu begegnen. Diese Unterrichtsmethoden basieren dabei im Wesentlichen auf einem gemäßigt-konstruktivistischen Verständnis des Lehrens und Lernens, bei dem bei geeigneten Unterstützungsmaßnahmen seitens der Lehrerin bzw. des Lehrers selbstständige Schüleraktivitäten im Vordergrund stehen. Es wird bei dieser Sicht auf das Lehren und Lernen davon ausgegangen, dass Lernen durch eigene Konstruktionen der Wirklichkeit sowie durch eigenständiges Durchdringen neuer Inhalte und Fähigkeiten am besten gelingt (vgl. hierzu Hellmich & Kiper, 2006, S. 120). Eine besondere Rolle spielt vor dem Hintergrund eines solchen Lernverständnisses die Selbstständigkeit der Lernenden und damit Fähigkeiten im Bereich der Selbstregulation sowie die Anwendung von Lernstrategien, um eigene Lernprozesse sowohl unter kognitivem und metakognitivem Aspekt als auch unter motivationalem, emotionalem und volitionalem Gesichtspunkt geeignet zu steuern. Dabei kommt der Vermittlung von Lernstrategien eine besondere Bedeutung für die Gestaltung und die Durchführung des Grundschulunterrichts zu. Werden Lehr-Lernumgebungen im Klassenzimmer realisiert, die aus konstruktivistischem Blickwinkel individuelles Lernen, eigene Konstruktionsleistungen sowie Selbstregulationen beim Lernen erfordern, müssen grundlegende Voraussetzungen hierfür geschaffen werden. Die Vermittlung von Lernstrategien kann hierbei den Stellenwert einer Schlüsselfunktion einnehmen: Kinder, die unter kognitivem, motivationalem und volitionalem Aspekt Lernstrategien kennen und diese auch situationsangemessen anwenden können, werden – dies kann vermutet werden – ihre eigenen Lernprozesse im Unterricht auch geeignet strukturieren, stützen und vor allen Dingen auch erfolgreich regulieren.

2 Lernstrategien in der Grundschule – Theoretische Modelle und praktische Implikationen

Folgt man dem gegenwärtigen Verständnis von Lernstrategien, so werden hierunter bewusstseinsfähige und in der Regel automatisierte Handlungsabfolgen verstanden, die situationsspezifisch aus einem bereits bestehenden Repertoire ausgewählt und mit dem Ziel einer Optimierung des eigenen Lernprozesses eingesetzt werden (vgl. z. B. Artelt, Demmrich & Baumert, 2001, S. 272; Wild, 1998, S. 309). Lernstrategien stellen dabei „jene Verhaltensweisen und Gedanken [dar], die Lernende aktivieren, um ihre Motivation und den Prozess des Wissenserwerbs zu beeinflussen und zu steuern“ (Friedrich & Mandl, 2006, S. 1). Sie sind zusammengesetzt aus einzelnen Lerntechniken bzw. -prozeduren. Das Unterstreichen wichtiger Textstellen würde beispielsweise eine Lerntechnik darstellen, die kombiniert mit ähnlichen Teilhandlungen eingesetzt wird, um einen Lesetext im Deutschunterricht – im Sinne einer Verdichtung der Informationen – besser strukturiert vorliegen zu haben.

In Konzeptionen und Modellen zur Beschreibung und Erklärung von Lernstrategien werden – hierin besteht weitgehend Einigkeit – kognitive und metakognitive Lernstrategien voneinander unterschieden (vgl. z. B. Friedrich & Mandl, 1992, 2006; Wild, 1998). Hiervon abgegrenzt werden so genannte Stützstrategien beschrieben, die das Ressourcenmanagement betreffen, also in erster Linie motivationale, volitionale und emotionale Aspekte der Steuerung des Lernprozesses betreffen.

Die im Folgenden im Detail dargestellten Lernstrategietypen wirken – dies kann angenommen werden – in konkreten Lernsituationen nicht isoliert voneinander, sie werden vielmehr situationsspezifisch – ob nun bewusst oder unbewusst – von Schülerinnen und Schülern ausgewählt und miteinander kombiniert.

Unter kognitiven Lernstrategien werden Prozesse und Mechanismen bezeichnet, die die Informationsaufnahme, ihre Verarbeitung und Speicherung betreffen. Sie werden im Grundschulunterricht dann von Schülerinnen und Schülern genutzt, wenn neue Lerninhalte exploriert, verstanden, eingeprägt und/oder reflektiert werden sollen. Typische kognitive Abläufe sind beispielsweise, sich selbst etwas bildlich vorzustellen, Verknüpfungen mit dem Vorwissen herzustellen, einen Lerninhalt immer wieder durchzuarbeiten, Sinnabschnitte zusammenzufassen oder eine veranschaulichende Grafik zu entwickeln.

