Liebe ist nichts für Anfänger - Steffi von Wolff - E-Book

Liebe ist nichts für Anfänger E-Book

Steffi von Wolff

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Beschreibung

Wenn bloß diese lästige Liebe nicht wäre … BEI ANRUF LIEBE: In Carlas Leben könnte es gerade nicht besser laufen: Ihr Freund trägt sie auf Händen und ihre Radio-Talkshow »Blind-Date«, in der sie ihren Zuhörern zur großen Liebe verhilft, geht durch die Decke … Gut, Super-Freund Florian mag reine Erfindung sein – aber als Dating-Expertin hat sie schließlich einen Ruf zu wahren! Als jedoch eines Tages ein Mann in ihrer Sendung anruft, der sich Merlin nennt und der perfekte Mann zu sein scheint, droht Carlas Fassade zu bröckeln … ERWISCHT: Für Lilly geht ein Lebenstraum in Erfüllung, als sie ihren ersten Job in einer angesehenen Anwaltskanzlei ergattert. Jetzt heißt es, alle Augen auf die Karriere! Neue Flirts und Herzklopfen können ihr erst einmal gestohlen bleiben. Nur blöd, dass Lilly ausgerechnet jetzt dem charmanten Anwalt Christoph über den Weg laufen muss – aber ist er wirklich der Traummann, der er zu sein scheint? Ein spritzig-romantischer Sammelband für alle Fans von Petra Hülsmann und Mhairi McFarlane.

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Seitenzahl: 373

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch:

BEI ANRUF LIEBE: In Carlas Leben könnte es gerade nicht besser laufen: Ihr Freund trägt sie auf Händen und ihre Radio-Talkshow »Blind-Date«, in der sie ihren Zuhörern zur großen Liebe verhilft, geht durch die Decke … Gut, Super-Freund Florian mag reine Erfindung sein – aber als Dating-Expertin hat sie schließlich einen Ruf zu wahren! Als jedoch eines Tages ein Mann in ihrer Sendung anruft, der sich Merlin nennt und der perfekte Mann zu sein scheint, droht Carlas Fassade zu bröckeln …

ERWISCHT: Für Lilly geht ein Lebenstraum in Erfüllung, als sie ihren ersten Job in einer angesehenen Anwaltskanzlei ergattert. Jetzt heißt es, alle Augen auf die Karriere! Neue Flirts und Herzklopfen können ihr erst einmal gestohlen bleiben. Nur blöd, dass Lilly ausgerechnet jetzt dem charmanten Anwalt Christoph über den Weg laufen muss – aber ist er wirklich der Traummann, der er zu sein scheint?

Über die Autorin:

Steffi von Wolff, geboren 1966 in Hessen, war Reporterin, Redakteurin und Moderatorin bei verschiedenen Radiosendern. Heute arbeitet sie freiberuflich für Zeitungen und Magazine wie »Bild am Sonntag« und »Brigitte«, ist als Roman- und Sachbuch-Autorin erfolgreich und wird von vielen Fans als »Comedyqueen« gefeiert. Steffi von Wolff lebt mit ihrem Mann in Hamburg.

Die Autorin im Internet: steffivonwolff.de und facebook.com/steffivonwolff.autorin

Steffi von Wolff veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Bestseller »Glitzerbarbie«, »Gruppen-Ex«, »ReeperWahn« und »Rostfrei«, »Fräulein Cosima erlebt ein Wunder«, »Das kleine Segelboot des Glücks«, »Der kleine Buchclub der Träume«, »Das kleine Hotel an der Nordsee«, »Das kleine Haus am Ende der Welt«, »Das kleine Appartement des Glücks«, »Die Spätsommerfrauen«, »Kein Mann ist auch (k)eine Lösung« und »Die Wanderhexe« sowie die Kurzgeschichten-Sammelbände »Das kleine Liebeschaos für Glückssucher« und »Das kleine Glück im Weihnachtstrubel«. Eine andere Seite ihres Könnens zeigt Steffi von Wolff unter ihrem Pseudonym Rebecca Stephan im ebenso einfühlsamen wie bewegenden Roman »Zwei halbe Leben«.

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Sammelband-Originalausgabe Mai 2025

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2025 dotbooks GmbH, München

Die deutsche Erstausgabe von »Bei Anruf Liebe« erschien 2008 unter dem Pseudonym »Emma van Harten« bei Cora, Hamburg; Copyright © 2008 Cora Verlag; Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München.

Die deutsche Erstausgabe von »Erwischt!« erschien 2013 unter dem Pseudonym »Emma van Harten« bei Cora, Hamburg; Copyright © 2008 Cora Verlag; Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Svetlana Mihailova, canadastock, Sarawut Aiemsinsuk, 1981 Rustic Studio kan, Galina Grebenyuk, Jiri Hera, kikk, Mariana M, New Africa, Sina Etmer Photography

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98952-956-4

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Steffi von Wolff

Liebe ist nichts für Anfänger

Zwei Romane in einem eBook

dotbooks.

Bei Anruf Liebe

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

Erwischt!

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

Lesetipps

Bei Anruf Liebe

KAPITEL 1

»Wo ist Carla? In drei Minuten muss sie auf Sendung sein!«, schrie Björn Nilsson den Spätredakteur an. »Der Nachrichtensprecher ist gleich beim Wetter.«

»Ich weiß auch nicht, wo sie ist.« Hektisch stand Christian auf und lief den Gang entlang. Während er jede einzelne Tür öffnete, rief er: »Carla! Carla, hör auf, Witze zu machen! Du musst vors Mikro!«

»Verdammter Mist! Hallo! Hallo!« Verzweifelt bummerte Carla gegen die Toilettentür. Das verdammte Schloss ließ sich nicht drehen. Seit drei Jahren war es halb kaputt und seit drei Jahren versprach die Hausverwaltung, sich »darum zu kümmern«, und seit drei Jahren war selbstverständlich nichts passiert. Und heute ging gar nichts mehr.

Carla begann zu schwitzen. Verfluchter Mist. Niemand hatte mitbekommen, dass sie zur Toilette gegangen war, und Björn und Christian würden bestimmt nicht auf die Idee kommen, das Damenklo zu besuchen. Ansonsten war die Redaktion leer. Alle waren schon ins Wochenende abgeschwirrt. Es war Freitag und kurz nach zweiundzwanzig Uhr, in weniger als drei Minuten begann die zweistündige Sendung Blind Date, die Carla mit großem Erfolg moderierte. Bei Blind Date konnten sich Menschen bewerben, die Singles waren und nun endlich auf diesem Weg den Mann oder die Frau fürs Leben finden wollten. Jeder Anrufer musste eine Art Steckbrief von sich abgeben, und Carla stellte viele intime und auch sarkastische Fragen, um wirklich alles aus den Leuten herauszuholen. Jeden Abend aufs Neue gehörte die Zeit von zweiundzwanzig Uhr bis Mitternacht ihr und ihren Hörern, und schon einige hatten dank ihrer Hilfe mit ihrem Singledasein Schluss machen können. Sogar eine Hochzeit hatte es schon gegeben, auf der Carla natürlich Ehrengast gewesen war. Die Sendung machte ihr einen Heidenspaß – wenn sie nur endlich damit beginnen könnte.

