Liebe mit Salzgeschmack - Peter Förster - E-Book

Liebe mit Salzgeschmack E-Book

Peter Förster

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Beschreibung

Konrad hat an der Nordseeküste ein altes Bauernhaus gekauft und will mit Noah zusammenziehen. Das wäre alles so einfach, wenn da nicht Sabine wäre, Noahs Freundin, die nicht weiß, dass er schwul ist und in der Nähe wohnt. Als Noah sich ihr gegenüber outet, bricht für sie eine Welt zusammen, weil sie insgeheim hoffte, aus ihr und Noah würde irgendwann ein Paar werden. Und dann ist da auch noch Rainer, ein Student aus Konrads Kurs an der Uni, der beim Renovieren des Hauses hilft. Noah fährt total auf ihn ab und auch Rainer scheint nicht abgeneigt zu sein. Und dann passiert es eines Nachmittags, als sie alleine im Haus sind: Lust und Leidenschaft überfallen sie und beide können nicht voneinander lassen. Damit haben sie aber Konrad hintergangen. Als Noah es ihm bekennt, reagiert Konrad enttäuscht und verletzt, doch er will die Beziehung nicht beenden. Er gibt Noah noch eine Chance, wenn er Rainer vergisst und den Kontakt abbricht. Da passt es ganz gut, dass der nach Hannover zieht. Doch dann erreicht Konrad ein Notruf aus Hannover und ihre Beziehung wird durch ein dramatisches Ereignis erneut auf die Probe gestellt. Durch ein Gespräch mit Konrad sieht Rainer ein, dass er Noah loslassen muss. Er hofft, dass seine neue Arbeitsstelle in Boston/USA ihm hilft, Noah zu vergessen. Konrad und Noah versuchen unterdessen, ihre Beziehung wieder neu zu gestalten und zu beleben. Doch tief in Noahs Seele rumort es, weil er Rainer einfach nicht loslassen kann. Inzwischen hat Sabine Noahs Homosexualität akzeptiert und freundet sich mit den beiden Männern an. Als sie sich in Jochen, einen Bekannten ihrer Freundin in Stuttgart verliebt, schwelgt sie im Liebesglück. Jochen zieht zu ihr an die Küste, denn sie wollen heiraten. Bei einem Besuch lernen Konrad und Noah seinen Sohn Stefan kennen, der auch nach Boston gehen will, weil er dort einen Job gefunden hat. Da sein amerikanischer Freund kurz vor seiner Abreise mit ihm Schluss gemacht hat, kommt er bei Rainer unter, der noch einen Mitbewohner sucht. Rainer und Stefan verlieben sich und genießen ihr Glück. Doch dann machen sie eine Entdeckung, die ihr ganzes Leben revolutioniert und auf den Kopf stellt und ihre Beziehung infrage stellt. Oder doch nicht? Und hat das auch Auswirkungen auf ihre Freundschaft mit Noah und Konrad?

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Peter Förster

Liebe mit Salzgeschmack

 

 

Himmelstürmer Verlag, part of Production House, Hamburg

www.himmelstuermer.de

E-Mail: [email protected]

Originalausgabe, Mai 2019

© Production House GmbH

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.

Zuwiderhandeln wird strafrechtlich verfolgt

Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage

Coverfotos: Adobe stock

Umschlaggestaltung:

Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg. www.olafwelling.de

E-Book-Konvertierung: Satzweiss.com Print Web Software GmbH

 

 

ISBN print 978-3-86361-759-2

ISBN e-pub 978-3-86361-760-8

ISBN pdf 978-3-86361-761-5

 

Alle hier beschriebenen Personen und alle Begebenheiten sind frei erfun-den. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist nicht beabsichtigt