Voneinander unterschieden werden drei verschiedene kognitive Lernstrategien: Elaborations-, Wiederholungs- und Organisationsstrategien.

Mit Elaborationsstrategien werden Prozesse der Informationsverarbeitung bei Individuen beschrieben, die häufig auch als so genannte Tiefenstrategien bezeichnet werden. Lernende, die sich darum bemühen, einen neuen Lernstoff zu elaborieren, möchten diesen gerne tief verstehen, mit ihrem bisherigen Wissen verknüpfen, d. h. die neu enthaltenen Informationen in bestehende Wissensstrukturen integrieren (vgl. hierzu auch Moschner & Wagener, 2006, S. 50). Typische Vorgänge sind das Bilden von Analogien oder das Konstruieren von Beispielen bei komplexen oder abstrakten Inhalten. Um den Lernstoff gut verstehen und nachvollziehen zu können, überlegen sich Lernende beispielsweise geeignete Beispiele zu abstrakt oder theoretisch dargestellten Sachverhalten. Bei nur schwer verständlichen naturwissenschaftlichen Experimenten im Sachunterricht fertigen sie auf der Grundlage eines Textes aus einem Schulbuch kleine Skizzen oder führen den Versuch – wenn dies beim Lernen zu Hause oder im Unterricht möglich ist – eigenständig durch. Im Unterrichtsfach Mathematik hinterfragen Kinder beispielsweise neu eingeführte mathematische Formeln oder Regeln in Hinblick auf das Verständnis oder stellen Verknüpfungen zu bereits behandelten Aufgabenformaten her. Beim Lesen von Erzähltexten im Deutschunterricht bemühen sich Kinder die in einem neu zu bearbeitenden Informationstext enthaltenden Daten kritisch in Hinblick auf ihren Aussagegehalt zu hinterfragen, um die neu erfahrenen Informationen mit ihrem in diesem Bereich bereits erworbenen Wissen zu verknüpfen oder Querverbindungen zu bereits Gelerntem herzustellen. In der Regel „werden etwa beim Lesen auf der Basis einzelner Textteile Vorhersagen über weitere Abschnitte gemacht, aus dem Gelesenen Schlussfolgerungen gezogen oder nach Verbindungen zwischen einzelnen Textteilen untereinander sowie dem Text und Phänomene aus der Wirklichkeit gesucht. Durch die aktive Verarbeitung des Gelesenen wird das neue Wissen in bereits vorhandenes Vorwissen integriert“ (Artelt et al., 2001, S. 273).

Wiederholungsstrategien (auch: Memorierstrategien) werden dann von Schülerinnen und Schülern genutzt, wenn sie den neu erworbenen Lernstoff möglichst präzise speichern möchten. Als typische Lerntechniken nutzen sie hierbei das Auswendiglernen der neuen Inhalte oder Wissensausschnitte. Wiederholungsstrategien werden häufig auch als Oberflächenstrategien bezeichnet, da bei der Aneignung eines neuen Lernstoffs durch diesen Strategietypus nicht vordergründig ein tieferes Verständnis fokussiert, sondern vielmehr lediglich die Verfügbarkeit der neuen Inhalte durch Auswendiglernen anvisiert wird. Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter wenden Wiederholungsstrategien typischerweise an, wenn sie neue „mathematische Formeln“ am nächsten Tag für eine Klassenarbeit verfügbar haben möchten. Auch heute noch werden beispielsweise die Einmaleins-Reihen im Mathematikunterricht wenig auf das Verständnis bezogen gelernt, sondern dadurch, dass die einzelnen Reihen immer wieder neu aufgesagt und auf diese Weise einprägt werden. Andere Formen von Wiederholungsstrategien sind durch das fortwährende Aufschreiben wichtiger Daten oder durch so genannte ‚Eselsbrücken‘ gekennzeichnet, bei denen sich Lernende mit dem Ziel eines besseren Einprägens kleine Geschichten, Assoziationsketten oder Sinnbilder überlegen, so zum Beispiel beim Vokabelnlernen im Englischunterricht.

Kinder im Grundschulalter nutzen Organisationsstrategien dann, wenn komplexe Informationen aus ihrer Sicht simplifiziert, d. h. auf das Wesentliche reduziert werden müssen, damit sie die neuen Inhalte besser verstehen, behalten und abrufen können. Beispiele für die Anwendung von Organisationsstrategien sind das Unterstreichen wichtiger Textsegmente, das Anfertigen von Notizen oder das Erstellen von Gliederungen, Grafiken, Schaubildern oder Merklisten. Bei der Bearbeitung von Informationstexten im Deutschunterricht werden gehaltvolle Textpassagen bunt markiert. Wichtige neue Informationen werden auf Karteikarten festgehalten. Kompliziert dargestellte Sachverhalte werden vereinfacht umformuliert, Wichtiges von weniger Wichtigem getrennt. Im Mathematikunterricht müssen beispielsweise bei der Bearbeitung komplexerer Sachaufgaben verschiedene Teilrechnungen durchgeführt werden, die bei der Ermittlung des Gesamtergebnisses geschickt aufeinander bezogen werden müssen. Im Anschluss daran wird das Ergebnis in der Regel noch auf die jeweilige Ausgangssituation bezogen. Kinder, die ihre Aufgabenlösung organisieren, skizzieren einzelne Lösungsschritte und isolieren auf diese Weise das eigentliche Aufgabenproblem von den dabei erforderlichen, leichteren Rechnungen.