Es war der Albtraum für jeden Moderator, zu spät zur Sendung zu kommen. Carla war es in ihrer langjährigen Moderatorentätigkeit exakt zwei Mal passiert. Das erste Mal hatte sie im Stau gestanden, und damals musste der Techniker eine halbe Stunde überbrücken. Es war die schlimmste halbe Stunde seines Lebens gewesen. Andreas, so hieß er, hasste es sowieso zu reden, er war ein absoluter Stockfisch, dem man jedes Wort wie einen Wurm aus der Nase ziehen musste, und dann so was. Andreas war so beleidigt gewesen, als Carla endlich nassgeschwitzt aufgetaucht war, dass er, der sowieso nur das Nötigste mit ihr sprach, sie von diesem Moment an komplett ignorierte. Das zweite Mal hatte sie schlicht und ergreifend vergessen, dass sie für eine erkrankte Kollegin einspringen sollte, und nachdem der Redakteur sie angerufen hatte, war sie mit Heißwickler in den Haaren, einer Feuchtigkeitsmaske im Gesicht und einem Jogginganzug in den Sender gefahren und hatte sich die ganze Zeit darüber gewundert, warum alle Leute sie so komisch anstarrten. Doch Carla hatte das Desaster erst bemerkt, nachdem der Hauptpförtner sie nicht ins Funkhaus lassen wollte, weil er sie nicht erkannt hatte.

Und heute würde es das dritte Mal sein, wenn Carla nicht schnell etwas einfiel. Wie gut, dass ich regelmäßig Sport treibe, dachte sie sarkastisch und band die langen rotbraunen Locken mit einem Haargummi zusammen, während sie gleichzeitig schon auf den Toilettendeckel kletterte. Sie war in der Tat durchtrainiert und kräftig und gratulierte sich dazu, keine High Heels und ein Kostüm zu tragen, sondern Jeans und flache Schuhe. Mit beiden Händen griff sie nach der Oberkante der Klotür und suchte mit dem rechten Fuß die Klinke. Nachdem die gefunden war, verschnaufte Carla einen kleinen Moment, dann probierte sie, mit dem linken Bein über die Tür zu kommen. Auch das funktionierte. Doch nun wurde es problematisch. Sie konnte sich zwar hochziehen und hing dann halb über dem Türrahmen, es war nur so, dass der Spalt zwischen Oberkante und Decke so eng war, dass sie sich unmöglich durchquetschen konnte.

»Das hätte ich auch vorher sehen können«, sagte sie zornig zu sich selbst. »Vielleicht komme ich unten durch den Türschlitz.« Sie wollte den Rückzug antreten, nur um eine Sekunde später entsetzt festzustellen, dass das nicht ging. Irgendwie hatte sie sich total verhakt. Sie steckte zwischen Tür und Decke fest und kam keinen Zentimeter vor noch zurück. Oh mein Gott, dachte sie verzweifelt. Ich werde hier oben sterben, ich werde verhungern und verdursten.

»Hiiilfeee!«, brüllte sie dann los, so laut sie konnte. »Björn, Christian, Hilfe!!!«

»Was soll ich denn jetzt bloß machen?«, fragte Björn panisch. »Ich kann nicht in ein Mikrofon sprechen. Ich bin gebürtiger Schwede.«

»Die weiteren Aussichten«, sagte der Nachrichtensprecher. »Teils sonnig, teils wolkig, morgen in den Abendstunden gewittrige Schauer. Höchstwerte um sechsundzwanzig Grad. Das waren die Nachrichten.«

Björn stand mit Christian im Studio, und die beiden starrten sich verzweifelt an. »Tu was«, flüsterte Christian flehend. »Du bist Techniker. Du musst jetzt was sagen. Wir haben sonst ein Funkloch. Wie soll ich das vor Klopfer rechtfertigen?« Klopfer, der Programmchef, hieß eigentlich Hanno Sievers und wurde deswegen Klopfer genannt, weil seine Vorderzähne beinahe waagerecht aus dem Mund gewachsen waren. Selbstverständlich wusste er nicht, dass er Klopfer genannt wurde. Er würde erst einen Tobsuchtsanfall bekommen und danach tagelang deprimiert durch den Sender laufen.

»Ich werde Carla töten«, sagte Björn leise. »Ich werde sie teeren und federn und danach von Pferden einteilen lassen.«

»Das heißt vierteilen und nicht einteilen«, korrigierte ihn Christian. Björn sprach zwar dialektfrei Deutsch, manchmal jedoch – zum Beispiel wenn er sich aufregte – setzte er Begriffe falsch ein. »Das kannst du ja machen, aber später. Jetzt muss hier was passieren.« Christian faltete die Hände. »Zieh den Regler hoch. Wir sind schon dreißig Sekunden drüber. Jetzt haben wir doch das Funkloch!«

»Ich weiß, dass wir dreißig Sekunden drüber sind. Ich hasse Carla. Sie macht das bestimmt extra … noch nie war ich in einer solchen Situation. Ich bin hilflos, wirklich hilflos. Wenn meine Freundin mich jetzt hören würde, totlachen würde sie sich. Weil ich ihr immer erzähle, dass ich alles im Griff habe.«

»Bitte …«, wimmerte Christian.

»Sie macht mich nieder, immer aufs Neue«, beklagte sich Björn. »Aber ich räche mich, glaub mir. Ich habe schon seit Monaten ein Behältnis nebenher. Das darf Tina natürlich nicht wissen. Aber ich sage dir, ein echter Schwede hat niemals nur eine Frau. Ein echter Schwede hat immer ein Behältnis … oh Gott!«

»Was ist?«, wollte Christian wissen.

Björn wurde knallrot und deutete schweigend aufs Sendepult. Die ›on-air‹-Lampe brannte. Er hatte versehentlich den Regler schon hochgezogen, und jeder, der »Hier in Hessen« gerade eingeschaltet hatte, war Zeuge dieses verheerenden Dialogs geworden. Und Zeuge davon, dass ein Schwede niemals nur ein Behältnis hatte.

»Blind Date hier mit Carla Wildenburg, hallo. Entschuldigt die Verspätung, Leute, aber so ist das, wenn man vor der Sendung noch mal wohin muss und dann die Tür nicht aufbekommt.«

Souverän erklärte Carla ihren Hörerinnen und Hörern, was ihr passiert war. Glücklicherweise war eine Raumpflegerin vorbeigekommen und hatte Carla mit dem Stiel eines Wischmopps aus ihrer prekären Lage befreit. Nun würde sie zwar überall blaue Flecken haben, aber wenigstens lebte sie. Nachdem sie die Begrüßung und die Ankündigung zweier Musiktitel hinter sich gebracht hatte, zog sie den Regler hinunter und ließ sich erschöpft auf den Hocker fallen. Grundgütiger, was für ein Abend. Und warum klingelte eigentlich ununterbrochen die Hörerhotline? Sie hatte doch noch kein einziges Verkupplungsgespräch geführt? Durch die Glasscheibe sah sie Christian, der sich im anderen Studio befand, in dem er die Anrufe für Carla entgegennehmen sollte. Er fuchtelte während des Telefonierens hektisch mit dem freien Arm hin und her.

