Liebe kann man nicht kaufen - Barbara Cartland - E-Book

Liebe kann man nicht kaufen E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Gudula Hayward, eine junge und sehr hübsche Pfarrerstochter findet sich nach dem Tod ihrer Eltern allein in dieser Welt. Sie fällt auf die Lügen Lord Julius Westry herein, der sie nach London lockt mit Aussicht auf eine Anstellung, sie aber an ein Bordell verkaufen möchte. Sein sehr gut aussehender älterer Bruder, der Herzog von Oswestry, ein umschwärmter Herzensbrecher und Junggeselle findet sich in einer misslichen Lage, als Lady Marlene Kelston, ihm ein Kind andrehen will. Gudula trifft den Herzog zu Hause an und bittet ihn um Hilfe um den Verfolgern entkommen zu können. Um sich selbst und auch Gudula zu helfen, gibt der Herzog Gudula als sein Verlobte aus und entgeht somit dem Drängen und eventuellen Duell Drohungen von Lady Marlenes Familie. Er hat jedoch nicht mit der Rachsucht seines jüngeren und hochverschuldeten Bruders Julius gerechnet, der sich als Alleinerbe seines unverheirateten Bruders und als zukünftiger Herzog von Oswestry sah. Werden Gudula und der Herzog dem Zorn Julius entgehen und ohne Schäden aus den Geschehnissen entkommen können? Wird der in jungen Jahren durch eine unglückliche Liebe zynisch gewordene Herzog wieder an die wahre Liebe glauben können?

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DIE HAUPTPERSONEN DIESES ROMANS

Gudula Hayward

eine alleinstehende Pfarrerstochter, fällt auf die Lügen eines vertrauenserweckenden Aristokraten herein.

Herzog von Oswestry

ein Herzensbrecher, hofft, sich aus einer misslichen Lage befreien zu können, als der Zufall ihm Gudula Hayward über den Weg führt.

Lady Marlene Kelston

eine verwöhnte Lebedame, weiß sich zu helfen, als sie nicht sicher ist, von welchem Liebhaber sie ein Kind erwartet.

Lord Julius Westry

ein Bruder Leichtfuß, hat keine Skrupel, hübsche Mädchen an ein Bordell zu verschachern.

Die Autorin über diesen Roman

Wer hätte es bei der Hochzeit meiner Stiefenkelin, Lady Diana, mit dem zukünftigen König von England nicht gespürt: Wir Engländer haben - und sind glücklich darüber - die wohl lebendigste und glanzvollste Monarchie der Welt. Dazu gehört natürlich auch der Adel. Anders als im übrigen Europa wird ihm hier Jahr für Jahr frisches, ‚bürgerliches‘ Blut zugeführt. Am Neujahrstag und zum Queen-Geburtstag werden verdienstvolle Bürger von Königin Elizabeth geadelt. Jeder Engländer, ob Akademiker oder Bankier, träumt davon, ein Edelmann zu werden. Sogar die Beatles wurden geadelt.

Die neuen Lords und Ladies können ihren Adel aber nicht weitervererben. Beim alten Adel ist das anders. Und deshalb schmiedet Lord Westry ein teuflisches Komplott, um Herzog zu werden. Adel verpflichtet, aber mancher weiß es nicht.

Erstes Kapitel ~ 1820

Als der Herzog von Oswestry mit seiner Kutsche vor dem Haus in der Park Street hielt, wäre er am liebsten gleich weitergefahren.

Er kam in der Absicht, Lady Marlene Kelston seine Aufwartung zu machen, dies jedoch nur, weil er in den letzten vierundzwanzig Stunden drei Briefe von ihr erhalten hatte, in welchen sie ihn in immer eindringlicheren Worten bat, er möge sie unverzüglich aufsuchen.

Er fand beim besten Willen keine Erklärung für ihr eigenartiges Verhalten, verstand auch nicht, warum sie ihm noch schrieb, nachdem man sich vor nahezu drei Monaten getrennt hatte.

Es war eine kurze, aber leidenschaftliche Affäre gewesen. Und als sie schließlich mit einem hässlichen Streit endete, bei dem auf beiden Seiten kränkende Worte fielen, schalt er sich selbst einen ausgemachten Narren, dass er sich überhaupt je mit ihr eingelassen hatte.