Noah und Konrad

Die Sonnenstrahlen hatten nun doch einen Weg gefunden, um Noah Kampmann zu wecken. Durch eine Lamelle des Klappladens war es einem Strahl gelungen, ihn im Gesicht zu kitzeln. Er richtete sich mühsam auf und rieb sich die Nase. Verschlafen und missmutig schaute er zum Fenster. Es schien ein schöner Tag zu werden. Nicht jetzt, dachte er und drehte sich auf die andere Seite, sank in sein Kissen und lauschte. Konrads gleichmäßiges Atmen neben ihm versetzte ihn in eine Art Trance, die seiner Müdigkeit wie eine willkommene Dienerin die Arme öffnete und ihn wieder in einen tiefen Schlaf sinken ließ. Er hatte das Gefühl, nur wenige Sekunden geschlafen zu haben, als er Konrads Hand auf seinem Kopf spürte, der ihm durch das Haar fuhr und sagte:

„Guten Morgen, süße Schlafmütze. Ich habe hier einen schönen heißen Kaffee für dich.”

Noah rappelte sich hoch, saß noch total erschöpft in seinem Bett und sah seinen Freund an, der schon fertig angezogen in seiner Arbeitskleidung auf dem Bettrand saß und ihm einen Becher mit dampfendem Kaffee reichte. Noah nahm einen Schluck und meinte: „Ich bin immer wieder erstaunt, dass du am frühen Morgen nach dem Aufstehen gleich so gut gelaunt bist. Ich kann das nicht!”

Konrad lachte. „Ja, ich weiß, aber ich freue mich über jeden Tag, weil er neue Möglichkeiten und manchmal neue Abenteuer mit sich bringt.”

Noah sah ihn skeptisch an. Neue Abenteuer? Auf manche konnte er gut und gern verzichten.

„Was steht heute an?”, fragte Noah mit noch belegter Stimme.

„Wir müssen kurz im Baumarkt ein paar Sachen abholen. Aber das kann ich notfalls auch allein machen.”

„Nein, ich komme mit. Ich suche doch ein Regal für mein Zimmer. Vielleicht haben die was Passendes.”

„Ist gut. Ich will in einer halben Stunde losfahren. Wenn du magst, können wir beim Bäcker im Baumarkt frühstücken.”

Noah nickte. „Ja, das machen wir. Ist sonst noch was zu erledigen?”

„Heute? Nein, es gibt nichts Besonderes.”

„Gut, dann gehe ich danach zu Sabine, um ihr von uns zu erzählen. Ich habe meinen Besuch schon angekündigt. Eventuell bleibe ich danach noch einen Moment am Deich. Ich kann mir vorstellen, dass das Gespräch nicht so einfach wird.“

Konrad schaute ihn skeptisch an. „Du willst ihr wirklich schon sagen, dass du zu mir ziehst? Damit wolltest du doch noch warten.”

„Ja, das hatte ich gesagt, aber vorhin dachte ich, dass es besser wäre, es jetzt zu tun. Wenn sie es dann hinterher erfährt, ist das für sie vielleicht noch schlimmer.”

„Gut, dann mach das so. Du hättest dich gar nicht auf sie einlassen sollen.”

Noah klang genervt. „Ja, ja, darüber haben wir ja auch schon mehrmals geredet. Du weißt, dass ich damals, als ich sie kennenlernte, noch gar nicht richtig wusste, wie ich ticke.”

Konrad hob abwehrend die Hände. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht bedrängen. Ich finde es gut, dass du ihr jetzt Bescheid sagst.”

Etwas später waren sie unterwegs zum Baumarkt und nachdem sie ihre Einkäufe erledigt hatten, setzte Konrad Noah direkt an Sabines Haus ab, das direkt am Deich lag. Nun stand er da und ihm war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, Sabine von seiner Homosexualität zu erzählen. Aber es war richtig. Er wollte ihr von den Veränderungen in seinem Leben berichten, die durch die Freundschaft mit Konrad eingetreten sind.

Er kannte Sabine schon über einem Jahr. Sie hatten sich in Bremen kennengelernt, als sie auf dem Hauptbahnhof beim Blick auf den Fahrplan aneinanderstießen.

