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Zur Geschichte:
Nach ihrer Trennung ist Toni immer noch in der Orientierungsphase so in der Art Ich-schaue-mal-wer-ich-bin-und-was-ich-eigentlich-möchte, als ihr Patenkind ihr ziemlich plump einen Mann vor die Nase setzt.
Etwas überrumpelt entscheiden die beiden Versuchskaninchen, die Jugend erst mal in dem Glauben zu lassen, dass das Experiment erfolgreich läuft.
Mit fast fünfzig Jahren Lebenserfahrung und dem Vorhaben, als zufriedener Single alt zu werden, ist es vielleicht verständlich, dass da nicht nur eine gewisse Skepsis und Zurückhaltung, sondern eben auch Altlasten vorhanden sind…
Das Leben nimmt seinen Lauf und einige Umwege. Toni erkennt, dass Alleinsein keine Option für sie ist, und nimmt ihr Schicksal in die Hand. Denkt sie zumindest.
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Ich bin in den Wechseljahren.
Und zwar in den! Wechseljahren, in denen man auch seinen Mann wechselt.
Nein... ich habe keinen anderen zum Austauschen, aber ihn konnte ich auch nicht mehr aushalten, ertragen, was auch immer. Tatsächlich weiß ich nicht was passiert ist.
Das macht mich traurig, wenn es mich nicht gerade sauer, wütend, verletzt und all das andere macht.
Ich hatte schließlich vor einem Viertel Jahrhundert diesen Traum. Das ist der eine, mit dem will ich alt werden. Ich war so fest davon überzeugt, dass sich unsere Gefühle zueinander nie ändern würden.
Tja, aber da es immer anders kommt als man denkt, musste ich meine Wohnung wechseln.
Ich wohne jetzt seit drei Monaten in einer Vierzimmerwohnung und überlege immer noch, wie ich hierher gekommen bin. Ob ich das nicht hätte besser machen können?
Überraschenderweise, das hätte ich nie geglaubt, auch wenn meine Heilpraktikerin das kinesiologisch bei mir so einprogrammiert hat, bin ich nun aber an einem Punkt angekommen an dem ich dankbar und liebevoll an meinen Mann und unsere gemeinsame Zeit denke. Mal sehen wie lange das anhält!
Wir sehen uns regelmäßig im Freundeskreis und finden, dass wir das letztendlich ganz anständig hinbekommen haben. Kürzlich haben wir sogar überlegt, gemeinsam anlässlich unserer Silberhochzeit ein paar Tage wegzufahren.
Wir sind total erwachsen.
Hier sitze ich nun in meiner Wohnung, die viel zu schnell viel zu groß für mich geworden ist, weil meine Kinder nur noch sporadisch hier wohnen. Nämlich, wenn sie im Lande sind. Ansonsten leben sie aber ihr eigenes Leben, zum Glück. Alles andere wäre irgendwie bedenklich.
Momentan sieht das so aus, dass Lenny mein Erstgeborener im Zuge seiner Ausbildung einige Monate in der Niederlassung seiner Firma in den USA ist und meine Tochter in Heidelberg in einem Studentenwohnheim lebt.
Carla schlägt in unregelmäßigen Abständen hier auf. Vorgestern stand sie auch auf der Matte, um sich mit ihren Freundinnen zu treffen, die in alle Winde zerstreut, dieses Wochenende aber zufällig alle in der Stadt sind.
Und ich, ich flieg morgen mit meinen Freundinnen nach Florenz. Einen Städtetrip, den wir uns seit Jahren gönnen.
Mein Koffer steht gepackt im Flur, und ich überlege gerade, ob ich mir aus Florenz noch ein schönes Bild mitbringe für die Wand hinter dem Esstisch.
Als ich mein Telefon noch mal ans Ladekabel hänge, sehe ich, dass mir meine Tochter eine Nachricht geschickt hat.
„Papa sitzt hier mit einer Frau. Ich versuch ein Foto zu schießen und schick es dir.“
Komisch irgendwie, aber ich wollte die Trennung. Ich will mich freuen, wenn Matthias wieder eine Frau hätte, das ist ziemlich wichtig für sein Wohlergehen. Er hat immer gesagt, dass er nicht alleine sein kann.
Für Carla ist das natürlich anders. Die Kinder überlegen sofort, ob und was sich dadurch für sie ändert.
„Schatzi lass das, sag einfach Hallo. Erzähl von dir, wenn du gefragt wirst. Das ist okay.“
Ich glaube sogar, dass es mir besser gehen würde, wenn er wieder eine Frau hätte. Ich hätte dann nicht ständig dieses schlechte Gewissen, weil ich jemanden unglücklich gemacht habe.
