Leuchtturm Lauterbach - 25 Jahre Neubeginn auf Rügen -  - E-Book

Leuchtturm Lauterbach - 25 Jahre Neubeginn auf Rügen E-Book

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Leuchtturm Lauterbach - Neubeginn auf Rügen. Eine Erfolgsgeschichte aus der Wendezeit. Sie erzählt von der Zusammenarbeit von Menschen in Ost und West zur Erhaltung eines Betriebes auf Rügen.

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Seitenzahl: 75

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Leuchtturm Lauterbach 25 Jahre Neubeginn auf Rügen

Horst von Gizycki: Ein Neubeginn auf Rügen

Tagebuchaufzeichnungen und Korrespondenzen Kassel - Lauterbach

Warum wir heute diese Geschichte erzählen?

Mail-Korrespondenz von Januar bis Juli 2017 zum „Rügenprojekt“

Ex-LPG-Team „Wir machen alles, was weiterhilft“

Alte Geschichten, böse Erinnerungen

Geschichte des Unternehmens und Porträt

Leuchtturm Lauterbach 25 Jahre Neubeginn auf Rügen

- eine Mutmachgeschichte -

Diese Geschichte sollte unbedingt erzählt werden, das denken Freunde, die dabei waren: und das nicht nur deshalb, weil es die ungewöhnliche Erfolgsgeschichte eines ostdeutschen Betriebs ist, der FLZ-Stahl- und Metallbau Lauterbach auf Rügen; vor allem ist es für uns eine Geschichte, die Mut macht, die zeigt, was es bedeutet in schwierigen Zeiten mit Widerstandsgeist und Vorstellungskraft an ein Projekt zu glauben: Wie lässt sich der Technikbetrieb einer Groß-LPG auf der Insel Rügen in eine eigenständige, selbstverwaltete Firma umwandeln, wenn das nötige Kapital und Know-How der kapitalistischen westdeutschen Seite fehlen?

Zwar stand die Treuhand, zur Rettung bereit, schon vor den Türen, aber der Traum von der Weiterführung des Betriebs mit den eigenen Mitarbeitern bewegte die Belegschaft. Es war dann schließlich eine Frage des Vertrauens, wie es sich im Rückblick zeigen sollte, die diese Erfolgsstory möglich machte.

Wie in jedem Jahr, so auch diesmal: Der Neujahrsgruß aus Lauterbach erreichte uns im Januar 2017 mit dem eindrucksvollen Fotomotiv der jüngsten Erfolge: In einem wunderschönen Parkgelände liegt die American Academy - Berlin Fellows Pavillon - , ausgezeichnet mit dem Preis des Deutschen Stahlbaus 2016. Wer sich noch an das Foto der Reportage in der Hessischen Allgemeinen Kassel - unter dem Titel, Wir machen alles was weiterhilft - 1991, erinnert, der mag es kaum glauben, dass aus diesen Werkstätten voller Schrottautos nun ein so moderner, ja eleganter Bau hervorgegangen ist. Und uns wurde plötzlich bewusst, dass das alles schon – oder - nur? - ein Vierteljahrhundert zurückliegt. Also wäre nun eigentlich ein traditionelles 25 Jahre Jubiläum zu feiern. Wir haben uns nun nach gemeinsamem Rückblick und Austausch dafür entschieden, diese Erfolgsstory als Mutmachgeschichte unter die Leute zu bringen. Da ist vor allem ein Feature des Hessischen Rundfunks: Neubeginn auf Rügen zu nennen - das am 3. Oktober 1991 - also am Jahrestag der Deutschen Einheit, gesendet wurde. Horst von Gizycki, Professor für Sozialpsychologie an der Kunsthochschule Kassel, erzählt von den ersten Kontakten mit den Leitern und Ingenieuren der LPG, Gerd und Martin Hurtienne, in der Evangelischen Akademie Greifswald. In Interviews kommen dann andere Mitarbeiter vor Ort zu Wort. Aus heutiger Sicht erscheint uns das alles ziemlich normal, und wir müssen uns schon 25 Jahre zurückversetzen, um zu verstehen, wie ungewöhnlich diese Begegnungen zwischen Ost und West damals auf allen Ebenen noch waren. Die Verbundenheit, die in den vielfältigen Kontakten über die Jahre einzelner Mitwirkender ihren Ausdruck fand und das Vertrauen, das zwischen ihnen entstanden ist, machen dieses Projekt für uns zu einem Leuchtturm, der weit über die Insel hinaus leuchtet........