Lady Marlene, seit zwei Jahren der umschwärmte Mittelpunkt der feinen Gesellschaft, war eine sehr entschlossene, resolute Dame.

Seine Mutter hatte allerdings früher des Öfteren geäußert:

„In den Adern der Kelstons fließt schlechtes Blut.“

Nachdem der Herzog Lady Marlene näher kennengelernt hatte, musste er seiner Mutter recht geben. Denn in der Tat machte sich auch in ihrem Charakter ein schlechter Zug bemerkbar.

Nach außen hin war sie bezaubernd und von unzweifelhaftem Liebreiz. Und ihre unbekümmerte Missachtung der gesellschaftlichen Konventionen machte einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Charmes aus.

Für kurze Zeit war sie verheiratet gewesen. Geheiratet hatte sie während der Befreiungskriege. Ihr Gemahl, der wie der Herzog in Wellingtons Armee mitgekämpft hatte, wurde 1815 bei der Schlacht von Waterloo verwundet. Vor drei Jahren war er schließlich seinen Verletzungen erlegen.

Nur mit mühsam gezügelter Ungeduld wartete Lady Marlene das gesellschaftlich vorgeschriebene Trauerjahr ab. Dann erschien sie, einem Meteor gleich, in den gehobenen Kreisen der Gesellschaft, wo sie beachtlichen Wirbel erregte.

Sie war so außerordentlich schön, dass selbst der anspruchsvolle Herzog von Oswestry schließlich ihren Verführungskünsten erlag.

Er hatte indes nicht damit gerechnet, dass Lady Marlenes Launen und unersättliche Ansprüche ihn bereits nach so kurzer Zeit langweilen würden. Er war ihrer nunmehr von Herzen überdrüssig.

Der Herzog näherte sich seinem dreißigsten Geburtstag und hatte mit Frauen schon viele Erfahrungen gesammelt.

Seit er ins heiratsfähige Alter kam, konnte er sich vor den Frauen kaum retten, galt er doch als eine der besten Partien in der gesamten Grafschaft. Sein gutes Aussehen und seine einwandfreie Herkunft bedeuteten für nicht wenige Frauen eine Verlockung, ihn mit weiblicher List zu umgarnen.

Bis jetzt hatte ihn jedoch noch keine Frau zu halten vermocht. Seine hohen Ansprüche machten ihn so wählerisch, dass seine Affären nie von langer Dauer waren. Einmal hatte der Regent im Scherz zu ihm gesagt:

„Ihre Eroberungen sind von so flüchtiger Natur, Oswestry, dass wir bald Frauenzimmer vom Kontinent importieren müssen, um Ihren Wunsch nach Abwechslung zu befriedigen.“

Der Herzog hatte über diesen Scherz höflich gelacht. In seine Augen trat jedoch ein finsterer Ausdruck, den der Regent nicht bemerkte.

Der Herzog verabscheute es, dass in der Öffentlichkeit über seine Affären geredet wurde, und er vertrat die Ansicht, sein Privatleben ginge niemand etwas an.

Doch in den mondänen Kreisen, wo selbst der kleinste Skandal begierig aufgegriffen und wiedergekäut wurde, bis es absolut nichts mehr darüber zu sagen gab, war es für einen derart gutaussehenden und bekannten Mann wie den Herzog unmöglich, sein Privatleben zu wahren.

Dies war einer der Gründe, weshalb er mit Lady Marlene gebrochen hatte. Sie neigte zum Klatschen, in seinen Augen eine unverzeihliche Sünde.

Er überließ jetzt die Zügel der prachtvollen Pferde seinem Reitknecht, schwang sich vom Kutschbock und betrat das Haus. Im Vorbeigehen bemerkte er, dass die Messingknöpfe an der Tracht des Lakaien, der ihm ehrerbietig die Tür aufhielt, einer Säuberung bedurften.

Nach dem Tode ihres Gatten hatte Lady Marlene ihren Mädchennamen wieder angenommen, aus dem Wunsch heraus, die Vergangenheit auszulöschen, einschließlich der Erinnerung an einen seligen und unbeweinten Gemahl.

Die adligen Witwen, die Lady Marlene wegen ihres flatterhaften Lebenswandels immer gerügt hatten, fanden diese Bemerkung kaltherzig und geschmacklos, was aber bei einer Dame ihres Schlages nicht weiter verwunderte.