Beim nächsten Klingeln vom Handy hat sie mir aber schon ein Foto geschickt.
„kennst du die?“
„Ja und dir noch einen schönen Abend!“
Klar kenn ich die, aber das erklär ich meiner Tochter nicht via WhatsApp.
Uli, die erste große Liebe seines Lebens. Als ich Matthias kennenlernte, war gerade vielleicht ein halbes Jahr Schluss und ich weiß, dass er sehr darunter gelitten hat. Wenn ich so recht darüber nachdenke, hat mich das Melancholische an ihm sogar zu ihm hingezogen. Als wir dann zusammen waren, wollte ich alles über seine Ex wissen.
Ich gab mich tolerant und großzügig, obwohl es mich verletzt hat, weil ich glaubte zu spüren (das ist anscheinend ein gaaanz großer Unterschied!!!), dass er sie immer noch toll findet.
Wie lange ich heimlich eifersüchtig auf sie war? Und wie lange ich Angst hatte, dass sie auf einmal wieder auf der Matte steht? Keine Ahnung, aber die ersten zwei Jahre unserer Beziehung war ich mir ziemlich sicher, dass Matthias mich sofort für sie sitzen lassen würde.
Oder für eine andere.
Ich habe sie dann auch kennengelernt. Ich fand das erwachsen und reif. Und mir ging es besser, als ich feststellte, dass das nicht die Superfrau ist, wie ich sie mir vorgestellt hatte.
Aus heutiger Sicht, ist das irgendwie keine gesunde Basis für eine Beziehung. Wieso habe ich mich eigentlich nie gewehrt, wenn alle, auch mein eigener Freund, in Schwärmereien für seine Ex ausgebrochen sind.
Tja ich habe meine eigenen Gefühle für mich behalten und allen vorgemacht, dass es mir nichts ausmacht.
Ich war einfach glücklich, wenn er glücklich war.
Drum habe ich ihm verziehen, dass
er mal im Suff mit einer Freundin von uns geknutscht hater immer sehr vertraut mit seinen Kommilitoninnen warer oft von seinen tollen Kolleginnen erzählt hat und viel mit Ihnen unternommen hatich mit zwei kleinen Kindern schön zuhause geblieben bin und sogar einverstanden war.er eine Bekannte aus der Therapie übers Wochenende besuchte.
Zu dem Besuch bei der Bekannten, haben ihm seine besten Freunde wohl schon mal gesagt, dass das nicht okay ist, aber zu diesem Zeitpunkt war es mir eigentlich schon egal, was er machte.
Zu diesem Zeitpunkt überlegte ich schon lange, wie ich aus der Sache einigermaßen heil raus komme.
Ich hatte halt ganz schön Schiss, was mit meinem Leben passiert. Fünfundzwanzig Jahre war ich die Frau an seiner Seite. Etwas anderes konnte ich mir gar nicht vorstellen. Außerdem hatte ich Ihn doch so sehr geliebt und man muss auch die schlechten Zeiten gemeinsam durchstehen.
Tja ich war einfach viel zu lange glücklich, wenn er glücklich war. Und das hat irgendwann aufgehört.
Irgendwann bin ich zu einem Menschen geworden, den ich selbst nicht mehr mochte. Ich war einfach nur noch verletzt, habe dicht gemacht und wurde echt mies.
Gut… die Phase, dass es bestimmt mal wieder aufwärts geht, ging auch nochmal ein Jahr und dann konnte ich den Zustand einfach nicht mehr ertragen.
Eines Nachts, als ich mit dem Auto unterwegs war, kam mir der Gedanke, dass ich einfach nur rechts draufhalten muss und dann ist es für alle Zeiten vorbei.
Ich bin heimgefahren, aber mir war ganz klar, dass es nicht mehr geht, es würde mich umbringen oder mich mindestens zur Säuferin machen.
Zurück zur tollen Uli. Dafür, dass sie nie wirklich anwesend war, war sie für mich ganz schön präsent.
Ich höre jetzt auf in der Vergangenheit zu graben und schreibe an Anne und Tine, dass sowohl mein Koffer fertig gepackt da steht, als auch der Check-in bereits erledigt ist und gehe ins Bett.