»Was ist denn bloß los?«, wollte sie von Björn wissen, der neben ihr stand und an der Schneidemaschine Beiträge für die Frühsendung zusammenstellte. Normalerweise würde er als ihr Techniker die ihr verhasste Arbeit des sogenannten »Selbstfahrens« abnehmen, sodass sie sich nur auf die Moderation konzentrieren musste. Nur war Björn irgendwie fahrig und unkonzentriert, deswegen hatte Carla beschlossen, die Sendung komplett selbst in die Hand zu nehmen.

»Was soll los sein?«, kam es von Björn, der gerade den Kopfhörer abgesetzt hatte. »Nichts ist los.«

In diesem Moment tappte Christian herein. »Tina hat angerufen«, sagte er, und seine Stimme kippte fast. Mit großen Augen sah er Björn an.

Der tat so, als hätte er gar nicht zugehört, und widmete sich weiter seinem Beitrag. Christian kam näher und tippte ihm auf die Schulter. »Ich sagte, Tina hat angerufen. Deine Freundin.«

»Ja und? Ich arbeite. Ich möchte jetzt nicht mit ihr sprechen«, meinte Björn unwirsch. »Ich führe während meiner Arbeitszeit keine Privatgespräche.«

Christian war die Situation sichtlich unangenehm. »Sie will auch gar nicht mit dir sprechen«, sagte er, und Björn und auch Carla sahen ihn fragend an. »Sie hat gesagt, dass deine Sachen … Moment …«, er schaute auf einen Zettel, »… dass deine Sachen sich in den grauen Mülltüten befinden, die vorm Haus stehen. Links neben der Garage. Das … das Schloss der Wohnung ist ebenfalls schon ausgewechselt worden. Das soll ich dir ausrichten. Und du sollst es nicht wagen, dich noch mal bei ihr zu melden. Ja, das hat sie gesagt.«

Carla verstand überhaupt nichts mehr. »Wieso das denn?«, wollte sie von Björn wissen, der ratlos vor ihr stand. »Überhaupt ist heute am Telefon extrem viel los, so viele Anrufe hatten wir ja noch nie. Irgendwas stimmt doch hier nicht.«

Christian und Björn antworteten nicht, und im nächsten Augenblick klingelte das Studiotelefon. Carla nahm ab. »Wildenburg«, sagte sie freundlich. »Es ist Klopfer«, flüsterte sie den beiden Kollegen zu, die daraufhin innerhalb von einer Zehntelsekunde das Studio verließen.

Eine halbe Stunde später hatte sich die Situation einigermaßen beruhigt. Carla, die sich von Klopfer anhören musste, wie unprofessionell es sei, in einer Klotür stecken zu bleiben, wurde von ihrem Chef dafür verantwortlich gemacht, dass diese »unmögliche Unterhaltung der Kollegen« über den Sender gegangen sei. »Wären Sie an Ihrem Arbeitsplatz gewesen, hätte das nicht passieren können«, fuhr er sie barsch an. Carla, die immer noch nicht wusste, um was es eigentlich ging, stellte während Klopfers Atempausen die entsprechenden Fragen, und schließlich war sie auf dem neuesten Stand der Dinge. Nachdem sie Klopfer versichert hatte, dass dies nie wieder vorkommen würde und er mit den Worten »Wir sprechen uns am Montag, sagen Sie das auch den Kollegen« den Hörer aufgeknallt hatte, versuchte sie, sich auf ihre Sendung zu konzentrieren. Björn und Christian würde sie sich später vorknöpfen.

Jetzt war auch klar, warum so viele Leute anriefen: Die wollten wissen, was da los gewesen war. Mit lockeren Worten und spaßiger Stimme erklärte sie das Missgeschick am Mikro, und dann kam der Aufruf zum Mitmachen: »Jetzt seid ihr dran. Alle, die einsam und alleine sind und das nicht mehr bleiben wollen – die suchen wir! Ruft uns an unter 069/443322. Aber ihr wisst: Ich werde jedem Einzelnen auf den Zahn fühlen und ich schwöre, ich kriege alles raus. Wer sich traut und eine feste Bindung sucht, der soll sich melden. Ich freue mich auf euch.« Dann spielte sie das nächste Musikstück ein: eine Ballade von Rosenstolz.

»Ich hab hier ’ne Sonja aus Sachsenhausen am Telefon«, quakte Christian durch die Gegensprechanlage. »Vierundzwanzig, zwei Mal geschieden, zwei Hunde, eine Katze und einen Nymphensittich.«

Carla drückte auf den entsprechenden Knopf, um ihrem Kollegen zu antworten: »Sie ist mit vierundzwanzig zwei Mal geschieden? Hat sie das wirklich gesagt?«

»Ich bin doch nicht blöd«, gab Christian beleidigt zurück. »Also, was ist, nimmst du sie oder nicht?«

»Stell sie rein«, sagte Carla, setzte die Kopfhörer auf und wartete darauf, Sonjas Stimme zu hören. Mit jedem Anrufer führte sie ein Vorgespräch, während die Musiktitel liefen. Meistens hatte sie dazu zwischen vier und sechs Minuten Zeit, je nach Länge der Musik.

»Hallo, Sonja, hier ist Carla. Kannst du mich hören?«

»Ja, natürlich, hallo, Carla. Das ist ja klasse, dass ich durchgekommen bin.«

»Das finde ich auch. Also, Sonja, mein Kollege hat mir schon einige Eckdaten genannt. Du hattest ja bislang kein Glück mit Männern, und du scheinst Tiere sehr zu lieben.«

Sonja lachte kurz. »Na ja, was heißt kein Glück mit Männern. Ich habe mich ja scheiden lassen.«

»Warum denn? Das darf ich doch fragen, oder?« Carla war nun tatsächlich neugierig.

»Weil die nicht damit klarkamen, dass ich nebenher als Abendbegleiterin arbeite«, erklärte Sonja fröhlich. »Als ob das so schlimm wäre.«

»Wen begleitest du denn da?«, wollte Carla wissen.

»Reiche Männer«, erzählte Sonja weiter.

»Aha. Hast du auch … auch Sex mit ihnen?«

»Sicher. Was denn sonst? Was ist denn daran schlimm?«

Möglicherweise sollte man Sonja mit Björn verkuppeln. Dann würde nichts mehr schiefgehen. Noch vierzig Sekunden, dann war der Titel zu Ende.

»Ich frage dich das alles gleich noch mal, wenn wir auf Sendung sind«, erklärte sie Sonja und die sagte: »Okay.«

»Noch was«, meinte Carla. »Bitte nenne auf gar keinen Fall irgendwelche Namen von irgendwelchen Männern, die du begleitet hast. Die können nämlich von jedem Menschen, der unsere Sendung eingeschaltet hat, gehört werden und das ist eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts.«

»Geht klar.« Sonja schien das verstanden zu haben.

