Liebe ist ein Glücksfall - Mila Summers - E-Book
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Mila Summers

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Beschreibung

Nach einer gescheiterten Beziehung beginnt Philippa ganz von vorn. Sie verlässt Minneapolis und zieht nach New York. Alles könnte so einfach sein, wäre da nicht plötzlich Graham, der ebenfalls der Meinung ist, die Wohnung gehöre ihm. Während sich der Vermieter mit der endgültigen Entscheidung, wem denn nun die Wohnung zugesprochen wird, Zeit lässt, fliegen zwischen Philippa und Graham nicht nur sprichwörtlich die Fetzen. Erst als Philippa von den Schatten ihrer Vergangenheit heimgesucht wird, wendet sich das Blatt. Graham steht für sie ein, ohne auch nur ansatzweise zu ahnen, was sein Handeln für Konsequenzen für sein Herz haben könnte.

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Mila Summers

 

Liebe ist ein Glücksfall

 

 

 

 

Über das Buch:

Was würdest du tun, wenn du deine neue Wohnung mit deinem schlimmsten Albtraum teilen müsstest?

Nach einer gescheiterten Beziehung beginnt Philippa ganz von vorn. Sie verlässt Minneapolis und zieht nach New York City.

Alles könnte so einfach sein, wäre da nicht plötzlich Graham, der ebenfalls der Meinung ist, die Wohnung gehöre ihm.

Während sich der Vermieter mit der endgültigen Entscheidung, wem denn nun die Wohnung zugesprochen wird, Zeit lässt, fliegen zwischen Philippa und Graham nicht nur sprichwörtlich die Fetzen.

Erst als Philippa von den Schatten ihrer Vergangenheit heimgesucht wird, wendet sich das Blatt. Graham steht für sie ein, ohne auch nur ansatzweise zu ahnen, was sein Handeln für Konsequenzen für sein Herz haben könnte.

 

Über die Autorin:

Mila Summers, geboren 1984, lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Würzburg. Sie studierte Europäische Ethnologie, Geschichte und Öffentliches Recht. Nach einer plötzlichen Eingebung in der Schwangerschaft schreibt sie nun dramatische und humorvolle Liebesromane mit Happy End und erfreut sich am regen Austausch mit ihren LeserInnen.

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Bisher von der Autorin erschienen:

»Manhattan-Love-Stories«

Irresponsible desire (Band 1)

Irrepressible desire (Band 2)

Irresistible desire (Band 3)

 

»Tales of Chicago«-Reihe

Küss mich wach (Band 1)

Vom Glück geküsst (Band 2)

Ein Frosch zum Küssen (Band 3)

Küsse in luftiger Höhe (Band 4)

Zum Küssen verführt (Band 5)

 

»Social-Web-Trilogie«

Instafame oder Gummistiefel in Acryl

Facebook Romance oder nach all den Jahren

Twinder oder die Irrungen und Wirrungen der Liebe

 

Alle Teile sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Allerdings gibt es ein Wiedersehen mit den Protagonisten der vorhergehenden Bücher.

 

Weitere Bücher der Autorin:

Vielleicht klappt es ja morgen. Liebe in (wahlweise Hamburg, Leipzig, Wien oder Würzburg)

Rettung für die Liebe

Liebe lieber einzigartig

Küsse unter dem Mistelzweig

Auf einmal Liebe

Sommer, Sonne, Strand und Liebe – Nele & Josh

Liebe und andere Weihnachtswunder

Liebe ist nur mit Dir

Schneegestöber (Charity-Buchprojekt für die Stiftung Bärenherz in Wiesbaden)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

MILA

SUMMERS

 

 

Liebe ist ein Glücksfall

 

Roman

 

 

 

 

Deutsche Erstauflage Februar 2019

Copyright © Mila Summers

Lektorat: Dorothea Kenneweg

Korrektorat: Jil Aimée Bayer

Covergestaltung: Nadine Kapp

Covermotiv: Shutterstock © Oksana Shufrych / Breslavtsev Oleg

 

Impressum:

D. Hartung

Frankfurter Str. 22

97082 Würzburg

 

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

[email protected]

 

 

 

 

 

 

Die Liebe ist langmütig,

die Liebe ist gütig.

Sie ereifert sich nicht,

sie prahlt nicht,

sie bläht sich nicht auf.

Sie handelt nicht ungehörig,

sucht nicht ihren Vorteil,

lässt sich nicht zum Zorn reizen,

trägt das Böse nicht nach.

Sie freut sich nicht über das Unrecht,

sondern freut sich an der Wahrheit.

Sie erträgt alles,

glaubt alles,

hofft alles,

hält allem stand.

Die Liebe hört niemals auf.

(1. Kor 13,4–8)

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Epilog

Danksagung

Weitere Bücher der Autorin

Liebe ist – Reihe

Kapitel 1

 

Philippa

 

»Wenn ich gewusst hätte, dass ein funktionierender Aufzug in einem Wohnhaus in New York eher zur Seltenheit als zur Standardausstattung gehört, dann hätte ich mir eine andere Stadt ausgesucht.«

Keuchend kämpfte ich mich in das dritte Stockwerk nach oben. Unter den Armen trug ich zwei randvoll gefüllte Papiertüten, in denen sich mein Wocheneinkauf befand. Meine Freundin Gwen hatte ich zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt. Also, natürlich nur im übertragenen Sinn.

Meine beste Freundin lag selbstverständlich nicht platt gedrückt wie eine Flunder auf meiner Schulter, sondern war lediglich am Telefon und hörte mir beim Schnaufen und Schimpfen zu. Wenn man in dieser gigantischen Stadt, in der gefühlt mehr Menschen als Ameisen lebten, schon kein Gehör fand, dann würde meine beste Freundin eben herhalten und meinen Kummer mit mir gemeinsam ertragen müssen.

»Ach, komm schon, Phil. So schlimm kann es doch nicht sein. Bestimmt ist der Aufzug nächste Woche schon wieder repariert. Nur deshalb alles gleich wieder aufzugeben, wäre doch wirklich etwas übertrieben. Meintest du nicht, dass du total glücklich mit deiner leitenden Stelle im Kindergarten seist?«

Ich stöhnte bei Gwens Worten in den Hörer. Dieses Mal hatte es nichts mit dem beschwerlichen Aufstieg zu tun. Anscheinend hing ihr Himmel noch immer voller Geigen. Seit sie ihren Jugendfreund Mason vor einem Jahr geheiratet hatte, war Gwen beinahe unerträglich gut gelaunt. Ständig. Man konnte sagen und machen, was man wollte, es schlug ihr einfach nichts aufs Gemüt.