Beim ersten Klingeln hüpfe ich aus dem Bett und gehe auf dem direkten Weg ins Bad. Mit der Zahnbürste im Mund erkläre ich Anne, dass ich rechtzeitig fertig sein werde. Meine beiden besten Freundinnen sind in der Hinsicht übervorsichtig, weil ich eindeutig die Chaotischste von uns bin. Die beiden haben ihre Koffer schon Anfang der Woche gepackt. Wenn ich freitags verreise, packe ich eben Donnerstagabend.
Das wiederum können die sich nicht vorstellen.
Als wir eine knappe Stunde später in der Bahn Richtung Flughafen sitzen, atmen wir alle erst mal auf und grinsen uns verschwörerisch zu. Anne öffnet ihre Handtasche und reicht uns Prosecco in Dosen. Unser Startschuss für ein paar Tage nur für uns.
Im Flughafen trinken wir einen Kaffee während wir aufs Boarding warten. Ich ziehe mein Telefon aus der Tasche, um mich per WhatsApp von meinen Kindern zu verabschieden und erzähle Tine und Anne, dass Carla ihren Vater gestern mit einer Frau gesehen hat.
Ich erzähle kurz und zeige dann das Foto. Wie sie das hinbekommen hat… Uli ist gestochen scharf zu erkennen. Sie sieht immer noch aus wie mit sechzehn. Keine Ahnung wie viele Bilder ich schon von ihr gesehen habe.
Matthias hat alle aufbewahrt. Ist ja auch in Ordnung, sagt mein reifes, erwachsenes Ich. Das Kind in mir ist immer noch beleidigt und denkt, es ist bzw. war bloß der Trostpreis.
„Das heißt doch gar nichts“ weckt mich Anne aus meinen Gedanken.
Tine mustert das Foto auf meinem Handy und schüttelt sich danach fast unmerklich.
„Äh, du hast dich grad geschüttelt, wie um deine Aura wieder zu säubern.“
Tine zwinkert nervös.
„Sei bitte nicht böse Toni, aber mir fällt gerade etwas ein... ich hab dir das nie erzählt...“
„Ja und? Raus damit!“
„Ich war mit einer Kollegin im Kino. Ich glaub, das war Anfang des Jahres und als wir im Parkhaus das Ticket bezahlt haben, ist ein Auto rausgefahren. Der Mann auf dem Beifahrersitz hat sich grad noch den Pulli übergezogen... das war die Frau, hundert pro. Und bei dem Mann... Kennst du das? Man sieht jemanden nicht genau, ist sich aber sicher, dass es dieser Jemand ist, einfach so ein Erkennen.“
„Also du willst damit sagen, dass Matthias der Mann auf dem Beifahrersitz war? Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Anne ist sich ihrer Sache sicher. „Das hätte Matthias nie gemacht. Wir sehen uns ja auch regelmäßig und ich finde es auch immer noch schade, dass ihr euch getrennt habt, aber ich kann mir in hundert Jahren nicht vorstellen, dass er dich betrogen hätte.“
„Du ich habe mich vielleicht echt getäuscht, ich habe das gleich verworfen, weil ich mir das auch nicht vorstellen konnte, aber als ich das Foto eben sah, ist es mir sofort eingefallen.“ Tine ist etwas zerknirscht, dass sie möglicherweise etwas ins Rollen gebracht hat.
„Schon klar, kein Problem, aber dieses nicht-genau-sehen-und-doch-wissen-wer-es-ist... ich kenne das. Vielleicht war das was ganz Frisches. Anfang des Jahres war klar, dass ich ausziehe. Von daher kann von Betrügen keine Rede sein. Auf der anderen Seite war Matthias in den letzten drei Jahren so viel unterwegs zur Therapie, immer gleich nach der Arbeit. Ich habe mir niemals Gedanken gemacht, wie die Therapie genau aussieht. Wer weiß? Mädels, ich sag‘s euch, es bleibt spannend! Und ich bestell mir jetzt ein Glas Sekt.“
Die Tage in Florenz waren großartig, unvergesslich, nicht zu toppen!
Es war einfach traumhaft... unser nettes kleines Hotel, das Frühstück in der kleinen Bäckerei nebenan, wo der gemeine Florentiner morgens seinen cafe trinkt, auf dem Weg ins Büro...
Unser Stammlokal auf der Piazza Santa Croce und dann abends Livemusik bei den Uffizien. Einfach gigantisch!
Und unseren persönlichen Taxifahrer!!! Das ist auch so eine Story...
