Liebling, kommst du? - Gaby Hauptmann - E-Book

Liebling, kommst du? E-Book

Gaby Hauptmann

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Beschreibung

Mein Mann hat keine Zeit für mich. Wie oft hat Nele das gedacht! Jetzt weiß sie - schlimmer ist, wenn Björn zu viel Zeit hat. Freigestellt von seiner Arbeit, stört er ihre heiligen Rituale und krempelt alles um. Nele ist erleichtert, als er endlich eine neue Leidenschaft gefunden hat: seine erste Harley. Aber muss er sich in der Motorradgang auch gleich noch in die Freundin seines Sohnes verlieben? Ein herzerfrischender Roman über neue Lebensabschnitte und die verschlungenen Wege, die die Liebe nehmen muss, um ans Ziel zu kommen.

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Für Heidi und Arthur, unsere Eltern, die immer unternehmungslustig waren und eine wahrlich harmonische Ehe führten. Dank für eine völlig unbeschwerte Kindheit und Jugend.

ISBN 978-3-492-96651-1 Januar 2017

© 2014 Piper Verlag GmbH, München Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign Umschlagmotive: Ewa Pix (Briefschlitz), Evlakhov Valeriy (Fond) / beide Shutterstock Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

Warum muss sich immer alles ändern? Warum kann es nicht einfach bleiben, wie es war? Es war doch gut. Oder nicht?

Oder etwa nicht?

Nele sah ihren Mann an. Nicht sprachlos, dafür war sie zu beredt, aber fassungslos. Innerlich. Nach außen lächelte sie.

Komisch. Alles war wie gestern. Draußen versuchte die fahle Februarsonne vergeblich, die hartnäckige Schneedecke schmelzen zu lassen, und am Rhododendron wartete die Amsel auf ihr Frühstück. Warum war es nicht gestern? Warum war es heute?

Warum stand Björn so erwartungsvoll vor ihr?

»Ich habe dir das früher schon sagen wollen.« Auf seinem Gesicht stand Verlegenheit. Ein Hauch von Entschuldigung. Oder war es Bedauern? Aber warum schaute er so? Was erwartete er jetzt von ihr?

Nele fuhr sich durch die Haare. Das war ihre Geste für äußerste Anspannung. Aber sie lächelte noch immer.

»Und wie hat er das gesagt?«, wollte sie wissen und schob ihr Müsli von sich. Noch einen Bissen, und sie würde sich übergeben müssen.

»Er stand vor mir wie einst Gerhard Schröder, die eine Hand in der Hosentasche, das Jackett offen. Lässig. Und genauso lässig hat er es formuliert.«

»Dass du … stillgelegt wirst?«

»Tja, da gibt es einen geschmeidigeren Ausdruck. Freigestellt. Nicht stillgelegt.«

»Aha.« Sie griff nach ihrer Kaffeetasse. Hilflos wollte sie nicht wirken, aber sie fühlte sich so.

»Du bist 48!«

»Ja, genau!«

»Was willst du dann schon im Ruhestand? Die Politik spricht von Rente ab 67? War das nicht so? Oder 63? Da hast du noch«, sie überlegte und spürte Panik aufsteigen, »fast zwanzig Jahre … zwanzig Jahre!«

»Hätte ich.«

Seine Ruhe war es, was sie am meisten aufbrachte. Björn saß völlig seelenruhig mit ihr am Frühstückstisch und schien mit dieser Lebensentscheidung absolut im Einklang zu sein. Sie aber nicht!

»Wieso sitzen wir hier dann noch? Um diese Uhrzeit? Wie gestern? Wie vorgestern? Wie immer? Wenn du sowieso aufhörst?«

»Weil ich die nächsten Wochen natürlich noch ins Büro gehe. Ich muss alles abwickeln.«

Er sah ihr über den von ihr so reichhaltig gedeckten Tisch hinweg in die Augen.

»Aber Schätzchen, freust du dich denn gar nicht?«

Nein, sie freute sich nicht.

Sie freute sich gar nicht.

Sie freute sich ganz und gar nicht.

»Es kommt etwas überraschend«, wich Nele aus. »Ich muss mich erst …«, sie überlegte und vermied seinen Blick, »daran gewöhnen.« He!, dachte sie. Ich bin 45 und habe jetzt einen Rentner als Mann? Das geht ja gar nicht!

»Und es ist ja nicht bis in alle Ewigkeit«, gab er zu bedenken. »Ich habe ein Jahr Wettbewerbssperre. Dafür werde ich ja auch bezahlt. Ein Jahr könnte ich mir dazu noch gönnen, danach kann ich wieder loslegen.«

Loslegen. Mit fünfzig, dachte Nele. Wer will schon einen Fünfzigjährigen, der zwei Jahre aus dem Business raus ist? Sie sagte nichts. Ihr Schweigen behagte Björn nicht, er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr.»Na, ich muss jetzt jedenfalls los.« Er stand auf, ging um den kleinen Tisch herum und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Überleg doch mal«, sagte er, »was wir jetzt alles machen können! Kein Büro mehr, kein Stress mehr, echte Freiheit, nur du und ich!«

»Du und ich«, wiederholte sie und spürte selbst, wie lahm es klang. Du und ich, das hatte die letzten dreiundzwanzig Jahre nur im Urlaub stattgefunden. Und überhaupt. Du und ich, da gab es ja auch noch die Frage des Geldes. Was hieß da … die nächsten zwei Jahre? Und vor allem: Gab es überhaupt einen Grund für all das?

»Hast du was verbockt? Ich meine«, sie stockte, als sie in seine eisgrauen Augen sah, »hast du einen Fehler gemacht? Etwas Schwerwiegendes?« Sie spürte selbst, dass ihre Stimme grell wurde, sie konnte ihre Panik kaum noch verbergen. Aber sie beherrschte sich und versuchte ihre Nerven in den Griff zu bekommen. Langsam stand sie auf und schlang die Arme um seinen Hals. »Björn«, sagte sie leise. »Willst du mir etwas sagen?«

»Ja«, antwortete er bedächtig und zog ihre Arme von seinem Nacken. »Ich muss jetzt gehen. Es gibt noch vieles, das geregelt werden muss. Gespräche mit meinem Nachfolger beispielsweise.« Er grinste.

Konnte es wahr sein, dass er grinste?

»Sie haben dich vor die Tür gesetzt, und du grinst?«

»Ich habe allen Grund dazu.« Jetzt nahm er sie in den Arm. »Das Spiel geht ja schon länger. Ich wollte dich nur nicht beunruhigen.«

Allerdings. Zwischendurch hatte Nele schon darüber nachgedacht, ob da wohl eine Geliebte im Spiel war. Die ständigen Sitzungen und Konferenzen, in welcher Bank wurde so lange gearbeitet?

»Nicht beunruhigen?«, echote sie. Nicht beunruhigen? Sie spürte, wie sich ihre Stirn in Falten legte. »Nicht beunruhigen?«, fragte sie schärfer, als sie wollte. »Wie??!!?? Nicht beunruhigen!!«

»Bevor ich die Verhandlungen abgeschlossen hatte!« Er stand vor ihr, und sie hätte ihm eine runterhauen können. Mitten ins Gesicht. So selbstgefällig, so von sich überzeugt, so selbstgerecht. Das war das Allerletzte!