»Ich dachte mir schon, dass du mich nicht verstehen würdest«, stänkerte ich wie eine Dreijährige herum, der man den Schnuller abgenommen hatte.

Ein Pärchen kam mir auf dem Absatz entgegen und drängelte sich eng umschlungen an mir und meinem Einkauf vorbei. Die beiden waren mir auf Anhieb unsympathisch, bisher hatte ich sie noch nicht im Haus gesehen. Aber das war nicht weiter verwunderlich. Schließlich wohnte ich erst seit Montag hier. Heute war Freitag und das Haus war verdammt groß. Ich überschlug kurz im Kopf, wie viele Wohneinheiten in die zwölf Stockwerke passten. Auf jeder Etage befanden sich zwei Wohnungen.

Es waren auf jeden Fall mehr als in meinem alten Wohnhaus in Minneapolis. Viel mehr. Das Haus dort besaß lediglich drei Stockwerke. Durch die körperliche Anstrengung gelang es mir einfach nicht, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

»Phil, jetzt sei nicht gemein. Ich will mich nicht mit meiner besten Freundin streiten. Erzähl mir lieber, wie die schönen Seiten New Yorks aussehen. Ist es wie in Sex and the City? Ich meine, du weißt schon … Ist New York so schillernd und atemberaubend, wie Carrie Bradshaw uns immer weismachen wollte?«

Das war eine verdammt gute Frage, und ich hatte auf diese nur eine einzige Antwort: Ich hatte keinen blassen Schimmer. Meine ersten Tage hier in New York waren davon geprägt gewesen, den Weg zu meiner neuen Arbeitsstelle zu finden, dabei nicht von einem Taxi über den Haufen gefahren zu werden und um die Horden von Touristen einen riesigen Bogen zu machen.

Die angesagten Cafés und Bars dieser Stadt würde ich erst noch im Netz ausfindig machen müssen. Und darauf freute ich mich in gewisser Hinsicht sogar. Schließlich hatte ich die Stadt schon immer cool gefunden und mir in meinen kühnsten Träumen ausgemalt, wie es wohl war, hier zu leben. Aber New York war einfach zu groß, um mal eben die Blocks abzulaufen und nach einer schönen Location Ausschau zu halten.

Für große Vorbereitungen hatte meine Zeit nach dem überstürzten Aufbruch aus Minneapolis einfach nicht gereicht. So schlimm es auch war, dass ich sogar die Stadt hatte verlassen müssen, um meinem aggressiven Ex-Freund zu entfliehen, so bot es mir doch immerhin endlich die Gelegenheit, nach New York zu ziehen. Es war schon immer mein Traum gewesen, eine Zeit lang in dieser Stadt zu leben. Bisher war es mir aber um einiges wichtiger erschienen, einen Job und eine Wohnung zu suchen, als die Stadt zu erkunden. Beides in der Kürze der Zeit gefunden zu haben, kam einem Jackpot gleich. Für alles andere würde bald noch genug Zeit sein.

Also antwortete ich ganz ehrlich. »Ich weiß es nicht, aber sobald ich mich hier ein bisschen besser auskenne, musst du mich unbedingt besuchen kommen.«

Das war ein weiterer unschöner Faktor, wenn man Hals über Kopf sein Zuhause verließ und in einer neuen Stadt bei null anfing: Man kannte nicht nur keine netten kleinen Cafés, in denen man Bagels und Donuts futtern konnte, man kannte überhaupt nichts und niemanden, mit dem man seine Freizeit verbringen konnte.

Bisher war das noch kein Thema gewesen, da mich mein neuer Job und die Einrichtung meiner Wohnung vollends in Beschlag genommen hatten. Aber mir graute es schon vor dem Wochenende und der vielen freien Zeit, die ich nun irgendwie sinnvoll füllen musste, um nicht an das zu denken, was hinter mir lag.

»Aber sicher doch. Ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen. Unser letztes Treffen ist schon viel zu lange her. Wir müssen unbedingt mal wieder ein Mädelswochenende machen. Nur du und ich. Welcher Ort wäre dafür passender als die Stadt, die niemals schläft?«

Gwen hatte recht. Wir brauchten dringend mal wieder ein wenig Zeit nur für uns. Sosehr ich Mason auch mochte, gab es einfach Dinge, die man ungern mit dem Ehemann seiner besten Freundin besprach. Zu diesen gehörten auch die Erlebnisse mit meinem Ex-Freund Hudson in den letzten sechs Monaten, die aus mir eine andere Philippa gemacht hatten.

Auch wenn ich mich nach außen hin offen und selbstbewusst gab, sah es tief in mir drin ganz anders aus. Es würde mir guttun, mit Gwen unter vier Augen darüber zu sprechen. Denn auch sie kannte nicht mal ansatzweise die volle Tragweite der Geschichte. Zwischen Tür und Angel oder eben eingepfercht zwischen Ohrmuschel und Schulter war das allerdings alles nicht so einfach.

Noch ehe ich Gwen mitteilen konnte, wie toll ich ihre Idee fand, kreuzte der alte Mr. Fellowes meinen Weg und hob die Arme in die Höhe, um mich auf ihn aufmerksam zu machen. Im Gegensatz zu dem jungen Pärchen von eben kannte ich diesen Herren zu meinem Leidwesen bereits ziemlich gut. Denn Mr. Fellowes war ein Querulant erster Güte. Er hatte an jedem und allem etwas auszusetzen und war nicht mehr ganz richtig im Kopf.

Schon beim Einzug hatte er mich mehrmals darauf hingewiesen, dass Katzen in diesem Haus nicht erlaubt seien. Ich fand es ja nett, dass er mich auf diesen Umstand aufmerksam gemacht hat, allerdings besaß ich keine Haustiere. Nicht mehr, seit meine Wellensittiche vor Jahren gestorben waren. Trotz meines Einwands wurde Mr. Fellowes allerdings auch in den folgenden Tagen nicht müde, mir zu erklären, dass meine nicht existente Katze in diesem Haus nicht erwünscht wäre.

Ich vertröstete meine Freundin und erklärte ihr, dass ich mich später noch einmal bei ihr melden würde, atmete tief durch und stellte mich der größten Herausforderung des Tages: Ruhe bewahren, obwohl mir eher nach Ausflippen zumute war.