Nach Kriegsende war niemand in Lady Marlenes Bekanntschaft entgangen, dass sie für ihren verkrüppelten Gemahl keinen Funken Liebe mehr aufbringen konnte. Die Tatsache, dass er sich seine Verwundungen in einem höchst tapferen Einsatz auf dem Schlachtfeld zugezogen hatte, ließ sie ungerührt.

„Für mich muss ein Mann auch ein richtiger Mann sein“, pflegte Lady Marlene zu antworten, wenn jemand ihr zum Vorwurf machte, sie würde ihren Gatten geringschätzen.

Was mag sie nur von mir wollen? fragte sich der Herzog, als er die marmorgeflieste Eingangshalle durchschritt. Ein weiterer Lakai öffnete ihm die Tür zu einem Salon.

Der Herzog war mit den Räumlichkeiten des Hauses wohl vertraut. Als Lady Marlene sich noch seiner Gunst erfreute, hatte er ihr zahlreiche Besuche abgestattet.

Von Anfang an war ihm aufgefallen, dass die Einrichtung des Hauses an Geschmack vermissen ließ und vom Personal offensichtlich schlecht instandgehalten wurde.

Es handelte sich um das Stadtpalais der Kelstons und gehörte Lady Marlenes Bruder, dem Grafen von Stanwick.

Da dieser sich nur selten in London aufhielt, wäre es für sie ein unnötiger Aufwand an Zeit und Geld gewesen, sich einen eigenen Hausstand einzurichten.

Die Kelstons verfügten nie über ausreichend Geld, was nicht weiter wunderte, weil alle dem gleichen extravaganten Lebensstil frönten wie Lady Marlene. Da sie jedoch dafür sorgte, dass ihre Rechnungen von ihren Verehrern beglichen wurden, befand sie sich in einer besseren Situation als die meisten ihrer Angehörigen.

Der Salon war leer, und der Lakai sagte:

„Ich werde der gnädigen Frau melden, dass Sie hier sind, Eure Hoheit.“

Er entfernte sich und schloss hinter sich die Tür.

Langsam schritt der Herzog auf den Kamin zu und grübelte darüber nach, weshalb Lady Marlene ihn wohl herbestellt haben mochte.

Bei ihrem ersten Brief war sein spontaner Impuls, ihn einfach zu ignorieren. Als jedoch das zweite und dritte Schreiben eintrafen, beschlich ihn das unbehagliche Gefühl, dass sie ihn persönlich aufsuchen würde, wenn er ihrer Bitte nicht nachkam.

In der Vergangenheit war sie mehr als einmal unverhofft in seinem Haus am Berkeley Square aufgetaucht, sehr zum Missfallen seiner älteren Verwandten, die seine Beziehung zu Lady Marlene nicht billigten.

Zwar sprachen sie nicht alles aus, was sie dachten, denn der Herzog war eine respektgebietende Persönlichkeit, aber es genügte, um ihn zu irritieren.

Seine Stellung als Familienoberhaupt nahm er sehr ernst, und seit er sein Erbe angetreten hatte, legte er weitaus mehr Wert auf ein korrektes Auftreten in der Öffentlichkeit als zu Lebzeiten seines Vaters.

„Du wirst alt und langweilig“, hatte Lady Marlene ihn oftmals geneckt.

Meistens dann, wenn er bei einer ihrer tolldreisten Eskapaden nicht mitmachen wollte oder sich unerbittlich weigerte, sie auf einen Ball zu begleiten, der von Leuten ausgerichtet wurde, die ihm nicht zusagten.

Er entsann sich der hitzigen Kämpfe, die zwischen ihnen aufgelodert waren, manchmal genauso stürmisch und heftig wie ihre Leidenschaft, und war froh, dass er einen Schlussstrich unter diese unerquickliche Affäre gezogen hatte.

Die Tür ging auf, und Lady Marlene trat ein.

Ohne Zweifel, sie ist hinreißend schön, musste er selbst jetzt noch zugeben.

Glänzendes rotes Haar umgab wie eine Flammenkrone ihren Kopf, und unter dichten schwarzen Wimpern blitzten strahlend grüne Augen.

Mit anmutigen, graziösen Bewegungen schritt sie auf ihn zu, einen unergründlichen Ausdruck auf dem Gesicht.