»Findest du das nicht gut?« Björn sah sie mit großen Augen an.

Ja, findet sie das nicht gut? »Die Einjahresklausel war ja so schon in meinem Vertrag geregelt. Aber dass ich jetzt zu meinem monatlichen Gehalt auch noch eine Abfindung bekomme, ist perfekt. Ich habe alles herausgeholt, was möglich war, vielleicht sogar noch etwas mehr. Mein Direktorenstatus war ganz gut was wert«, er grinste und zog sie wieder an sich. »Nur gut, dass du mich so angetrieben hast. Das zahlt sich jetzt aus.«

Hatte sie das? Das war ihr gar nicht aufgefallen. Sie hatte von Anfang an nur gewollt, dass er aus seinem Studium Nutzen schöpfte. Es reichte ja schon, dass sie ihr Studium der Schwangerschaft wegen aufgegeben hatte, um sich um ihr Kind zu kümmern. Einer von beiden musste weiterkommen. So hatte sie ihren Ehrgeiz auf ihn fokussiert, das war ja normal.

Björn atmete auf, als er aus der Garage fuhr. Es war ihm bewusst gewesen, dass er Nele aufschrecken würde. Nele hatte ihren Rhythmus, ihre Aktivitäten, ihre Freunde. Sie hatte ihr Leben zwischen Familie und ihrem Job organisiert. Nele war ein wunderbarer Mensch, das fand er noch immer, und sein Gefühl zu ihr war seit 23Jahren unverändert. Sie waren damals zu jung gewesen, um sich über die Folgen eines gemeinsamen Kindes klar zu sein, aber sie hatten es durchgezogen, und bis auf ein paar Ausrutscher, die alle er sich geleistet hatte, soweit er das beurteilen konnte, war ihre Ehe glatt gelaufen. Wer konnte das von sich sagen? In seinem Freundeskreis waren die meisten längst getrennt. Ja, bei den Großveranstaltungen trauten sich die Eventmanager kaum noch, die Namen der letztjährigen Partnerinnen auf die Einladungsliste oder die Tischkärtchen zu schreiben, denn das konnte zu unschönen Auseinandersetzungen führen.

Björn fuhr mit dem guten Gefühl in die Bank, dass er einiges für den Betrieb getan hatte und jetzt seine Belohnung dafür erhielt. Es trieb ihm ein Grinsen aufs Gesicht, denn er wusste wohl, dass er ziemlich gepokert hatte. Sein Abgang war der fusionierenden Bank einiges wert gewesen. Sollte sich doch der andere, der aufstrebende Konkurrent, in Zukunft mit all dem herumärgern. Björn hatte gleich zu Beginn der Verhandlungen nur an einen guten Abgang gedacht. Und den hatte er jetzt!

Nele musste sich erst einmal hinsetzen. Sie hatte ihn zur Haustür begleitet und ihm, wie etliche Schuljahre über ihrem Sohn, einen Kuss mit auf den Weg gegeben. Das tat sie nicht, weil sie jeden Tag gut auf ihn zu sprechen gewesen war, sondern weil sie einmal eine Fernsehsendung gesehen hatte, in der das Kind im Unfrieden aus dem Haus gegangen war und gleich darauf tödlich verunglückte. Das war ihr so an die Nieren gegangen, dieser unendliche Unfriede, der nicht mehr bereinigt werden konnte, dass sie all die Jahre auf einem friedlichen Abschied bestanden hatte.

Aber nach dem heutigen friedlichen Abschied von Björn saß sie am Frühstückstisch und starrte ausdruckslos in ihr Müsli. Es wollte sich einfach kein vernünftiger Gedanke einstellen. Was bedeutete das nun, wenn Björn plötzlich unendlich viel Zeit hatte? Sie hatte ihr eigenes Leben. Ihre eigenen Freunde. Ihren Rhythmus. Sie hatte ihren Job, ihre Berufung. Sie gab Immigranten in der Volkshochschule Deutschunterricht. Wie würde sie plötzlich eine normale Woche mit Björn teilen? Ihr wurde himmelangst bei dem Gedanken.

So gut gelaunt hatte sie Björn selten erlebt. Seit drei Wochen schien er aus der guten Laune überhaupt nicht mehr herauszukommen. War das gespielt? Oder war er wirklich so glücklich? Ständig machte er irgendwelche Zukunftspläne, sprach abwechselnd von einer Expedition durch die Wüste, zu Fuß wohlgemerkt, oder begeisterte sich für eine Studienreise durch die innere Mongolei. Dann wieder wollte er endlich zum Heli-Skiing nach Kanada oder über den Atlantik segeln. Nele kam kaum noch mit. Zudem hatte er sein Saxofon hervorgekramt, das seit Jahren verstaubt im Keller stand und das er längst vergessen hatte – dachte sie. Jetzt fand Björn, dass er dringend einen Lehrer engagieren müsse. Sobald er seinen letzten Arbeitstag hinter sich gebracht hätte, wollte er leben. Alles nachholen. Aufbrechen in die zweite Hälfte seines Lebens. Seit seiner Einschulung mit sechs Jahren hatte er gesät, gab er eines Abends beim Abendessen zum Besten, jetzt würde die Zeit der Ernte kommen. Aber das Geld dafür würde doch niemals reichen, warf Nele ein.

Björn blieb gelassen. Irgendwann würde er ja wieder etwas tun. Aber eben ohne Druck. Finanzwelt – ja, vielleicht, aber sicherlich keine Bank mehr. Jetzt würde er sich erst mal treiben lassen, erklärte er ihr. In sich hineinhorchen. Und schließlich hatte er ja frühzeitig in Immobilien investiert. Wenn sie also nicht gerade im Luxus leben wollten, würden sie auch ohne aufreibenden Job ein gutes Auskommen haben. Außerdem, fügte er augenzwinkernd hinzu, verdiene Nele ja auch etwas dazu.

Nele hielt sich zurück und ging weiterhin davon aus, dass sich der Wahnsinn wieder legen würde. Sie traute dem Ganzen nicht. Überspielte er seine Trauer des Unterlegenen? Machte es ihm wirklich nichts aus, dass ein Jüngerer den Fusionsthron bestieg? Ehrgeiz war doch all die Jahre seine Triebfeder gewesen. Er wollte hoch hinaus, ganz weit nach oben, ganz an die Spitze. Das hatte er erreicht – und wurde jetzt abgesägt? Keinen Chauffeur mehr, keine eifrigen Mitarbeiter und auch keine Sekretärin mehr, die alles für ihn erledigte, neben Terminplanungen, Flug- und Hotelbuchungen auch das Geburtstagsgeschenk für die Gattin besorgte, weil er diesen Termin mal wieder übersehen hatte?