Denn im Grunde würde ich lieber Backsteine anknabbern, als mit Mr. Fellowes aus 3 B zu sprechen. Dennoch zwang ich mich zu einem Lächeln.

Auch wenn in diesem Haus verdammt viele Menschen lebten, deren Anzahl ich noch immer nicht fassen konnte, wollte ich nicht schon zu Beginn riskieren, als die fürchterliche neue Mieterin verschrien zu sein, die nur Streit suchte und sich den Gegebenheiten nicht anpassen konnte.

»Mr. Fellowes, was verschafft mir heute die Ehre?«, fragte ich bemüht freundlich, während meine Gesichtsmuskeln verräterisch zu zucken begannen.

Der alte hagere Mann mit dem ergrauten Schnauzbart und der Vollglatze redete gar nicht erst lange um den heißen Brei herum. Auch bemühte er sich im Gegensatz zu mir kein bisschen darum, sich nett und freundlich zu geben.

»Ihre Katze stört die Mittagsruhe.«

Ganz ruhig bleiben!, redete ich mir immer wieder gut zu.

Die Sache mit der nicht existenten Katze würde sich schon noch klären. Irgendwann würde auch Mr. Fellowes verstehen, dass ich in meinem ganzen Leben noch keine Katze besessen hatte und dem armen Tier, falls ich doch irgendwann mit dem Gedanken spielen sollte, mir eine anzuschaffen, auch keine Stadtwohnung mitten in Manhattan zumuten würde.

»Mr. Fellowes«, säuselte ich zuckersüß, auch wenn mir eher zum Heulen war.

Die Woche war anstrengend gewesen. Schließlich hatte ich mein komplettes Leben innerhalb nur weniger Tage einmal komplett umkrempeln müssen. Es fiel mir nicht sonderlich leicht, mich in der Version 2.0 zurechtzufinden. Wäre es nach mir gegangen, dann hätte ich bis an mein Lebensende Minneapolis nie dauerhaft verlassen. New York hin oder her.

»Miss Godwin, ich bin immer offen für die Bedürfnisse meiner Nachbarn …«

Ich biss mir auf die Zunge, um bei der Bemerkung von Mr. Fellowes nicht schallend loszulachen. Irgendwas sagte mir, dass das unsere angespannte Lage nicht unbedingt verbessern würde.

»Aber ich kann nicht länger darüber hinwegsehen, dass Sie sich derart vehement den Hausregeln widersetzen. Hier leben zu viele Menschen, als dass jeder das machen kann, worauf er Lust hat. Rücksicht ist hier das oberste Gebot.«

Nicht einmal Mr. Fellowes, das vermeintliche Urgestein des Wohnblocks, konnte die genaue Anzahl der Mieter benennen, stellte ich mit Genugtuung fest.

»Mr. Fellowes«, versuchte ich erneut, mir Gehör zu verschaffen. Dennoch bemühte ich mich noch immer um ein Lächeln, auch wenn meine Stimme schon etwas entschlossener und weniger freundlich klang. Schließlich war ich ja keine Erstklässlerin, die man mal eben auf dem Absatz zwischen zwei Stockwerken rundmachen konnte.

Ich war eine erwachsene Frau, die sich absolut sicher war, dass sie sich in ihrem neuen Zuhause bisher nichts hatte zu Schulden kommen lassen. Das Einzige, was man mir zulasten legen konnte, war das Zusammenbauen meines Badezimmerschranks. In diesem speziellen Fall hatte ich dringend fertig werden wollen und sogar noch bis weit nach Mitternacht geschraubt.

Merkwürdigerweise hatte sich darüber niemand im Haus beschwert. Nicht einmal Mr. Fellowes. Nur diese ominöse Katze, von der ich bisher noch nichts gesehen hatte, schien ihm jeden Tag aufs Neue die Laune zu verhageln.

»Die Katze muss weg!«, brachte er seine Message endlich auf den Punkt, indem er wild dazu gestikulierte.

Eine Frau mit einem weinenden Kind an der Hand passierte uns und war so schnell im Stockwerk über uns verschwunden, dass ich das Gefühl bekam, sie wäre froh, dass Mr. Fellows heute schon ein Opfer für seine Standpauke gefunden hatte.

Tatsächlich galt seine volle Aufmerksamkeit einzig und allein mir. Leider.

»Mr. Fellowes!«, schrie ich nun etwas zu laut. Aber ich hatte die Faxen mittlerweile dicke. Wenigstens reagierte Mr. Fellowes nun endlich darauf, indem er mich mit weit aufgerissenen Augen erwartungsvoll anstarrte und für einen Moment die Klappe hielt. »Ich erkläre es Ihnen gerne noch mal in aller Ruhe: Ich habe gar keine Katze«, sagte ich ganz langsam, laut und deutlich.

Mr. Fellowes sah mich einen Moment durchdringend an. »Blödsinn! Natürlich haben Sie eine. Ich habe doch eben gehört, wie sie die Klospülung betätigt hat.«

Okay, so langsam wurde dieses Gespräch lächerlich.

Klar, es gab diese Superkatzen wie bei America’s Got Talent, die ihren Toast eigenständig mit Erdnussbutter bestreichen und im Notfall sogar 911 wählen konnten. Aber wie bereits mehrfach erwähnt: Ich besaß überhaupt keine Katze.

»Mr. Fellowes, vielleicht haben Sie die Geräusche ja aus einer anderen Wohnung gehört«, bemühte ich mich noch immer um etwas Diplomatie.

Meinen Start in New York hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Aber zumindest hatten die Auseinandersetzungen mit Mr. Fellowes ein Gutes. Anstatt mich allabendlich in den Schlaf zu weinen, musste ich mich immer wieder fragen, was ich nur in einem früheren Leben Schlimmes verbrochen haben konnte, um so zu enden.

Das Leben hatte es in den letzten Wochen und Monaten nicht sonderlich gut mit mir gemeint. Nun allerdings zauberte es mir zu all dem Mist, der mir wie Hundekacke an den Schuhsohlen klebte, auch noch Mr. Fellowes wie ein Geschwür an den Allerwertesten.

»Wollen Sie damit etwa andeuten, ich sei senil?«

Der eben noch echauffierte, aber ansonsten recht ausgelassen wirkende Mr. Fellowes wechselte schlagartig seine Gesichtsfarbe von einem morbiden Wandweiß zu einem Krebsrot. Sein künstliches Gebiss klapperte in seinem Mund und die herabhängende, faltige Haut an seinen Wangenknochen wippte passend im Takt dazu.