Dicht vor ihm blieb sie stehen. Lächelnd sagte sie:

„Endlich bist du da!“

„Ich kann mir nicht vorstellen, worüber du mit mir sprechen willst.“

„Es ist von ungeheurer Wichtigkeit, Randolph.“

„Das dachte ich mir.“

Lady Marlene neigte ihren Kopf zur Seite und blickte ihn aus ihren grünen Augen spitzbübisch an. Es war eine ihrer charakteristischen Gesten, die ihre Bewunderer stets an ihr entzückend fanden.

„Du siehst sehr gut aus“, sagte sie beifällig. „Vielleicht besser als jeder andere Mann, den ich kenne. Ich weiß wirklich nicht, warum es zu unserem Zerwürfnis kommen musste.“

„Du hast mich doch gewiss nicht hierherbestellt, damit ich deinen Komplimenten lausche“, gab er kühl zurück. „Sag mir, was du von mir willst, Marlene. Draußen wartet meine Kutsche mit zwei jungen Pferden, die ich nicht warten lassen möchte.“

„Pferde! Immer Pferde!“ rief sie entrüstet. „Man sollte fast meinen, Pferde seien dir wichtiger als jede Frau.“

Er gab keine Antwort, und sie spürte seine Ungeduld. Es reizte ihn ungemein, wenn eine Frau weitschweifig um das eigentliche Thema herumredete.

„Ich ließ dich hierherkommen“, sagte Lady Marlene nach einer kunstvollen Pause, „um dir mitzuteilen, dass ich guter Hoffnung bin.“

Einen kurzen Augenblick lang herrschte betroffenes Schweigen. Dann entgegnete er:

„Was verleitet dich zu der Annahme, dies könnte mich interessieren? Du solltest dich lieber an Charles Nazeby wenden.“

„Er weiß es schon!“ gab sie knapp zurück. „Aber es ist dir ja wohl kein Geheimnis, dass Charles keinen roten Heller besitzt.“

Seine Lippen kräuselten sich zu einem spöttischen Lächeln.

„Du erwartest doch wohl nicht, dass ich für Nazebys Fehltritt zahle?“

„Ich bitte dich nicht um Geld.“

„Um was denn?“

„Du sollst mich heiraten!“

Wäre vor seinen Füßen eine Bombe explodiert, der Herzog hätte nicht erschrockener sein können.

Entgeistert starrte er sie an.

„Habe ich richtig verstanden? Ich soll dich heiraten, weil du von Nazeby ein Kind erwartest?“

„Es könnte auch deines sein.“

„Du weißt genauso gut wie ich, dass das unmöglich ist!“

„Wer für mich als Erzeuger dieses ungewollten Nachwuchses in Frage kommt, ist wohl meine Angelegenheit“, erwiderte sie kalt, „und wer könnte dem Kind einen besseren Start ins Leben bieten als ein Herzog?“

Eine Zeitlang schwiegen beide. Dann sagte der Herzog in die Stille hinein:

„Wenn das alles ist, was du mir zu sagen hast, Marlene, dann war es für mich reine Zeitverschwendung, hierherzukommen. Ich empfehle mich.“

Er schickte sich an, zur Tür zu gehen, doch sie stellte sich ihm in den Weg. Sie sah ihm fest in die Augen.

„Fortlaufen ist zwecklos, Randolph. Bevor wir diesen dummen und vollkommen unnötigen Streit hatten, war es immer meine Absicht, dich zu heiraten. Und eines kann ich dir versprechen, ich werde dir zumindest eine unterhaltsame Ehefrau sein.“

„Deine Absicht mag es ja sein, mich zu heiraten“, versetzte er, „aber ich werde dich ganz gewiss nicht zur Frau nehmen, dich nicht und auch keine andere!“

„Das war schon immer deine Einstellung“, meinte Lady Marlene. „Aber eines Tages wirst du heiraten müssen, wenn nicht das gesamte Erbe an Julius fallen soll. Und jetzt wäre doch der Augenblick gekommen, seinen hochfliegenden Hoffnungen ein für alle Mal ein Ende zu setzen.“

„Bevor wir dieses unerquickliche Thema weiter erörtern, liebste Marlene, lass mich klarstellen, dass ich dich niemals heiraten werde. Jede Diskussion in dieser Hinsicht ist zwecklos. Spar dir den Atem.“