Wir sind nach der Ankunft aus dem Flughafengebäude gegangen und haben uns suchend umgeschaut, weil wir nicht wussten, ob wir Bus, Zug oder Taxi nehmen sollen. Da hat uns ein Typ angequatscht. Ich war total misstrauisch und fand, dass der ein bisschen abgerissen aussah. Er meinte, er würde uns für 30 Euro zu unserem Hotel fahren. Bei meinen zwei Mädels blitzten die Euro-Zeichen in den Augen und sie haben gar nicht bemerkt, dass ich ziemlich unsicher war. Also sind wir dem Kerl hinterher durch den ganzen Flughafen. Unterwegs erzählte er was von einer Fahrt zum Flughafen und dass er dann immer kuckt, dass er nicht leer in die Stadt zurückfährt.
Ich wiederum streute meine Zweifel an der Seriosität des Typen und verunsicherte meine Freundinnen dadurch. Als wir dann endlich an einer anderen Stelle das Gebäude verließen und da ein ganz normales Taxi stand, war ich so erleichtert, dass ich sogar freiwillig vorne eingestiegen bin.
Im Nachhinein bin ich mir auch sicher, dass ich das Stockholm-Syndrom habe. Das ist, wenn man sich als Opfer mit dem Täter verbündet. Das hört sich jetzt ein bisschen extrem an, aber im Endeffekt habe ich dem Typ das Schlimmste zugetraut, habe aber getan, als wären wir gute Bekannte. Wahrscheinlich vor lauter Nervosität hab ich gequasselt was das Zeug hält und weiß jetzt, dass der Typ anscheinend früher Profi-Fußballer war, eine Tante in Stuttgart hat, wo er sich auch regelmäßig seine Mercedes-Taxis holt, und dass sein Sohn nächstes Jahr bei Real Madrid in der U 15 spielt. Ach so und er trainiert die U 13 beim AC Florenz.
Am Ende hatten wir seine Nummer, damit wir ihn für die Fahrt zum Flughafen wieder anrufen konnten, was wir tatsächlich auch gemacht haben. Als wir uns später darüber unterhalten haben und ich halt sagte, dass ich Angst hatte, dass der uns ins nächste Bordell zum Anschaffen schleift, meinte Anne, dass wir doch zu dritt gewesen wären. Sie hatte eher Bedenken, ob der uns aussteigen lässt und mit unseren Koffern davon fährt! Hm... also darüber habe ich mir nun wirklich gar keine Gedanken gemacht.
Also falls jemand mal ein Taxi in Florenz braucht... ich hätte da eine Nummer.
Heute Abend treffen wir uns im ZaZa, unserer Stammkneipe, um noch mal Fotos anzuschauen und in Erinnerungen zu schwelgen.
Zu dem Salat nach Art des Hauses bestell ich mir ein Weißweinschorle.
„Dann kann ich später noch einen Hugo trinken und bin trotzdem fahrtauglich.“
„Hast Du nicht morgen einen Termin bei deiner Voodoo-Frau?“
„Nenn sie nicht so. Das ist eine Heilpraktikerin, die schon so gut ist, dass sie auf sämtliche Mittelchen und Kügelchen verzichten kann und alles feinstofflich macht.“
Bei feinstofflich setze ich mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft und schaue Tine herausfordernd an. Sie grinst.
„Ja und hast du dann keine Bedenken, dass sie bei deinem bloßen Anblick weiß, dass du heute eine Schorle und 'nen Hugo getrunken hast?“
Ich seufze. Beide wissen, dass ich in den letzten Jahren ab und zu mal mehr trinke, als mir gut tut. Eine weitere Beziehung mit der ich Schluss machen möchte. Ich habe es bei meinem ersten Besuch bei dieser Heilpraktikerin auch gesagt. Sie hat es nicht bewertet, aber erkannt, dass es mir sehr wichtig ist, diese Sache genau anzuschauen.
Ich habe das schon im letzten Jahr bei einer anderen Heilpraktikerin unternommen. Da bin ich allerdings nicht so konkret geworden und habe immer von einem Gläschen und einer Zigarette gesprochen. Die damals meinte ich solle das genießen und nicht so streng mit mir sein. Na ja... sie hatte ja keine Ahnung.
Dann reiße ich mich aus meinen Gedanken und wende mich meinen zwei Freundinnen zu. Die beiden, die für mich da sind, wenn es mir nicht gut geht und für die ich da sein möchte, wenn es ihnen nicht gut geht. Also nicht, dass jemand denkt wir sind nur füreinander da, wenn es uns mies geht. Wir verbringen auch die guten Zeiten miteinander.
„Ach ich hab da ein gutes Gefühl, dass ich mit ihrer Unterstützung wieder ein gesundes Verhältnis zum Trinken bekomme.“
Ich bin wirklich zuversichtlich.