In manchen Modellen zur Beschreibung von Lernstrategien werden Organisationsstrategien unter den beiden zuvor dargestellten Strategietypen (d. h. Elaborations- und Wiederholdungsstrategien) subsumiert, da die Organisation neuer Informationen bereits eine Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand – ob nun mit dem Ziel eines tiefen Verständnisses oder einer eher oberflächlichen Konfrontation – beinhaltet.

Unter metakognitiven Strategien (auch Kontrollstrategien) werden die Planung, Organisation, Steuerung, Koordination und Evaluation bei Lernprozessen verstanden. Hierzu zählen zum Beispiel beim Aufgabenlösen die Planung des Lernziels und der Mittel, die zur Zielerreichung notwendig sind, die Überwachung des Lernfortschritts, die Steuerung des Lernprozesses durch Veränderung der zur Verfügung stehenden Mittel sowie die Evaluation, d. h. die Bewertung der Zielerreichung in Hinblick auf die erbrachte Lernleistung. Typische metakognitive Prozesse sind dabei zum Beispiel „das Verständnis kontrollieren“, „einen Lernplan erstellen“ oder „Fehler entdecken“. Im Mathematikunterricht werden von Kindern beispielsweise bei der Bearbeitung von mathematischen Problemstellungen angefertigte Rechenschritte durch Kontrollrechnungen geprüft, Alternativrechnungen durchgeführt oder wichtige Ergebnisse markiert, um später darauf zurückgreifen zu können. Bei Beginn der Bearbeitung verschiedener Aufgabenstellungen kann es für Kinder hilfreich sein, eine geeignete Reihenfolge festzulegen, zum Beispiel zunächst mit den leichteren Aufgaben zu beginnen und herausfordernde Problemstellungen im Anschluss zu bearbeiten. Im Deutschunterricht werden häufig metakognitive Strategien vermittelt, die Kindern das Lesen literarischer Texte oder Schriften sowie den Erwerb und Gebrauch von Informationen erleichtern sollen. Um das Verständnis beim Lesen zu kontrollieren, kann es wichtig sein, an der einen oder anderen Textstelle eine kurze Pause zu machen, sich schwierige Inhalte bewusst zu vergegenwärtigen und das eigene Verständnis zu überwachen.

Voneinander unterscheiden lassen sich damit grundlegend drei verschiedene Phasen bei dem bewussten Einsatz metakognitiver Strategien, die sich unter temporärem Gesichtspunkt vor (Planung des Lernprozesses), während (Regulation des Lernprozesses) und nach dem Lernprozess (Evaluation des Lernprozesses) verorten lassen.

Bei der

Planung des Lernprozesses

legen Lernende die Herangehensweise, zum Beispiel die Reihenfolge oder die Intensität, an den Lerngegenstand fest. Kinder entscheiden beispielsweise, welche Aufgaben sie aus einem vorgegebenen Aufgabenpool zuerst bearbeiten möchten oder sie überlegen vorab, welches Tagesziel sie erreichen wollen.

Bei der

Regulation des Lernprozesses

tragen Lernende dafür Sorge, dass das geplante Vorgehen auch tatsächlich umgesetzt wird, gegebenenfalls ändern sie die Herangehensweise, wenn sie bemerken, dass ihre zuvor getroffene Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Vorgehen nicht zielführend ist. Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter formulieren Verständnisfragen während des Lesens, die sie eigenständig beantworten und auf diese Weise eruieren, ob sie bis zu einer jeweiligen Textpassage alles verstanden haben. Häufig ist es für Schülerinnen und Schüler angeraten, schwierige Texte langsamer zu lesen, wenn bemerkt wird, dass der Text nur schwer verständlich ist oder ein wenig zu schwierig wirkt. Beim Schreiben von Texten lesen sie einzelne Textpassagen während des Schreibprozesses Korrektur, um beispielsweise die logische Konsistenz des Formulierten zu prüfen.

Bei der

Evaluation des Lernprozesses

überprüft ein Lerner schließlich, ob das antizipierte Lernziel erfolgreich erreicht worden ist und die Aufgabenstellung zur eigenen Zufriedenheit bearbeitet wurde. Diese anschließende Bewertung des eigenen Vorgehens stellt die Grundlage für die zukünftige Zielsetzung und Planung nachfolgender Lernprozesse dar.

