Liebe will nicht - Alica H. White - E-Book

Liebe will nicht E-Book

Alica H. White

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Beschreibung

Mein Körper ist ein Verräter, bemerkt Lea erschrocken, als sie Tim begegnet. Der atemberaubende Coach flirtet ungeniert mit ihr, während sie mit ihren Freundinnen ein Fitnessstudio besucht. Doch Lea ist bereits verlobt. Den Traum von der eigenen kleinen Familie möchte sie um alles in der Welt bewahren. Leider scheint auch das Schicksal ein Verräter zu sein, da sich der geheimnisvolle Tim kurz darauf als ihr Chef entpuppt. Auf einer Dienstreise lässt er Lea hinter seine Fassade blicken. Leas Gefühle sind kaum noch zu beherrschen, genauso wie ihre Angst, denn Tim ist ein Frauenjäger und behauptet von sich, er kann nicht lieben …   ***Überarbeitete Neuauflage von "L(i)ebe lieber ungefährlich – Tims Geständnis"***   Herzerwärmend und bewegend, mit einem Schuss Humor.     »Liebe passiert« ist eine abwechslungsreiche Liebesroman-Reihe über fünf Freundinnen, denen das Schicksal einen Neuanfang beschert.  Jeder Roman ist in sich abgeschlossen, dabei erhöht die Bekanntschaft mit den anderen Freundinnen den Lesegenuss, denn in jedem Band gibt es ein Wiedersehen. Band 1 Liebe wagt sich  Band 2 Liebe will nicht  Band 3 Liebe kämpft nicht Band 4 Liebe stirbt nicht Neu: Band 5 Liebe sehnt sich

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Alica H. White

Liebe will nicht

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Das Buch:

Mein Körper ist ein Verräter, bemerkt Lea erschrocken, als sie Tim begegnet. Der atemberaubende Coach flirtet ungeniert mit ihr, während sie mit ihren Freundinnen ein Fitnessstudio besucht. Doch Lea ist bereits verlobt. Den Traum von der eigenen kleinen Familie möchte sie um alles in der Welt bewahren. Leider scheint auch das Schicksal ein Verräter zu sein, da sich der geheimnisvolle Tim kurz darauf als ihr Chef entpuppt. Auf einer Dienstreise lässt er Lea hinter seine Fassade blicken. Leas Gefühle sind kaum noch zu beherrschen, genauso wie ihre Angst, denn Tim ist ein Frauenjäger und behauptet von sich, er kann nicht lieben …

 

 

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher

Genehmigung von Alica H. White

 

Dieses Buch ist rein fiktiv. Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

KAPITEL 1 – Rätselhaft

Der Hauch ehrlicher Anstrengung streifte Leas Nase, als sie mit ihren Freundinnen das Fitnessstudio betrat. Der Duft war gemischt mit jenem von neuem Kunststoff. Er wurde untermalt vom leisen Klacken der Kraftgeräte, auf denen die Sportler im unregelmäßigen Takt vor sich hin schnauften.

Unschlüssig stand die Gruppe im edlen Empfangsbereich und sah sich ehrfürchtig um. Lea überlegte, ob sie nicht einen der fetten und gemütlich aussehenden Ledersessel ausprobieren sollte, da sprang schon eine attraktive und unglaublich schlanke Frau auf sie zu und streckte ihnen nacheinander die Hand entgegen.

»Guten Tag, ich bin Uta, die Leiterin des Studios, und freue mich, dass ihr den Weg zu uns gefunden habt. Seht euch um, probiert alles aus, lasst euch alles zeigen«, sagte sie mit einem warmen Lächeln, während sie mit einer ausladenden Handbewegung durch die großzügige Halle deutete. »Ihr könnt euch auch einen Sekt dort nehmen«, forderte sie sie und ihre Freundinnen auf.

Die Köpfe der vier Frauen schwenkten gleichzeitig zu einem geschmückten Tisch, auf dem die Reste einer Champagnerpyramide zu erkennen waren.

»Für Fragen stehen euch die Trainer dort zur Verfügung. Die meisten von ihnen arbeiten hier. Bei ihnen könnt ihr dann auch den Vertrag abschließen«, ergänzte sie mit einem Augenzwinkern und wandte sich ab.

»Da wäre ich gerne dabei gewesen, als die Pyramide eingeschenkt wurde. So was hab ich noch nie gesehen«, raunte Karina Lea ins Ohr.

»Aber jetzt wird die köstliche Prickelbrause leider warm sein«, erwiderte Lea nickend.

»Der Sekt ist sicher schon warm, lasst euch einen frischen einschenken«, bemerkte Uta, die sich nochmals umwandte.

Lea zuckte zusammen. Sie fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf stieg und sah vor ihrem inneren Auge die roten Flecken am Hals, die sie immer bekam, wenn ihr etwas peinlich war. »Nein, nein, nicht vor dem Training«, gab sie eilig zurück. »Kommt Mädels«, forderte sie ihre Freundinnen auf, »wir ziehen uns erst mal um.«

»Oooch … lass uns doch vorher einen Sekt trinken«, murrte Manuela, die von ihren Freundinnen Manu genannt wurde.

»Ich weiß nicht, immerhin ist das hier vielleicht ein Studio meines zukünftigen Arbeitgebers«, erwiderte Lea.