„Da bin ich aber anderer Ansicht“, widersprach Lady Marlene. „Irgendjemand muss ich nämlich heiraten, und derjenige wirst du sein.“

„Wenn das ein Kompliment sein soll, dann darf ich dich darin erinnern, dass du deine wahren Gefühle für mich bei unserem letzten Streit in unmissverständlicher Weise zum Ausdruck brachtest.“

„Was sagt man nicht alles in der Wut? Halt mir doch nicht andauernd vor, was wir beide uns in einem unbeherrschten Moment an den Kopf geworfen haben! Ganz gleich, was ich damals sagte, ich liebe dich, Randolph. Ja, ich liebe dich.“

„Rührend!“ höhnte der Herzog. „Ich frage mich nur, was Nazeby wohl dazu sagen wird.“

„Charles ist unmaßgeblich! Er kann mich nicht unterstützen, und überdies hat er bereits durchblicken lassen, dass es ebenso gut dein Kind sein könnte wie seines.“

„Das überrascht mich nicht“, meinte der Herzog verächtlich. „Nazeby hat sich schon immer gern vor Verantwortung gedrückt.“

„Aber du drückst dich nicht vor Verantwortung, Randolph, und je eher wir heiraten, desto besser.“

Er stieß einen schweren Seufzer aus.

„Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt. Ich werde dich nicht heiraten, und ich lehne jegliche Verantwortung für das Kind ab, das du unter deinem Herzen trägst. Meiner Treu, vor drei Monaten haben wir uns zum letzten Mal gesehen!“

„Nicht ganz drei Monate, das Kind könnte also von dir sein.“

„Nur ein Tölpel würde das glauben, und ich lasse mich nicht für dumm verkaufen, Marlene.“

Er machte Anstalten, zur Tür zu gehen, und wieder versperrte Lady Marlene ihm den Weg.

Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und ihre Stimme klang giftig, als sie fragte:

„Du willst also wirklich nichts für mich tun?“

„Nichts!“

„Nun gut. Ich werde mich unverzüglich mit meinem Bruder in Verbindung setzen. Er wird mir nicht nur glauben, sondern mir auch dabei helfen, dich zur Vernunft zu bringen.“

Der Herzog war sich darüber im Klaren, dass der Graf von Stanwick nicht lange brauchen würde, um die Vorteile, einen reichen Herzog zum Schwager zu haben, zu erkennen.

Der Graf von Stanwick galt als Hitzkopf und besaß das gleiche zügellose und unberechenbare Temperament wie seine Schwester, ja er verstieg sich höchstens zu noch waghalsigeren Abenteuern.

Dem Herzog war bekannt, dass er in zahllose Duelle, Kämpfe und sogar Krawalle verwickelt gewesen war.

Wo er auch auftauchte, stiftete er Unfrieden, und nach seinem letzten Aufenthalt in London atmeten alle auf, als er der Stadt endlich den Rücken kehrte.

Der Herzog machte sich keine Illusionen. Er war sich des Schadens, den der Graf anrichten konnte, wohl bewusst. Zwar fürchtete er sich nicht davor, sich mit ihm zu duellieren, indes scheute er vor dem Skandal zurück, den ein solcher Vorfall in der Öffentlichkeit erregen musste.

Jede Einzelheit seiner Liebschaft mit Lady Marlene käme an die große Glocke und würde von der Presse begierig aufgegriffen und verbreitet.

Wenn er etwas hasste, so war es ein öffentlicher Skandal, und alles in ihm sträubte sich dagegen, den Namen Oswestry zum Gespött der Leute zu machen.

Als ob sie erriet, was ihn bewegte, verkündete Lady Marlene triumphierend in seine Gedanken hinein:

„Hector wird mir glauben, und Hector wird auch dafür sorgen, Randolph, dass du mich nicht im Stich lässt und ich die Konsequenzen unserer Liebe allein tragen muss.“

Als der Herzog nicht antwortete, fuhr sie fort:

„Den ganzen Wirbel kannst du dir ersparen, wenn du gleich nachgibst. Am Ende wird dir ohnehin nichts anderes übrigbleiben.“

„Ich lasse mich nicht erpressen, Marlene“, gab er eisig zurück.

Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend.