Renate von Gizycki

Horst von Gizycki:

Ein Neubeginn auf Rügen

Radio-Feature im Hessischen Rundfunk am 3. Oktober 1991

In der Evangelischen Akademie Greifswald fand im November 1990 eine Tagung über die Krise und die Chancen des Dorfs in der ehemaligen DDR statt. Ich wurde dazu als Referent eingeladen, um von amerikanischen Erfahrungen zu berichten.1

Die Teilnehmer waren ältere Bauern, jüngere LPG-Angehörige, Lehrer, Tierärzte, Kirchenleute, Bürgermeister aus der Umgebung Greifswald bis nach Rügen. Der technische Leiter einer ehemaligen LPG auf Rügen, Gerd Hurtienne, berichtete von den Problemen der Umwandlung der früheren Großgenossenschaft in mehrere Teilbetriebe. Er und seine Mitarbeiter sind dabei, aus den Trümmern ihrer LPG etwas lebensfähig Neues zu machen. Sie fragen sich voller Sorge, wie sie es schaffen können, Arbeitsplätze in sozialer Verantwortung zu sichern. Was vor allem fehlt, ist Startkapital. Gerd Hurtienne ist mit seiner Frau zu dieser Tagung gekommen. Sie gehört der Landessynode an und beide haben während der SED-Herrschaft ihre fünf Kinder in protestantischer Grundhaltung gegen manche Schikane der Partei-Apparatschiks großgezogen. Mit ihrer moralischen Sensibilität, ihrer nüchternen und realistischen Einschätzung der jetzigen Situation und ihrer Bereitschaft zum Anpacken der Probleme, erinnern sie mich an amerikanische Freunde, die ich in einer schon 50 Jahre alten Kommunität in Georgia kennengelernt habe. Über diese Koinonia Partners habe ich auch bei der Greifswalder Tagung berichtet, vor allem über ihre genossenschaftlich organisierte Entwicklungshilfe für besitzlose Landarbeiter und für Asylanten. Finanziert wird das mithilfe zinsloser Darlehen, die ein Förderkreis aufbringt. In einem Koinonia-Text heißt es:

„Was die Besitzlosen in erster Linie brauchen, ist nicht Wohltätigkeit, sondern Kapital. Und was die Reichen brauchen zu ihrem eigenen wie zum Heil der Benachteiligten, ist eine vernünftige, gerechte und menschenwürdige Form der Hergabe ihres Überflusses.“

Abends bei einem Glas Wein mit Hurtiennes überlegen wir, ob sich nicht ein Sammelfond wie bei dem amerikanischen Selbsthilfeprojekt einrichten ließe, als Anschubhilfe für den kleinen Betrieb auf der Insel Rügen. Ich rege an, dass Gerd Hurtienne mir ein Konzept zuschickt. Als er dann ein paar Tage nach der Greifswalder Tagung das Konzept übersendet, stellt er auch noch einmal die Konflikte dar, in die er sich durch seine Arbeit in der LPG verwickelt sah:

„Die Bauern arbeiteten teilweise in Gemeinschaft, teilten ihre Arbeit, teilten den Gewinn. Dies sind gute Ansätze für eine soziale Gemeinschaft, die leider schon durch die Form ihrer Entstehung zum Untergang verurteilt wurden. Die Bauernhöfe wurden zum größten Teil vernichtet, Dörfer verloren ihre Farbe, ihr Leben. Bauern wurden zu Landarbeitern verkrüppelt. Dies sind Tatsachen – und trotzdem gibt es einen schmalen Steig, der mich in meiner beruflichen Arbeit in eine solche Genossenschaft geführt hat. Ich hoffe, Sie werden dies nicht als eine Art Blendung oder als Augenverschließen vor der Realität werten. Die gemeinnützige Tätigkeit in der Genossenschaft auf unserer Insel Rügen, in der in Gemeinschaft gearbeitet, gewohnt, gebaut (ca. 50 Einfamilienhäuser für Genossenschaftsmitglieder) und Infrastruktur entwickelt wurde (Straßen, Wege, Küstenschutz) trägt für mich einen zutiefst gemeinschaftlichen und sozialen Charakter. Mit dieser Einstellung habe ich gelebt und gearbeitet; dahinter steht ein christlicher Glaube. Und ständig habe ich mich im Spannungsfeld des Ausgenutztseins durch das politische System der DDR, durch die SED-Funktionäre und meinem natürlichen Idealismus gefühlt. Auch das war Leben in der DDR. Eine Erfahrung. Was wird aus den von mir beschriebenen positiven Ansätzen einer sozialen gemeinsamen Tätigkeit, die auch in den gescheiterten LPGen stecken, möchte man diese nur sehen!?“

Später, bei meinem Besuch auf Rügen, wird in einer Gesprächsrunde mit Gerd Hurtienne und seinen Mitarbeitern über die Gemeinschaftsqualität als Erbe der alten LPG gesagt:

„Begonnen hatte die Gründung dieser LPG auch hier auf Rügen eigentlich sehr negativ. Es war eine Zwangsvereinigung sozusagen. Und ich glaube das war eigentlich auch schon das Ende. Aber da die Leute damals in der Gründerzeit der LPG in diese Genossenschaften gegangen sind mit ihrem Hab und Gut, mit Vieh und Land und Maschinen, sie mussten dies, haben sie sich aber auch irgendwann daran gewöhnt, und es kamen junge Leute nach, und schon war ein Teil von diesem Ursprung auch vergessen, also das Negative, denke ich. Und man gewöhnte sich eigentlich daran, dass das jetzt ein Betrieb ist, der gegründet wurde, der läuft, der funktioniert. Und man wusste auch, dass man zusammen arbeitet. Es war ja an sich überschaubar, ein Feld zu bestellen, es zu pflegen und abzuernten, und jeder machte ein Stück davon und spezialisierte sich dann auch darauf: Der eine fuhr nur Traktor, der andere reparierte den Traktor nur, und der andere war am Stall und pflegte die Tiere, und das, denke ich, gab so eine Art Gemeinschaftsgefühl mit dem Namen LPG Genossenschaft. Und diese Genossenschaft wurde in der DDR eigentlich unter anderen Vorzeichen immer gesehen als ein VEB-Betrieb, der in der Industrie dann das Normale wurde. Und diese LPG hatte eben nicht nur die Aufgabe gestellt zu produzieren und ihre Leute Geld verdienen zu lassen, sondern sorgte auch, so haben wir das hier erlebt, für den privaten Bereich der Leute, für die Familien, d.h. für Wohnraum. Es wurden ja eine Menge von Häusern modernisiert, repariert und neugebaut, für die hiesigen Genossenschaftsbauern, und dies sorgte auch für eine Unterstützung der privaten Viehzucht, die einige Genossenschaftsbauern in all den Jahren trotzdem betrieben haben. Und das, denke ich, wurde von vielen Leuten auch so gesehen, als positiv und als eine wertvolle Sache.“

In dieser Grundhaltung wird von den Beteiligten eine Bedingung für das Gelingen des Projekts gesehen:

„Dies ist so eine echte Chance. Die hat man im mittelständischen Bereich, so wie wir das sind, nur, wenn man versucht, einen Betrieb aufzubauen, und wenn ich jetzt sage als Familienbetrieb, dann meine ich jetzt nicht die Namen Perkur oder Hurtienne oder Streubel oder Dietrich, dann mein ich das eigentlich so, dass 25 Mann eine Familie sind, und wo jeder auch mal die Aufgaben des anderen übernehmen würde. Und dass der Schlosser in der Werkstatt, dass ich seine Arbeit respektiere, und dass der dafür gut bezahlt werden soll, aber der auch meine Aufgaben respektiert, wenn ich Geschäftsführer bin, und dass man auch füreinander da ist und dass jeder sieht, dass