»Aber nur vielleicht. Aber wir alle wissen, dass Lea ihre spitze Zunge nur schlecht zügeln kann, wenn sie auch nur eine winzige Menge Alkohol getrunken hat«, warf Frauke mit einem Augenzwinkern in die Runde.

»Willst du damit sagen, dass ich nicht so trinkfeste Gene habe wie du mit deinem norddeutschen Blut?« Lea riss ihre Augen auf und musterte ihre Freundin übertrieben skeptisch. »Du weißt doch, Alkohol macht das Training zunichte.«

»Gott bewahre!«, erwiderte Frauke mit erhobenen Händen.

»Also ich hätte auch Lust auf ein Schlückchen«, bemerkte Karina und ihre Freundinnen nickten zustimmend.

»Und außerdem hemmt Alkohol die Fettverbrennung«, ergänzte Lea mit Blick auf ihre Freundin, die ständig mit den Pfunden kämpfte. Sie seufzte, als sich die Gruppe trotz aller Warnungen auf den Weg zum Sektstand machte.

Sofort kam einer der Trainer auf sie zu und nahm die Sektflasche aus dem Kühler in die Hand.

Lea stockte der Atem. Dieser Kerl war atemberaubend attraktiv. Sportliche Figur, ohne übertriebene Muskelpakete. Dunkle Haare, etwas länger, zwei große dunkelgrüne Augen, die sie übermütig anfunkelten.

Um ihre blitzartig aufsteigende Nervosität zu mindern, griff sie schnell zu einem der Sektgläser, die der heiße Typ einschenkte. Es war geradezu lächerlich, dass sie wie ein pubertierender Teenager auf diesen Mann reagierte.

Er lächelte sie an und ihre Blicke verbanden sich sekundenlang. In ihrem Bauch begann ein Kribbeln, das bis hoch in ihre schon wieder erblühten Flecken zog. Was war nur los mit ihr? Lea senkte den Kopf und starrte verlegen auf den goldschimmernden Sekt, in dem feine Blasen aufstiegen. Sie nahm einen großen Schluck von dem funkelnden Getränk und drehte anschließend verlegen das fast leere Glas in der Hand.

»Oh, schon fast leer. Schmeckt er dir? Darf ich noch etwas nachschenken?«

Sie schaute auf. Es fiel ihr schwer, dem gewinnend lächelnden Blick des Trainers standzuhalten. Vor Aufregung bildete sich ein Kloß in ihrem Hals. Verzweifelt versuchte sie, ihn hinunterzuschlucken. »Nein danke«, krächzte sie mit energischem Kopfschütteln und räusperte sich verlegen.

Verdammt. Niemand sollte merken, dass sich ihre Atemfrequenz erhöht hatte. Vor allen Dingen nicht dieser Kerl, der sie unverhohlen weiter musterte. Nein, er zog sie mit Blicken aus.

»Zu viel Alkohol macht nur die Trainingswirkung zunichte«, fügte sie, möglichst gelassen, hinzu und drehte sich zu den Mädels um. »Lasst uns umziehen gehen«, forderte sie ihre Freundinnen auf, um endlich der Situation zu entkommen.

Diese murmelten unwillig so was wie »nicht so schnell«, »man kann den Sekt ja gar nicht genießen« und »hetz doch nicht so«. Aber das war Lea egal, sie stürzte den restlichen Inhalt ihres Glases runter, schwang die Sporttasche über die Schulter und folgte dem Schild ›Umkleidekabinen‹.

»Was war das denn?«, fragte Karina Lea, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Sie war die Sensibelste der vier Freundinnen. Lea hatte immer den Eindruck, dass ihre Freundin schon kleinste Schwingungen ihrer Stimmung wahrnehmen konnte. Und sie mochte es gar nicht, wenn sie das Gefühl hatte, dass sie durchschaut wurde. Es war schon mehr als peinlich, wie ihr Körper auf den Typen reagierte. Das mussten ihre Freundinnen nicht auch noch mitbekommen.

»Was?«, fragte sie daher ungeduldig.

»Na das zwischen diesem extrem heißen Trainer und dir? Man konnte die Luft zwischen euch knistern hören.«

»Was du dir immer so einbildest. Du weißt doch, dass ich verlobt bin«, erwiderte Lea giftig.

Karina zuckte zurück. »Immer schön ruhig bleiben, Süße«, bemerkte sie mit erhobenen Händen.

Auch die anderen beiden Mädels schauten Lea verblüfft an.

»Können wir uns jetzt vielleicht umziehen? Schließlich sind wir nicht zum Männeraufreißen hier«, brummelte die genervt.

»Nein, das sowieso nicht. Aber du musst zugeben, dass hier echt heiße Trainer am Start sind«, setzte Karina nach.

»Na, dann schnapp dir doch einen und lass mich in Ruhe«, murmelte Lea, während sie umständlich in ihrer Tasche kramte.

»Wow, so großzügige Umkleidekabinen und Spinde habe ich sonst noch nirgendwo gesehen«, versuchte die harmoniebedürftige Frauke, die Unterhaltung wieder in harmonischeres Fahrwasser zu bringen.

»Ja, nicht wahr? Es ist ja auch eine Nobelkette.« Lea lächelte stolz, als wäre die Kette schon ihr Arbeitgeber. »Hier im Ort stand das allererste Studio, dies hier. Es wurde frisch umgebaut und renoviert.«

»Und wie viele Filialen haben die bis jetzt?«, fragte Manuela und band sich ihre Haare hoch.