„Das ist an sich schon ein Widerspruch.“ Tine grinst mich an.
„Weißt du was Neues von Matthias?“ Anne kuckt mich neugierig an.
„Äh, nein. Ich habe Carla nicht mehr gesehen, seit wir aus Florenz zurück sind. Sie ist in Heidelberg und ich glaube ich habe ihr den Eindruck vermittelt, dass mich das nicht so interessiert.“
„Und hast du Matthias seither gesehen?“
Tine ist es anscheinend immer noch unangenehm, dass sie die Bombe hat platzen lassen, dass sie Matthias und Uli wohl inflagranti erwischt hat, ohne dass die das wissen.
„Nein wir sehen uns demnächst. Unser Patenkind hat bald Geburtstag. Obwohl sie im letzten Jahr ausgezogen ist, wird der Geburtstag, bei dem Onkel, Tanten, Omas usw. eingeladen werden, immer noch daheim bei den Eltern gefeiert. Bei der richtigen Party, die dann in der eigenen Wohnung abgeht, dürfen die Grufties daheim bleiben.“
Wir grinsen uns an, wohlwissend, dass wir uns da vermutlich ein bisschen fehl am Platze fühlen würden.
„Hannah sehe ich allerdings schon früher. Sie wollte mich mal auf einen Kaffee in der Stadt treffen. Das hat mich echt gefreut. Von daher haben wir uns nächsten Donnerstag hier verabredet. Also Mädels... sobald ich mehr weiß, lasse ich es euch wissen. Und jetzt schau ich, dass ich ins Bettchen komme. Ciao Belle!“
„Momentchen noch...“ Anne hält mich am Arm fest, so dass ich mich nochmal zu den beiden umdrehe.
„Was macht Mr. Dachgeschoss?“
Uuups. Wann habe ich das erwähnt? Eigentlich gar nicht.
Bei mir im Haus wohnt ein Mann. Alleine. Der ist irgendwie nie da. Manchmal hängt seine Wäsche auf den Leinen im Waschraum. Aber zu Gesicht bekommt man den äußerst selten. Einmal haben wir uns im Keller getroffen, wo ich ihn kurz informierte, dass ich da jetzt eingezogen bin. Kurz darauf fand ein weiterer Small-Talk im Untergeschoss statt, wo er freundlich nachgefragt hat, ob wir uns schon eingelebt hätten.
Letztens stand sein Oldtimer, den er am Wochenende ab und zu fährt, auf seinem Parkplatz. So eine „denn-sie-wissen-nicht-was-sie-tun-Karre“. An dem Morgen war Anne zum Frühstück bei mir. Die starrte das Auto an und wollte wissen, ob hier ein Zuhälter im Haus wohnt.
Mittags hörte ich ihn wegfahren, ca. 10 Meter, dann ging das Auto aus. Nach einiger Zeit klingelte es bei mir. Ganz lässig hab ich aufgemacht und gefragt, ob er jemanden zum Anschieben bräuchte, aber er hat mir erklärt, dass das nichts bringe, weil … irgendwas wäre und ob er den Wagen übers Wochenende in meine Garage stellen kann. Kein Problem für mich. Als Dank stand abends eine Flasche Aperol auf meiner Fußmatte. Das fand ich irgendwie total nett, obwohl ich jetzt nicht so auf Aperol stehe.
Zwei Tage später bekam ich meinen Garagenschlüssel zurück und ich sagte ihm, dass das Fläschchen auf dem Schuhabstreifer absolut nicht nötig gewesen wäre.
„Schon in Ordnung. Lass Dir's schmecken.“ meinte er.
Fast hätte ich gesagt, dass ich davon Kopfweh bekomme, konnte mich aber grade noch bremsen und hab also nur bestätigt, dass der wegkommt. Ich dachte an meine Freundinnen.
Tja seither finde ich den Typen, der mir zuvor irgendwie suspekt vorgekommen ist, sehr nett. Meine Güte Toni, sage ich zu mir selber, dir muss man nur Alk hinstellen und du bist hin und weg. Wie armselig ist das denn?
Also und jetzt haben wir uns eine gute Woche nicht gesehen, ich habe schon manchen Gedanken daran verschwendet, dass wir uns ab und zu im Treppenhaus begegnen und uns irgendwann auf ein Gläschen zusammensetzen (wenn es sein muss auch Aperol Sprizz)
Heute komme ich mit meinem Wäschekorb aus dem Keller und habe schon gemerkt, dass irgendjemand kommt oder geht. Als ich die Treppe hochkomme ist Mr. Oberstock schon draußen am Auto und von oben schwebt eine nette Frau die Treppen runter. Wir haben uns freundlich gegrüßt und von meinem Balkon aus habe ich die beiden in stiller Eintracht davon spazieren sehen.