Nele überlegte, mit wem sie über all das reden könnte. Ihre beiden besten Freundinnen waren Singlefrauen, sie hatten ihre Erfahrungen mit Scheidungen und endlos suchenden Singlemännern gemacht, aber ein heimkehrender Mann war für beide völliges Neuland. Als sie das Thema bei einem gemeinsamen Wein in ihrem Lieblingsbistro schließlich doch ansprach, fiel die Reaktion genauso aus, wie sie befürchtet hatte: Sie erzählten sofort von Loriots »Papa ante Portas« und wollten sich in der Erinnerung an diesen Film vor Lachen ausschütten. »Björn mit dem Maßstab in der Hand, wenn er die Bettdecke ausmisst«, feixte Jutta und warf ihr blondes Haar nach hinten. »Überhaupt, Björn als Hausmann, völlig undenkbar!«

Nele lachte nicht mit. Ihr ging gerade auf, wie ihre Freundinnen sie gesehen hatten: als Hausmütterchen mit sozialen Ambitionen. War es so? Björn, der Ernährer, der zu Hause den Kaffee anbrennen ließ, und sie, die das Heim richtete und ihm den Rücken freihielt?

»Das siehst du völlig falsch!« Jasmin versuchte den Eindruck zu relativieren. »Du bist eben einen anderen Weg gegangen.«

»Gegangen worden«, korrigierte Jutta.

»Quatsch, das war meine eigene Entscheidung.« Nele griff nach ihrem Glas Wein. Jasmin hatte Architektur studiert und arbeitete noch mit ihrem Exmann zusammen, und Jutta war Kundenbetreuerin bei einer Bank. Zufälligerweise bei derselben Bank, in der Björn Chef war.

Beide Frauen hatten trotz Heirat und Kindern ihre Berufe nicht aufgegeben. Nur Nele hatte sich die ersten zwanzig Ehejahre ausschließlich auf Sohn und Mann konzentriert. Aber was war schlimm daran? Ihr Leben hatte gepasst, sie hatte selbstbestimmt ihre Tage gestalten und vor drei Jahren dann trotzdem noch eine Möglichkeit finden können, sich einzubringen. Was sie tat, war wichtig. Sie brachte die Gesellschaft weiter, indem sie die Immigranten weiterbrachte. Konnten ihre Freundinnen das von sich behaupten?

Die Frage, ob Björns neue Freiheit nun gut oder schlecht war, beschäftigte Nele die nächsten Tage. Vor allem, als Björn ihr eines Abends mitteilte, dass nun seine Abschiedsparty anstehe. Sie saßen – selten genug in den letzten Jahren – im Wohnzimmer in der gemütlichen Couchecke, vor dem großen Fenster, das den Blick in den beleuchteten Garten freigab. Nele ließ ihren Blick über all die Dinge gleiten, die sie der Jahreszeit entsprechend auf dem breiten Fenstersims dekoriert hatte. Die auffällig bunte Vase mit dem Jasminzweig, der Frühling versprach, und einige Figuren, die sie aus einem Baliurlaub mitgebracht hatte. Nippes oder Erinnerung? Atmeten die Dinge Seele, wie sie es stets empfunden hatte, oder war das alles einfach nur Kitsch? Heute war sie sich nicht sicher, zumal Björn sie auf eine neue Art ansah. Was lag in seiner Mimik? Sie konnte es nicht entschlüsseln, also nahm sie das Glas hoch, das er für sie gefüllt hatte.

»Champagner?« Zumindest waren es die mundgeblasenen Gläser, die sie zu ihrem vierzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte.

»Es ist so weit!« Er lächelte ihr zu und hielt ihr zum Anstoßen sein Glas entgegen. Seine Stirn legte sich in Falten, und seine Augen strahlten sie erwartungsvoll an. Nele stieß ihr Glas leicht gegen seines, sodass es einen hohen Klang gab, der kurz und leicht zitternd zwischen ihnen hing. Wie meine Nerven, dachte sie, das klingt genau wie meine Nerven. Sie wollte nicht hören, was er zu sagen hatte. Sie wollte, dass alles so blieb, wie es war. Sie mochte keine Veränderungen, jetzt, wo sie sich in ihrem neuen, berufstätigen Leben eingerichtet hatte. Jetzt, wo Alex aus dem Haus war und sie sich zusehends besser damit zurechtfand. Jetzt wollte sie die nächsten Jahre so weitermachen, so hatte es der Fahrplan, ihr eigener Lebensfahrplan, vorgesehen.

»Am Freitagabend ist meine Verabschiedung. Ganz feierlich. Und ziemlich groß. Also mit Dinner, Ansprachen und goldener Uhr.« Er grinste schräg, und für Nele sah er plötzlich aus wie sein eigener Sohn, wenn er den Lehrer überlistet hatte oder von ihr bei einer seiner kleinen Eskapaden erwischt worden war. »Sie lassen mich tatsächlich gehen. Es wird wahr! Liebling, komm, jetzt beginnt unser Leben!« Er nahm einen tiefen Schluck, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen, dann er stellte sein Glas ab, stand auf und ging um den kleinen Couchtisch herum auf sie zu. Warum fiel ihr gerade jetzt ein, dass sie den Tisch in Venedig gekauft und mit Mühe hierher nach Frankfurt geschleppt hatte? Ihr Gehirn wollte sich partout nicht mit dem Gesagten abfinden und schon gar nicht mit dem Kommenden. Trotzdem stand sie auf, denn Björns Geste war klar. Er nahm ihr das Glas aus der Hand, und sein fordernder Kuss war der Auftakt zu seinem neuen Leben.

»Lass es uns genießen«, sagte er, während er ihr den Pullover über den Kopf zog.

Was? Hier? Auf dem Boden vor dem Fenster? Es war ewig her, dass sie nicht ordentlich im Bett … Aber Björn schmunzelte nur. »Jetzt, Nele, jetzt bist du wieder zwanzig, und ich bin 23. Nur dass es nicht das alte Wohnzimmer deines Onkels ist, sondern unser eigenes Haus. Und der abgetretene Teppichboden ist teuerstes Parkett. Aber du und ich, wir sind unverändert!« Und damit zog er sie hinunter auf den Boden.

Die Aussicht auf eine feierliche Verabschiedung erfüllte Nele mit Widerwillen. Was hieß da schon feierliche Verabschiedung? Die wollten Björns Niederlage feiern, Nele traute keinem einzigen seiner Kollegen ehrliche Motive zu. Sie wollten sehen, wie er geschlagen abtrat, so wie einst Wulff und seine Bettina. Mit erhobenem Kopf lächelnd in der Mitte stehen und trotzdem erkennbar geschlagen. Was gab es da zu feiern?

»Was ziehst du an?«, fragte Björn sie in ihre Gedanken hinein.

»Was ich anziehe? Was soll ich schon anziehen …« Sie standen an der Haustür, er in Anzug und Krawatte auf dem Sprung ins Büro, sie noch im morgendlichen Leichtdress, wie sie es nannte, Gymhose und T-Shirt.

»Ja, was du anziehst?« Jetzt schlich sich ein Funke Ungeduld in seinen Ton.

»Eine Hose? Ein Jackett?«

Ungläubig zog er die Augen zusammen.

»Zu meiner … Verabschiedung? Das ist heute der Abschluss eines ganzen Lebens, da dürfte es schon etwas feierlicher werden …«

»Abendkleid?«, spottete Nele.