»Hm, weiß ich gar nicht.« Lea schürzte die Lippen. »So an die fünfzig Studios sind es sicher.«

»Nicht schlecht, nicht schlecht«, murmelte Manu. Sie hatte sich aufs Umziehen konzentriert und war schon fix und fertig.

»Da verdienst du sicher gut, wenn du die Stelle bekommst«, meinte Karina. Sie war als einzige der Mädels nicht berufstätig und kümmerte sich ausschließlich um ihre Familie.

»Ja, ich hoffe. Das muss ich auch. Inzwischen steht fest, dass Thorsten seine Stelle verliert. Weiß der Himmel, wie lange es dauert, bis er etwas Neues hat.«

»Jep, es ist wahrlich nicht einfach, eine vernünftige Stelle zu bekommen. Ich weiß, wovon ich rede«, bestätigte Frauke mit einem leisen Seufzen und setzte sich auf eine Bank.

Eine Weile ging die Unterhaltung über den Arbeitsmarkt und ihre Probleme weiter, bis sie zusammen voll motiviert aus der Umkleide traten.

Leas Hände wurden feucht, als der Trainer von vorhin direkt auf sie zukam. Sofort stieg die Hitze erneut in ihr auf, diesmal bis über die Ohren. Am liebsten wäre sie umgedreht und wieder zurück in die Umkleide gestürzt, aber diese Blöße wollte sie sich nicht geben. Was hatte sie denn nur? Sie war doch sonst nicht so schüchtern.

Lea vermied den Blickkontakt und las sein Namensschild. ›Tim‹ stand darauf. Wie eingeschüchtert suchte sie Schutz hinter ihren Freundinnen, aber Tim ließ sich nicht beirren. »Kann ich euch irgendwie helfen?«, sagte er zwar, sah aber nur dabei Lea an.

Jetzt lag wieder dieses magische Flirren zwischen ihnen, das die Aufmerksamkeit ihrer Freundinnen auf sie lenkte. Wie peinlich. Verzweifelt versuchte Lea, Speichel in ihrem Mund zu sammeln und hinunterzuschlucken. Aber die Zunge klebte gnadenlos am Gaumen. Am liebsten hätte sie ihn angeblafft, dass er sich verkrümeln soll. Während sie Luft holte, irrte ihr Blick umher und hielt bei ihren Freundinnen. »Nein danke, wir finden uns sicher auch so zurecht«, versicherte sie eilig.

Aber ihre Kameradinnen dachten nicht daran, mitzuziehen und nickten Tim zu.

»Mich interessieren die Fatburnerkurse«, meinte Karina.

»Ich würde mir gerne die Geräte ansehen«, bat Manuela.

»Habt ihr auch einen Kursplan?«, kam von Frauke.

›Mann, die sind doch sonst so sensibel‹, dachte Lea. ›Merken die denn nicht, wie unangenehm mir die Anwesenheit dieses Trainers ist?‹

»Natürlich haben wir einen Kursplan«, antwortete Tim zuerst Frauke und zeigte Richtung Tresen. »Und drei Kursräume sowie einen Spinningraum«, ergänzte er mit Blick auf Karina.

»Die Geräte zeigt dir Thomas«, erklärte er mit Blick auf Manuela. Er hielt einen gut aussehenden jungen Mann, der gerade vorbeiging, am Shirt fest. Der lachte sympathisch, als Tim ihm auf die Schulter klopfte und Manuela lächelte zufrieden.

»Über unser Schlankheitsprogramm unterhältst du dich am besten mit Uta persönlich. Sie hat früher 20 Kilo mehr gewogen.« Karinas Blick hellte sich auf und ihre Augen begAnnen zu leuchten. Zielstrebig steuerte sie auf Uta zu.

Jetzt stand Lea allein mit Tim. Seine Augen durchbohrten sie, während um den Mund ein arrogantes Lächeln spielte. Anscheinend hatte er sein Ziel erreicht. Der Kerl war der Prototyp eines Aufreißers. So viel war sicher.

Lea konnte solche Typen nicht ausstehen und wich seinem Blick aus. Warum nur raubte er ihr weiter den Atem?

»Und du? Was kann ich dir zeigen? Verrätst du mir, wie du heißt?«

Seine sanfte, tiefe Stimme fuhr ihr durch Mark und Bein. Sie musste tief Luft holen, bevor sie sich besann. »Bikram-Yoga, mich interessiert das Bikram-Yoga.«

Er musterte sie so aufmerksam, dass sie sich geradezu nackt fühlte. Was sollte sie nur dagegen tun? Ihren Namen würde sie ihm auf keinen Fall verraten.

Immer wieder hatte sie in ihrem Leben mit Ängsten kämpfen müssen, viele davon hatte sie überwunden. Im Laufe der Jahre hatte sie gelernt, die Phobien, die Andere nicht sehen sollten, mit ihrer ›großen Klappe‹ zu überdecken. Das vorgetäuschte Selbstbewusstsein beeindruckte viele Gegner und sie hielten sich zurück.