„Wenn du dieses Wort benutzt, um mich damit einzuschüchtern, so lass es lieber bleiben. Nun gut, Randolph, ich erpresse dich und wenn ich meinen Angehörigen erst erzähle, wie übel du mir mitgespielt hast, dann werden sie keine Sekunde zögern, dich gleichfalls unter Druck zu setzen.“

Prüfend schaute sie in sein Gesicht, um seine Reaktion zu testen. Doch ohne mit der Wimper zu zucken, nahm er ihre Drohung hin. Unter keinen Umständen würde er ihr Genugtuung verschaffen, indem er sich verriet und ihr zeigte, wie beunruhigt und bestürzt er in Wirklichkeit war.

„Lass mich sehen“, fuhr sie fort, „meine Tante Agnes ist, der Tradition unserer Familie gemäß, königliche Kammerzofe Ihrer Majestät. Ich bin sicher, die Königin wird dein Betragen abscheulich finden. Mein Onkel George, obschon fünfundsiebzig, bekleidet immer noch das Amt des königlichen Kammerherrn. Für beide wäre es ein leichtes, im Buckingham-Palast ein Wort für mich einzulegen.“

Aus den Augen des Herzogs loderte der Zorn.

Er dachte daran, dass er sich diese unerfreuliche, ja sogar gefährliche Situation selbst zuzuschreiben hatte.

Doch woher sollte er wissen, dass diese bezaubernd schöne Hülle Herz und Gesinnung einer Viper barg?

In diesem Moment erregte Lady Marlene in ihm Abscheu und Ekel. Er fand, es sei eine Verhöhnung seines guten Geschmacks, dass er dieses Frauenzimmer je für ein bezauberndes Geschöpf gehalten hatte.

Unvermittelt änderte sich Lady Marlenes Verhalten. Sie verlegte sich aufs Schmeicheln.

„Verzeih mir, Randolph, ich wollte dich nicht kränken. Wenn du mich heiratest, werde ich mich mit Anstand zu benehmen wissen, und wir werden einander wieder genauso liebhaben wie vor unserem dummen Streit.“

Sie schaltete eine Pause ein, um ihm Gelegenheit zum Antworten zu geben. Da er jedoch schwieg, fuhr sie fort:

„Du weißt, ich wüsste die berühmten Oswestry-Diamanten mit Stolz und Würde zu tragen und Gesellschaften auszurichten, um die man uns bei Hof beneidete.“

Sie lächelte, und ihr schönes Gesicht gewann noch mehr an Liebreiz.

„Denk doch nur, welch ein Triumph es wäre, die Hoffnung deines Bruders auf das Erbe im Keim zu ersticken. Zurzeit lässt er dich zwar mit seinen ewigen Forderungen nach Geld in Ruhe, aber ich nehme an, du weißt, dass er sich Beschäftigungen hingibt, die an Ruchlosigkeit nicht mehr zu überbieten sind. Eure Vorfahren würden sich im Grabe umdrehen, wüssten sie davon.“

„Ich verspüre nicht den geringsten Wunsch, mit dir über meinen Bruder Julius zu reden“, fiel der Herzog ihr scharf ins Wort. „Die Angelegenheiten meines Bruders gehen dich nichts an, genauso wenig, wie mich deine Angelegenheiten etwas angehen.“

Ehe Lady Marlene ihn daran hindern konnte, schritt er an ihr vorbei und auf die Tür zu.

„Wenn das dein letztes Wort ist“, rief sie ihm hinterher, „lasse ich sofort Hector kommen.“

„So lass ihn kommen, und scher dich zum Teufel!“

Damit verließ er den Salon. Lady Marlene hörte, wie seine sich rasch entfernenden Schritte auf dem Marmorboden verhallten.

Ein Ausdruck von Besorgnis verdüsterte vorübergehend ihre grünen Augen, doch dann lächelte sie zuversichtlich.

„So kommt er mir nicht davon“, schwor sie sich laut.

*

Während der Herzog in seinem geschlossenen Einspänner vom Club heimwärts fuhr, kreisten seine Gedanken unablässig, wie schon den ganzen Abend über, um Lady Marlene. Er überlegte, was er unternehmen sollte.

Sein Gespräch mit ihr hatte ihn innerlich so aufgewühlt, dass er kurzentschlossen eine Abendgesellschaft absagte und sich stattdessen in den White’s Club begab.