»Nein! So hatte ich das doch gar nicht gemeint. Hier im Haus wohnen ja so viele Menschen. Vielleicht dachten Sie nur, das Geräusch, ebenso wie die nicht vorhandene Katze, in meinem Apartment gehört zu haben. Dabei war es aber im Stockwerk darüber oder darunter.«

Die Einkaufstaschen in meinen Armen wogen mittlerweile zentnerschwer. Nur mit Müh und Not konnte ich aufrecht stehen, während mir der Schweiß auf der Stirn ausbrach und ein pochender Schmerz hinter meinen Schläfen einsetzte.

»Aha! Sie geben es also ganz offen zu, dass Sie mich für einen alten Trottel halten, der nicht mehr ganz klar im Kopf ist und sich das alles nur ausdenkt.« Mr. Fellowes’ Stimme hallte wie ein Donnergrollen durch die Etagen. Wenn das kleine Kind, das eben mit seiner Mutter an der Hand an uns vorbeigelaufen war, nicht schon geweint hätte, dann hätte es nun mit Sicherheit das kleine, süße Gesichtlein verzogen und bittere Tränen vergossen.

So wie ich es gerne täte. Diese Situation war derart aberwitzig, doch zugleich brachte sie mich nahezu an den Rand des Wahnsinns. Man konnte mit diesem Mann kein vernünftiges Gespräch führen. Es war aussichtslos.

»Mr. Fellowes, ich denke natürlich nicht, dass …« Weiter kam ich nicht. Doch dieses Mal war es nicht mein garstiger Nachbar aus der 3 B, der mich harsch unterbrach. Eine der Tüten in meiner Hand war am Boden aufgerissen. Natürlich war es nicht die Tasche mit dem Mehl und der Butter drin. Das wäre ja auch zu einfach gewesen. Nein, es mussten die Apfelsinen, Kiwis und Mandarinen sein, die emsig Stufe um Stufe nach unten purzelten und sich dabei einen Wettlauf durch das Treppenhaus lieferten.

»Oh, das ist jetzt natürlich … Ich würde Ihnen ja gerne helfen, aber mein Ischias quält mich seit einigen Tagen«, bemerkte Mr. Fellowes mit gerunzelter Stirn, ehe er kurz entschlossen den Rückzug antrat.

Wenigstens ein Problem weniger. Wenn ich mir die einzeln nach unten sausenden Obstsorten allerdings so ansah, wusste ich beileibe nicht, was schlimmer war: Mr. Fellowes weiterhin davon zu überzeugen, dass ich wirklich keine Katzenbesitzerin war, oder die Stufen, die ich eben erst so mühevoll überwunden hatte, erneut nach unten zu gehen, um das lose Obst wieder einzufangen.

 

Völlig ausgelaugt kam ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich in meiner Wohnung an. Die Tür war nur angelehnt. Ich hatte offenbar vergessen, sie abzuschließen. Erschrocken über meine eigene Nachlässigkeit trat ich ein und versuchte, die aufkommende Panik im Keim zu ersticken. Hudson hatte damit nichts zu tun. Er war nicht hier, er konnte wirklich nicht wissen, wo ich jetzt wohnte. Wahrscheinlich hatte ich mich noch nicht an das neue Sicherheitsschloss gewöhnt und nach dem aufregenden Neuanfang in New York war ich wohl etwas unaufmerksam gewesen. Doch ich dachte nicht weiter darüber nach und sah zu, dass ich mit meinen Einkäufen schnell hineinkam. Bei meinem Glück würde Mr. Fellowes gleich wieder aus seiner Wohnung stürzen und den nächsten Streit vom Zaun brechen. Darauf konnte ich getrost verzichten.

Ich wuchtete die Tüten in die Küche und stellte sie auf das viel zu schmale Stehpult, das bereits bei meinem Einzug zur Einrichtung gehört hatte. Ein Tisch mit vier Stühlen wäre mir zwar wesentlich lieber gewesen, aber ich hatte es umsonst bekommen und wollte nicht meckern.

Wenn ich irgendwann mal wieder schwarze Zahlen auf dem Bankkonto sah, konnte ich ja noch immer Veränderungen vornehmen. Jetzt galt es erst mal, überhaupt zu überleben.

Schon auf dem Weg nach Hause hatte ich mich auf meine Badewanne gefreut. Kurz entschlossen eilte ich in mein Schlafzimmer, entledigte mich dort meiner Kleider und kramte aus einer der noch nicht ausgepackten Umzugskisten eine Kerze und ein Buch heraus.

In der Küche goss ich mir noch ein Glas Rotwein ein. Nur für den Fall, dass mich Kerze und Buch nicht in Stimmung brachten. Ich wollte wirklich nichts unversucht lassen, um die Querelen mit dem Nachbarn und die Anstrengungen des Tages schnellstmöglich zu vergessen.

Barfuß huschte ich über den Flur zum Badezimmer, um das warme Wasser in die Wanne einlaufen zu lassen und endlich abzuschalten. Ich nippte an meinem Glas Rotwein und kicherte sogleich bei der Vorstellung, womöglich doch eine Katze auf meiner Toilette sitzen zu sehen, wo sie gerade die Spülung betätigte. Im Grunde war die Unterhaltung mit Mr. Fellowes doch höchst amüsant gewesen.

Mit einem Lächeln auf den Lippen drückte ich die Türklinke der Badezimmertür hinunter. Kaum dass ich einen Blick in das Innere des Zimmers geworfen hatte, fiel mein Glas zu Boden – ebenso wie das Buch und die Kerze.

Kapitel 2

 

Graham

 

»Was zur Hölle machen Sie in meiner Wohnung? Fast nackt?«

Der Tag war bisher beschissen verlaufen. Einige Idioten in Vorstandspositionen hatten dermaßen katastrophale Entscheidungen getroffen, dass die Aktienkurse an der Wall Street gegen jeden zu erwartenden Trend in den Keller gefallen waren.

Und anstatt mich nun von den Strapazen dieses mehr als bescheidenen Tages erholen zu können, wurde ich in meiner Privatsphäre gestört. Die Mitarbeiterin der Umzugsfirma, die ich damit beauftragt hatte, meine Sachen aus London in diese Wohnung zu bringen und für mich einzuräumen, spazierte offenbar lieber bis auf die Unterwäsche entkleidet durch meine Wohnung und genehmigte sich dabei ein Glas Wein.