Offensichtlich klappte diese Strategie bei Tim nicht. Dieser Kerl machte sie sprachlos. Möglicherweise lag es daran, dass er überhaupt keine greifbare Gefahr darstellte, sondern nur ein komisches Gefühl in ihr auslöste. Was sollte von ihm auch für eine Gefahr ausgehen? Lea beschloss, nicht weiter darüber zu grübeln, als der Trainer sie aufforderte, ihm zu folgen.

Dieser Mann bewegte sich mit einer unglaublichen Eleganz. Sie konnte beobachten, wie er die Blicke der Kunden und Angestellten auf sich zog, während sie den Kursraum ansteuerten. Auch sie war mit ihren langen blonden Locken eine attraktive Erscheinung. Aber solch schmachtende Blicke wie er, hatte sie noch nie geerntet.

Der Raum, den sie betraten, hatte eine Fensterwand mit einem Milchglasstreifen bis auf Sichthöhe. Als Tim die Tür öffnete, wehte ein winziger Hauch seines Duftes zu ihr herüber. Der Geruch von Sandelholz, gemischt mit einer guten Portion Testosteron, ließ ihre Knie weich werden. Die Krux war, wenn sie jetzt tief einatmete, um sich zu sammeln, würde sie eine noch höhere Dosis dieser teuflischen Mixtur abbekommen. Also hielt sie die Luft an und schritt durch die Tür.

Krachend fiel diese hinter ihr ins Schloss. Lea zuckte zusammen, als wäre sie in der Falle. Sie befanden sich in einem Raum mit Spiegelwänden und Ballettstange. In einer Ecke waren Aerobic Steppbretter gestapelt. Der Raum wurde offensichtlich auch zum Tanzen genutzt.

»Diesen Raum kann man auf vierzig Grad temperieren. Genau richtig für Hot-Yoga, um schön ins Schwitzen zu kommen. Badebekleidung ist übrigens Pflicht. Eine wirklich heiße Sache, nicht wahr?«, raunte er, während er sich leicht zu ihr neigte. Abermals fixierte er sie, wie ein Raubtier seine Beute. Sie vergaß zu atmen und wich einen Schritt zurück, bis sie von der Wand gebremst wurde.

Mit dem Rücken an der Wand kam endlich ihr Mut zurück. »Okay, Gott sei Dank hast du dir das: ›so heiß wie du‹ verkniffen«, konterte sie mit innerem Jubel. Plötzlich war es ihr auch möglich, seinem durchdringenden Blick standzuhalten.

Tim stutzte und lachte auf. »Du bist gut!«, schnaubte er. »Aber ob du’s glaubst oder nicht, genau das habe ich gerade gedacht.«

Lea traute sich nicht mitzulachen, entspannte sich aber. Seine Reaktion verlieh ihm eine ganz andere Ausstrahlung, viel wärmer, weniger gefährlich.

Dann wandelte sich sein Gesichtsausdruck und zeigte ein gefälliges Grinsen. »Du bist wirklich verdammt heiß«, raunte er dunkel.

Wieder verhakten sich ihre Blicke, diesmal wandte Lea den Blick nicht ab. Tim schluckte und sekundenlang sagten sie beide gar nichts. Lea beobachtete seine Mimik, die zwischen Ernst und Lächeln abwechselte. Sie bekam eine Gänsehaut und es kribbelte in ihren Magen.

›Bloß raus hier‹, schoss ihr durch den Kopf, aber da war es schon zu spät. Tim hatte sie energisch, aber sanft gepackt. Ein Griff, der klar machte, dass er es gewohnt war, zu bekommen, was er wollte. Mit halbgeschlossenen Augen, die sie dennoch fixierten, senkte er seinen Mund auf ihren.

Lea war wie hypnotisiert. Ihre Knie wurden weich, der Atem stockte. Sie wusste selbst nicht wie ihr geschah, als sie die Augen schloss und sich dem Kuss ergab. Sie musste ihn einfach kosten.

Er schmeckte nach purer Sünde. Als er bemerkte, dass sie seine Zärtlichkeit erwiderte, zeigte er ganz offen seine Begierde. Lea konnte es nicht verhindern, dass ihr Feuer entfacht wurde. Sie ließ es zu und ihre Zungen fingen an, wild miteinander zu spielen. Eine Gänsehaut kribbelte über ihren Körper, als sie seine Hände spürte, die leidenschaftlich ihren Rücken streichelten.

So verdrängte sie alle Hemmungen. Mit einem leisen Seufzen ließ sie sich in den Moment ziehen. Und für einen kurzen Augenblick fühlte sie so etwas wie Glück, wurde federleicht. Der Kloß im Magen wurde zu tausend flatternden Schmetterlingen, die an unsichtbaren Fäden in ihrem Unterleib zogen. Dort fing es gewaltig an zu brodeln. Sie war drauf und dran, die Zeit zu vergessen. Dieser Mann war brandgefährlich …

Brandgefährlich. Das Wort ließ sie wieder zu Bewusstsein kommen. Was machte sie da eigentlich? Wie konnte sie einfach einen Fremden küssen? Das war doch sonst nicht ihre Art! Erschreckt über sich selbst, stieß sie ihn zurück.

Der verdutzte Tim rang um Atem. »Entschuldigung«, presste er hervor.

Lea fasste sich an den Mund, als könnte sie ihre Entgleisung einfach wegwischen. »Ich muss jetzt«, murmelte sie zerstreut, wandte sich ab und stolperte zum Ausgang.