Langsam klang der Titel aus, und Carla begrüßte ihre erste Anruferin. Nach dem üblichen Smalltalk kam sie dann ohne Umschweife zur Sache. »Wer Sonja kennenlernen will, muss darauf gefasst sein, dass das eine Beziehung werden wird, die anders ist als andere. Sonja ist vierundzwanzig, hat bereits zwei Scheidungen hinter sich und das, weil ihre Ehemänner nicht mit einer Frau verheiratet sein wollten, die einen Nebenjob hat, der zwar lukrativ ist, aber eine Menge Verständnis und Toleranz erfordert. Sonja nämlich gibt sich als Abendbegleiterin Männern für Geld hin. Was sind das für Männer, Sonja?«

»Der eine hieß Moritz Wintermann und wohnt in der Bertramstraße 24«, legte Sonja los.

Carla wurde blass. »Sonja …«, begann sie, doch die hörte gar nicht zu.

»Er ist schon über zehn Jahre verheiratet. Seine Frau heißt Marie. Mir hat er erzählt, dass er regelmäßig fremdgeht.«

»Wir haben hier einen festen Grundsatz, Sonja«, unterbrach Carla ihre Gesprächspartnerin. »Das habe ich dir auch eben in unserem Vorgespräch schon erklärt. Es werden keine realen Namen von externen Personen genannt.«

»Aber wenn er doch so heißt?«, wunderte sich die Abendbegleiterin, und Carla begann sich zu fragen, welche Qualitäten sie wohl haben mochte. Überdurchschnittliche Intelligenz jedenfalls war es nicht. Man konnte nur beten, dass dieser Moritz Wintermann um diese Uhrzeit kein Radio hörte – und seine Frau und sämtliche Freunde und Bekannte der beiden auch nicht.

Schnell wechselte Carla das Thema. »Okay, Sonja, dann erzähl doch mal ein bisschen von dir. Wie sieht denn dein Traummann aus? Worauf legst du besonderen Wert? Was magst du gar nicht?«

»Ich habe doch noch gar keinen Traummann gefunden«, sagte Sonja verwundert. »Woher soll ich denn wissen, wie er aussieht?«

Schnell schloss Carla die Augen. Das fing ja gut und vielversprechend an. Wenn das so weiterging, würde sie nach der Sendung fix und fertig sein. Geduldig sagte sie: »Natürlich hast du ihn noch nicht gefunden. Aber du hast doch sicher Vorstellungen von deinem perfekten Mr. Right.«

»Ach sooo, sag das doch gleich. Ja, also, wie soll er aussehen? Größer als ich und er sollte regelmäßig duschen und auch seine Zähne putzen, so halt, und auf jeden Fall soll er sehr attraktiv sein und gut gebaut, an den richtigen Stellen natürlich auch«, an dieser Stelle kicherte Sonja, »und dann sollte er einen geilen Beruf haben und ganz viel Geld verdienen und mir dann ein Haus schenken mit Pool und ein Pferd und einen Porsche, so halt.«

So halt. Diese Männer liefen bestimmt zu Tausenden auf dieser Welt herum und warteten nur auf Sonjas Anruf.

»Was magst du denn an einem Mann überhaupt nicht?«

»Wenn die verlangen, dass man einkauft und putzt und Essen kocht. Ich bin ja nicht auf der Welt, um zu putzen. Ich will mein Leben ja genießen. Und er soll das dann bezahlen. So halt.«

»Und, liebe Sonja, was hast du denn einem solchen Mann, der dir den Himmel auf Erden bereitet, zu bieten?«

»ICH?«, fragte Sonja entsetzt. »Ja, was soll ich ihm denn bieten?«

»Gibt es irgendetwas, das dich unwiderstehlich und außergewöhnlich macht?«

»Ja«, kam es schnell. »Gut, dass du fragst. Also, ich hab nämlich über fünfzigtausend Euro Schulden, und es wäre gut, wenn die ganzen Männer, die jetzt gleich anrufen und mich kennenlernen wollen, die Schulden dann auch bezahlen wollen. So halt oder so.«

Carla sah durch die Scheibe zu Christian. Der deutete auf die Telefonanlage und schüttelte resigniert den Kopf. Natürlich rief niemand für Sonja an.

»Sonja«, begann Carla erneut. »Findest du, dass du emanzipiert bist?«

»Natürlich bin ich das«, antwortete Sonja erzürnt.

»Emanzipation heißt aber nicht nur, dass man als Frau nicht putzt und nicht wäscht, sondern das heißt, dass man auch für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen muss. Ohne männliche Hilfe.«

Sonja überlegte kurz. »Dann bin ich eben nicht emanzipiert«, kam es dann. »So halt«, fügte sie noch hinzu. Die Floskel »so halt« schien in Sonjas Leben einen enormen Stellenwert einzunehmen.

Carla überlegte kurz. Mit dieser Anruferin würde sie auf keinen grünen Zweig kommen. Carla liebte intelligente Diskussionen und den verbalen Schlagabtausch mit ihren Anrufern, doch bei Sonja wusste sie, dass das alles nicht fruchten würde, weil sie Sarkasmus auch überhaupt nicht verstand.

»Gut«, begann sie. »Wer sich also für Sonja interessiert und Lust hat, ihre Schulden zu bezahlen, und es gut findet, dass sie nicht kochen und nicht putzen will, der sollte uns nun anrufen. Ich bin mir sicher, Sonja, dass die Leitungen gleich glühen werden«, fügte sie dann noch ironisch hinzu. »Hier unsere Nummer …«

»Das war ja wohl die dämlichste Kuh, die hier jemals angerufen hat. Kannst du in den Vorgesprächen vielleicht demnächst mal abklären, ob die Leute ein Stammhirn besitzen?«, schimpfte sie kurze Zeit später mit Christian.

»Das konnte ich doch auch nicht wissen«, meinte der. »Jedenfalls hab ich hier jetzt einen Mann dran, der Single ist.«

»Natürlich ist er Single«, sagte Carla lakonisch. »Warum sonst sollte er sich bei uns melden?« Manchmal war Christian wirklich begriffsstutzig.

»Du, also der hört sich aber wirklich vielversprechend an.« Christian klang richtig begeistert. »Also wirklich!«

»Dein Wort in Gottes Ohr. Gut, dann stell ihn zu mir durch«, sagte Carla zu ihrem Kollegen und hoffte für ihn, dass er diesmal richtig lag. Noch so einen Reinfall wie Sonja wollte sie nicht noch mal in der Leitung haben. »Wie heißt er denn?«

»Er nennt sich Merlin«, kam es von Christian, und beinahe glaubte Carla, ein wenig Ehrfurcht in seiner Stimme zu hören. »Das hört sich total geheimnisumwittert an. Merlin, der Zauberer, weißt du? Vielleicht steht er bei Vollmond in einem Zauberwald und erfüllt Wünsche …« Christian war Mitglied in einer Laienschauspielgruppe und verabschiedete sich gern mal ins Reich der Fantasie. In der Redaktion hörte man ihm schon gar nicht mehr zu, wenn er einen seiner Anfälle bekam.