Mit offen stehendem Mund und vor Schock geweiteten Augen blickte mich die Frau vor mir an. Sie schien so irritiert über meine Anwesenheit, dass sie nicht einmal versuchte, ihre Blöße zu bedecken. Auch wenn ich nicht behaupten konnte, dass ich das in irgendeiner Form bedauerte. Ihr Körper hatte vielleicht keine Modelmaße, aber sie hatte genau die Rundungen, die ich an einer Frau so mochte. Dazu das lange braune Haar und die verschreckten Rehkitzaugen – jedoch in der Ausführung Blau statt Braun.

Die spärlich bekleidete Dame hatte augenscheinlich noch nicht mit mir gerechnet. Mit der Firma war ausgemacht, dass ich erst am Wochenende aus meinem Hotelzimmer im DoubleTree am Times Square auschecken und hier einziehen sollte. Aber seit gestern Abend hatte eine Horde pubertierender Highschoolschüler aus Iowa Quartier auf meiner Etage bezogen, sodass es mit der Ruhe dort vorbei gewesen war. Und ich brauchte meine Ruhe. Schließlich musste ich ausgeschlafen sein, um den Mist, den vertrocknete alte Vorstandsrosinen verzapften, wieder auszubügeln.

»Was glotzen Sie mich denn so an? Haben Sie noch nie einen nackten Mann gesehen?«, fragte ich belustigt, als mich das Rehkitz mit den blauen Augen noch immer wie eine Fata Morgana anstarrte.

Nach diesem harten Tag wollte ich nur noch schnell duschen und anschließend ins Bett. Schon die ersten Tage meiner neuen Tätigkeit waren stressig gewesen und ließen für die nächste Zeit nicht viel Aussicht auf Entspannung zu.

Natürlich war das nichts Neues für mich. An der Londoner Börse herrschte schließlich auch nicht immer eitel Sonnenschein. Aber gleich zu Beginn mit solch einem unschönen Willkommenskomitee begrüßt zu werden, während ich noch die Nachwehen des Jetlags verdauen musste, hatte ich dann doch nicht erwartet.

»Sie fragen mich, was ich in Ihrer Wohnung mache?« Das Rehkitz schien seine Stimme wiedergefunden zu haben, allerdings haperte es wohl noch mit dem klaren Verstand. Zudem lag da ein leicht hysterischer Unterton in ihrer Stimme, den ich mit der Überraschung, mich hier im Badezimmer vorzufinden, in Verbindung brachte.

Noch immer stand sie an Ort und Stelle schräg vor mir, umringt von dem Scherbenmeer, das im Licht der Badezimmerlampe in Regenbogenfarben erstrahlte. Jetzt fiel mir auf, dass ihre Beine und Arme mit blauen Flecken übersät waren. Sie musste vor gar nicht allzu langer Zeit gestürzt sein. Wahrscheinlich war sie ein kleiner Tollpatsch. Ihr eben noch so verwirrter Gesichtsausdruck veränderte sich nach und nach. Ihre Augen zogen sich zusammen, sodass sich zwischen ihnen oberhalb der Nase Falten bildeten, die so gar nicht zu ihr passten.

»Ich gebe ja gerne zu, dass mein britischer Akzent ein wenig unverständlich ist, wenn ich in Rage bin und einzelne Worte dabei vielleicht etwas anders klingen als im Amerikanischen üblich. Und dennoch bin ich der Ansicht, dass Sie den Kern meiner Aussage verstanden haben müssten.«

Während ich sprach, bemerkte ich, wie der Blick der Frau an meinem breiten Oberkörper über den Sixpack immer tiefer glitt und sich ihre Wangen dabei röteten. Außer Boxershorts trug ich nichts mehr am Leib. Ich wollte ja schließlich duschen gehen und mich nicht mit der von mir engagierten Einrichtungsbeauftragten darüber streiten, dass ich in meiner eigenen Wohnung ein und aus ging, wie es mir beliebte.

Entschlossen stemmte sie ihre Hände in die Hüften. Bis eben noch hatte ich geglaubt, sie wäre peinlich berührt, mich hier fast nackt zu sehen. Doch ihre Haltung und ihre zusammengezogenen Augenbrauen sprachen eine ganz andere Sprache. Wenn mich nicht alles täuschte, war sie wütend.

Ich konnte nicht anders und musste bei ihrem Anblick lachen. Dabei hätte ich gar nicht erwartet, dass mich an einem Tag wie heute noch irgendetwas oder irgendjemand zum Lachen bringen könnte. Ihre sich immer weiter verfinsternde Miene war aber auch einfach zu komisch. Und so völlig deplatziert.

»Was erlauben Sie sich eigentlich?« Mittlerweile waren die Wangen der jungen Frau so rot, dass sie der Rotweinlache auf den Fliesen unter ihr ordentlich Konkurrenz machten.

So nett ich den Plausch mit der unbekannten Schönheit, die sich mehr um die Einrichtung meiner Wohnung als um mich kümmern sollte, auch fand, so genervt war ich allmählich. Denn schlussendlich drehten wir uns permanent im Kreis, ohne Aussicht darauf, die richtige Ausfahrt zu erwischen.

»Ich würde vorschlagen, wir vergessen die ganze Angelegenheit hier, Sie gehen nach draußen, ziehen sich wieder etwas über und kümmern sich endlich um das, wofür ich Ihre Firma beauftragt habe.«

Die Augen des Rehkitzes warfen funkelnde Blitze in meine Richtung. Offenbar gefiel es ihr nicht sonderlich, dass ich sie aufforderte, ihren Pflichten nachzukommen. Aber auch ich musste an der Börse meinen Job tun, um dafür bezahlt zu werden und ein Dach über dem Kopf zu haben. Wenn sie mit ihrer Arbeit überfordert oder unzufrieden war, dann musste sie sich eben eine andere suchen. Das war nicht mein Problem.

Mein Problem waren die vielen Umzugskartons in meiner neuen Wohnung, die alle noch ausgepackt werden mussten. Ferner musste ich mich doch sehr über die einfachen und eher zweckmäßigen als schönen Möbel im Badezimmer wundern. Ob die wohl durch den Vermieter angeschafft worden waren? Sie gefielen mir kein bisschen und mussten dringend durch meinen Designerbadezimmerschrank ersetzt werden. Doch wo war der eigentlich?