Als sie an der Tür war, blickte sie noch einmal kurz zurück und sah, wie sich Tim gedankenverloren durchs Haar strich. Er hob den Kopf und öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen. Doch Lea kniff die Lippen zusammen und stürmte aus dem Raum.

Nervös suchte sie eine ruhigere Ecke – hoffentlich folgte er ihr nicht hierher – und atmete tief durch. Was sollte sie jetzt nur tun? Bitte, diesem Kerl nicht noch einmal begegnen. Aber zu ihren Freundinnen rennen und sie aus dem Studio zerren, kam in dem Zustand auch nicht infrage. Gehetzt sah sie sich um und verschwand hinter der nächstbesten Tür zum Spinningraum.

Gott sei Dank, hier war sie allein. Sie stellte ein Fahrrad auf ihre Größe ein, schwang sich auf den Sattel und fing wie eine Wilde an, zu strampeln. Ohne Aufwärmphase war natürlich schnell die Luft knapp, aber sie trat energisch weiter in die Pedale. Ihre Muskeln fingen an zu schmerzen. Sie ignorierte das und strampelte gegen den Schmerz und ihre Gefühle an, als könnte sie ihnen entfliehen.

Erst als die Lunge schmerzte und sich im Mund ein metallischer Geschmack breitmachte, verringerte sie das Tempo. Schweißtropfen liefen an ihrer Stirn herunter und brannten in den Augen. Die Schläfen pochten in hoher Frequenz. Lea nahm ihr Handtuch, wischte sich die Stirn und verringerte den Tretwiderstand.

Sie schüttelte den Kopf. Wie konnte man sich von einem dämlichen Kuss so vollkommen aus dem Konzept bringen lassen? Das war doch der reine Wahnsinn!

Hier würde sie mit Sicherheit keinen Vertrag abschließen. Diesem Mann wollte sie nicht mehr begegnen. Überhaupt, was der sich einbildete, eine Kundin anzugraben. Sie schüttelte den Kopf über seine fehlende Professionalität.

Da öffnete sich die Tür und Tim kam herein. Wie ein begossener Pudel stand er da und räusperte sich.

Lea schluckte. »Was kommt jetzt noch? Verschwinde! Sonst werde ich mich über dich beschweren!«, schimpfte sie. Ihr Kopf drohte zu platzen. Doch dann stellte sie fest, dass er zurückzuckte.

»Ich wollte mich entschuldigen. Mein Verhalten eben war völlig unprofessionell. Ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist. Ich konnte einfach nicht widerstehen … ich …«, stammelte er und fuhr sich durchs Haar.

»Halt Stopp! Sie reden sich gerade um Kopf und Kragen. Sie können froh sein, wenn ich nicht zu Ihrer Vorgesetzten gehe.«

»Ja, Sie haben vollkommen recht. Ich kann mich nur wiederholen. Entschuldigung, ehrlich«, beteuerte er und hob beschwichtigend die Hände.

Lea nickte.

»Aber hier ist es eigentlich üblich, sich zu duzen«, bemerkte Tim heiser.

»Sie können wohl nicht locker lassen? Ich kann Ihnen nur raten, endlich Ruhe zu geben. Sonst werde ich bei meinem Vorstellungsgespräch ein paar Takte zu diesem ›noblen‹ Schuppen hier sagen«, schimpfte sie und betonte ›noblen‹ mit Finger-Gänsefüßchen.

»Beim Vorstellungsgespräch? Sie haben sich bei uns beworben?« Tims Augen weiteten sich. »Darf ich fragen, in welchem Bereich?«

»Das geht Sie nichts an.«

»Okay«, murmelte er und nickte, während er aus dem Raum schlich.

KAPITEL 2 – Warum nur?

Tim schloss die Tür des Spinningraums hinter sich und stand einen Moment unschlüssig herum. Er wäre gern schneller bei dieser faszinierenden Frau gewesen, um sich zu entschuldigen, aber die verräterische Beule in seiner hautengen Sporthose hatte ihn daran gehindert. Ihm war schon viel passiert. Er hatte unzählige Flirts hinter sich, aber einen solchen Kontrollverlust hatte er noch nie erlitten. Und das auch noch bei der Arbeit! Diese Frau hatte recht, unprofessioneller ging es wirklich nicht mehr.

Er ging zum Wasserspender, um seine trockene Kehle zu befeuchten. Hier hatte er die Wahl zwischen verschiedenen Geschmacksvarianten. Er nahm das einfache, klare Wasser. Ablenkungen jeglicher Art sollte er jetzt tunlichst vermeiden, denn sein Kopf musste wieder klar werden. Nachdenklich ließ er die kalte Flüssigkeit im Mund hin und her laufen, bevor er sie die Kehle hinunterschickte.

Nachdem die Frau aus dem Kursraum geflohen war, hatte er dem Bedürfnis nachgegeben, den blutleeren Kopf gegen die Wand zu schlagen. Leider hatte das keine Erleichterung gebracht.

Und dann die vernichtenden Blicke seines Freundes Marc. Der hatte sicher mitbekommen, wie sie aus dem Kursraum gestürmt war.