Ihre Freundschaft hatte sich langsam entwickelt. Beide waren sich vom ersten Augenblick an sympathisch. Sie trafen sich vor allem für gemeinsame Unternehmungen: Konzert- und Theaterbesuche, Literaturabende und Ausstellungseröffnungen. Aus Sabines Andeutungen konnte Noah jedoch entnehmen, dass sie mehr wollte als einen freundschaftlichen Umgang. Er wollte das allerdings nicht, denn er wollte sich nicht festlegen. Außerdem war er sich nicht ganz sicher, ob er nicht doch lieber mit einem Mann zusammen wäre. Nachdem er Konrad kennengelernt hatte, wusste er, dass es genauso war.

Er fand, dass es jetzt an der Zeit wäre, ihr zu sagen, dass er homosexuell ist. Bisher hatte er noch nicht den Mut gefunden, mit ihr darüber zu sprechen, weil er eine Zurückweisung befürchtete und das Gefühl hatte, es könnte sie verletzen. Normalerweise würde ihm so etwas nichts ausmachen, aber das hier war anders. Sabine kam aus einem christlich-konservativen Elternhaus und hatte in manchen Punkten seiner Meinung nach ein paar verschrobene Ansichten. Sie tat ihm aber gut und er war gern mit ihr zusammen. Sie hatte Humor. Ihr Lachen war unverwechselbar ansteckend. Sie sah gut aus und war sehr intelligent. Deshalb hatte er es immer wieder vor sich hergeschoben. Doch heute musste er ihr sagen, dass er fest mit Konrad zusammen war und seine freie Zeit hauptsächlich diesem neuen Mann in seinem Leben gehörte. Er befürchtete, Sabine würde das ziemlich umhauen. Für ihn war ihre Freundschaft eben nur eine Freundschaft, nicht mehr. Ihm war es damals ganz recht, dass er in Hamburg und sie in Bremen wohnte.

Als sie dann das Haus am Deich von ihrer Großmutter erbte, zog sie von Bremen hierher nach Otterndorf, diesem kleinen Ort an der Mündung der Elbe. Bis Cuxhaven waren es fünfzehn Kilometer. Für eine Schriftstellerin war dies ein idealer Ort, um zu schreiben. Ausgerechnet in diesem Dorf hatte Konrad vor wenigen Wochen das alte Bauernhaus gekauft. Das machte das Gespräch mit ihr nicht einfacher.

Er atmete tief durch, fasst sich ein Herz und betätigte den messingfarbenen Türklopfer. Sabine öffnete.

Als sie ihn sah, strahlte sie. „Hallo, Noah! Schön, dass du vorbeikommst.” Sie umarmte ihn.

Er trat ein und sie setzten sich ins Wohnzimmer.

„Danke, dass du Zeit hast. Ich habe etwas Wichtiges mit dir zu besprechen.”

Sie schaute ihn erwartungsvoll an.

Ob er sich endlich doch überlegt hatte, mit ihr verbindlicher zusammenzuleben?

Er zögerte und stotterte unbeholfen: „Wie du weißt, baut Konrad zurzeit den alten Bauernhof um und wird in zwei Wochen einziehen und”, er machte eine Pause und sagte dann: „eine Woche später werde ich zu ihm ziehen.”

Peng! Darauf war sie nicht vorbereitet. Sie schaute ihn ungläubig an und sagte mit zittriger Stimme: „Du ziehst zu Konrad? Jetzt auf einmal ziehst du doch an die Küste? Auf’s Dorf? Das wolltest du doch die ganze Zeit nicht! Wieso jetzt doch?”

Noah sah sie an, als wäre er ertappt worden. „Ja, ich weiß, ich hab immer gesagt, dass ich nicht am Meer wohnen will. Aber es ist jetzt eine andere Situation entstanden”, er schluckte und fuhr dann fort, „ich ziehe zu Konrad, weil Konrad und ich ein Paar sind. Ich bin schwul.”

Sie stand da, erstarrt, unfähig zu sprechen, ihr war schlecht!

„Es tut mir leid, dass ich dich schockiert habe”, sagte er.

„Allerdings!”, bemerkte sie ziemlich schroff, nachdem sie sich wieder gefangen hatte.