Stützstrategien gelten schließlich als mitunter wichtigste Voraussetzungen, damit Lernen effektiv und erfolgreich gelingt. Unter Stützstrategien werden dabei Fähigkeiten zusammengefasst, die die Anstrengungsbereitschaft, die Motivation, die Aufmerksamkeit und die Misserfolgsbewältigung betreffen. Gerade der Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen gilt unter motivationalem Aspekt bei zeitlich vorausgegangenen Lernsituationen als wichtige Informationsquelle für die Zieladaption bei Lernprozessen. Für Kinder ist es daher wichtig, sich weder von Misserfolgen entmutigen zu lassen, noch sich auf erlebten (Teil-)Erfolgen auszuruhen. Stützstrategien einzusetzen bedeutet aber auch, sich das Erreichen von Teilzielen bewusst zu machen, sich selbst zu belohnen und Spaß oder Interesse an der Arbeit zu empfinden.

Um Aufgabenstellungen erfolgreich bearbeiten zu können oder um intensiv zu lernen, ist es erforderlich, sich bei Lernprozessen selbstständig Ziele zu setzen, sich vor größeren Herausforderungen nicht zu drücken und sich nach dem Motto „Das schaffe ich schon! So schwierig ist das ja gar nicht!“ immer wieder selbst zu motivieren. Im Detail bedeutet dies zum Beispiel, bei der Bearbeitung von Aufgaben- oder Problemstellungen, beim Zuhören von Lehrerinnen- oder Lehrervorträgen oder längeren Klassengesprächen, geduldig weiter zu arbeiten oder zuzuhören, auch wenn nicht alles auf Anhieb verstanden wird. Beim Lernen zu Hause – zum Beispiel vor einer Klassenarbeit – ist es für Kinder wichtig, die Aufmerksamkeit auf die Lernaufgaben zu richten und sich nicht ablenken zu lassen, d.h. sich vor konkurrierenden Handlungsintentionen bewusst abzugrenzen.

Stützstrategien stellen Selbstinstruktionen beim Lernen dar: Sich selbst motivieren zu können, sich nicht ablenken zu lassen, sich etwas zuzutrauen etc. sind manchmal auch für Erwachsene in spezifischen Situationen große Herausforderungen. Folgt man Artelt et al. (2001, S. 273), so stellen sie Voraussetzungen dafür dar, „dass Lernprozesse überhaupt begonnen und ausgeführt werden“. In verschiedenen Konzeptionen (vgl. z. B. Danserau, 1978) werden Stützstrategien aber auch als so genannte Sekundärstrategien bezeichnet. Lernprozesse werden in der Regel durch den Einsatz von Stützstrategien – dies ist die Annahme – erst initiiert und aufrechterhalten. Sie haben damit eine moderierende Funktion in Bezug auf die erfolgreiche Durchführung von Lernprozessen. Als Primärstrategien werden demgegenüber kognitive und metakognitive Strategien bezeichnet, bei denen davon ausgegangen wird, dass durch sie Prozesse der Informationsaufnahme direkt begünstigt werden.

Zu den Stützstrategien werden – hierauf sollte hingewiesen werden – ebenfalls Formen kooperativen Lernens gezählt, wie zum Beispiel das gegenseitige Erklären, Vormachen oder Helfen mit dem Ziel, einen Lerngegenstand besser zu verstehen. Darüber hinaus werden hierunter aber auch das Zeitmanagement, die Arbeitsplatzgestaltung sowie der Einsatz und Gebrauch verschiedener Medien und Hilfsmittel subsumiert.

3 Zusammenfassung und Ausblick

Die zuvor dargestellten Ausführungen verdeutlichen die Bedeutung der Anbahnung und Entwicklung von Lernstrategien im Grundschulunterricht. Es ist deutlich geworden, dass eine Förderung von Lernstrategien im Grundschulalter vermutlich selbstreguliertes Lernen begünstigt und eine wichtige Bedingung darstellen kann, damit Schülerinnen und Schüler im Grundschulunterricht und auch darüber hinaus eigenständig und selbstgesteuert ihre Lernprozesse strukturieren können. Lernstrategien stehen darüber hinaus in einem engen Zusammenhang zu erbrachten Kompetenzen in den Domänen spezifischen Unterrichtsfächern bei Schülerinnen und Schülern. Es kann angenommen werden, dass Lernstrategien dabei insbesondere die Intensität und damit die Qualität von Kompetenzerwerbsprozessen begünstigen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass unter Lernstrategien Verhaltensweisen und Kognitionen verstanden werden, die Lernende aktiv, in der Regel bewusst und häufig automatisiert einsetzen, um den Wissenserwerb und die eigene Motivation zu beeinflussen. Lernstrategien umfassen dabei sowohl kognitive Prozesse, die die Informationsverarbeitung und -speicherung betreffen, ebenso wie metakognitive Kontrollprozesse, die aus der Handlungssteuerung und -überwachung bestehen. Davon abgrenzen lassen sich so genannte Stützstrategien, die – unter motivationalem, emotionalem und volitionalem Aspekt – die Beeinflussung des Lernprozesses meinen.