Wie ein Engel sah sie aus, mit dem langen blonden Haar und den wunderschönen blauen Augen. Ihr Blick, der so viele Widersprüche in sich barg, hatte einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. In einem Moment schüchtern und warm und im nächsten frech und feurig. Er liebte Frauen, die geheimnisvoll und undurchsichtig waren. Wie gerne würde er all ihre Facetten kennenlernen. Stille Wasser sind tief, der Spruch galt hier bestimmt. Vermutlich schlummerte unter der anständigen Hülle ein brodelnder Vulkan. Eine Hitze, in der man sich verlieren und der Realität entfliehen konnte. Das waren kurze Momente des Glücks. Schöne Gefühle, wie er sie sonst nicht zuließ.

Aber darüber wollte er jetzt nicht grübeln, er wollte seine Konzentration lieber auf diese Frau richten. Bestimmt gehörte sie zu denen, die nicht so leicht zu gewinnen waren. Die süßen Früchte hingen hoch, aber das barg einen besonderen Reiz. Er badete im Siegesrausch, wenn seine Flirtbemühungen nach langem Werben von Erfolg gekrönt wurden. Dabei liebte er besonders dieses Gefühl von Exklusivität, dass ihn eine Frau ranließ, die nicht mit jedem flirtete. Wahrscheinlich gehörte sein blonder Engel dazu, sie hatte eine ganz besondere Ausstrahlung.

Er konnte die Sache drehen und wenden, wie er wollte, seine Konzentration war dahin. Diese Frau besetzte alle seine Gedanken, dabei kannte er nicht einmal ihren Namen. Er musste unbedingt mehr über sie herausfinden. Dafür bräuchte er nur die aktuellen Bewerbungen durchsehen. Wenn er ihre erst in den Fingern hatte, war es eine Kleinigkeit, eine Möglichkeit zu finden, um ihr näherzukommen. Es durfte ihn nur keiner dabei erwischen.

Mit dem Gedanken, jetzt in die Zentrale zu fahren und die Bewerbungen zu durchsuchen, spürte er schon wieder eine Regung im Unterleib. Es war verrückt. Bei praktisch jeder Frau überlegte er sich, ob er mit ihr schlafen wollte. Aber dieses Mal brauchte er nicht weiter nachdenken, die Sache war von vornherein klar gewesen.

Diese Frau musste er haben!

Auf dem Weg zu den Umkleidekabinen würde er sicher Marc begegnen. Der ließ dann sicher den Moralapostel heraushängen. Tim verdrehte die Augen. Ihm war klar, dass sein Verhalten oft unangemessen war. Leider hatte er sich mittlerweile eingestehen müssen, dass gar nicht anders konnte. Dabei wusste er selbst nicht, warum er das tat. Er wollte aber auch nicht drüber nachdenken. Nicht einmal über das, was ihn hinderte, darüber nachzudenken.

Fuck, da war Marc schon!

»Mensch Alter, was hast du denn da wieder für Mist gebaut? Du verjagst ja deine eigenen Kunden. Kannst du nicht ein einziges Mal dein Blut im Kopf behalten? Eigentlich müsstest du dich aus deinem eigenen Studio schmeißen«, foppte Marc und boxte Tim, stärker als rein freundschaftlich, gegen den Arm.

»Ach lass mich in Ruhe«, knurrte Tim und stieß ihn, wenig freundlich, zurück. Er hatte keine Lust auf eine Predigt von seinem Freund. Schließlich wusste er selbst, dass sein Verhalten zu wünschen übrig ließ.

Aber Marc blieb ihm auf den Fersen und folgte ihm bis zu den Umkleidekabinen. »Denkst du eigentlich auch mal daran, wie das mit deiner Frau war? Diese ewige Jagd bringt dich doch nicht weiter.«

»Spar dir deine guten Ratschläge. Das haben wir schon zu oft durchgekaut.« Jede Art von überzogener Moral war Tim zuwider und das wusste sein Freund. Er mochte diesen Zahlenfreak ja ungemein, nur seine engstirnigen Vorstellungen von Ehe und Treue waren für ihn nicht nachvollziehbar. Sein Seelenheil ging seinen Freund nichts an. Und die Frauen waren doch erwachsen, die wussten was sie taten.

»Da hast du ganz schön blechen müssen«, hakte Marc nach.

»Mann Alter, du hast immer nur die Kohle im Kopf. Ich weiß, dass ich viel geblecht habe, okay? Wie könnte ich das auch vergessen? Aber ich versprech dir, einen solchen Fehler werde ich nie wieder machen. Ich bin für Beziehungen nicht geschaffen, geschweige denn für eine Ehe. Und jetzt lass mich bitte in Ruhe.«

»Du willst für immer allein bleiben? Deine Ehe ist doch nur in die Hose gegangen, weil du ständig fremdgegangen bist.«

»Du lässt nicht locker, oder? Mein Sexleben ist allein meine Sache«, knurrte Tim.

»Sag schon, könntest du damit leben, wenn deine dich Frau betrügen würde? Du musst doch auch eifersüchtig sein.«

»Das glaubst du mir nicht, oder? Ich kenne keine Eifersucht. Von mir aus hätte sie vögeln können, mit wem sie will, solange sie sich entsprechend schützt. Aber die Frage stellt sich nicht mehr … und wird sich nie wieder stellen.«

Marc schüttelte den Kopf.

»Du weißt, ich bin nicht so, wie die Anderen«, bekräftigte Tim.