»Nicht schlecht!«, meinte Björn, und es klang erstaunlich ernst. »Aber ein Cocktailkleid täte es auch!«

Mit gemischten Gefühlen sah Nele ihm hinterher. Und sie fühlte sich wie an dem Abend, als sie ihre geliebte Dekoration plötzlich mit anderen Augen sah. Fing auch ihre Welt an, sich zu verändern? Ohne dass sie es verhindern konnte? Am liebsten wäre sie krank geworden. Eine Magen-Darm-Grippe. Irgendetwas, das sie sofort blass und angegriffen aussehen ließ. Langsam schloss sie die Tür und ging in ihre Küche, in ihr Reich, wie sie ihre Küche so viele Jahre im Spaß genannt hatte. Björns Reich war seine Bank, ihres in der Küche, denn sie kochte und backte gern. Alex’ Reich war sein Zimmer. Nele erinnerte sich gut, wie Alex damals »sein Reich« bezog, nachdem das Haus, ihr Traumhaus, endlich fertig geworden war. Alex war zwölf gewesen und wahnsinnig stolz auf sein großes Eckzimmer und sein eigenes Bad. Tage brachte er damit zu, seine Carrerabahn mit unglaublich vielen Figuren aufzubauen, vom Ritter bis zu Aliens war alles dabei, so viel, dass man schließlich kaum noch bis zu seinem Bett vordringen konnte. Nele hätte am liebsten alles in die Spielkisten zurückgelegt, die sich über die Jahre angesammelt hatten, aber Björn sagte nur: »Lass ihn doch. Er freut sich so!«

Nele seufzte bei dem Gedanken an diese Zeit. Damals ging ihr das auf die Nerven, heute würde sie etwas darum geben, wenn es wieder so wäre. Sie schäumte sich Milch für einen Cappuccino auf und setzte sich damit ans Fenster. Von der Küche aus blickte sie auf die Straße. Hier war selten was los, jeder achtete auf seinen gepflegten Vorgarten als gute Visitenkarte, es war ein Wohnviertel für den gehobenen Mittelstand. So bezeichnete es wenigstens Jasmin, die sich standesgemäß die oberste Etage in einem Hochhaus mitten in der Frankfurter City ausgebaut hatte.

Nele fragte sich, was sie tun sollte. Sie drückte sich um die Antwort auf diese Frage. Aber wenn sie es genau betrachtete, nüchtern, mit etwas Abstand, dann würde sie Björn heute beistehen und eine tolle Frau an seiner Seite abgeben. Seine tolle Frau. Er musste stolz auf sie sein können, und sie mussten glänzen und so tun, als erfüllte sich mit seinem Ausscheiden ein gemeinsamer Lebenstraum.

Hmm, sie verzog das Gesicht. Um 19Uhr im Casino der Bank. Das bedeutete: Kleider durchprobieren, Friseur und Kosmetikerin. Sie betrachtete ihre Fingernägel. Und Maniküre. Nele fuhr sich mit gespreizten Fingern durch ihr Haar. Sie hatte ihr natürliches Brünett mit blonden Strähnen auflockern lassen, und der Ansatz war herausgewachsen, das bedeutete eine längere Sitzung. Ein neuer Schnitt könnte auch nicht schaden, das Haar war zu schwer geworden und fiel glatt und langweilig über ihre Schultern. Da piepste ihr Handy, und Nele zog es über den Küchentisch zu sich herüber.

»Ich hol dich um halb sieben ab, bitte sei pünktlich, sie geben sich echt viel Mühe.«

Björn hatte sich ebenfalls Mühe gegeben. Seine dichten schwarzen Haare, die durch die vielen Wirbel ein Eigenleben führten, waren frisch geschnitten und lagen ordentlich gekämmt dicht an seinem Kopf. Und auch den Anzug, den er trug, kannte sie noch nicht. Sogar die Schuhe, der Gürtel, das Hemd und die Krawatte waren neu. Offensichtlich meinte er es ernst mit seinem Abschluss. Dabei war es doch nur eine vorübergehende Freistellung. Hatte er es nicht selbst so bezeichnet?

»Meine alten Anzüge gehören der Vergangenheit an«, sagte er, während er ihr in den Mantel half. »Jetzt wird neu durchgestartet!«

Nele sah ihn kurz an, sagte aber nichts dazu.

»Du siehst phantastisch aus.« Er lächelte. »Das Rot steht dir gut!«

Rot? Sie hatte schon beim Friseur das Gefühl gehabt, dass die Tönung zu rötlich geworden war, eine Glanztönung, hatte die junge Friseurin gesagt, passend zu ihren grünen Augen. Und wäscht sich leicht wieder raus.

»Ist vielleicht etwas kurz geworden.« Jetzt musterte er sie kritisch. »Magst du die Haare nicht mal wieder richtig lang wachsen lassen?«

»Björn, ich bin 45!«

»Na und? Lange Haare sind sexy!«

»Deine Sekretärin trägt langes Haar, reicht das nicht?«

»Die hab ich ja bald nicht mehr.«

Wie wahr, dachte Nele und ließ sich von ihm die Wagentür öffnen. »Und den Dienstwagen auch nicht mehr.«

»Herrn Wagner auch nicht.«

Richtig. Herr Wagner fuhr den Bankvorstand mit der dicken Limousine zu Terminen oder wartete auch mal vor einem Restaurant, wenn eine Besprechung außerhalb der Bank stattfand und man das eine auf angenehmste Art mit dem anderen verbinden konnte.

»Mal sehen.« Björn glitt hinter das Lenkrad. »Einstweilen reicht uns ja dein Wagen.«

Mein Wagen?! Wollen wir uns in Zukunft etwa ums Auto streiten? Sie warf ihm einen Blick zu. Er hatte ein Lächeln um den Mund und startete den Motor. »Mal sehen.« Er nickte. »Ja, erst mal sehen, was die Zukunft uns bringt.« Er zwinkerte ihr zu und gab Gas.

Es war, wie Nele befürchtet hatte. Sie wurde verstohlen gemustert, als würde sie die Nationalflagge zu Grabe tragen, und sie war nur froh, dass sie so viel Zeit auf ihr Äußeres verwendet hatte. Bei Björn wurde die kollegiale Verlegenheit mit zotigen Sprüchen und kumpelhaftem Schulterklopfen überspielt. Gemütlich wurde es erst, nachdem alle ausreichend Alkohol getrunken hatten und die steife Atmosphäre lockeren Geschichten aus der Vergangenheit wich. Witze wurden gerissen, und so erfuhr Nele in diesen letzten Geschäftsstunden mehr über ihren Mann als all die Jahre zuvor. Auch dass die Geschäftstermine in London und Paris nie übers Wochenende geplant waren. Das war das einzige Mal, dass sie ihm von der Seite einen kurzen Blick zuwarf. Hatte da die langhaarige Sekretärin vielleicht doch eine größere Rolle gespielt, als Nele gedacht hatte? Nein, in Wahrheit hatte sie sich gar nichts dabei gedacht, sondern einfach die freien Wochenenden genossen. Herumgammeln, Zeit für sich haben, keine einzige Verpflichtung, keine Fragen, was man unternehmen könnte, kein missbilligender Blick auf ihre Aufmachung, am liebsten bis mittags im Schlafanzug. Nein, ihr waren seine Dienstreisen immer recht gewesen.