Im Detail kann vermutet werden, dass Stützstrategien – gegenüber kognitiven und metakognitiven Stützstrategien – eher distal auf Kompetenzerwerbsprozesse von Schülerinnen und Schülern Einfluss nehmen, d. h. die Art und Weise der Verarbeitung neuer Informationen eher indirekt beeinflussen. Kognitive und metakognitive Lernstrategien stehen demgegenüber vermutlich in einem engen Zusammenhang zum Kompetenzerwerb. Sie wirken direkt auf das Lernen und den Kompetenzerwerb in den einzelnen Unterrichtsfächern ein.

Die Beantwortung der Frage, wie Lernstrategien von Kindern im Grundschulalter in einer angemessenen Weise im Kontext der Realisierung des Bildungsauftrags der Grundschule diagnostiziert und gefördert werden können, kann sicherlich nicht ohne Bezug zu den einzelnen Unterrichtsfächern auf der einen Seite und den Entwicklungsbedingungen von Kindern im Grundschulalter auf der anderen Seite erfolgen. Zu überlegen ist – erste Antworten hierauf werden in dem vorliegenden Buch gegeben –, ob und inwiefern Lernstrategien bereichsübergreifend bei Kindern im Grundschulalter angebahnt werden können (z. B. Möglichkeiten der Einprägung neuer Informationen durch den Einsatz von Wiederholungsstrategien) oder bereichsspezifisch in Bezug auf das Lernen in den einzelnen Unterrichtsfächern (z. B. Textarbeit im Deutschunterricht versus Problemlösen im Mathematikunterricht) gefördert werden müssten.

In Hinblick auf die Erkennung von Lernstrategien bei Kindern im Grundschulalter werden gerade vor dem Hintergrund der Grenzen von Fragebogenverfahren verschiedene Diagnosemöglichkeiten vorgeschlagen, beispielsweise Beobachtungen, mündliche Befragungen, Lerntagebücher etc. Zu überlegen ist in diesem Zusammenhang sicherlich, ob und inwiefern gerade bei der Durchführung empirischer Forschungsprojekte die Diskrepanz zwischen der Handlungs- und der Reflexionsebene aufgehoben werden kann. Es kann darüber hinaus davon ausgegangen werden, dass das Wissen über Lernstrategien bzw. Erklärungen seitens der Kinder über ihren habituellen Lernstrategieeinsatz nicht zwangsläufig induzieren muss, dass dieses Wissen der Kinder auch handlungsleitend ist, d. h. Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter berichtete Lernstrategien auch tatsächlich in konkreten Lernsituationen einsetzen (können). Es kann angenommen werden, dass Strategien häufig besonders bei Kindern im Grundschulalter unbewusst eingesetzt werden und damit automatisiert sind. Besonders bei komplexen Problemstellungen ist zu vermuten, dass sie dann, wenn sie besonders gefordert sind, unbewusst auf Strategien rekurrieren, die in anderen, zeitlich vorangegangenen Situationen aus ihrer Sicht erfolgreich gewesen sind.

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Entwicklung von Lernstrategien im Grundschulalter

Martin Lehmann & Marcus Hasselhorn

Information aufzunehmen, zu verarbeiten und für einen späteren Abruf wieder verfügbar zu haben, ist eine der Hauptaufgaben von Schülerinnen und Schülern. In manchen Situationen erfolgen die damit einhergehenden Prozesse der Informationsverarbeitung automatisch, etwa wenn Schülerinnen und Schüler ohne „nachzudenken“ die Frage beantworten, wie die Landeshauptstadt von Bayern heißt. In anderen Situationen kann es schwieriger sein, die Antwort auf eine Frage zu finden, und sehr verschiedene Gedächtnisprozesse müssen in Gang gesetzt werden, um sich beispielsweise die Hergänge des 30-jährigen Krieges zu vergegenwärtigen oder komplexe Divisionsaufgaben zu lösen. Ein kognitiver Prozess, der bewusst eingesetzt werden kann, um sich Information zu merken und später wieder abzurufen, ist die Nutzung von Strategien. Gerade für schulisches Lernen ist es wichtig zu wissen, was Strategien sind, wie sie sich entwickeln und wo und wann sie eingesetzt werden können, um Lernen zu verbessern. Der erste Teil dieses Kapitel stellt verschiedene Arten von Strategien und allgemeine Entwicklungsmodelle des Strategieeinsatzes vor. In einem zweiten Teil wird anhand aktueller Forschung die Entwicklung von zwei basalen Gedächtnisstrategien dargestellt. In einem dritten Abschnitt gehen wir schließlich auf die Verknüpfung von Lehrerinnen-/Lehrerverhalten und der beobachtbaren strategischen Aktivität von Schülerinnen und Schülern ein.