Marc klopfte ihm hart auf die Schulter. »Wenn ich dich nicht so gut kennen würde … ich würde denken, du bist ein Arsch.«

Tim zuckte mit den Schultern. »Geh wieder arbeiten«, befahl er.

Tim hatte oft darüber nachgedacht, dass er in Sachen Treue nicht dem Standard entsprach. Aber was sollte er machen? Es war wie ein Zwang.

Ein Fremder betrat die Kabinen und Tim war froh, dass damit das Gespräch beendet war. Marc verkrümelte sich endlich. Doch ein schales Gefühl hatte der Appell an sein Gewissen hinterlassen.

Im Auto legte Tim die Stirn aufs Lenkrad. Wohin jetzt? In die Firma oder nach Hause.

Wie fremdgesteuert startete er den Wagen und fuhr zum Friedhof. Ein wenig allein sein, das half immer. Er liebte die friedliche Atmosphäre dort.

Der Kies knirschte unter seinen Schuhen. Eine leichte Brise ließ die Blätter der Bäume ein wenig rascheln, was seine Nerven beruhigte.

Mit gefalteten Händen fand er sich vor einem Grab wieder. »Es ist immer wieder schön, bei dir zu sein«, murmelte er mit geschlossenen Augen.

Nach einer Weile setzte er sich auf die kleine Bank unter der alten Eiche. Von hier aus konnte er auf das Grab sehen. Es war üppig mit bunten Blumen bepflanzt.

Tina Jaeger

Geboren: 26. Januar 1986

Gestorben: 24. Dezember 1993

– stand in großen goldenen Buchstaben auf dem Marmorstein.

Tim starrte lange auf das Grab, spürte das Blätterspiel von Licht und Schatten. »Ich bin froh, dass ich noch etwas spüren darf, ich danke dir dafür«, flüsterte er wie bei jedem Besuch.

Als er sich erhob, war bestimmt eine Stunde vergangen. Langsam schritt er zum nächsten Grab. Es lag am anderen Ende des Friedhofs. Diese Ruhestätte war ausschließlich mit Maiglöckchen bepflanzt.

Silke Jaeger

Geboren: 29. Juni 1958

Gestorben: 24. Dezember 2000

– stand auf dem Grabstein. Obwohl die Maiglöckchen davor nicht mehr blühten, hatte er ihren Duft in der Nase. Dadurch war ihm seine Mutter sehr nah, denn sie liebte den Geruch über alles. So hatte auch immer ihr Lieblingsparfüm gerochen …

»Hallo Mama, wie geht es dir heute da oben? Du duftest schon wieder so gut«, murmelte Tim vor dem Grab.

Immer, wenn es ihm schlecht ging, kam er zum Friedhof. Die Stille hier half ihm, Abstand zu gewinnen. Er starrte vor sich hin oder schloss seine Augen und hatte das Gefühl, dass Schwester und Mutter bei ihm waren. Zu gerne flüchtete er in seiner Fantasie mit den beiden in eine andere Welt, um seine innere Leere zu bekämpfen.

Aber heute funktionierte das nicht richtig, die Begegnung von vorhin besetzte immer noch seine Gedanken. Ihr wollte er gerade nah sein! Verwundert schüttelte er den Kopf und machte sich wieder auf den Weg.

Erneut sammelte er sich mit der Stirn auf dem Lenkrad. Es half alles nichts, er musste zum Angriff übergehen – jetzt. Entschlossen startete er den Wagen, wählte Marcs Nummer, und als er nicht abhob, die ihrer gemeinsamen Assistentin. »Hallo Miss Moneypenny, wie ist die Lage? Ist M. schon eingetroffen?«

»Ich heiße Eva.«

»Ja, natürlich. Schlechte Laune? Hilft es, wenn ich sage: Du bist ein Fest für meine Ohren?«

Eva seufzte. »Du hast Humor. Marc hatte eben schlechte Laune. Und wer hatte mal wieder etwas damit zu tun? Mr. Hunter – der Rächer der Entnervten. Marc hat sich beklagt, du hättest ihn einfach sitzen lassen, bei der Neueröffnung. Und das war nicht gerade ein Fest für meine Ohren.«

»Oh, stimmt, sorry. Musste dringend was erledigen«, murmelte Tim schuldbewusst.

»Was sollten das für Erledigungen gewesen sein, dass du nicht mal Marc Bescheid gibst?«

»Ach, er hat mich vorhin wieder angepisst, da hatte ich keine Lust.«

»Kann ich mir vorstellen. Er hat so was angedeutet … Mensch Tim.«

»Grrr, nicht du auch noch!«, knurrte er.

»Also, rück schon raus … was gibt’s denn jetzt? Was willst du?«, fragte Eva ungeduldig.

»Schick mir doch mal alle aktuellen Bewerbungsunterlagen auf meine private Mailadresse.«

Er konnte Eva entrüstet nach Luft schnappen hören. »Hab ich richtig gehört? Du willst wohl kaum zu Hause arbeiten, oder?«

»Ich würde sagen, das geht dich nichts an. Aber ich glaube, ich habe eine super Kandidatin für den Spezialauftrag«, versuchte er, sie zu beruhigen.

»Verstehe. Und welche Stellenausschreibung soll ich dir schicken?«

»Alle.«

»Hoffentlich missbrauchst du die Bewerbungen nicht für deine Spielchen. Mitarbeiter sind tabu!«, erinnerte ihn Eva im ernsten Ton.

