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Von knurrenden Kuckucksuhren, singenden Salzstreuern und Drachen, die aus Eiern schlüpfen: Am liebsten verbringt Lilli ihre Zeit in Theos magischem Zauberladen, wo sie dem launischen Hausschwein Ida Kunststücke beibringt. Doch an diesem Tag ist alles anders. Im nahegelegenen Wald findet Lilli ein riesiges Ei, das dort wie vergessen herumliegt. Schon bald schlüpft daraus ein echter Drache, und Lilli ist außer sich vor Freude: Endlich hat sie ihr eigenes Haustier - und ein ganz besonderes noch dazu! Denn Igor kann nicht nur sprechen und fliegen, sondern auch Feuer spucken. Da werden der blöden Benita, dieser Angeberin, vor Neid bestimmt die Augen aus dem Kopf fallen, denkt sich Lilli. Doch wer hätte gedacht, dass das Zusammenleben mit einem Drachen gar nicht so einfach ist, denn auch Feuerspucken will schließlich gelernt sein!
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Cover
Über dieses Buch
Über die Autorin
Über die Illustratorin
Titel
Impressum
1. Wie Lilli etwas findet, das sie gar nicht gesucht hat
2. Wie etwas schlüpft und hüpft und Purzelbäume schlägt
3. Wie ein kleiner Drache Chaos verbreitet
4. Wie Igor das Feuerspeien lernt
5. Wie Igor ein Schaumbad nimmt
6. Wie der kleine Drache einen Schnupfen bekommt
7. Wie Lilli feststellt, dass nichts so laut schnarcht wie ein Drache
8. Wie Lilli und Igor nachts eine große Entdeckung machen
9. Wie Lilli, Max und Igor vor Benita fliehen
10. Wie die Falle zuschnappt
11. Wie alles ein gutes Ende nimmt
Von knurrenden Kuckucksuhren, singenden Salzstreuern und Drachen, die aus Eiern schlüpfen: Am liebsten verbringt Lilli ihre Zeit in Theos magischem Zauberladen, wo sie dem launischen Hausschwein Ida Kunststücke beibringt. Doch an diesem Tag ist alles anders. Im nahegelegenen Wald findet Lilli ein riesiges Ei, das dort wie vergessen herumliegt. Schon bald schlüpft daraus ein echter Drache, und Lilli ist außer sich vor Freude: Endlich hat sie ihr eigenes Haustier – und ein ganz besonderes noch dazu! Denn Igor kann nicht nur sprechen und fliegen, sondern auch Feuer spucken. Da werden der blöden Benita, dieser Angeberin, vor Neid bestimmt die Augen aus dem Kopf fallen, denkt sich Lilli. Doch wer hätte gedacht, dass das Zusammenleben mit einem Drachen gar nicht so einfach ist, denn auch Feuerspucken will schließlich gelernt sein!
Sandra Klocke wurde im Ruhrgebiet geboren, wo sie auch heute noch lebt. Mit ihrem Mann und ihren Kindern flüchtet sie aber regelmäßig aus der Stadt an die Nordsee. Sie hat Sozialwissenschaften studiert, ihre wahre Leidenschaft gehört jedoch dem Schreiben. Lilli und das Drachenei ist ihr erstes Kinderbuch.
Franziska Harvey wurde 1968 in Frankfurt am Main geboren und verbrachte einen großen Teil ihrer Kindheit in Buenos Aires. Sie studierte Grafikdesign mit den Schwerpunkten Illustration und Kalligrafie. Seither arbeitet sie als freie Illustratorin und hat bereits weit über hundert Bücher für viele bekannte Autoren und Verlage bebildert. Sie lebt mit ihren Kindern, Hund und Katze in Frankfurt.