1 Strategieentwicklung

a)Definition und Arten von Strategien

Strategien lassen sich allgemein als zielgerichtete kognitive Operationen beschreiben, die dabei helfen sollen, eine Aufgabe zu lösen (vgl. Harnishfeger & Bjorklund, 1990) und die nicht lediglich als notwendiger Bestandteil der Lernanforderung auftreten (vgl. Siegler & Jenkins, 1989). Lernstrategien weisen bei ihrem Einsatz darüber hinaus noch mindestens eine weitere der folgenden Eigenschaften auf: Intentionalität, Bewusstheit, Spontaneität, Selektivität, Kontrolle und/oder Kapazitätsbelastung (vgl. Hasselhorn, 1996; Hasselhorn & Gold, 2006). Strategieklassifikationen enthalten bevorzugt eine Einteilung in kognitive Strategien, metakognitive Strategien und Stützstrategien (vgl. z. B. Weinstein & Mayer, 1986). Auch wenn der Schwerpunkt dieses Kapitels auf der Kategorie der kognitiven Strategien liegt, werden die beiden anderen Strategieformen im Folgenden kurz beschrieben, da sie helfen können, kognitive Strategien einzusetzen bzw. zu erleichtern. Unter Stützstrategien (des externen Ressourcenmanagements) sind alle Anstrengungen zu fassen, die dazu dienen, die Lernumwelt zu optimieren. Diese Bemühungen sind darauf ausgerichtet, den eigenen Arbeitsplatz oder Lernkontext (z. B. Aufsuchen einer Bibliothek, Bildung von Lern- oder Arbeitsgruppen) optimal zu gestalten. Bei den metakognitiven Strategien handelt es sich um sehr allgemeine, situationsübergreifende Prozesse der Steuerung und Kontrolle der kognitiven Strategien im engeren Sinne (vgl. Borkowski & Turner, 1990; Brown, 1978). Im Zentrum steht der flexible, kritische und reflektierte Umgang mit den kognitiven Strategien, der durch die Planung, Überwachung, Bewertung und die Regulation des Lernprozesses erfolgt. Dabei wird der eigene Lernprozess mit Fragen der folgenden Art begleitet: Welches Ziel will ich erreichen? Wie kann ich dieses Ziel erreichen? Auf welchem Stand ist mein eigener Lern-/Bearbeitungsfortschritt? Muss die Aufgabenbearbeitung verändert werden? Stimmen die Ergebnisse mit den gesetzten Zielen überein? Und ist der Lernprozess wie erwartet abgelaufen?

Die Untersuchung der Gedächtnisentwicklung und der kognitiven Strategien rückte vor mehr als 40 Jahren mit der Arbeit von Flavell, Beach und Chinsky (1966) über „Spontaneous Verbal Rehearsal in a Memory Task as a Function of Age“ in das Zentrum der Forschung zur kognitiven Entwicklung. Zur Erklärung von Entwicklungsveränderungen der Gedächtnisleistungen trägt neben den altersabhängigen strukturellen Veränderungen des semantischen Gedächtnisses eine zielgerichtete, systematische Nutzung von kognitiven Strategien entscheidend bei. Kognitive Strategien können zu allen Phasen der Aufgabenbearbeitung oder des Problemlöseprozesses eingesetzt werden. Grundsätzlich lassen sich dabei zwei Arten von kognitiven Strategien unterscheiden. Während Enkodierstrategien beim Einspeichern von Informationen eingesetzt werden, finden sich Abrufstrategien, wenn es um die Erinnerung an verarbeitete Informationen oder um deren Reproduktion geht. Enkodierstrategien werden von Kindern verwendet, weil sie hoffen, sich durch dieses aktuelle strategische Verhalten Dinge besser merken zu können. Abrufstrategien werden verwendet, um Zugang zu Informationen aus dem Langzeitgedächtnis zu erhalten und diese Informationen somit abrufen zu können bzw. zu „erinnern“. Zu den prominentesten Enkodierstrategien gehören die Elaborationsstrategien, die Organisationsstrategien und die Wiederholstrategien (Rehearsal). Elaborationsstrategien sind dadurch gekennzeichnet, dass das zu lernende Material mit zusätzlicher Information angereichert oder semantisch verknüpft wird. Bei dem Einsatz von Organisationsstrategien wird versucht, das zu lernende Material nach Oberbegriffen zu kategorisieren, und bei dem Einsatz von Wiederholstrategien werden die zu behaltenden Inhalte still für sich oder auch laut geäußert vor sich her gesprochen und wiederholt.