Da gingen sie hin meine Hirngespinste von einem netten Flirt und vielleicht mehr.
Ein bisschen war ich erleichtert, es ist gut so. Alles andere wäre mir doch zu kompliziert. Ich bin auch ein
bisschen traurig, es hat meinem Hirn Futter gegeben, aber wie gesagt, eigentlich will ich das doch gar nicht.
Ich grinse Anne an und erzähle kurz von der Begegnung mit Frau Dachgeschoss.
„Ach schade, dass habe ich mir schon irgendwie so süß vorgestellt.“
„Ich bin ehrlich gesagt erleichtert. Das hätte meinen Plan Allein-ins-Alter doch durcheinander gebracht. So und nun geh ich aber.“
Als ich die Tür hinter mir zuziehe und mich noch einmal umdrehe, sehe ich wie meine beiden Freundinnen die Köpfe zusammenstecken.
Na dann lass ich mich mal überraschen, was die aushecken.
Leute das ist echt abgefahren.
Ich sitze hier einem Mann gegenüber und frage mich was ich eigentlich mache.
Der Mann ist der Onkel des Freundes meines Patenkindes (könnt ihr folgen?)
Und die liebe Hannah, mein Patenkind, (kommt ganz nach ihrer Mutter... kuppelt anscheinend auch gerne) hat sich hier mit mir auf einen Kaffee verabredet...
Ihr Freund Nico hat sich mit seinem Onkel hier auf einen Kaffee verabredet...
Gaaanz zufällig haben sich dann die Nichte mit der Tante und ihr Freund mit dem Onkel dort getroffen.
Das Lokal ist mein Stammlokal, das ZaZa, und irgendwie komme ich mir hier komisch hier – so ohne meine Mädels. Mal von dieser anderen Geschichte hier abgesehen.
Wir sitzen gerade alle vier, da schellt ein Handy und mit einer seltsamen Ausrede verduften die lieben Kleinen.
„Komisch, was da läuft.“
Nico‘s Onkel ist nicht ganz so sprachlos wie ich.
Mein Hirn fühlte sich bis eben noch an wie Watte, aber langsam sortieren meine Synapsen den Input und allmählich schnalle auch ich was hier abgeht.
Klar meine Freundin Anne hat mir doch erst vor einiger Zeit erzählt, dass sich - Aufgepasst! Kompliziert! - der Bruder von Ute auch vor kurzem getrennt hat. Und Ute… das ist die beste Freundin von Anne‘s Schwester. Ganz nebenbei ist Ute außerdem auch die Mutter von Nico, Hannah's Nico!!! Kapiert? Und jahaa - die Welt ist klein!
Hallo. Ich fass es nicht.
Jetzt wo ich eins und eins zusammen gezählt habe, kriege ich endlich das Maul auf und mein Zeigefinger schießt über den Tisch.
„Du bist der arme Kony, dessen Frau von irgendwo weit weg kam und die jetzt wieder dorthin zurück ist. Was bei mir übrigens auch der Fall ist, nur dass ich nicht von so weit her gekommen bin. Nur 2 Ortschaften weiter.“
Jetzt ist mein Gegenüber doch sprachlos. Nur kurz. Dann bekommt er einen Lachanfall, dass es ihm schon die Tränen in die Augen treibt.
Als er sich irgendwann beruhigt hat, entgegnet er:
„Ach und du bist die arme Toni, die seit 10 Jahren überlegt, wie sie ihren Mann an eine andere Frau bringt und so wie es aussieht, hast du es geschafft.“
„Interessant meine Story so zu hören, wie es andere sehen.“
„Danke gleichfalls. Ich überspring den Kaffee, ich trinke ein Bier. Was willst Du?“
Ich hab gar nicht gemerkt, dass die Kellnerin an unseren Tisch gekommen ist.
„Ich muss noch fahren, ich nehme einen Cappuccino.“
„Äh könntest Du mich mitnehmen? Ich bin mit Nico gekommen.“
„In Ordnung.“
Mehr fällt mir grad nicht ein.