»Bitte?«

Gott, jetzt gab sie sich auch noch begriffsstutzig. Dieses Aufeinandertreffen hatte gute Chancen, den bisherigen beschissenen Verlauf des Tages noch zu toppen. Musste ich etwa erst laut werden, damit diese impertinente Kuh verstand, dass sie hier gerade gewaltig auf dem Holzweg war?

Ich wusste schon, warum ich seit Jahren keine Beziehung mehr hatte. Frauen waren schwierig, kratzbürstig und viel zu kompliziert, als dass ich mich dauerhaft auf sie einlassen könnte.

Mein Job erwartete eine gewisse Flexibilität von mir. Vor langer Zeit war eine Beziehung gerade aus diesen Gründen gescheitert und hatte mich weit mehr gekostet als das Porsche Cabrio und die Stadtwohnung am Hyde Park. Seither hatte ich mir eine einfache, aber sehr sachdienliche Lebensweise auferlegt. Meine Devise lautete: bleib ein Single!

Auf diese Weise war ich nicht den Launen der weiblichen Natur ausgeliefert und musste auch im Badezimmer keine Rücksicht auf die vielen Kosmetikprodukte und Cremetiegel nehmen, die sich beinahe täglich wie die Karnickel zu vermehren schienen.

Das Leben als Singlemann war wunderbar einfach. Wenn mir der Sinn danach stand, ging ich in eine Bar, sah mich nach einer Frau für eine Nacht um, und am nächsten Tag schubste ich sie bequem wieder von der Bettkante. Auch wenn ich den Frauen immer ganz offen sagte, dass es genau bei dieser einen Nacht bleiben würde, nahmen sie mich oft nicht für voll. In London hatte sich ein besonders hartnäckiges Exemplar sogar auf die Lauer gelegt und war wie von Zauberhand bei meiner Arbeit, vor meiner Wohnung oder dem Haus meines Cricketclubs aufgetaucht.

Ein weiterer Grund, warum ich es für eine gute Entscheidung hielt, London für längere Zeit den Rücken zu kehren. Der weitaus triftigste Beweggrund war allerdings trotzdem die Lohnerhöhung um knapp dreißig Prozent gewesen.

Irgendwann würde ich mir von meinem Gehalt sogar eine nette Eigentumswohnung in Manhattan leisten können. Doch bis dahin wollte ich mich mit dieser kleinen, eher wenig schmucken Dreizimmerwohnung zufriedengeben. Die Lage war top. Das war auch schon das Beste daran. Aber ein halbwegs bezahlbares Apartment in dieser Größe und in diesem ausgesprochen guten Zustand war in New York nur sehr schwer zu finden. Ich hatte knapp zwei Monate Zeit gehabt, um mich mit dem Immobilienmarkt in Manhattan auseinanderzusetzen. Die Preise waren so exorbitant hoch, dass ich es schon fast wieder bereut hatte, den neuen Vertrag unterschrieben zu haben. Zum Glück war ich dann doch noch fündig geworden.

»Hören Sie, ich habe es jetzt lange genug auf die nette Art versucht, aber Sie wollen oder können mich nicht verstehen. Verlassen Sie augenblicklich dieses Zimmer und kümmern Sie sich um das, wofür ich Sie bezahle. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, bei Ihrem Chef anzurufen und ihn zu bitten, Ihnen noch einmal ausführlich zu erklären, worin Ihre Aufgabe besteht.«

Doch meine Worte hatten nicht die Wirkung, die ich mir von ihnen erhofft hatte. Anstatt meinen Instruktionen Folge zu leisten, verfärbte sich das Gesicht der jungen Frau nun feuerrot.

»Das hier ist nicht Ihre Wohnung, sondern meine. Dass das ein für alle Mal klar ist! Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie Ihren Hintern nebst Jeans und Hemd aus meiner Wohnung schwingen.«

Das lodernde Feuer in ihren Augen bot mir einen Vorgeschmack auf die Hölle. Einer warmen, anheimelnden Hölle, die ich unter anderen Umständen gerne näher kennengelernt hätte. Doch das hier war mitnichten der richtige Zeitpunkt, um mir eine Gespielin für die Nacht auszusuchen.

Was hatte sie da gerade gesagt? Die Frau schien offenbar geistig verwirrt. Wahrscheinlich war sie aus einer geschlossenen Anstalt aus- und geradewegs in meine Wohnung eingebrochen. Keine Ahnung, warum mir immer diese verstörten armen Seelen auflauerten.

Dennoch versuchte ich es mit einem milden Lächeln, um die Situation nicht vollends eskalieren zu lassen. Schließlich konnte ich nicht wissen, wozu die Frau noch so in der Lage war. Am Ende schnappte sie sich eine der Scherben vom Boden und hielt sie mir an die Kehle. Ich wusste schon, warum ich nicht vergeben war.

»Ich habe einen Schlüssel für die Haustür und für die Wohnungstür. Ebenso kann ich einen von beiden Parteien – Mieter und Vermieter – unterschriebenen Mietvertrag vorweisen. Wie genau erklären Sie sich das? Könnte es nicht eher sein, dass Sie sich in der Tür geirrt haben? Aber wie dem auch sei«, versuchte ich, die ganze leidige Angelegenheit abzukürzen. »Ich würde vorschlagen, Sie gehen jetzt einfach wieder, und wir vergessen, was eben vorgefallen ist. Auf eine gute Nachbarschaft.«

In der wir uns hoffentlich nie wieder über den Weg laufen würden, ergänzte ich noch in Gedanken.

»Da bleibt mir doch echt die Spucke weg. Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?«

Auch wenn ich die Frau echt heiß fand, war die Nummer hier eindeutig eine Spur zu strange, als dass ich einfach darüber hinwegsehen konnte.

»Das möchte ich jetzt nicht mit Ihnen besprechen. Ich fände es jetzt wirklich toll, wenn Sie von hier verschwinden könnten. Mein Tag war lang und stressig. Ich habe weder die Kraft noch große Lust dazu, mich weiter mit Ihnen zu unterhalten.«

Für mich war diese ganze verwirrende und kaum nachvollziehbare Geschichte damit hinreichend geklärt.