b)Entwicklungsmodelle von Strategien

In einer Vielzahl von Studien konnte gezeigt werden, dass es Fortschritte in der Entwicklung des kompetenten Strategiegebrauchs von der Vorschulzeit zur Grundschulzeit und darüber hinaus gibt (vgl. Schneider & Sodian, 1997). Auf dem Weg der Strategieentwicklung wurden drei Stadien so genannter Defizite ausgemacht, die häufig durchlaufen werden. Sehr junge Kinder profitieren bei Lernaufgaben oftmals nicht von Strategien, d. h. es kommt zu keiner Verbesserung der Behaltensleistung, selbst, wenn ihnen entsprechende Gedächtnisstrategien gezeigt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Mediationsdefizit (vgl. Reese, 1962). Es scheint, dass „Kinder in dieser frühen Phase ihr offenes Verhalten nicht verbal regulieren oder mediieren“ (Flavell et al., 1966, S. 283). Dieses Konzept erklärt allerdings nicht, warum sich die Merkfähigkeit von Kindern allgemein verbessert, wenn man ihnen Strategien beibringt (vgl. Siegler, 2001; Miller, 2000).

Im Verlauf der ersten Grundschuljahre nimmt man eine Übergangsphase strategischen Verhaltens an (vgl. Schneider & Sodian, 1997). Zu Beginn dieser Übergangsphase neigen Kinder dazu, ein so genanntes Produktionsdefizit zu zeigen. Dieses Defizit liegt nicht darin, dass Kinder nicht von einer Strategie profitieren können, sondern darin, dass sie diese Strategie nicht spontan, sondern nur nach entsprechenden hilfreichen Hinweisen zeigen. Nachweisen lässt sich das Produktionsdefizit anhand von Trainingsstudien, in denen die Kinder angeleitet werden, bestimmte Strategien zu verwenden. Obwohl durch das Training die Altersunterschiede nicht völlig eliminiert werden können, führt der Einsatz dieser effektiven Strategien zu einer Verbesserung der Gedächtnisleistung. Fällt jedoch die explizite Aufforderung für den Einsatz der zuvor instruierten Strategie weg, lässt sich auch der Gebrauch der Strategie nicht mehr beobachten. Es scheint, dass Kinder in dieser Phase noch kein Wissen über die Nützlichkeit des Einsatzes von kognitiven Strategien entwickelt haben. Andere mögliche Erklärungen dafür, dass Strategien nicht angewendet werden, sind in der Motivation der Kinder bzw. der Attraktivität der Aufgaben zu suchen (vgl. Goswami, 2001). Die Produktionsdefizithypothese klärt jedoch nicht, warum Kinder manchmal strategisches Verhalten zeigen und manchmal nicht, warum sie sich manchmal entscheiden, sich strategisch zu verhalten und manchmal nicht (vgl. Siegler, 2001).

Zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb dieser Übergangsphase durchlaufen Kinder ein weiteres Stadium der Strategieentwicklung. Dabei handelt es sich um das so genannte Nutzungsdefizit (vgl. Miller, 1994) bzw. die so genannte Nutzungsineffizienz (vgl. Hasselhorn, 1996). In diesem Stadium profitieren Kinder beim Einsatz einer Strategie nicht von ihr, d.h. sie haben keinen Leistungsgewinn durch sie; alternativ kann sich eine Nutzungsineffizienz dadurch äußern, dass die Verwendung einer Strategie für jüngere Kinder weniger gewinnbringend ausfällt als für ältere Kinder (vgl. Miller, 2000). Anders als bei dem oben genannten Mediationsdefizit verwenden die Kinder die Strategie spontan und selbstständig und anders als in der Phase des Produktionsdefizits erfahren sie beim Einsatz der Strategie keinen Leistungsgewinn. Die Erklärung für dieses Phänomen wird zum einen darin gesehen, dass der Einsatz neuer oder komplexer Strategien nicht ausreichend automatisiert ist. Aus diesem Grund kostet der Strategieeinsatz die Kinder zu viel der ihnen zur Verfügung stehenden Arbeitsgedächtniskapazität (siehe unten). Dies führt dazu, dass die Strategie nicht gewinnbringend verwendet und gleichzeitig das zu lernende Material ausreichend verarbeitet werden kann, um es später aus dem Gedächtnis abzurufen. In diesem Sinne haben Kinder zwar genügend Kapazitäten, um strategisches Verhalten zu zeigen, nicht jedoch um zusätzlich die vorgegebene Information für die Speicherung zu verarbeiten. Zum anderen muss für einen effizienten Strategieeinsatz bei Kindern Sensitivität dafür entwickelt werden, wann eine Strategie wirkungsvoll ist. Mit zunehmender Erfahrung sollten Strategien immer automatisierter und gezielter eingesetzt werden und sich in der Folge auch die Behaltensleistung verbessern. Das Konzept der Nutzungsineffizienz ist jedoch nicht unumstritten (vgl. z.B. Schlagmüller & Schneider, 2002). Gemäß neuer Studien scheint das Auftreten der Nutzungsineffizienz stark von dem jeweiligen Lernkontext abzuhängen. Somit unterliegt die Überwindung des Stadiums der Nutzungsineffizienz keinem „Alles oder Nichts-Prinzip“. Vielmehr kann sich ein und dieselbe Strategie in der einen Aufgabe als effizient, in einer anderen/schwierigeren Aufgabe als ineffizient erweisen, was die Kinder dazu zwingt, auf alternative Lösungswege zurückzugreifen.