»Na gut, dann her mit ihm.« Carla war gespannt. Wer sich Merlin nannte, schien jedenfalls ein bisschen Grips im Kopf zu haben. Glaubte sie zumindest.

Sie begrüßte den Anrufer mit den üblichen Worten, und schließlich sagte Merlin: »Hallo, Carla. Danke, dass ich Gast in der Sendung sein darf, die von der bezauberndsten Stimme moderiert wird, die man sich nur vorstellen kann.«

So etwas hatte noch nie jemand zu ihr gesagt, obwohl es dazu allen Grund gegeben hätte. Carla hatte nämlich wirklich eine schöne Stimme. Und sie sah auch gut aus. Aber das wussten die Hörer nicht. Sie hatte extra durchgesetzt, dass auf der Senderhomepage kein Foto von ihr war – weil sie sich ihre Anonymität wahren wollte. Carla hatte schon viele E-Mails bekommen, aber wirklich so direkt angesprochen hatte sie noch nie jemand on air. Zum ersten Mal in ihrer Radiokarriere bemerkte sie, dass ihr Herz wild klopfte. Christian hatte recht. Die Stimme war atemberaubend.

Reiß dich bloß zusammen! Sie holte tief Luft. Nun gut. Dann wollte sie dem Anrufer mal den Wind aus den Segeln nehmen. Mal schauen, wer von uns beiden gewinnt, dachte sie und freute sich richtig auf das Gespräch, das nun folgen sollte.

KAPITEL 2

»… und meine Lachslasagne ist der absolute Hammer. Wirklich.« Merlin lachte kurz auf.

Kochen kann er also auch noch, dachte Carla irritiert. Seit fünf Minuten unterhielt sie sich nun mit Merlin über den Sender, und alles, was er sagte, war so derart positiv, nett und charmant, dass dieser Mann sich die Frauen doch aussuchen konnte. Also, wo war der Haken? Sammelte er möglicherweise Frauenohren in Eimern oder war er Holzfußfetischist?

Merlin war vierunddreißig, maß angeblich knapp eins neunzig, hatte schwarze Haare und braune Augen, fuhr gern Rad, ging oft ins Kino, er kannte Jane Austen und Goethe und war auch Opernbesuchen gegenüber nicht abgeneigt. Bald würde er in einer Altbauwohnung wohnen, von Beruf war er Arzt, und er war bedacht darauf, dass er Ordnung hielt. Samstagseinkäufe oder ein Stau im Berufsverkehr machten ihm nichts aus, und er hatte auch nichts dagegen, mit der Frau seiner Träume stundenlang nach neuen Schuhen zu suchen. Ach ja, und kochen konnte er also auch. Was war hier faul? Carla versetzte sich selbst in Alarmbereitschaft.

»Warum hast du die Richtige noch nicht gefunden?«, fragte sie forsch. »Ich meine, bei deinen ganzen positiven Eigenschaften müssten alle Frauen im Alter zwischen achtzehn und vierzig doch vor deiner Haustür Schlange stehen.«

»Moment«, kam es und man hörte Schritte. »Tut mir leid, aber ich muss dich enttäuschen. Ich habe gerade aus dem Fenster geschaut, da unten steht niemand«, sagte Merlin fröhlich. Dass seine Stimme tief und melodisch war, kam zu allem anderen noch hinzu. Er sprach dialektfreies Hochdeutsch, eine Tatsache, die in Frankfurt eher eine Seltenheit war. »Nun ja, um deine Frage zu beantworten, liebe Carla, ich glaube, dass ich die Richtige deshalb noch nicht gefunden habe, weil ich die Richtige einfach noch nicht getroffen habe. Die meisten Frauen, mit denen ich zusammen war, hatten Eigenschaften, die ich absolut nicht schätze. Unehrlichkeit zum Beispiel, oder Geldgier. Nicht, dass ich nicht auch gern Geld ausgebe, aber wenn sich der Horizont nur auf das eine beschränkt, ist das nach einer gewissen Zeit doch problematisch.«

Während Carla Nimm doch mich dachte, fragte sie: »Hast du eine bestimmte Vorstellung von der perfekten Beziehung?«

»Nein«, sagte Merlin. »So etwas muss ja langsam wachsen. Wichtig ist erst einmal, dass man sich grundsätzlich gut versteht, viel Zeit miteinander verbringt. Egal wo. Das kann während eines Schlösser- und Burgenurlaubs in Irland sein oder sonntagmorgens im Bett beim stundenlangen Frühstück.« Wenn er ihr jetzt noch erzählte, dass er seine Marmelade selbst machte, würde sie auflegen.

»Meine selbst gemachte Rhabarber-Vanille-Marmelade schmeckt wirklich sehr, sehr gut«, sagte Merlin. »Das Rezept stammt noch von meiner Großmutter.«

Natürlich legte Carla nicht auf. Fieberhaft überlegte sie, wie sie Merlin aus der Reserve locken konnte. »Was ist mit Sex?«, wollte sie dann unvermittelt wissen.

»Was soll damit sein?«, gab er zurück.

»Wie wichtig ist Sex für dich?« Warum werde ich rot?

»Das würdest du wohl gern wissen«, sagte Merlin, und man hörte an seiner Stimme, dass er bei seinen Worten lächelte. Solch eine Souveränität war Carla fremd. Normalerweise waren die Anrufer immer sehr aufgeregt, manchmal musste sie ihnen die Antworten fast schon vorsagen. Aber hier und heute hatte sie das Gefühl, dass dieser Merlin langsam Oberhand gewann. Das war ja noch nie passiert.

»Sonst hätte ich nicht gefragt«, antwortete Carla dann rasch. »Ich bin mir sicher, dass dieser spezielle Punkt auch einige unserer Hörerinnen interessieren wird.«

»Oh«, meinte Merlin. »Ich hingegen bin mir sicher, dass dieser spezielle Punkt alle deiner Hörerinnen interessieren wird. Und dich auch.«

»Nein. Mich persönlich interessiert das nicht im Geringsten.« Carlas Herz klopfte nun stärker als sonst.

»Das glaube ich dir nicht«, sagte ihr Gesprächspartner freundlich. »Deine Stimme hört sich so an, als ob du es sehr wohl wissen möchtest.«

Sie wurde ein klein wenig pampig. »Das ist doch lächerlich«, rief sie fast und ärgerte sich darüber, dass ihre Stimme fast schon schrill klang. Er hat ja recht.

»Wie sieht es denn mit deinem Sexleben aus?« Merlin schien nach seinen Worten wirklich gespannt zu sein.

»Wie bitte?« Nun versuchte Carla sich zu sammeln. »Äh … also … ich stelle hier die Fragen.«

»Das habe ich nirgendwo unterschrieben. Warum kann ein Hörer nicht auch mal Fragen stellen? So lernt man sich doch viel besser kennen.«

»Wir wollen uns aber gar nicht kennenlernen.« Carla verzweifelte zunehmend. Das Gespräch drohte ihr zu entgleiten. Ach was, es war ihr schon entglitten!