„Die hatten echt voll den Schlachtplan und wenn man es von deren Warte aus betrachtet, hat es voll geklappt.“
„Ich bin gar nicht auf der Suche und die ganze Zeit versuchen alle dich mit irgendjemand zu verkuppeln. Vor kurzem war ich bei einer Freundin zu einem Spieleabend eingeladen. Außer ihr und ihrem Mann war dann noch der Bruder da, der von seiner Frau für eine Frau getauscht wurde. Es war ganz nett, aber ein bisschen unentspannt.“
Ich ziehe meine Schultern nach oben und schaue Kony ratlos an.
Die Bedienung bringt unsere Getränke und ich strecke meine Kaffeetasse nach Gegenüber: „auf unser Blind Date“
Kony stößt mit mir an und nimmt einen großen Schluck.
Dann blitzen seine blauen Augen belustigt auf: „Wir spielen einfach mit und lassen sie erst mal in dem Glauben, dass das genau so läuft, wie die sich das vorgestellt haben.“
„Okay...“ Meine Begeisterung hält sich in Grenzen.
„Ah doch so begeistert?“
„Nein, Quatsch, ach ich weiß nicht, keine Ahnung. Ich will in erster Linie erst mal meine Ruhe haben. Meine Kinder sind groß. Meine Tochter studiert, mein Sohn ist in der Ausbildung und eigentlich kaum da. Also ich gewöhne mich echt einfach grad dran, allein zu sein und höre ein bisschen in mich rein, was ich denn so machen möchte, wenn ich grad nix mach.“
„Spannend.“
Ich weiß nicht was an meinen Ausführungen so lustig ist, aber Nico's Onkel sieht aus, als müsste er sich das Lachen verkneifen. Er sieht ganz gut aus, stelle ich dabei fest. Außerdem mag ich Leute, die über mich lachen können. Also nicht auslachen, sondern so:
Mhm die ist ein bisschen überdreht, aber irgendwie witzig.
Mal schauen, wie er damit umgeht:
„Ich bin ziemlich langweilig. Am liebsten hänge ich auf meinem Sofa rum, mache Sudokus, bei den schweren schlafe ich immer ein. Wenn ich dann wieder aufwache, kriege ich sie meistens voll raus.“
Der grinst immer noch und nimmt einen großen Schluck, während er mich voll im Visier hat.
„Jetzt bleib mal locker. Meine Ex, die die jetzt wieder dort ist wo sie hingehört...“ er macht eine Pause und schüttelt leicht ungläubig den Kopf.
„Die hatte ziemlich viele anspruchsvolle Hobbys. Sie meinte, sie müsse sich selbst finden. Mit malen, töpfern, stricken, juwelieren, irgendwas.“
„Was soll den juwelieren sein, bitte schön?“ Habe ich mich genervt angehört?
„Wieso sagst du das so genervt. Mir fällt halt grad der Name für Schmuck machen nicht ein.“
„Gold schmieden?“ Ich kucke streng. Meine Güte ich stelle mich schon wieder genauso bescheuert an, wie in meinen letzten 10 Ehejahren.
„Und wenn es kein Gold ist???“
„Schon gut! Ich habe es schon selber gemerkt, ich höre mich an wie in meinen letzten 10 Ehejahren.“
„Respekt. Dann hat es dein Ex ja lange mit dir ausgehalten.“
„Arsch!“ Uuups, das ist mir jetzt echt rausgerutscht. „Okay. Ich geh dann mal. War spannend.“
„Dass du so 'ne Zicke bist, hat Nico nie erwähnt. Ich hatte immer den Eindruck, der findet dich ziemlich cool.“
Ich schmeiß einen Fünfer auf den Tisch und schnappe meine Tasche.
Für Kony hab ich noch einen kurzen wütenden Blick, dann bin ich schon auf der Straße.
Ich beschließe noch einmal um den Block zu gehen, um mich ein bisschen abzuregen.
Keine gute Idee, denn als ich zu meinem Wagen komme, sehe ich den Typ über den Parkplatz schlendern.
„Sorry, aber du wolltest mich mitnehmen.“
Ich kapituliere und deute auf die Beifahrerseite.
„Rumzicken ist also auch so ein spannendes Hobby von dir?“
„Jep“
Ohne ein weiteres Wort fahre ich die drei Kilometer in den nächsten Ort. Dort bekomme ich vom Beifahrersitz kurze Kommandos. Da vorne links, jetzt rechts. Bei der Bushaltestelle kannst du mich rauslassen.
Ich fahre in die Parkbucht für den Schulbus und bremse.
Kony dreht den Schlüssel um und der Motor ist aus.