Mit Illustrationen von Franziska Harvey
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Originalausgabe
Copyright © 2015 by Boje Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln
Illustrationen: Franziska Harvey
Gesamtgestaltung: Christina Krutz, Biebesheim am Rhein
E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-7325-1338-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Draußen brach schon die Dämmerung an. In der Zauberbude aber lag Lilli auf einem großen Sofa und fütterte Ida mit bunten Schokolinsen. Die Zauberbude war ein kleines Geschäft, das Theo gehörte, dem Freund von Lillis Mutter. Und Ida war ein sprechendes Schwein, das einzige, das es weit und breit gab.
Lilli selbst war neun Jahre alt. Sie hatte langes braunes Haar, das in großen Locken über ihre Schultern fiel. Ihr Gesicht war übersät mit Sommersprossen, die so aussahen, als wäre ein kleiner Käfer darüber gelaufen und hätte dort seine Fußspuren hinterlassen.
Morgens war Lilli immer fürchterlich müde, abends aber war sie stets hellwach. Ihre Haare kämmte sie nur, wenn Mama darauf bestand, und meistens trug sie ziemlich bunte Kleidung. Lilli liebte Kaugummi mit Erdbeergeschmack, Sommerferien und Vanillepudding. Hausaufgaben und ihre Mathematiklehrerin konnte sie dagegen nicht leiden.
Am allermeisten aber mochte Lilli den kleinen Laden in der Pfefferkuchengasse, in dem Theo Zauberbedarf verkaufte: von Anti-Fledermaus-Spray bis Zungenjuckpulver. Theo sagte ihr nie, sie solle endlich ihre Hausaufgaben machen. Bei ihm konnte sie tun und lassen, was sie wollte.
Lilli verbrachte viel Zeit in der Zauberbude, die spannender war als jeder Abenteuerspielplatz. Hier gab es ein kleines Trampolin, das bei jedem Sprung bunte Plastikblumen in die Luft schleuderte, und ein Schaukelpferd, das muhte. Und hier konnte sie mit Arthur spielen. Arthur war ein Hase, der noch keine Arbeit als Zaubergehilfe gefunden hatte. Die meisten Zuschauer wollten nämlich lieber weiße Kaninchen aus Zylindern hüpfen sehen, keine braunen Feldhasen, wie er einer war. Deshalb wohnte Arthur nun bei Theo in der Zauberbude. Dort ließ er sich mit Vorliebe von Lilli das Fell kraulen.
Manchmal bekam Lilli hier auch Besuch von ihrem besten Freund Max, der mit ihr zusammen Zaubertricks übte oder Mensch ärgere dich nicht spielte.
Im Moment aber versuchte Lilli, Ida ein paar Kunststücke beizubringen.
»Also«, sagte sie, »ich werfe die Schokolinse, du fängst sie mit der Nase auf, schleuderst sie noch einmal in die Höhe und schnappst sie dir danach mit dem Mund.«
»Schweinverstanden«, grunzte Ida.
Im Hintergrund pfiff ein Teekessel und schoss dabei ein Stück Würfelzucker quer durchs Zimmer.
Lilli fischte eine rosa Schokolinse aus der Packung und zielte mit der Süßigkeit genau auf Idas Rüssel. Das Schwein verfolgte die fliegende Linse mit dem Blick, hob in letzter Sekunde den Kopf ein Stück in die Höhe und sperrte sein Maul weit auf. Die Schokolinse landete genau auf Idas Zunge – ohne irgendeinen Salto.
»Falsch«, stöhnte Lilli, während das Schwein zufrieden kaute. »Ganz falsch.«
Es war genau vier Uhr nachmittags. Ein kleines Krokodil schaute aus der Kuckucksuhr hervor, knurrte und streckte Lilli dabei vier Mal hintereinander die Zunge heraus.
Theo schlurfte gemächlich in den Verkaufsraum. Ein Dutzend Kristallkugeln kullerten kreuz und quer über den Boden und hüpften kichernd zur Seite, als er an ihnen vorüberging. Mitleidig beobachtete er Lillis Bemühungen.