»Wollen wir das nicht?«

»Nein, das wollen wir nicht.«

»Und warum nicht?«

»Ich … ich habe kein Interesse daran, mich mit meinen Anrufern zu treffen. Ich habe einen Freund und bin sehr glücklich mit ihm«, erwiderte Carla hektisch. Beides stimmte nicht. Sie hatte sich schon hin und wieder mit ihr sympathischen Hörern zum Abendessen oder auf einen Drink verabredet. Aber das durfte Klopfer nicht wissen. Vor ihren Anrufern musste Carla immer so tun, als sei sie liiert, und zwar perfekt. Ihr nicht existenter Freund Florian war der absolute Supermann. Er brachte sogar freiwillig den Müll runter und schaute auch Jenseits von Afrika mit ihr, wenn sie das wollte. Ohne Murren. Florian war liebevoll, fürsorglich, hatte eine Eventagentur und liebte Carla abgöttisch.

So erzählte sie das jedenfalls jedem, der das hören wollte und sollte. In Wirklichkeit gab es natürlich gar keinen Florian. Carla lebte allein und hatte auch momentan überhaupt kein Interesse daran, sich in feste Hände zu begeben. Warum auch? Ein Mann verkomplizierte das Leben unnötig. Ihre letzten beiden Beziehungen hatte sie nach jeweils einem halben Jahr beendet, man ging ohne großen Streit auseinander, und das war auch völlig okay. Und ans Heiraten und Kinderkriegen dachte sie schon mal gar nicht. Das hatte alles Zeit. Sie wollte ihr Leben genießen und niemandem Rechenschaft ablegen. Das wäre ja noch schöner. Carla hatte nichts gegen Männer und die Liebe, aber sie genoss ihre Unabhängigkeit und hatte nicht vor, das in naher Zukunft zu ändern. Genau gesagt, bis heute Abend. Merlin faszinierte Carla auf eine unbekannte Art und Weise.

Und er ließ nicht locker. »Seit wann bist du mit ihm zusammen?«

»Schon lange … aber nun zurück zu dir. Also …«

»Nicht so schnell! Wie sieht er aus?«

»Er … sieht natürlich gut aus.« Auf Carlas Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen.

»Welche Augenfarbe hat er?« Merlin schien Spaß an der Sache zu finden.

»Er hat grüne Augen.«

»Wie heißt er?«

Nun wurde es Carla zu bunt. »Warum willst du das wissen?«

»Ich möchte mir den Mann vorstellen, der mit dir zusammen ist. Ich will wissen, wie er aussieht, wie er sich bewegt, wie er dich anschaut. Bist du glücklich, Carla? Ist er dein Mister Perfect? Willst du mit ihm alt werden? Wirst du ihn pflegen, wenn er krank wird und ihm die Füße pediküren, wenn er es selbst nicht mehr kann? Und schaut er wirklich Jenseits von Afrika mit dir, wenn du es von ihm verlangst?«

Carla stutzte. Woher wusste Merlin das? Er musste auf der Homepage des Senders nachgeschaut haben. Langsam wurde er ihr unheimlich. Sie beschloss, das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden.

»Das tut er, ja. Und wir werden jetzt deine Miss Perfect finden.« Sie schaute durch die Scheibe zu Christian. Die Leitungen schienen zu glühen. Es gab wohl viele Anruferinnen, die die Nummer des Studios auswendig kannten. Christian war schon ganz rot im Gesicht und notierte sich ununterbrochen etwas auf Zetteln. Offensichtlich war Merlin heiß begehrt. Diese Tatsache versetzte Carla einen kleinen Stich, obwohl sie den Mann ja gar nicht kannte.

»Wer also Merlin, Arzt, vierunddreißig Jahre alt, kennenlernen möchte, der …«

»Mann, was war das denn?« Carla saß mit Björn und Christian nach der Sendung in der Redaktion zusammen und trank Sekt. Es war weit nach Mitternacht. Ungefähr vierhundert Frauen hatten sich gemeldet, noch lange nach der Sendung.

»So einen Anrufer hatten wir noch nie«, waren sich alle einig.

»Ich bin echt mal gespannt, ob er noch mal anruft, wenn er seine absolute Traumfrau gefunden hat«, sinnierte Carla vor sich hin. »Aber wenn er alle erst mal kennenlernen muss und mit jeder einzelnen stundenlang frühstückt und sie mit seiner selbst gemachten Rhabarbermarmelade füttert, kann das dauern.«

»Bist du etwa eifersüchtig?«, wollte Christian amüsiert wissen.

Zu ihrem eigenen Ärger wurde Carla rot. »Blödsinn«, sagte sie knapp. »Ihr wisst ja, ich habe einen festen Freund und bin sehr, sehr glücklich mit ihm.« Christian grinste sie an.

»Tja«, meinte Björn. »Ich habe zwar keine Freundin mehr, aber ich muss jetzt trotzdem los und meine Mülltüten einsammeln.« Resigniert erhob er sich.

»Sollen wir mitkommen?«, fragten Carla und Christian synchron, doch der Kollege schüttelte den Kopf.

»Diese Suppe habe ich mir selbst angepflockt.«

Carla verdrehte die Augen. Dann stand auch sie auf. »Ich muss ins Bett.« Sie gähnte. »Gott sei Dank kann ich morgen ausschlafen.«

Zu Hause angekommen, zog sich Carla sofort ihren Pyjama an. Sie setzte sich aufs Sofa, schaltete den Fernseher ein und verfolgte im Hessenfernsehen eine späte Dokumentation über Pottwale und ihre Lebensgewohnheiten.

Carla bewohnte eine Vierzimmerwohnung aus der Jahrhundertwende in der Nähe des Senders, die sie im Stil der fünfziger Jahre eingerichtet hatte. Darauf gekommen war sie, nachdem sie sich damals während der Besichtigung in die Einbauküche verliebt hatte, die eben genau aus den Fünfzigern stammte. Die Türen und Flächen hatten drei unterschiedliche Farben: Vanillegelb, Zartrosa und Hellblau – so wie damals beinahe alle Küchen aussahen. Der Vermieter hatte ihr angeboten, eine neue Küche einbauen zu lassen, doch Carla wollte die alte unbedingt behalten. Und so richtete sie sich nach und nach in diesem Stil ein. Oft ging sie samstags zum Flohmarkt am Eisernen Steg, um nach neuen Schnäppchen Ausschau zu halten – erst kürzlich hatte sie einen Nierentisch erstanden, unter dessen Glasplatte vor langer Zeit jemand alte Postkarten geschoben hatte.

Zu der Wohnung, die sich im Erdgeschoss befand, gehörte noch ein kleiner, wunderschöner, verwunschener Garten, und am Wochenende konnte Carla stundenlang Rosen schneiden, Rasen mähen und Unkraut jäten. Dabei entspannte sie sich am allerbesten. Seit Neuestem hatte sie auf der Terrasse auch Terrakottakübel aufgestellt und diese mit Rosmarin, Salbei, Basilikum und Lavendel bepflanzt. Sie fühlte sich wohl in ihrer kleinen Welt. Und ja, sie wohnte auch gern allein. Niemand meckerte, wenn der Wäschekorb überquoll oder das Geschirr nicht gleich in die Spülmaschine geräumt wurde. Und niemand konnte über ihre Bettwäsche die Nase rümpfen – Carla hatte ein Faible für Kinderbettwäsche und erst neulich bei IKEA eine Garnitur erstanden, auf der sich Ritter und Burgfräulein samt Kronen und Herzchen befanden. Sie liebte das! Nie im Leben würde sie das alles für einen Mann aufgeben.