„Ich hätte es dir viel früher sagen sollen, dir als bester Freundin auf jeden Fall. Aber ich hatte Angst, dass du dich dann zurückziehst. Du warst so nett zu mir. Wir haben so schöne Zeiten miteinander verlebt, unsere Konzertbesuche, die Literaturabende. Das wollte ich nicht kaputt machen. Ich habe einfach die Kurve nicht gekriegt.”

Sie schaute ihn völlig fassungslos an. Noah hatte sich die ganze Zeit ganz normal verhalten. Sicher, sie hatten bisher noch nicht miteinander geschlafen, obwohl sie sich schon ein Jahr kannten. Dem war Noah immer aus dem Weg gegangen. Das störte sie aber nicht. Sie selber war von ihrer christlichen Erziehung so geprägt, dass Sex nicht das Wichtigste im Leben ist. Trotzdem war diese Nachricht, dass Noah schwul ist, ein Schock. Wenn es eine andere Frau gewesen wäre, klar, das wäre schrecklich. Doch das wäre eine ebenbürtige Konkurrentin, aber das hier? Dagegen war sie machtlos.

Als ihr klar wurde, was das bedeutet, fasste sie sich wieder. Sie spürte, wie in ihr Wut hochstieg. Ärgerlich und zornig sagte sie: „Ich finde es unmöglich, dass du erst jetzt damit rausrückst! Über ein Jahr sind wir befreundet und ich merke, ich kenne dich überhaupt nicht! Ich finde es nicht fair, so lange zu warten und mir falsche Hoffnung zu machen.”

Noah wandte ein: „Das habe ich nie gemacht, Sabine! Wenn, dann warst du es, die sich Hoffnungen gemacht hat.”

„Ja, ja, schieb es nur auf mich! Ich bin maßlos enttäuscht.”

Ihr liefen Tränen über die Wangen.

„Hast du dir denn das nicht denken können?”, fragte Noah, „ich habe doch nie Anstalten gemacht, mit dir zu schlafen und wir haben auch nie darüber geredet.”

Sie war entrüstet und wischte sich energisch die Tränen weg. „Das war für mich kein Hinweis, Noah. Was den Sex angeht, warst du sehr zurückhaltend, das stimmt. Ich habe das aber als höflich und rücksichtsvoll empfunden, weil es den meisten Männern nur darum geht, möglichst schnell mit einem ins Bett zu kommen. Ich habe daraus nicht entnommen, dass du auf Männer stehst. Denn auch sonst hast du dich immer wie ein normaler Mann verhalten.”

Sie machte eine kurze Pause, sagte dann leise und sinnierend: „Weißt du, ich hatte mir so meine Gedanken gemacht, weil es zwischen uns immer so harmonisch war. Ich hatte gehofft, dass vielleicht doch mehr daraus werden könnte.”

„Ich habe aber von Anfang an deutlich gemacht, dass ich es bei einer Freundschaft belassen möchte, oder nicht?”

„Doch, doch, das hast du”, sagte sie, „aber wir Frauen ticken eben anders. Wenn wir uns bei einem Mann wohlfühlen und er uns das Gefühl vermittelt, dass wir ein Leben lang mit ihm zusammen sein könnten, dann hoffen wir, dass sich das doch irgendwann zu mehr entwickelt. Aussagen, die beinhalten, dass man es bei einer einfachen Freundschaft belassen möchte, sind dann zweitrangig, weil man die Hoffnung hat, dass sich die Gefühle doch noch ändern.”

Noah schaute sie erstaunt an. „Das wusste ich nicht. Das Gefühl habe ich dir vermittelt?”

Sie nickte traurig.

„Unter diesem Aspekt hätte ich natürlich viel früher darüber mit dir sprechen sollen, da hast du Recht. Entschuldige, Sabine!” Seine Stimme klang mitfühlend.

Nun rannen ihr noch mehr Tränen über die Wangen. Er wollte ihre Hand nehmen, aber sie entzog sie ihm.

„Und jetzt hast du deinen Traummann gefunden, ja?” Sie klang verletzt und enttäuscht.