»Ich fürchte, das wird nichts«, meinte er dann. »Ich will Ida schon seit Jahren ein paar Kunststücke beibringen, aber bisher weigert sie sich hartnäckig.«
Bevor Ida Theo begegnet war, hatte sie im Stadtpark gelebt und Abstand zu allen Tieren gehalten, die es dort gab, sogar zu Hasen und Maulwürfen. Und zu Menschen sowieso. Dann aber war Theo eines Tages in den Park gestapft, mit einem großen Korb in der Hand, um Pilze zu suchen. Gefunden hatte er allerdings nur Ida.
Sie hatte an seinen Schuhen geschnüffelt, einen kritischen Blick auf seine Haare geworfen, sich vor Lachen auf dem Boden gewälzt und war ihm dann nach Hause gefolgt. Dort hatte sie lautstark einen Teller Spaghetti verlangt und das einzige Bett im ganzen Haus. Und da war sie dann geblieben.
»Bisher hast du mich ja auch noch nie mit Süßigkeiten bestochen«, entgegnete das Schwein jetzt schmatzend. Dann wandte es sich wieder an Lilli. »Nun hätte ich gern noch ein paar Wurzeln«, sagte es. »Die findet man draußen. Im Wald.«
Lilli warf einen Blick aus dem Fenster und stöhnte leise. Sie hatte nicht die geringste Lust, zwischen den Bäumen nach Schweinefutter zu suchen. Aber sie musste Ida bei Laune halten, und das war einzig und allein Benitas Schuld.
Benita und Lilli besuchten dieselbe Klasse, konnten einander aber nicht ausstehen. Benita war die Tochter des Zoodirektors und einen ganzen Kopf größer als Lilli. Sie wohnte im Tiergarten, in einem großen Haus, das direkt neben dem Affengehege lag. Dort feierte sie jeden ihrer Geburtstage. Dabei gab sie immer so fürchterlich an, dass alle anderen Kinder Bauchweh vor Neid bekamen.
Ihre Gäste durften auf Elefanten und Kamelen reiten, Zuckerwatte und Popcorn essen, Waschbären füttern und Krokodile beobachten, bis sie glaubten, den schönsten und spannendsten Tag ihres ganzen Lebens erlebt zu haben. Lillis eigene Geburtstage, auf denen es nur Luftschlangen gab, keine echten, fielen dagegen wesentlich langweiliger aus.
»Wie schade, dass du keine Eisbären hast«, sagte Benita immer, wenn sich alle Kinder zum Topfschlagen versammelten. »Wirklich ein Jammer! Faultiere gibt es hier auch nicht, wie ich sehe. Und auch keinen einzigen Schimpansen, nicht wahr?«
In den letzten Jahren hatte Lilli in diesen Momenten mit zusammengebissenen Zähnen gelächelt und insgeheim gebrodelt vor Wut. Diesmal aber wollte sie ihren Freunden Ida präsentieren: das einzige Schwein, das nicht nur Schokolinsen fangen, sondern auch mit seinem Ringelschwanz Klavier spielen konnte! Zumindest eine ziemlich langsame Version von Alle meine Schweinchen.
Dummerweise musste Ida für derartige Vorführungen gute Laune haben, und gut gelaunt war sie nur, wenn sie vollgefressen war.
Also stapfte Lilli nun grummelnd aus dem Haus und wäre fast über Theos rosa Ente Mathilda gestolpert. Auf den ersten Blick sah Mathilda so aus, als wäre sie aus Plüsch. Doch in Wirklichkeit stellte sie sich nur schlafend und zwickte mit Vorliebe jeden in den Po, der an ihr vorüberging.
Mit einem lauten »Mjam!« schnappte die Ente auch jetzt nach Lilli. Doch die war zum Glück schneller und zog die Tür hinter sich zu, bevor das nächste Stück Würfelzucker aus dem Teekessel dagegenprallte.