Warum auch? Etwa für einen wie Johannes, der es noch nicht mal bemerkt hatte, wenn die Wohnung aufgeräumt war, und der den Sinn des Lebens darin sah, im Fußballstadion zu hocken und der Eintracht zuzuschreien, dass sie jetzt aber mal »ein paar Tore schießen soll, aber ein bisschen plötzlich«? Oder Thomas, der sie nie gefragt hatte, wie ihr Tag war und ob es ihr gut ging? Nein. In all den Monaten des Alleinseins hatte Carla sich eine Art Schutzpanzer zugelegt. Bevor sie einem Mann noch mal ihr Herz öffnen würde, müsste einiges passieren. Sie fuhr gut damit, unnahbar zu sein. Denn dann konnte man auch nicht verletzt werden.

Das Telefon klingelte. Carla sah auf die Uhr. Halb zwei. Um diese Zeit konnte das nur Billie sein. Billie Wegener, die eigentlich Sybille hieß, diesen Namen aber hasste, war Carlas beste Freundin. Sie waren schon zusammen zur Schule gegangen, fanden die gleichen Jungens gut und doof und hatten sich in all den Jahren noch nie gestritten.

»Hallo?«, fragte Carla.

»Wer ist Merlin?«, wollte Billie atemlos wissen.

»Und das muss jetzt sein?«, fragte Carla ihre Freundin amüsiert.

Billie atmete hörbar aus. »Natürlich muss das jetzt sein, wann denn sonst? Was war das denn für ein absoluter Hammertyp? Wieso hat so ein Mann keine Frau?«

»Das wüsste ich auch gern«, gab Carla zurück.

»Du warst ganz schön unsicher«, fasste Billie zusammen. »Sonst hast du doch immer die absolut große Klappe, aber bei Merlin warst du so klein mit Hut. So kenne ich dich ja gar nicht. Du findest ihn wohl auch toll.«

Carla wurde ärgerlich. »So klein mit Hut war ich auch wieder nicht«, verteidigte sie sich. »In solch eine Situation kommt man eben auch nicht alle Tage.«

»Ist ja auch egal«, meinte Billie und lachte. »Triffst du dich mit ihm?«

»Nein.«

»Warum denn nicht? Du hast dich doch schon ein paar Mal mit Anrufern getroffen, die dir gefallen haben.«

»Ich werde mich mit Merlin ganz sicher nicht treffen. Weil er nämlich eine Menge zu tun hat. Immerhin haben ungefähr vierhundert Frauen für ihn angerufen. Bis er die alle getestet hat, sitze ich in einem Lehnstuhl im Seniorenheim und schaue auf den Main.«

»Triff dich doch mit ihm«, bettelte Billie. »Ich könnte anonym an einem Nebentisch sitzen und dich beschützen, falls er aufdringlich wird oder dich berauben will.«

»Ich sagte Nei-hein«, wiederholte Carla mit fester Stimme. »Ich mache mich ja lächerlich, wenn ich ihn anrufe.« Seine Nummer zu bekommen, war denkbar einfach. Christian hatte sie nämlich aufgeschrieben.

Billie resignierte. »Na gut, wie du meinst. Wollen wir morgen joggen?« Samstags liefen die beiden gern für eine Stunde am Main entlang, um danach die verbrauchten Kalorien in Form eines üppigen Frühstücks wieder aufzustocken.

»Morgen joggen ist gut. Aber nicht so früh. Sagen wir um zehn?«

»Zehn ist gut. Wie immer unten am Mainufer. Gute Nacht.«

Carla blieb noch eine Weile sitzen und dachte nach. Was dieser Merlin wohl gerade machte? Und wie sein richtiger Name wohl lautete? »Das kann mir doch alles ganz egal sein«, sagte sie laut zu sich selbst. Dann stand sie auf und ging in ihr Schlafzimmer. Aber einschlafen konnte sie noch lange nicht. Dieser Merlin ging und ging ihr nicht aus dem Kopf.

Am Montag war Carla gegen neun Uhr im Sender, weil sie eine Redaktionsschicht übernommen hatte. Merlin war natürlich das Tagesgespräch. Alle wollten wissen, »wie er denn so ist«.

»Wenn ihr das Gespräch on air verfolgt habt, dann wisst ihr es doch. Mehr habe ich auch nicht mit ihm gesprochen«, sagte Carla, die nach kurzer Zeit von der Fragerei genervt war.

»Ah, Frau Wildenburg, wie schön, dass Sie schon da sind.« Klopfer stand vor ihrem Schreibtisch. »Wenn Sie mal eine Minute oder auch zwei Zeit für mich hätten.«

Carla stand auf und ging mit Klopfer in dessen Büro. Nachdem er die Tür geschlossen und sich hingesetzt hatte, durchbohrte er sie mit seinem Blick.

»Wer ist Klopfer?«, schoss es schließlich aus ihm heraus. Seine waagerechten Zähne funkelten unter seiner Oberlippe.

Mist, dachte Carla entsetzt. Björn und Christian haben ja am Freitag von Klopfer gesprochen, als der Regler oben war.

»Klopfer …«, sagte sie dann langsam. »Also, Herr Sievers, ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung.«

Klopfer stand auf und ging böse zum Fenster. »Aber ich!«, rief er dann. »Man meinte mich! Ich wollte Sie Freitagabend schon direkt darauf ansprechen, aber während einer laufenden Sendung tut man so etwas ja nicht!« Er kam zurück und baute sich vor Carla auf, die gar nichts sagte, weil sie der Meinung war, dass das besser sei. »Das ganze Wochenende lang habe ich gegrübelt. Ich bin fünfundvierzig Jahre alt und man vergleicht mich mit dem Hasen aus Bambi! Können Sie mir erklären, wieso? Bin ich so niedlich? Möchte man mich am liebsten auf den Arm nehmen und streicheln?«

Carla überlegte kurz. Aufs Naheliegendste schien Klopfer nicht zu kommen. Gut so. Daher lächelte sie ihren Chef entwaffnend an. »Sie sehen eben so vertrauenerweckend aus, Herr Sievers«, sagte sie freundlich. »Und man fühlt sich in Ihrer Gegenwart so unglaublich geborgen. Ja, das wird es sein.«

»Hm«, machte Klopfer und fuhr sich mit der rechten Hand über seine Halbglatze. »Nun gut … dann will ich das mal glauben. Trotzdem darf so etwas wie am vergangenen Freitag nicht noch einmal passieren. Glücklicherweise hat die Intendanz nichts von diesem unsäglichen Gespräch mitbekommen, sonst wäre ich jetzt in Erklärungsnot. Und was war das bitte für ein Merlin, der in Ihrer Sendung angerufen hat? Jeder in der Redaktion redet von ihm.«

Carla winkte ab. »Das war einfach nur ein extrem schlagfertiger und sympathischer Mann. Hoffentlich wird er die Richtige finden.«

»Aha.« Klopfer setzte sich in seinen Ledersessel. »Aber Sie spielen weiterhin die glücklich Liierte, nicht wahr?«

»Natürlich.« Carla nickte. »Warum sollte sich daran etwas ändern?«

»Weil Sie vielleicht auch hin und wieder Interesse an einem Anrufer haben könnten«, kam es. »Aber, Frau Wildenburg, Sie wirken in Ihrer Show einfach glaubwürdiger, wenn Sie selbst sehr, sehr glücklich sind und einen wunderbaren Mann haben.«

Carla stand auf. »Klar«, sagte sie. »Alles wird so bleiben, wie es ist.« Dann durfte sie gehen.