Sollte sie das jetzt, im Nachhinein, zum Thema machen?

Sie versuchte kurz, ihre Gemütsverfassung zu ergründen, aber auch sie hatte neben den beiden Champagnerbegrüßungsgläsern schon ein Glas Rotwein zum Essen intus, und die Erkenntnis schmerzte kaum, eigentlich gar nicht, wenn sie ehrlich sein sollte.

Komisch. Liebte sie ihren Mann nicht mehr? Sie müsste doch eifersüchtig sein?

Sie betrachtete ihn noch einmal. Er spielte den Strahlemann mit breiter Brust, lachte und feixte und machte das ganze Theater mit. Genoss er es wirklich? Neles Blicke suchten seine Sekretärin. Sie saß an einem anderen Tisch, hatte die langen Haare zu einem französischen Knoten hochgezwirbelt und sah gut aus. Doch, auch mit kritischen Frauenaugen betrachtet, war sie ein attraktiver Typ. Und sie schaute in diesem Moment genau in Neles Richtung. Ihre Blicke trafen sich, blieben ineinander hängen. Nele griff nach ihrem Glas und prostete ihr zu. Die tat das Gleiche. Frauensolidarität, dachte Nele und war stolz auf sich. Einvernehmlichkeit zwischen Ehefrau und Geliebter. Eine Affäre? Oder mehr? Aber wollte Nele das wirklich wissen?

Sie nahm noch einen Schluck und stellte ihr Glas sanft ab.

Ab morgen würde es eine neue Zeitrechnung geben, was sollte sie sich mit der Vergangenheit aufhalten!

Am nächsten Morgen wurmte es sie dann doch. War es der Alkohol gewesen, der sie gestern so milde gestimmt hatte? Sie warf einen Blick auf Björn, der friedlich neben ihr schlief. In Embryonalstellung. Es fehlte nur noch der Daumen im Mund. War es nicht so, dass sich die Menschen ab einem bestimmten Alter zurückentwickelten? War es bei ihm schon so weit? Und was war das für eine Geschichte mit seiner sexy Sekretärin? Sie spürte, wie der Ärger in ihr hochstieg. Oder war es gar nicht die Sekretärin, war es die ganze Situation, gegen die sie sich aufbäumte wie ein wild gewordener Mustang? Sie warf einen Blick auf die Leuchtziffern der Uhr. Schlag acht. Acht Uhr? Sechs Uhr, das war all die Jahre seine Zeit gewesen. Er stand wochentags immer um sechs Uhr auf, eine Gewohnheit, die sich selbst an den Wochenenden und Ferientagen fortsetzte, wie sie stets missbilligend angemerkt hatte. Und jetzt war es acht Uhr, und er schlief seelenruhig neben ihr den Schlaf des Gerechten.

Sie beschloss, sich einen Tee zu machen. Irgendetwas Gesundes, das auch noch die Nerven beruhigte. Grün vielleicht? Hatte sie überhaupt grünen Tee im Haus? Die Rollläden waren noch unten, und es war so dunkel im Zimmer, dass sie sich vorsichtig am Bett entlangtastete, um zur Tür zu kommen. Mit Björns Kleidungsstücken mitten im Zimmer hatte sie nicht gerechnet. Ihre Füße verhedderten sich, und sie stürzte nach vorn, konnte den Sturz aber mit den Händen abfangen. Es war nichts passiert, trotzdem hätte sie da auf dem Fußboden plötzlich einfach losheulen können. Sie setzte sich auf und spürte ein Gefühl der Trostlosigkeit, das fast übermächtig wurde. Er hat sein erfülltes Berufsleben gehabt, er hatte ein erfülltes Sexualleben gelebt, sicherlich war es prickelnd gewesen bei all den Terminen mit seiner willigen Sekretärin, er lag nun einfach im Bett, ließ seine Kleider fallen, wo es ihm passte, und freute sich auf seine Zukunft.

Und sie? Sie hatte all die Jahre Hausfrau gespielt, hatte nie ans Fremdgehen gedacht, hatte endlich einen Job, der ihr wichtig war, und plötzlich … war sie die Frau eines Rentners. Da wäre Witwe fast besser, dachte sie und gleich darauf: Nele, reiß dich zusammen!

Langsam stand sie wieder auf, kickte die Hose zur Seite und ging zur Tür. Aufrecht, Nele, sagte sie sich, du gehst aufrecht und immer vorwärts. Das hat dir deine Mutter gesagt, als du ihr mit 22 gebeichtet hast, dass sie Omi werden würde. Ihre Mutter hatte weder die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen noch von Abtreibung gesprochen und auch nicht nach ihrer finanziellen Zukunft gefragt, sie hatte einfach nur gesagt: »Aufrecht, Nele, du gehst aufrecht und immer vorwärts. Wir schaffen das schon!«

Ihre Mutter war vor fünf Jahren an Krebs gestorben. Mit Perücke und abgemagert, aber aufrecht bis zum letzten Atemzug, genauso wie sie es Nele damals gesagt hatte.Oh, Mama, dachte Nele und öffnete die Schlafzimmertür. Was würdest du mir jetzt raten?

Die hereinflutende Sonne traf sie wie eine Keule. Sie kniff die Augen zusammen und öffnete sie langsam wieder. Ein herrlicher Tag kündigte sich an. Im Wohnzimmer trat sie ans Fenster und sah in den Garten. Kleine Schneeinseln bedeckten das fahle Gras, aber sie sah die Spitzen der ersten Schneeglöckchen, die das Licht suchten, und auch die kahlen Äste reckten sich dem Licht der Sonne entgegen. Die stand seltsam grell am Himmel, fast so wie nach besonders heftigen Gewittern.

»Guten Morgen«, grüßte Nele die Amsel, die wie jeden Morgen unter dem Rhododendron nach den Haferflocken suchte, die ihr Nele ausstreute. Und auch die Nachbarskatze schlich heran. Wie jeden Morgen öffnete Nele kurz die Terrassentür, um sie zu verscheuchen. War das bereits ein Ritual? Jedenfalls reagierte die Getigerte stets gleich: Sie warf Nele einen kurzen Blick zu, während sie mit steil aufgerichtetem Schwanz an Nele und der Amsel vorbei durch den Garten zum Nachbargrundstück spazierte.

Die Verlässlichkeit dieses Ablaufs gab ihr Ruhe. Alles war wie sonst auch. Wieso sollte es in ihrem Leben plötzlich anders sein?

Nele machte sich einen Tee, legte die Hände um die heiße Tasse und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. Die Fußbodenheizung wärmte sie, und die hereinfallende Sonne kitzelte ihre Sinne. Plötzlich ging die Tür auf.

»Da bist du!«, sagte Björn in einem Ton, als wäre sie ohne seine Erlaubnis zum Mond geflogen. »Ich habe mich schon gewundert …«

»Gewundert? Wieso?« Sie drehte sich nach ihm um, stand aber nicht sofort auf.