„So wie es im Moment aussieht, ja. Aber ich weiß natürlich auch nicht, wie sich das entwickeln wird. Wir ziehen aber zusammen.”

„Liebst du ihn denn?”

„Ja, ich liebe ihn. Im Moment will ich nichts anderes, als mit ihm zusammen sein.”

Seinem Gesichtsausdruck entnahm sie sehr deutlich, dass er in den Mann verliebt war.

„Dann solltest du jetzt möglichst schnell zu deinem Konrad gehen. Ich möchte allein sein.”

Er stand etwas hilflos da und sagte: „Sabine, ich …”

„Geh einfach!”, sagte sie in einem scharfen Ton und wandte sich ab. Er merkte, dass es nicht viel Zweck hatte, jetzt noch weiterzureden. Noah verließ das Haus. Er ging oben auf dem Deich ein Stück den Weg entlang, bis Sabines Haus nicht mehr zu sehen war.

Er blieb stehen. Ihm ging das Gespräch mit Sabine durch den Kopf. Es war nicht so gut gelaufen. Sie war doch tiefer getroffen und verletzt, als er erwartet hatte. Er brauchte jetzt erst mal eine kleine Auszeit. Dafür war hier oben auf dem Deich genau der richtige Platz. Er ließ seinen Blick über die graublaue Wasserfläche schweifen. Nach langer Zeit sah er das Meer nun zum ersten Mal wieder. Der Umbau des Bauernhofes hatte seine ganze Kraft und fast die ganze Freizeit gefordert. Sie waren fast fertig. Nun stand er hier oben und sah ins Weite. Dann schloss er die Augen und atmete tief ein. Herrlich, dieser Wind! Mit jedem Atemzug sog er die frische, kühle Luft ein, die so würzig roch nach Salz, nach Fisch, nach Fernweh. Er blieb eine Zeit lang, die Arme ausgebreitet, dort stehen. Nach den anstrengenden Wochen auf der Baustelle und dem Gespräch mit Sabine hatte er das Gefühl, dass der Wind hier am Meer das Gehirn frei blies. Einige Möwen ließen sich von den Windstößen nach oben tragen. Ihr Geschrei mischte sich mit dem sanften Rauschen der Luft. Das dumpfe Geblöke der Schafe, die in seiner Nähe mehr widerwillig als genüsslich das salzige Gras am Deich abrupften, versetzte ihn in eine total entspannte innere Ruhe. Ein kalter Luftzug brachte ihn dazu, die Augen zu öffnen. Am Himmel eben noch blauen Himmel, türmten sich plötzlich schwarze Wolkenberge auf. Die schaumkronenbesetzten Wellen brandeten stärker gegen das Ufer. Die Sonne war verdeckt und es war merklich kühler geworden. Er sollte jetzt schnell nach Hause gehen! Zügig machte er sich auf den Heimweg. Inzwischen hatte die Windstärke zugenommen. Ein Sturm zog auf.

Als Noah nach fünfzehn Minuten den Bauernhof betrat, war Konrad dabei, die Sonnenschirme auf der Terrasse in Sicherheit zu bringen. Der Wind war stärker geworden und zerrte an den Planen, mit denen sie ihr Brennholz für den Winter zugedeckt hatten.

„Wo hast du denn so lange gesteckt, Mann?”, rief Konrad.

„Du weißt doch, dass ich am Deich und bei Sabine war.”

„Ja, aber so lange!”

„Jetzt bin ich ja da.”

„Wir kriegen einen Sturm! Hilf mir mal, die Sachen in Sicherheit zu bringen, ich schaff das nicht alleine! Der Hühnerstall und die Scheune müssen noch geschlossen werden! Außerdem sind hinterm Haus noch ein paar leere Eimer und Kübel, die wahrscheinlich wegfliegen. Los, beeil dich!”