»Ja, kapieren Sie denn noch immer nicht, was hier los ist?«

So langsam, aber sicher hatte ich das Ratespiel satt. »Sie haben sich in der Tür geirrt.«

Anstatt etwas auf meinen Einwand zu erwidern, machte sie einen großen Schritt über die Scherben und den Rotwein am Boden und näherte sich dem klapprigen Badezimmerschrank, öffnete ihn und hielt mir einen Epilierer wie eine Waffe entgegen. »Das ist meiner.« Dann zog sie noch etwas aus dem Schrank. »Genauso wie die Tampons und die Slipeinlagen.« Wie eine Trophäe hielt sie die Gegenstände in die Höhe, während mir Übles schwante.

»Scheiße!«, stammelte ich plötzlich ziemlich wortkarg.

»Verdammt große Scheiße! Zumindest in dieser Hinsicht sind wir uns einig.«

Kapitel 3

 

Philippa

 

Nachdem ich mich in meinem Schlafzimmer umgezogen und die Wohnungsbaugesellschaft angerufen hatte, machte sich so etwas wie Ernüchterung in mir breit: Diese Idioten hatten die Wohnung doch tatsächlich an uns beide, an Graham Bonneville – seinen Namen hatte ich mittlerweile in Erfahrung bringen können – und mich vermietet.

Die Firma wollte nun prüfen, wie mit unserer Situation zu verfahren war und wie eine gütliche Einigung in diesem Fall aussehen könnte. Ich hatte mir auf den Schreck erst mal ein neues Glas Wein eingeschenkt und es in einem Zug geleert. So konnte es zumindest nicht wieder zu Bruch gehen, falls anderweitige erdbebenartige Katastrophen über mich hereinbrechen sollten. Alkohol war zwar auch keine Lösung, aber mit kribbelnden Füßen und leicht beschwingtem Gang war die ganze Angelegenheit um einiges leichter zu ertragen.

Vor allem, als mir klar geworden war, dass ich das Zimmer, das ich wegen der Südlage und dem guten Licht für meine Malerei hatte nutzen wollen, auf unbestimmte Zeit erst mal an Graham abtreten musste. Schließlich konnte ich ihn ja schlecht auf dem Fußboden im Flur oder im Wohnzimmer auf der Couch schlafen lassen.

Das war der mit Abstand schlimmste Tag seit Langem. Und dabei war meine Vergangenheit schon des Öfteren von Pleiten, Pech und Pannen überschattet gewesen. Dennoch hatte mir das Schicksal schon lange nicht mehr so übel mitgespielt. Wie sehr ich mir in diesem Moment doch Mr. Fellowes’ imaginäre Katze herbeigesehnt hätte. Voller Freude hätte ich mit ihr meine Wohnung geteilt, sie auf meinem Schoß liegend hinter dem Ohr gekrault und ihr ein Katzenklo im Bad eingerichtet, damit das arme Ding nicht ständig auf die Toilette klettern müsste. Reumütig wäre ich bei Mr. Fellowes zu Kreuze gekrochen, um ihm von meiner neuen Mitbewohnerin zu erzählen und mich tausendfach zu entschuldigen.

Und nun das. Mit dem Kapitel Männer hatte ich abgeschlossen, seit ich Minneapolis hinter mir gelassen hatte. Jetzt mit einem Exemplar dieser Gattung auf engstem Raum zusammenleben zu müssen, kam schon einer Gottesstrafe gleich. Unweigerlich fragte ich mich, was ich verbrochen hatte, um das zu verdienen.

»Ich kann einen Teil meiner Möbel einlagern. Allerdings werde ich mich weder mit dem Ungetüm im Badezimmer noch mit der Couch im Wohnzimmer arrangieren können. Ich arbeite hart und erwarte ein angenehmes Zuhause, in dem ich mich von den stressigen Stunden an der Börse erholen kann.«

Na prima. Gott hatte mir einen Börsenhai auf den Hals gehetzt. Mit ihm im Nacken ging ich sogar äußerst bereitwillig über den Jordan. Vielleicht würde ich wenigstens dort eine eigene Wohnung mit einem Zimmer für meine Leidenschaft bekommen. Malen war neben den Kindern, mit denen ich jeden Tag arbeiten durfte, das Größte für mich. Und so entspannend. Ich sollte es Graham bei Gelegenheit vorschlagen. Schließlich hatte er von uns beiden ja jetzt das passende Zimmer für mein Hobby.

»Heißt das, ich soll dafür sorgen, dass abends etwas auf dem Tisch steht und die Wohnung geputzt ist?«, säuselte ich zuckersüß, während mir innerlich die Hutschnur riss.

Mein Gegenüber schien kurz zu überlegen. »Keine Ahnung, wie gut Sie kochen können. In einer Millionenmetropole wie New York sollte Essen wirklich unser kleinstes Problem sein. Mir wäre vielmehr daran gelegen, dass Sie mir nicht nachstellen und sich, wenn ich eine Frau mit nach Hause bringe, im entscheidenden Moment wie Luft verhalten.«

Graham Bonneville war ein Arschloch erster Güte. Er spielte sich in meiner Wohnung – schließlich wohnte ich im Gegensatz zu ihm bereits seit Anfang der Woche hier – wie der King auf. Für ihn stand fest, dass er am Ende als Sieger vom Feld gehen würde und ich besagtes räumen müsse.

Wenn ich mir den selbstbewussten Typ im Anzug mit den wirren schwarzen Haaren und dem durchdringenden Blick aus mokkafarbenen Augen so ansah, wollte ich am liebsten wie einige Kinder im Kindergarten, die ihren Unmut äußern wollten und sich nicht anders zu helfen wussten, kreischend im Kreis rennen. Aber ich war kein Kind mehr. Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass solch ein Verhalten meine Situation nicht im Mindesten verbessern würde.

Während ich innerlich unruhig und wütend war, stand Graham völlig relaxed mit den Händen in den Hosentaschen vor mir. Er schien sich kein bisschen von den veränderten Gegebenheiten verunsichern zu lassen. Ich hingegen sah meine Existenz bedroht. Was würde passieren, wenn Mr. Klugscheißer letzten Endes doch den Zuschlag für die Wohnung bekam und ich mir eine andere suchen musste?

Aber war das so einfach überhaupt möglich? Schließlich hatte ich es ja schriftlich, dass die Wohnung mir gehörte. Ich sollte mir dringend einen Anwalt suchen und alles Weitere mit ihm besprechen. Graham Bonneville machte nicht den Anschein, als würde er diese Wohnung kampflos aufgeben.