»Tja, unseren ersten Tag im neuen Leben habe ich mir anders vorgestellt. Etwas … nun ja, enthusiastischer. Liebevoller. Explosiver.« Er überlegte. »Also zumindest mit einem servierten Cappuccino und einem Überfall. Also, sexueller Art, meine ich.« Seine Stirn legte sich in missbilligende Falten. »Stattdessen sitzt du im Lotussitz da. Ommm! In deinem alten Schlafanzug.« Er legte den Kopf schief. »Ich glaube, wir müssen erst mal einkaufen gehen.«

»Einkaufen?«

»Ja, so ein bisschen was Leichteres als ein Baumwollschlafanzug. Vielleicht ein Negligé?« Er lächelte in sich hinein. »Das wäre doch sexy!«

»Trug deine Sekretärin das beim Diktat auch?«, gab sie nüchtern zurück.

Sein Lächeln erlosch. »Ich bin nicht mit meiner Sekretärin verheiratet, sondern mit dir.« Er korrigierte sich. »Mit meiner Exsekretärin.«

»Hat sie auch eine Abfindung bekommen?« Wieso konnte sie es nicht lassen? Sie konnte nicht.

»Mach dich nicht lächerlich!« Er klatschte in die Hände wie eine Kindergärtnerin vor dem Gruppenspiel. »So, auf jetzt. Du machst Frühstück, und ich hol Brötchen. Und dann könnten wir ja bei Victoria’s Secret vorbeischauen.«

Anscheinend ließ sich seine gute Laune durch nichts trüben. Das kann ja heiter werden, dachte Nele. Es war Samstag. Nichts konnte sie vor ihrem Ehemann retten, die Volkshochschule nicht und auch nicht ihre Freundinnen. Heute musste sie sich alleine mit ihm auseinandersetzen. Wohl denn, aufs neue Leben, sagte sie sich grimmig und stand auf.

Sie bereitete alles vor. Liebevoll, wie jeden Morgen, viele Vitamine, gepressten Orangensaft, Joghurt und körniges Brot, ausgewogen, nahrhaft, gesund. Wozu eigentlich Brötchen, dachte sie und blieb unschlüssig vor dem Tisch stehen. Sollte sie sich jetzt tatsächlich in Schale werfen? Sie sah an sich hinunter. Gut, immerhin war er auch angezogen aus dem Haus gegangen, ungeduscht zwar, aber doch mit frisch geputzten Zähnen. Aber unrasiert, setzte sie hinzu. Auch so eine Neuerung. Nie im Leben hätte er sich früher unrasiert aus dem Haus getraut, es hätte ihn ja jemand sehen können. War das der Anfang? Steckte in ihrem Mann ein heimlicher Clochard? Der Gedanke brachte sie zum Lachen. Gott sei Dank, sie konnte auch noch lachen. Vielleicht wurde ja doch alles gut.

Sie trocknete sich gerade ab, als sie ihren Wagen hörte. Driftete Björn in die Auffahrt, oder warum spritzte der Kies weg? Oder hatte sie heute nur ein besonders sensibles Gehör? Sie schlüpfte schnell in ihre Jeans und eine Bluse, suchte mit ihren Füßen nach den Flipflops, die unter das Waschbecken gerutscht waren, sprühte sich großzügig mit ihrem neuen Parfüm ein, einem Weihnachtsgeschenk von Jasmin, die gemeint hatte, so ein spezielles Parfüm aus New York täte ihr gut, fuhr sich mit der Naturbürste durch ihr stufig geschnittenes, rötliches Haar und lief die Treppe hinunter. Björn stand an der Treppe, und an seinem Zeigefinger baumelte ein rotes, fast durchsichtiges Etwas. Ihren fragenden Blick beantwortete er mit dem Kreisenlassen dieses Fetzens um seinen Zeigefinger. Dabei grinste er sie an, als habe er eben den Unterschied zwischen Jungen und Mädchen entdeckt.

»Wolltest du nicht Brötchen holen?«

Er lachte und zauberte hinter seinem Rücken die Brötchentüte hervor. »Du hättest dein Gesicht sehen sollen«, sagte er und stopfte sich das rote Etwas so in die Hosentasche, dass es herausschaute wie ein Einstecktuch bei einem gepflegten Anzug. Nur dass an diesem Teil unzweifelhaft noch Strapse baumelten. Nele verkniff sich einen Kommentar, der ihr auf der Zunge lag: Räumst du die Ausrüstung deiner Sekretärin aus? Aber sie dachte an den einvernehmlichen Blick vom Vorabend und verbot sich weitere Lästereien.

Stattdessen legte sie ihm den Arm um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. »Komm, mein Schatz«, sagte sie, »Rührei oder Spiegelei oder …«

»Am liebsten dich …«, unterbrach er sie.

Er konnte es nicht lassen. Sie musste sich wohl damit abfinden, dass ihr stets so ernsthafter und distinguierter Gatte Bankdirektor ansatzlos in seine Pubertät zurückfiel.

Zwei Wochen später begriff auch Björn selbst, dass er nervig wurde. Sein ganzes Leben war auf Pünktlichkeit, Akkuratesse und Weiterkommen getrimmt worden. Alles hatte er diesem Ziel untergeordnet. Ob Familienfeste oder Theaterbesuche – wenn beruflich etwas dazwischenkam, hatte das Geschäftliche Vorrang gehabt. Über all die Jahre war es sein Ziel gewesen, ganz oben anzukommen. Nicht nachzugeben, bis dass die Spitze erreicht und der Chefsessel eingenommen war. Und er hatte es geschafft. Alle Hürden gemeistert. Als er schließlich oben war, hatte er sich als Held gefühlt. Mächtig, unbesiegbar. Auch Nele gegenüber. Er war einfach stolz gewesen, dass er ihr seine männliche Tüchtigkeit beweisen konnte.

Jetzt begann er selbst zu spüren, dass er nach der ersten Euphorie etwas führerlos herumtigerte. Er brauchte ein neues Ziel. Oder eine neue Leidenschaft. Kurz erlaubte er sich einen Gedanken an Denise. Aber dieses Kapitel war mit dem Ende seines Beruflebens abgeschlossen. Es gab keine gemeinsamen Geschäftsreisen und keine gemeinsamen Sitzungen mehr – wie hätten sie ihre Dates jetzt vor ihren jeweiligen Partnern erklären sollen? Es war immer eine Win-win-Beziehung gewesen. Sie waren ein eingespieltes, erfolgreiches Team gewesen, kannten sich, vertrauten sich, konnten sich aufeinander verlassen. Er hatte ihr gute Arbeits- und Gehaltsbedingungen verschafft, und sie hatten gemeinsam immer Spaß gehabt. Oder zumindest einen körperlichen, lustvollen Ausklang nach so manchen anstrengenden Besprechungen. Aber das hatte die jeweiligen Ehen nicht zu tangieren. Das war etwas ganz anderes. Und deshalb konnte diese Affäre über die Arbeitsbeziehung hinaus keinen Bestand mehr haben.