Eine Windböe nach der anderen sprang Noah ins Gesicht. Noah lief hinter das Haus. Die Rückseite lag nach Westen. Hier war der Wind viel stärker zu spüren. Die fünf Eichen am Rande der Wiese schwankten bedrohlich. Ihre Äste sahen aus, wie zum Himmel gereckte um Hilfe flehende Arme. Aber sie hatten schon einige Stürme überstanden und würden sicher auch diesem standhalten. Einen morschen Ast des Kirschbaumes hatte der Sturm abgerissen und auf den Komposthaufen am Rand des Gartens geschleudert. Noah verriegelte das Scheunentor. Ein paar Hühner, die noch im Hof herumirrten, scheuchte er in den Stall und schloss ihn. Dann nahm er noch die zwei Farbmischeimer und brachte sie ins Haus.

Als er die Tür schloss, prasselte ein Starkregen herunter. Noah ging durch die ehemalige Futterküche, die später einmal Konrads Ausstellungsraum werden sollte, in die Küche. Sein Freund war Töpfer oder Tonkünstler, wie er es lieber hörte. Er fertigte große und kleine Kunstwerke aus Ton: Vasen, Schalen, Krüge, Skulpturen, Kerzenständer, was immer man aus Ton formen konnte. Noah setzte Teewasser auf.

Konrad kam zur Tür herein. „Entschuldige, Noah, dass ich vorhin so pampig war. Ich wusste nicht, wann du wiederkommst. Ich dachte, dass mir das Zeug um die Ohren fliegt.”

Noah ging auf ihn zu, nahm ihn in den Arm. „Ist schon vergessen. Ich hätte wahrscheinlich genau so reagiert.”

„Wie geht es Sabine?”

„Tja, jetzt nicht mehr so gut, glaube ich. Ich habe ihr von uns erzählt und dass ich zu dir ziehe.”

Konrad runzelte die Stirn. „Das war zu erwarten. Wenigstens ist es nun raus. Ich denke, sie fängt sich auch wieder.”

Zweifelnd schaute Noah ihn an. „Meinst du?”

„Ich kenn sie zwar nicht näher, aber die meisten Frauen, die so etwas von ihren Partnern gesagt bekommen, haben sich früher oder später damit abgefunden.”

„Na, hoffentlich hast du Recht!”

„Ganz bestimmt. So, auf jeden Fall hast du eine Last weniger zu tragen. Oder wie fühlst du dich?”

„Recht gut, befreit!”

„Na, siehst du? Komm wir trinken einen Tee.”

Noah hatte inzwischen den Tee aufgebrüht. Er brachte die Kanne zum Tisch, an dem Konrad Platz genommen hatte, holte zwei Tassen und eine Dose Gebäck aus dem Schrank. Draußen tobte der Sturm. Regenschwaden klatschten gegen das Fenster, es pfiff und summte um das Haus herum. Ein paar Zweige des Hibiskusstrauches klopften gegen das Fenster.

„Mann, bin ich froh, dass ich hier drin bin”, meinte Noah. Irgendwo schepperte ein loses Blech. Konrad sah nach oben. „Das muss die Schornsteinverkleidung sein. Ich sehe sie mir Morgen gleich mal an. Heute Abend dürfte aber nichts passieren.”

Als sie ihren Tee getrunken hatten, stand Noah auf. „Ich gehe duschen.”

„Ja, mach das. Das habe ich auch noch vor.”

 

Etwa eine halbe Stunde später saß Noah im Wohnzimmer auf dem Sofa, frisch geduscht, mit einer Boxershorts bekleidet, weil ihm warm war. Konrad hatte den Kamin angeheizt. Das Prasseln der Flammen und Knacken des brennenden Holzes übertönten Sturm und Regen. Die beiden Wandlampen verbreiteten schummriges Licht, weil es draußen durch das Unwetter ziemlich dunkel geworden war. Er hatte eine Kerze angezündet. Über die Stereoanlage erklang sanfte Klaviermusik. Noah hatte die Augen geschlossen und den Kopf zurückgelehnt. Ihm ging das Gespräch mit Sabine durch den Kopf. Vielleicht hätte er das vorsichtiger angehen müssen. Aber wie denn? In den letzten Wochen war ihm schon paar Mal der Gedanke gekommen, dass man gar nicht so viel vorbereiten konnte. Einerseits tat Sabine ihm leid. Sie schien ziemlich verletzt zu sein. Andererseits war er froh, dass er es gewagt hatte.