»Das kann ich Ihnen leider nicht versprechen. Ich habe einen recht unruhigen Schlaf, muss nachts öfter aufs Klo, und Hunger bekomme ich auch meist zu den unmöglichsten Zeiten. Vielleicht wäre es einfacher, wenn Sie sich ein Hotelzimmer nehmen würden. Nur so lange, bis die ganze Sache hier geklärt ist, versteht sich.«

Das war die mit Abstand größte Lüge des Jahrhunderts, und es gelang mir sogar, dabei ganz ruhig zu klingen. Glaubte ich zumindest. Den leicht unsicheren Unterton in meiner Stimme hatte er sicher gar nicht wahrgenommen. Schließlich kannten wir uns ja nicht wirklich. Und wenn es auch nur ansatzweise in meiner Macht stand, würde es auch so bleiben.

Graham lehnte locker im Türrahmen und verschränkte nun die Arme vor seiner breiten Brust. Wenn ich nur daran zurückdachte, wie der Typ nackt aussah – oder fast nackt –, spielten meine Hormone völlig verrückt. Dabei war der Kerl so überhaupt nicht mein Fall. Er war viel zu sehr von sich eingenommen, als dass ich ihn sympathisch finden könnte. Und Sympathie war mir bei einem Mann überaus wichtig. Während andere Frauen bewusst einen Bad Boy als Partner wählten, versuchte ich immer, einen riesigen Bogen um diese Typen zu machen. Dummerweise schien ich beim Im-Bogen-um-sie-Herumlaufen wie ein Magnet auf sie zu wirken. Aber das war eine andere Geschichte.

Graham sah mich wissend an und schenkte mir ein schiefes Grinsen. Dabei kam eine makellose weiße Zahnreihe zum Vorschein und kleine Grübchen bildeten sich in seinen Wangen. »So einfach mache ich es Ihnen dann doch nicht, Schätzchen. Ich habe ebenso wie Sie einen gültigen Mietvertrag für diese Wohnung. Ich werde bei der aktuellen Wohnungslage in New York nicht freiwillig damit beginnen, wieder die Inserate in den Zeitungen und im Netz zu checken. Sorry, aber dafür ist mir meine Zeit zu kostbar.«

Ich verschränkte nun ebenfalls die Arme vor der Brust. Der Rotwein beflügelte mich. Eine leise Stimme tief in mir, die sich den Wogen des Alkohols entzogen hatte, versuchte jetzt, mir gut zuzureden, die Sache erst mal auf sich beruhen zu lassen und nicht schon zu Beginn unserer aufgezwungenen Zweckgemeinschaft Streit anzufangen. Doch die anderen Stimmen, die Graham für ein arrogantes Arschloch hielten, behielten die Oberhand.

»Mein Mietvertrag hat genauso Gültigkeit, und ich wohne bereits seit Anfang der Woche hier!«, stänkerte ich.

Graham ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken. Er lächelte nur milde. »Nur weil ich erst heute hier aufgetaucht bin, heißt das noch lange nicht, dass ich weniger Anspruch auf die Wohnung hätte. Ich habe schon einen Monat im Voraus bezahlt und eine Kaution hinterlegt. Aber ich kann mich jetzt nicht mehr länger mit Ihnen über diese Angelegenheit unterhalten. Bedauere! Ich muss erst mal herausfinden, wo die Umzugsfirma meine Möbel und Kartons hingeschickt hat und ein paar Leute um mindestens einen Kopf kürzer machen. Danach habe ich wieder Zeit für Sie.«

Die Ruhe, mit der der Kerl sprach, war beinahe schon beängstigend. Die leise Stimme in mir gab mir zu bedenken, dass es sich bei Graham durchaus auch um einen Serienkiller handeln könnte. Stille Wasser sind ja bekanntlich tief. Und mit dem sollte ich nun in einer Wohnung schlafen? Nur über meine Leiche.

Während ich schon überlegte, an der Tür von Mr. Fellowes zu klopfen und ihm zu erklären, dass aus der Katze ein riesiger Kater geworden war, meinte Graham noch wie beiläufig: »Machen Sie sich übrigens keine allzu großen Hoffnungen. Das zwischen Ihnen und mir wird wohl eher einseitiger Natur bleiben.« Noch ehe ich auf diese Frechheit etwas erwidern konnte, sprach er einfach ohne Punkt und Komma weiter. »Für unser Zusammenleben sollten wir allerdings noch ein paar Regeln aufstellen.«

»Regeln?«, fragte ich nach Luft schnappend. Wollte er nicht schon längst irgendwo auf der Welt irgendwelche nichtsahnenden Menschen einen Kopf kürzer machen? Warum fing er denn jetzt bei mir damit an? Ich konnte ja wohl am allerwenigsten für den ganzen Mist hier. Ich steckte ja selbst bis zum Hals in dem Schlamassel.

»Das Badezimmer ist zwischen sechs Uhr dreißig und sieben Uhr fünfzehn absolut tabu für Sie. Das Wohnzimmer teilen wir uns, also können Sie es zwischen zwanzig und zweiundzwanzig Uhr nutzen, und ich danach. Jeder kümmert sich um seine Einkäufe und den Schmutz, den er hinterlässt. Besuch darf nach vorheriger Rücksprache mitgebracht werden. Dieser belagert dann allerdings das eigene Zimmer.«

Das eigene Zimmer. So ein Arschloch. Das war mein Malzimmer! Mein Malzimmer! Schweren Herzens hatte ich die Erbschaft meiner Granny dafür angezapft. Denn trotz meiner neuen und vor allem besser bezahlten Stelle als Kindergartenleiterin befand sich die Wohnung in dieser exklusiven Lage nicht unbedingt in meinem Budget. In mir braute sich ein ganzer Sturm zusammen, der nur nach einem Ausweg aus meinem Inneren suchte. Der Kerl hatte doch den Schlag nicht gehört. Ich durfte das Badezimmer nicht vor sieben Uhr fünfzehn benutzen. Wegen ihm würde ich sicher nicht schon zwei Stunden früher aufstehen.

Wahrscheinlich würde er mir gleich noch erklären, wann ich aufs Klo zu gehen hatte und wie viel Zeit mir dafür blieb.

»Ich …« Ich öffnete meinen Mund, um Graham zu signalisieren, dass ich mit seiner Lösung so überhaupt nicht einverstanden war.

Doch dieser überging mich einfach. »Schön, dann hätten wir das ja geklärt. Ich muss jetzt versuchen, die Umzugsfirma zu erreichen.

---ENDE DER LESEPROBE---