Björn saß vor dem großen Fenster und schaute seit über einer Stunde regungslos in den Garten. Vornübergebeugt in seinem Sessel, den Kopf aufgestützt, nachdenklich. Es war ein wirklich schöner Garten, den Nele da angelegt hatte. Bisher hatte er das nie wirklich wahrgenommen. Sein ganzes Familienleben war an der Oberfläche geblieben. Und jetzt? Was konnte er jetzt noch tun? Klar, er hatte sein Saxofon reaktiviert, und das machte ihm Spaß. Aber konnte ihn das erfüllen? Er brauchte eine Leidenschaft. Golf, wie all seine Geschäftspartner? Nein, dann würde er ja genau die wieder treffen, die er hinter sich gelassen hatte. Und die gleichen seltsamen Gespräch würden beginnen, wie er sie gestern mit einem Exkollegen geführt hatte, dem er zufällig im Supermarkt an der Kasse begegnet war. Ausweichend, nichtssagend, lähmend. Sie waren beide froh gewesen, als sie sich verabschieden konnten, und peinlich berührt, als sie sich im Parkhaus wieder trafen.

Er seufzte. Er könnte eine Runde joggen gehen. Aber brachte ihn das weiter? Und Nele war an der VHS. Floh sie vor ihm? Möglich. Vielleicht ging ihr seine ständige Anwesenheit auf den Nerv. Ihm ja auch. Vierzehn Tage Urlaub, das war immer das Höchstmaß an Auszeit gewesen, das er sich zugestanden hatte. Wer wusste schon, was passierte, wenn er länger nicht da gewesen wäre? All die Intrigen hinter seinem Rücken, die Emporkömmlinge, die eifrig am Stuhlbein sägten, die Statistiker, die Korinthenkacker, künstliche Gesundschrumpfungen, indem man Abteilungen zusammenlegte, die überhaupt nicht zusammengehörten, aber deren Zusammenlegung Raum schuf, künstlichen Raum, der als Gesundschrumpfen positiv zu Buche schlug. Nichts war ehrlich in diesem vermeintlich so ehrlichen Geschäft, wie konnte man da von den Mitarbeitern Ehrlichkeit verlangen?

Er beobachtete die getigerte Katze, die langsam aus der Nachbarshecke hervortrat, sich aufmerksam umsah und dann selbstsicher quer über den Rasen ging. Er hatte sie noch nie gesehen, aber sie erschien ihm plötzlich wie ein Sinnbild: sichern, vortasten, einnehmen. Fasziniert beobachtete er, wie sie sich langsam, als sei die Unendlichkeit eigens für sie erfunden worden, von Schneehaufen zu Schneehaufen anschlich. Was wollte sie dort am Rhododendron?

Björns Neugier war geweckt, aber er konnte an diesem Busch nichts entdecken, was ein solches Manöver wert gewesen wäre. Oder sah sie etwas, das seiner Aufmerksamkeit entging? Er beugte sich vor. Vielleicht unter dem Busch? Kurz blieb die Getigerte stehen, streckte sich ausgiebig, gähnte, entspannte ihre Glieder in einem Katzenbuckel und schritt anschließend völlig entspannt zur Ligusterhecke, die die Grenze zum Nachbargrundstück markierte. Anscheinend hatte sie dort ihren Durchgang. Wo gehörte sie hin? Björn hatte nicht die leiseste Ahnung.

Er ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. Heute war er noch nicht aus seiner Jogginghose herausgekommen. Es schien zu stimmen: Je weniger man gefordert wurde, umso weniger tat man. Irgendwann würde er nicht einmal mehr duschen, sich nicht mehr rasieren und im Bett liegen, wenn Nele abends heimkam. Allerdings nicht erwartungsvoll, sondern schnarchend.

Er schüttelte sich und stand auf. Er brauchte ein Ziel. Wie diese Katze. Irgendetwas, das er anvisieren konnte. Das ihn ausfüllte, ohne ihn zu beherrschen. Arbeiten wollte er nicht mehr. Zumindest die nächsten zwei Jahre nicht. Er wollte sich frei machen von den Zwängen, denen er sich jahrelang unterworfen hatte. Aber er hatte das richtige Mittel noch nicht gefunden.

Björn sah auf die Uhr. Fast drei. Bald würde es dunkel werden, und bald würde Nele zurückkommen und ihm gut gelaunt von den sprachlichen Fortschritten ihrer Schützlinge erzählen. Und von dem jungen Puerto Ricaner, der Musik im Blut hatte, wie sie immer schwärmerisch sagte. Hatte sie was mit dem? Oder wollte sie was mit ihm haben?

Quatsch, er schüttelte sich. Björn, du siehst Gespenster. Sicher ist sie in all den Jahren nicht ein einziges Mal fremdgegangen. Er auch nicht, im Prinzip. Er hatte nur für Ausgleich gesorgt, um zu Hause entspannt zu sein. Daran war nichts auszusetzen.

Nele hielt kurz inne, bevor sie die Auffahrt zum Haus hinauffuhr. Sie bemühte sich, sich in das erzählfreudige Wesen zu verwandeln, das sie die letzten Tage vor Björn abgegeben hatte. Dabei spürte sie jedes Mal einen Kloß im Magen, wenn sie die Haustür aufschloss. Björn hatte ihr früher selten etwas aus seinem Berufsleben erzählt. Mit dem Aufschließen der Haustüre wollte er seine Burg betreten und alles Störende außen vor lassen, das war stets sein Spruch gewesen, und sie hatte das akzeptiert. Jetzt war es genau andersherum: Er war begierig darauf, von ihr zu erfahren, was draußen so abging. Wie absurd, dachte sie, während sie aus ihrem Wagen stieg. Und das war auch noch so eine Sache, dachte sie. Er brauchte ein eigenes Auto, es machte sie wahnsinnig zu wissen, dass er wie ein Eingesperrter zu Hause saß. Er musste raus, wieder hinaus, irgendetwas unternehmen, und sei es auch nur, um einen Kumpel zu treffen.

Aber welchen Kumpel, fragte sie sich im selben Atemzug. Er hatte keine Kumpels. Er hatte nur Geschäftsfreunde und … seine Sekretärin. Sollte er die treffen? Sie ließ die Frage unbeantwortet und schloss die Haustür auf.

Björn kam ihr entgegen, aufgeräumt, wie ihr schien, rasiert, aber barfüßig und noch immer in seiner morgendlichen Jogginghose.

»Wusstest du, dass wir eine Fremdkatze haben?«, begrüßte er sie und drückte ihr einen Kuss auf den Mund.

»Eine Fremdkatze?« Nele zog den Reißverschluss ihrer Daunenjacke herunter. Draußen war der Winter zurückgekehrt, und mit minus fünf Grad war es frostig kalt. Unangenehm kalt. Gut, andererseits, was wollte man in dieser Jahreszeit erwarten?

Björn nahm ihr die Jacke ab. »Ja, eine getigerte Katze. Oder ein Kater, keine Ahnung. Sie hat sich an den Rhododendron angeschlichen!«

Er sagte das mit einer solchen Inbrunst, als ob der DAX explodiert oder sonst etwas unerhört Wichtiges geschehen sei.

Sollte sie ihm seine Wichtigkeit lassen? Im Moment hatte er ja sonst nichts.