Noah spürte, wie Konrad sich zu ihm auf das Sofa setzte. Er öffnete die Augen. Da saß sein Traummann. Seine dunklen Haare mit vereinzelt grauen Spitzen verliehen seinem markanten, braun gebrannten Gesicht, etwas Klassisches, Erhabenes, erinnerte ihn an eine römische oder griechische Skulptur. Konrad hatte den dunkelblauen Bademantel an und roch so gut! Er lehnte sich an Noahs Schulter und streichelte mit seiner linken Hand Noahs Wange. Der nahm die Hand und küsste sie mehrmals. Konrad Bademantel war verrutscht und deswegen vorn offen. Noah gefiel, was er sah: einen muskulösen nackten Mann, dessen Glied im Moment noch in Ruhestellung zwischen den kräftigen Oberschenkeln lag. Noah begann Konrads Brust zu streicheln. Prompt begann sich bei Konrad etwas zu regen. Und auch er spürte eine starke Anspannung in seiner Hose.

„Weißt du, dass wir das letzte Mal vor zwei Wochen miteinander geschlafen haben?”, sagte Konrad.

„Ja, durch den ganzen Umbau hatten wir keine Zeit oder waren zu müde.”

„Das sollten wir aber ändern.”

„Gern”, meinte Noah und lächelte. Er zog seine Boxershorts aus und meinte, indem er mit dem Kopf auf seinen Unterkörper deutete: „Das gehört alles dir.”

Konrad grinste und raunte in sein Ohr: „Das Angebot nehme ich sehr gern an.” Dann streifte er seinen Bademantel ab. Noah lehnte sich zurück und Konrad senkte seinen Kopf zwischen Noahs Schenkel. Der schloss die Augen und genoss einfach, wie Konrad sein erigiertes Glied in den Mund nahm. Konrads Kopf hob und senkte sich und Noah fuhr ihm lustvoll durch die Haare.

„Es ist so schön”, sagte Konrad zwischendurch, „diesen hübschen Kerl mit diesem großen Schwanz zu verwöhnen!”

Noah lächelte und sagte mit einer durch Erregung und Lust gedämpften Stimme: „Und du machst das so gut, Konrad, einfach toll!”

Während draußen der Sturm tobte und der Himmel die Schleusentore geöffnet hatte, liebten die beiden Männer sich und hüllten sich am Schluss gemeinsam in ihre kuschelige Decke ein. Als das Unwetter langsam abebbte, lagen sie entspannt schlafend, die Arme umeinander gelegt, auf ihrem Sofa, während die Glut des Kamins langsam verlosch.

Rainer

Einige Tage später klingelte Noahs Handy. Konrad nahm das Gespräch an, weil Noah nicht da war. Sabine wollte Noah sprechen.

„Er ist leider im Moment nicht da”, sagte Konrad, „er kommt etwa in einer halben Stunde zurück. Kann ich ihm etwas ausrichten?”

„Eigentlich wollte ich ihm das direkt sagen, aber wenn er nicht da ist, kannst du ihm etwas von mir ausrichten.”

„Ja, gern. Was soll ich ihm sagen?”

„Er hat dir sicher von unserem Gespräch erzählt?”

„Ja, das hat er.”

„Sag ihm bitte, dass es mich ziemlich verletzt hat, dass er mir so Knall auf Fall erzählt hat, dass er schwul ist. Ich muss das erst mal verarbeiten. Ich fahre jetzt für ein paar Wochen zu meiner Freundin Silke nach Stuttgart, bin also in nächster Zeit nicht erreichbar. Er braucht mich auch nicht anrufen. Wenn ich noch Interesse an einem Kontakt habe, melde ich mich. Und übrigens: vielen Dank, Konrad, dass du mir meinen Freund ausgespannt hast!”