Mittags ging Carla mit einigen Kollegen in die Kantine des Funkhauses. Sie wählte ein Wiener Schnitzel mit Pommes und Salat, dazu eine Cola.

»Hat Tina wirklich ernst gemacht?«, fragte sie Björn, der auch mitgekommen war. Der nickte traurig. »Ich bin zunächst mal bei einem Freund untergekommen«, erzählte er. »Nun muss ich mir dringend eine Wohnung suchen. Wenn ihr also was hört, wäre ich euch dankbar. Ansonsten werde ich wohl mal eine Anzeige aufgeben müssen.«

Margot Trültzsch, Klopfers Sekretärin, runzelte die Stirn. Die Vierundfünfzigjährige war die Mutter der Redaktion. Sie trug grundsätzlich dunkle Hosenanzüge und einen Haarknoten, ihre Brille baumelte an einer Kette über ihrem überdimensionalen Busen. »Wenn du nichts findest, kannst du erst einmal bei mir im Gästezimmer wohnen«, bot sie Björn an. »Aber ich denke, dass es nicht so schwierig sein wird, eine Wohnung zu finden. Immerhin bist du fest angestellt, so was zählt immer.«

»Warum kannst du nicht bei deinem Behältnis wohnen?«, wollte Carla dann wissen. Björn schnaubte auf. »Barbara hat doch gar nicht gewusst, dass ich mit Tina zusammen war. Ich habe ihr erzählt, dass es nur sie für mich gibt. Jetzt hat sie mich auch fallen gelassen.«

Nina Gruber, die Moderatorin der Vormittagssendung, lachte hämisch. »Selbst schuld«, kommentierte sie knapp. »Wer so blöd ist und solche Intimitäten über den Sender blökt, braucht sich nicht zu wundern.« Lustlos stocherte sie in ihrem Salat herum. Nina war groß, schlank und blond, hatte kalte graue Augen und schmale Lippen. Als Moderatorin war sie ganz okay, aber eben nicht so gut, dass sie eine eigene Sendung bekam. Sie moderierte den Vormittag im Wechsel mit einem Kollegen, und am Wochenende machte sie noch eine Sendung, in der sie Hörern ihre Musikwünsche erfüllte. Nina war schon seit Langem scharf auf Carlas Blind-Date-Show, doch sie überschätzte sich absolut. Sie würde ein solches Format niemals moderieren können – dazu war sie viel zu selbstverliebt und unspontan und schlagfertig schon gar nicht. Carla mochte Nina nicht – und Nina hasste Carla. Die beiden machten keinen Hehl aus ihrer gegenseitigen Abneigung.

»Du bist ja heute mal wieder der Liebreiz in Person«, sagte Frank aus der Musikredaktion zu Nina.

Die nippte an ihrem stillen Mineralwasser. »Hast du ein Problem damit?«

»Ich habe mit gar nichts ein Problem. Ich finde die Art und Weise, wie du Björn hier unterstützt, nur so wahnsinnig charmant und ergreifend«, konterte Frank und tauchte seine Kartoffel in die braune Soße.

»Ach, lass mich doch in Ruhe«, sagte Nina mürrisch.

»Nur zu gern«, meinte Frank.

Carla lächelte. Nina war wirklich eine Superzicke. Und sie war bei allen Kollegen unbeliebt. Aber das schien ihr überhaupt nichts auszumachen.

»Was lächelst du denn so blöde?«, fuhr Nina Carla an.

»Ach«, meinte Carla. »Ich hatte mir nur gerade ausgemalt, wie es wäre, wenn ich einen Tag lang so wäre wie du. Aber weil ich mich dann extrem beschissen fühlen würde, bin ich einfach nur froh, dass ich die bin, die ich bin. Und das ist doch ein Lächeln wert.«

Nina stand auf und nahm ihr Tablett. »Du kannst mich mal«, sagte sie wütend und verließ die Kantine. Den Rest des Tages ignorierte Nina sie, aber damit konnte Carla wunderbar leben.

Ach, ist das ein herrlicher Abend, dachte Carla, als sie gegen siebzehn Uhr das Funkhaus verließ und den kurzen Weg zu ihrer Wohnung einschlug. Hoffentlich würde der Sommer mal wieder so werden, wie man sich einen Sommer erhoffte: durchgängig warm nämlich. Für Carla war es wichtig, dass sie immer nach ihrer Sendung noch ein bisschen auf der Terrasse sitzen konnte – dann ließ sie den Abend Revue passieren, trank dabei einen Wein und schaute in den Himmel.

»Oh, guten Abend.«

Carla, die gerade den Hausflur betreten hatte, schaute auf. Im Treppenhaus stand ein Fremder, der sie freundlich anlächelte.

»Hallo«, sagte Carla reserviert. Wer war das denn?

»Ich darf mich kurz vorstellen. Rheinfels, Mark Rheinfels. Ich habe mir gerade die Wohnung über Ihnen angeschaut.«

»Aha«, meinte Carla und musterte ihr Gegenüber. Der Mann schien kein Serienmörder zu sein, er hatte ein offenes, freundliches Gesicht. Genau genommen sah er sehr gut aus, sehr, sehr gut sogar. Sie hatte schon immer eine Schwäche für diese großen Dunkelhaarigen gehabt.

»Und werden Sie die Wohnung nehmen?«

»Ich überlege noch«, sagte Mark Rheinfels. »Es muss einiges renoviert werden. Aber schön ist sie.«

»Ja dann …«, Carla steckte den Schlüssel ins Schloss. »Dann überlegen Sie mal.« Warum bin ich denn so unhöflich?

»Sind denn die Nachbarn nett?«, wollte Herr Rheinfels wissen.

»Sicher.« Zur Bekräftigung nickte sie noch energisch.

»Und Sie?« Der neue Fastmieter ließ nicht locker.

»Was ist mit mir?«

»Sind Sie auch nett?«

Carla lächelte. »Wenn man zu mir nett ist, kann ich auch nett sein«, sagte sie dann.

»Dann will ich mal nett zu Ihnen sein«, entgegnete er, nickte ihr freundlich zu und verließ das Haus.