Dort traf er zahlreiche Freunde an, die sein Kommen herzlich begrüßten, jedoch stellte man nach einer Weile fest, dass er ungewöhnlich still und geistesabwesend wirkte, bis jemand ihn schließlich fragte:

„Was ist los mit dir, Randolph? Du siehst so niedergeschlagen aus.“

Am liebsten hätte der Herzog ihm erzählt, dass er auch allen Grund zur Niedergeschlagenheit habe, aber er schützte Kopfschmerzen vor und hing wieder seinen sorgenvollen Gedanken nach.

Ein Skandal war ihm verhasst, aber für ihn wäre es ein noch schlimmeres Schicksal, Lady Marlene zu heiraten.

Selbst während der kurzen Zeitspanne, in der er sich zu ihr hingezogen fühlte, hatte er gewusst, wie unberechenbar und skrupellos sie sein konnte.

Für ihn kam es überhaupt nicht in Frage, eine solche Frau zu ehelichen, eine Frau, die sich dazu hinreißen ließ, ihm das Kind eines anderen Mannes unterzuschieben - noch dazu eines Mannes, den er aus tiefstem Herzensgrund verachtete.

Sir Charles Nazeby war ein Verschwender, ein Parasit, der auf Kosten anderer lebte und der, wie der Herzog vermutete, obwohl er es nicht beweisen konnte, gelegentlich beim Kartenspiel betrog.

Dass eines Tages dessen Nachkomme, falls es ein Junge würde, den Herzogtitel mit all den damit verbundenen Würden und Verpflichtungen erbte, war eine Möglichkeit, die der Herzog um jeden Preis verhindern wollte.

Obwohl er nie darüber sprach, war er außerordentlich stolz darauf, dass seine Familie in der Vergangenheit der Monarchie und der Nation treu und nach besten Kräften gedient hatte.

Der Familienname lautete Westry, und zwei seiner Vorfahren mit Namen Westry waren große Staatsmänner gewesen. Westrys hatten sich auf dem Schlachtfeld durch Tapferkeit ausgezeichnet; es gab Westrys, die im Dienste der Wissenschaft um die Welt gesegelt und unbekannte Gegenden erforscht hatten.

Ihre Zeitgenossen hatten ihnen stets Bewunderung und Respekt gezollt, und der Herzog war fest entschlossen, diese ehrenvolle Tradition weiterzuführen. Nichts durfte den guten Namen der Westrys beflecken.

Nun bereute er, dass er nicht längst geheiratet und einen Sohn und Erben gezeugt hatte, bevor er Lady Marlene kennenlernte. Aber an die Ehe, die er einmal zu führen beabsichtigte, hatte er höchste Ansprüche gestellt.

Ihm war bekannt, wie viele seiner persönlichen Freunde in einer unglücklichen Ehe lebten oder sich an der Seite der Frauen langweilten, die ihre Eltern für sie ausgesucht hatten. Bis jetzt hatte er sich daher noch nicht entschließen können, zu heiraten.

Und allen Leuten, die ihn bedrängten, er möge doch endlich eine Frau vor den Altar führen, erklärte er rundheraus, er habe die Absicht, Junggeselle zu bleiben.

Er genoss seine Freiheit in vollen Zügen. Es behagte ihm nicht nur, seinen Besitz ohne weibliche Einmischung zu führen, sondern er war auch ehrlich genug, um zuzugeben, dass er lieber zwischen den vielen Frauen wählte, die ihm ihre Gunst nur allzu bereitwillig anboten, als sich auf eine einzige zu beschränken.

Darüber hinaus hatte er die angenehme Erfahrung gemacht, dass die meisten seiner Geliebten, nachdem die Liaison einmal vorbei war, ihm freundschaftlich verbunden blieben und ihn, im Gegensatz zu Lady Marlene, in keiner Weise bedrängten.

Doch diese bedrohte ihn nun in schamloser Weise und stellte eine bis jetzt nicht gekannte Gefahr für ihn dar.

Plötzlich hatte er seinen Zorn auf sie nicht mehr unterdrücken können, war vom Kartentisch aufgesprungen und hatte wortlos den Club verlassen.