»Würdest du es machohaft finden, wenn ich sagen würde: zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen darüber? Komm schon, Eva, so schlimm bin ich auch wieder nicht. Ich habe noch nie etwas zum Nachteil der Firma gemacht.«

»Außer heute.«

»Ich meine einen echten Nachteil. Ich würde so was nie bewusst tun.«

»Ist schon okay, ich schick dir sofort die Unterlagen. Kommst du heute noch mal rein?«

»Nein heute nicht mehr, komme gerade vom Friedhof, bin durch.«

»Oh ja, okay, dann sag ich Marc Bescheid.«

»Danke Miss … äh … Eva.«

»Gerade noch mal die Kurve gekriegt. Tschüss Tim.«

»Tschüss Eva.«

Er hörte das Piepen der unterbrochenen Verbindung und legte auf. Mit beiden Händen packten er fest das Lenkrad des Cayman, und checkte, ob die Verkehrslage eine höhere Geschwindigkeit zuließ. Entspannt lehnte er sich zurück und drückte allmählich das Gaspedal durch.

Was war es doch für ein grandioses Gefühl, wenn er durch die Beschleunigung fester an die Lehne gepresst wurde. Ein Stück weit konnte er sich so von der Realität entfernen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie die Landschaft immer schneller an ihm vorbeizog und fast wie ein Tunnel wirkte. Das war der Moment, in dem er dachte, er gehörte nicht mehr zu dieser Welt und sie nicht mehr zu ihm. Als die Tachonadel immer weiter, über zweihundert kletterte, fühlte er wieder dieses wohlige Kribbeln, das der Geschwindigkeitsrausch verursachte.

Ein perfekter Moment.

Doch die Verkehrslücke war nur klein und Tim musste zu schnell wieder seine Geschwindigkeit reduzieren. Dennoch war er dankbar für jeden Funken Gefühl, den er in sich auslösen konnte. Wenigstens hier klappte es heute noch, diese dumpfe Leere für einen kleinen Moment zu vertreiben.

Als er sein Haus betrat, empfing ihn die geliebte Stille. Seit seiner Jugend empfand er die Einsamkeit als Erholung. Niemand wollte etwas von ihm, niemand beurteilte, oder verurteilte ihn. Kein Krach, keine Wut, keine Tränen. Das hier war der einzige Ort, an dem er, er selbst sein durfte. Sein erster Weg führte ihn zum Kühlschrank. Die klärende Wirkung eines kalten Wassers brachte ihn etwas zur Ruhe.

Er setzte sich auf einen harten Küchenstuhl und konzentrierte sich auf seine Atmung, tief ein, tief aus. Er lebte und versuchte Dankbarkeit dafür zu empfinden.

Doch heute ploppten in seiner Einkehr Gedanken an diese Frau auf. Dass die ihn immer noch aus dem Konzept brachte, beunruhigte ihn. Er musste etwas dagegen unternehmen, und zwar möglichst bald.

So folgte er dem Impuls und ging in sein Büro. Ungeduldig fuhr er sein Laptop hoch. »Dann wollen wir mal sehen, ob wir dich finden meine Schönheit«, murmelte er, während er sich eine Bewerbung nach der anderen vornahm. »Auch nicht schlecht, ganz nett, du bist ja ein Schnuckelchen …«, murmelte er, während er sich durch die Fotos potentieller Mitarbeiterinnen klickte, »aber wo bist du, mein süßer Engel?«

Als ihm das ersehnte Bild unterkam, schlug sein Herz schneller. Das war sie! Genau so, wie er sie in Erinnerung hatte. Mit einem natürlichen Bild, in freier Natur geschossen. Ihre Augen strahlten ihn geradezu an. Ehrfürchtig strich er mit dem Finger über ihre Wange auf dem Bildschirm, als könnte er so Kontakt zu ihr aufnehmen.

Lange betrachtete er das Bild, bewunderte jeden Zug. Bis er das Gefühl hatte, ihr Gesicht wäre in sein Gehirn gebrannt.

Irgendwann griff er zum Handy. »Hallo Miss …«

»Tim! Was willst du? Ich wollte gerade Feierabend machen«, unterbrach ihn Eva.

»Ich hab sie gefunden. Sie heißt Lea Kaiser und hat sich auf die Personalstelle beworben. Besser kann es doch nicht passen, oder?«

»Wie schön. Und jetzt?«

»Lädst du sie heute noch zum Vorstellungsgespräch ein? Sie kann doch sicher noch an die Bewerbungsrunde morgen drangehängt werden, oder?«

Er konnte hören, wie seine Mitarbeiterin am Telefon tief Luft holte. »Was an: ›Ich wollte gerade Feierabend machen‹ hast du eigentlich nicht verstanden? Ich habe schließlich auch ein Privatleben.«

Er nickte. »Okay, ich versteh schon. Aber das geht doch schnell. Frag einfach per Mail an … bitte«, flehte er.

»Wer solch einen Chef hat, braucht keine Feinde«, grummelte Eva zur Antwort.

»Hoho, chill mal wieder, dafür kannst du morgen früher gehen, okay? Immerhin bist du meine Lieblingsassistentin«, beschwichtigte er.

»Ja, ist ja schon gut. Du hörst ja doch nicht auf zu betteln. Ich mach’s«, brummte Eva genervt.