»Was will sie wohl am Rhododendron?«

Sie konnte es nicht, sie war in der Rolle der Kindergärtnerin einfach nicht gut, das war sie schon bei Alex nicht gewesen, nicht mal, als der noch ein Kleinkind gewesen war.

»Sie versucht, die Amsel zu fangen«, gab sie kühl zur Antwort.

»Die Amsel?«

»Ja, die Amsel«, bestätigte sie. »Die frühstückt schon den ganzen Winter über bei uns, und irgendwo hat sie ja auch ihr Nachtlager.«

»Die will unsere Amsel fangen!« Sein Ton war so entrüstet, dass Nele ein seltsames Gefühl beschlich. Er würde sich doch jetzt nicht mit einem Luftgewehr auf die Lauer legen?

»Kommst du, Liebling?« Sie ging an ihm vorbei. »Ich möchte jetzt einen heißen Tee mit Rum trinken. Ein Wintergetränk!«

»Ja, du bringst eine ordentliche Kälte mit herein.«

»Warst du heute mal draußen?«

»Nein, wozu?«

Ja, wozu. Sie musste ihn aus seiner Lethargie holen. Sie musste ihn aus diesem unnatürlichen Wartezustand holen. Sie wusste nur nicht, wie.

Als sie sich wenig später auf der Couch gegenübersaßen, beide mit großen Teetassen in der Hand und Nele in ihrem geliebten Hausanzug, sagte Björn: »Nele, wir müssen raus!«

»Wir müssen raus?« Nele sah auf.

»Ja, ich habe auch schon eine Idee. Das heißt, eigentlich habe ich das schon fixiert.«

»Schon fixiert?«

Das war der alte Björn! Ständig hatte er etwas fixiert, Dinge abgeschlossen, die sie auch betroffen hätten, wonach er aber nie gefragt hatte. Was er für gut befunden hatte, war für sie automatisch auch gut gewesen. So hatte er das jahrelang gehandhabt.

»Wir müssen verreisen. Hier ist es eisig kalt, und obwohl wir jetzt endlich mal Zeit füreinander hätten, leben wir aneinander vorbei. Ich finde, wir brauchen einen neuen Anfang. Irgendetwas, womit wir gemeinsam starten können.«

»Sooo«, sagte sie vorsichtig. »Denkst du an einen gemeinsamen Ritt auf einem Kamel … oder so was?« Sie hatte es lustig gemeint, und wenn sie es gesimst hätte, hätte sie mindestens vier grins angehängt, aber er nickte ernst. »So etwas in der Art. Nur dass ich uns kein Kamel bestellt habe, sondern einen Ford Mustang von 1965. Und das Ganze als Hochzeitsreise durch Florida. Mit Ziel Key West und unterwegs Daytona, weil man dort auf dem Strand fahren kann und alles den Geist der Autorennen atmet.«

»Seit wann begeisterst du dich für Autos?«, wollte Nele schließlich wissen, nachdem die erwartungsvolle Stille schon einer unfrohen Spannung weichen wollte. Björn hatte sie schweigend beobachtet, nun hellte sich seine Mimik auf, und seine Augen glitzerten tatendurstig. »Seitdem ich keines mehr habe!« Er lachte. »Vielleicht kaufe ich mir einen Oldtimer? Ich habe mich erkundigt, da unten gibt es phantastische Angebote, ganze Automärkte, Oldtimer in Hülle und Fülle, klasse Raritäten!«

»Du verstehst doch überhaupt nichts von Autos. Du weißt doch nicht mal, wo die Batterie ist …«

»Ja, ja, schon gut … nur weil ich einmal … und das ist schon so lang her …«, er hob vorwurfsvoll die Brauen. »Nele, nur weil ich es nicht weiß, heißt das ja noch lange nicht, dass ich mich nicht dafür interessieren würde!«

Sie schwieg.

»Schau, diese Katze heute Nachmittag hat mich darauf gebracht.«

»Die Katze?« Blödes Vieh. War die jetzt etwa daran schuld, dass sie nach Florida fliegen musste? Zum Autofahren?

»Ja, die Katze!« Er nickte. Seine schwarzen Haare standen in Wirbeln vom Kopf ab. Wie der ganze Kerl, dachte Nele. Alles war völlig durcheinander.

»Ja, die Katze«, bekräftigte er leidenschaftlich. »Sie schleicht sich an ein Ziel an, das es gar nicht gibt. Vielleicht weiß sie sogar, dass es das Ziel nicht gibt. Vielleicht weiß sie, dass diese Amsel nur zum Frühstück dort hockt, wie du sagst, aber sie trainiert schon mal. Oder sie macht sich einen Spaß daraus. Wie auch immer: Sie hat ein Ziel, und sie geht es an.«

»Das hast du doch dein Leben lang getan.«

»Ja, aber die Katze macht es spielerisch. Sie täuscht nur Ernsthaftigkeit vor, verstehst du? Mittendrin bricht sie ab und lacht sich eins.«

»Lacht sich eins?«

»Ja, sie pfeift auf ihr Ziel, sie streckt sich, gähnt, hat einfach Spaß an dem, was sie tut, wenn es auch eigentlich nicht lebenswichtig ist. Das heißt sogar dann, wenn sie vielleicht ganz genau weiß, dass ihr Tun an diesem Tag kein Ergebnis bringen wird. Aber vielleicht morgen? Oder übermorgen?«

Sollte sie sich jetzt vielleicht mit dem Luftgewehr auf die Lauer legen, um ihre arme Amsel vor dem Tatendrang der Katze, und sei dieser auch noch so spielerisch, zu schützen?

»Und was lehrt uns das?«

»Ja, was lehrt uns das?« Nele war mit ihren Gedanken weit fort. Sie wollte das alles nicht. Sie wollte weder eine Rat gebende Katze in ihrem Garten noch einen Mann, der sich von einer Katze inspirieren ließ. Sie wollte einfach nur eines: das Rad zurückdrehen.

»Es lehrt uns, dass ich mein nächstes Ziel spielerisch angehe. Ich bin kein Kfz-Meister, sehr richtig, und ich habe auch damals, als dein Auto nicht angesprungen ist, vergeblich nach der Batterie gesucht, auch richtig, und ich weiß, dass Alex deswegen zu spät zu seiner Matheprüfung kam, alles richtig. Aber er hat trotzdem sein Abi geschafft, und ich werde ganz einfach lernen, wo bei einem Ford Mustang die Batterie liegt.«

»Warum gerade ein Ford Mustang?«

»Weil alle wichtigen Geschichten in einem Ford Mustang spielen. Muskelprotze im weißen T-Shirt, Konkurrenz unter Kerlen, röhrende Motoren, Power, Pferdestärken, erster Sex, Petticoats, Rock'n'Roll, einfach alles.«

»Du warst doch damals noch gar nicht geboren.«

»Na und? Nele, es geht ums Lebensgefühl. Und das hat doch mit Alter nichts zu tun.«

O Gott, Lebensgefühl. Hatte sie richtig gehört?

»Du willst nach Florida, um dein Lebensgefühl aufzupolieren?«

»Unser Lebensgefühl, Nele. Unser Lebensgefühl!«

Die Katze, dachte Nele. Diese verdammte Katze!

Ende der Leseprobe