„Das war irgendwie nicht so, ich geb's zu. Aber ich würde es auf einen zweiten Versuch ankommen lassen. Nur damit sich Hannah und Nico noch ein bisschen freuen können.“
Ich will ihn grad nicht ansehen. Grinst er schon wieder. Hört sich irgendwie so an.
„Wieso hört sich momentan alles so an, als würdest du dich über mich lustig machen, was ich irgendwie nicht lustig finde. Ich mag es, wenn Leute über mich lachen, weil ich witzig bin, aber das bin ich heut nicht.“
„Ich lach dich nicht aus. Ich finde dich echt witzig. Diese Gedanken, die du laut aussprichst. Ich könnte brüllen.“
„Okay ich denk später drüber nach. Ich kann im Moment nix denken. Hast du WhatsApp?
„Klar. Gib mir Deine Nummer.“
Ich zieh eines der Kärtchen aus meiner Tasche, die ich mir nach meinem Aus- bzw. Umzug gedruckt habe, um alle meine Bekannten mit meinen neuen Kontaktdaten zu versorgen und drücke sie Kony in die Hand, der sie neugierig betrachtet.
„Da sind auch noch einige übrig. Ist auch spannend, wie sich der Freundeskreis doch fast halbiert, wenn man sich trennt. Vor allem, wenn man, wie in unserem Fall, eigentlich noch ganz gut befreundet bleibt. Nun ja, das habe ich auch unter ausmisten abgehakt. Also dann, schönen Abend noch. Wir hören uns.“
„Klar. Bis dann und danke für's Fahren. Beim nächsten Mal bin ich dran.“
„Ach ja und wenn ich dir beim nächsten Mal erzähle, dass ich langweilig bin und gerne Sudokus mache, dann erzähl mir bitte nicht mehr von den anspruchsvollen Hobbys deiner Ex. Da fühle ich mich dann wirklich langweilig!“
So das musste noch gesagt werden! Ich hab gerne das letzte Wort.
Das klappt heute auch nicht, weil Kony, (wie heißt der eigentlich richtig? Kornelius?) dreht sich um, kuckt irgendwie total genervt und sagt: „Dann erzähl es einfach nicht.“
Habt ihr euch auch schon mal gewünscht, so einen Kavalierstart mit quietschenden Reifen und richtig Material auf der Straße auf Kommando hinzubekommen? Ich glaub ich muss mal schauen, ob es da nicht auch Kurse an der Volkshochschule gibt.
Na ja - dann dreh ich halt das Radio auf.
Bis ich bei mir ankomme, in meiner neuen Heimat (da muss man sich auch erst mal dran gewöhnen) ist meine Wut verraucht. Diese ätzende Angewohnheit stundenlang beleidigt über etwas zu brüten, ist mir irgendwie abhanden gekommen. Wahrscheinlich bei Peti, meiner neuen Heilpraktikerin, die mich sozusagen umprogrammiert hat. Muss ich mir notieren. Das hat sie mir als Hausaufgabe gegeben. Ein bisschen darauf achten, was in nächster Zeit so passiert.
Ich schenke mir ein großes Glas Wasser ein und nehme die Liste zur Hand, die ich schon angefangen habe. Und ergänze: kann nicht mehr so richtig schmollen
Dann nehme ich mein Telefon aus der Tasche, um meiner Nichte den Kopf zu waschen und sehe, dass ich eine Nachricht erhalten habe. Unbekannte Nummer. Okay.
Mir persönlich haben noch die quietschenden Reifen gefehlt. :)
Ah ja Kony. Ein Komiker.
Dito, aber ich bin grad am googeln, wo man da einen Kurs belegen kann.
Oh eine Perfektionistin!
Nein eigentlich nicht. Keine Ahnung. Aber wenn ich eine Idee für etwas habe, muss das genauso gemacht werden, wie ich das will. Irgendwelche Ratschläge und Tipps wie es noch besser werden könnte, kann ich nicht gebrauchen (außer von google). Perfekt muss es also nicht sein, aber eben genauso wie ich es will! Ist das ein Unterschied? Ich denke ja.
Wie heißt du eigentlich richtig?
Mir ist eingefallen, dass ich mir vorher noch Gedanken darüber gemacht habe.
Was denkst Du denn?
Kornelius.
Falsch.
Dann Konstantin?
Auch Falsch!!!
Meine Güte wo sind wir denn. Soll das ein Witz sein?
Ich überlege bei Hannah und Nico anzurufen. Aber nein, die knöpfe ich mir erst noch wegen der anderen Sache vor.
Heißest Du vielleicht Rumpelstilzchen???
So und nun freue ich über diesen kindischen Einfall und schalte mein Telefon ab.