Er hörte nicht einmal, wie seine Freunde ihn riefen:

„Randolph, du hast deinen Gewinn liegenlassen!“

Nachdem er fort war, wechselte man beredte Blicke. Einer fragte:

„Was ist denn mit Oswestry los? So merkwürdig habe ich ihn noch nie erlebt.“

„Es kann sich nur um eine Frau handeln“, argwöhnte jemand.

Es gab Gelächter und viel Kopfschütteln.

„Eine Frau?“ wunderte sich ein Herr. „Hast du je erlebt, dass Oswestry sich wegen einer Frau Sorgen macht? Er braucht doch nur zu winken, und sie kommen in Scharen angelaufen.“

„Das stimmt!“ polterte ein anderer. „Und hol’s der Henker, mit seinem Aussehen und seinem Geld verdirbt er uns noch den Markt.“

Als die Kutsche über den Berkeley Square rollte, kam der Herzog zu dem Schluss, dass sich seine Gedanken immer im Kreis drehten und zu keinem Ergebnis führten.

Für sein Problem gab es keine Lösung, und vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich der Herzog von Oswestry ratlos.

Vor seinem Haus hielt er an. Der Lakai, der herbeigestürzt kam und ihm den Wagenschlag öffnete, stutzte, als er die finstere Miene seines Herrn bemerkte.

Seine Hoheit kehrte früh heim, was an sich schon ungewöhnlich war; und wenn ihn einmal etwas bedrückte, so spürte es sein Personal, von dem die meisten schon seit Jahren in seinen Diensten standen, sehr genau.

Ein weiterer Lakai rollte flink den roten Teppich über das Trottoir, und der Butler stand wartend in der offenen Haustür, als der Herzog der Kutsche entstieg.

Die Diener neigten ehrerbietig die Köpfe. Doch als er die breiten Stufen erreichte, die zum Hauseingang führten, schrie jemand auf, eine Frau rannte über die Straße auf ihn zu, warf sich an seine Brust und keuchte atemlos:

„Helfen Sie mir! Helfen Sie mir!“

Es klang verzweifelt. Verblüfft schaute der Herzog in ein junges Gesicht, aus dem große Augen flehend zu ihm aufblickten.

„Retten Sie mich!“ schluchzte sie. „Retten Sie mich . . . ich werde verfolgt!“

Der Butler griff die Frau beim Arm und wollte einschreiten.

„Genug damit“, sagte er streng. „Gehen Sie bitte fort. Frauenzimmer wie Sie können wir hier nicht brauchen.“

Der stämmige junge Lakai, der den roten Teppich ausgerollt hatte, umklammerte den anderen Arm der Frau.

„Überlassen Sie das uns, Eure Hoheit“, sagte der Butler.

Mit diesen Worten zog er die Frau zurück. Sie stieß einen herzergreifenden Schrei aus.

„Bitte, bitte . . .“ flehte sie. „Man sagte mir, dies sei Lord Julius Westrys Kutsche. Aber es scheint ein Irrtum zu sein. Man hat mich belogen.“

Unterdessen hatten der Butler und der Lakai sie ein paar Meter vom Herzog fortgezerrt. Den Fuß bereits auf die erste Treppenstufe gesetzt, drehte er sich noch einmal um.

Er warf der jungen Frau einen durchdringenden Blick zu.

„Was sagten Sie?“

„Helfen Sie mir! Bitte, helfen Sie mir!“

Ihre Stimme ging in Schluchzen über.

„Lassen Sie sie los“, befahl er.

Sobald der Butler und der Lakai ihre Arme freigegeben hatten, rannte sie abermals auf den Herzog zu. Ihre Augen schwammen in Tränen. Sie blickte zum Herzog empor und stammelte:

„Sie sind hinter mir her! Sie wollen mich wieder einfangen.“

Der Herzog ließ seinen Blick über den dunklen Platz schweifen und gewahrte zwei Männer, die in unschlüssiger Stellung verharrten. Sie schienen die Verfolgung ihres Opfers aufzugeben, als sie merkten, an wen das Mädchen sich um Hilfe gewandt hatte.

„Sie nannten gerade einen Namen“, sagte der Herzog. „Hätten Sie die Güte, ihn zu wiederholen?“

„Lord Julius Westry - er sagte mir, er habe eine Anstellung für mich.“

Der Herzog starrte sie an, als wolle er sich vergewissern, ob sie die Wahrheit sprach. Er fasste einen Entschluss.