Siegler (1996) beurteilt das Phänomen von koexistierenden effektiven und ineffektiven Strategien als eines der Grundcharakteristika der Strategieentwicklung und hat hierfür das so genannte Overlapping-Waves-Modell entworfen. Bei dem Overlapping-Waves-Modell wird davon ausgegangen, dass sowohl Lernen als auch Entwicklung durch drei grundlegende Prozesse charakterisiert sind: Variabilität, adaptive Strategiewahl und Veränderung. Untersuchungen in verschiedenen Bereichen, wie unter anderem in der motorischen Entwicklung (vgl. Adolph, 1997) der Arithmetik (vgl. Alibali, 1999) und im wissenschaftlichen Schlussfolgern (vgl. Schauble, 1996) konnten zeigen, dass Kleinkinder, Grundschülerinnen/-schüler und auch Studierende variabel in ihrem Strategiegebrauch sind und von Beginn an multiplen Strategiegebrauch aufweisen. Variabilität kann entweder bei verschiedenen Gelegenheiten oder Aufgabenstellungen auftreten oder auch bei mehrfacher Bearbeitung innerhalb einer Aufgabenanforderung (vgl. Siegler, 2000, 2002). Von adaptiver Strategiewahl spricht man insofern, als die Tatsache, verschiedene Strategien zur Verfügung zu haben, den Kindern ermöglicht, ihre Strategienutzung den Aufgabenanforderungen anzupassen. Veränderung wird innerhalb des Overlapping-Waves-Modells generell als graduelles Voranschreiten hin zu schnellerer und genauerer Leistung angesehen. Diese Veränderung kann auf vier verschiedene Arten geschehen: (1) Durch die Verwendung neuer, fortgeschrittener Strategien, (2) durch die vermehrte Verwendung fortgeschrittener Strategien aus dem Pool der bereits bekannten Strategien, (3) durch die zunehmende Effektivität in der Ausführung der Strategien und (4) durch die adaptivere Auswahl aus verschiedenen Strategien (für eine Übersicht vgl. Siegler, 2006). Eine der großen Stärken des Overlapping-Waves-Modells liegt darin, dass in ihm Lernen als Zusammenspiel qualitativer und quantitativer Merkmale verstanden wird. Auf der einen Seite entwerfen und verwenden Kinder qualitativ verschiedene Lösungsansätze und Strategien. Auf der anderen Seite finden dank der adaptiven Strategiewahl und zunehmender Effizienz im Strategiegebrauch quantitative Veränderungen in der Nutzung verschiedener Strategien statt (vgl. Siegler, 2007).

c)Einflussfaktoren auf die Strategieentwicklung

Der mit zunehmendem Alter effektivere Strategiegebrauch ist jedoch nicht allein darauf zurückzuführen, dass Kinder älter werden. Entwicklungsveränderungen sind vielmehr im Zusammenhang mit Veränderungen innerhalb eines komplexen Systems zu verstehen, d. h. Veränderungen in einzelnen Fertigkeiten sind entweder durch Veränderungen in anderen Mechanismen begründet oder aber sie beeinflussen selbst diese Mechanismen und Prozesse. Bezogen auf strategisches Verhalten erfolgen Veränderungen zumeist, wenn sich bisherige Verhaltensweisen oder Strategien als nicht mehr hinreichend hilfreich erweisen, wenn durch Übung oder Erfahrung eine veränderte Einsicht in die Aufgaben oder Probleme entsteht, oder wenn sich, wie erwähnt, Veränderungen in anderen Funktionen des kognitiven Systems vollziehen. Auch wenn nicht alle zugrunde liegenden Funktionen in Bezug auf verschiedene Strategien das gleiche Gewicht haben, muss für das Verstehen der Entwicklung von kognitiven Strategien, und ihrer zunehmenden Effektivität, die Entwicklung von Faktoren wie der Gedächtniskapazität, dem Vorwissen und dem Metagedächtnis einbezogen werden. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Faktoren, neben den drei genannten, die den Strategieeinsatz beeinflussen, wie beispielsweise die Intelligenz (vgl. Bjorklund & Schneider, 1996) oder auch motivationale Aspekte (vgl. Guttentag, 1995), die sich untereinander beeinflussen, auf die aber im Folgenden nicht ausführlich eingegangen wird.