Die Zauberbude lag direkt am Waldrand, nur einen Steinwurf von Idas geliebten Wurzeln entfernt. Lilli schob sich durch Sträucher und Gestrüpp, über Moos und Pilze hinweg, zwischen Tannen und Fichten hindurch, bis sie auf einmal etwas entdeckte. Neugierig blieb sie stehen. Es war keine Wurzel und auch kein Kiefernzapfen. Es war überhaupt nichts, das man normalerweise im Wald finden würde. Es war … ein Ei. Ein großes Ei. Es war viel größer als ein Hühnerei. Ja, sogar größer als ein Straußenei! Es war rosa, übersät mit goldenen Punkten, und es schillerte in den letzten Strahlen der untergehenden Nachmittagssonne.
Lilli ließ sich auf die Knie sinken und strich ganz vorsichtig darüber. Die Oberfläche war glatt und kühl wie bei einem Stein. Behutsam klopfte sie dagegen.
»Ist da etwas drin?«, fragte sie flüsternd, aber niemand antwortete. Ein paar Sekunden lang wusste Lilli nicht, was sie mit diesem sonderbaren Ding anstellen sollte. Dann hob sie das Ei vorsichtig hoch. Mit gleichmäßigen Schritten trug sie es in die Zauberbude und ließ es langsam zu Boden gleiten.
»Theo!«, rief sie. »Theo! Schau mal, was ich gefunden habe!«
Theo bemühte sich gerade, seine Kristallkugeln einzusammeln, die quer durch die ganze Zauberbude rollten. In einem wilden Zickzacklauf versuchte er, ihnen zu folgen.
»Gänseblümchen!«, antwortete er, ohne auch nur in Lillis Richtung zu blicken.
Dann warf er sich bäuchlings auf den Boden und angelte mit einem Regenschirm nach einer Kristallkugel, die sich unter einem Sessel versteckte. Die anderen Kugeln beobachteten ihn und glucksten dabei vor Lachen.
»Nein«, erwiderte Lilli atemlos.
»Einen Handschuh?«
»Auch nicht.«
Eine Kristallkugel hüpfte auf den Sessel und sprang dort mit so viel Begeisterung auf und ab, dass das weiße Füllmaterial des Möbelstücks auf Theos Haare rieselte wie Schnee.
»Hauptsache, es ist kein Schwein«, sagte er. »Schweine machen nur Ärger, das kannst du mir glauben. Und Kristallkugeln sowieso.«
»Keine Kristallkugel und auch kein Schwein«, antwortete Lilli. »Aber vielleicht irgendein anderes Tier. Ein Tier in einem Ei. Schau doch mal!«
Jetzt sah Theo tatsächlich zu ihr hinüber und ließ dabei vor Schreck den Regenschirm fallen.
»Ach, du meine Güte!«, stammelte er.
»Das ist doch nicht möglich! Zumindest ist es nicht sehr wahrscheinlich.«
Er beachtete die Kristallkugeln nicht weiter, stand stattdessen auf und ging dreimal um das Ei herum. Mit ehrfürchtiger Miene strich er über die glatte Schale. Dann tippte er mit den Fingerspitzen dagegen, rieb seine lange Nase daran und seufzte schließlich auf.
»Das ist erstaunlich, Lilli. So etwas findet man normalerweise nicht einfach so. Höchstens in China und auch dort nur ganz selten.«
»Was?«, unterbrach Lilli ihn aufgeregt. »Was findet man normalerweise nicht?«
Theo schnüffelte an der rosa Eierschale. »Schwefelgeruch. Eindeutig Schwefel. Riechst du das auch?« Er lächelte Lilli an. »Es ist ein Drachenei, ein ungeschlüpfter Babydrache! Daran besteht kein Zweifel.«
Lilli riss die Augen weit auf. »Ein Drache?«, hauchte sie.
Theo nickte. »Dabei sind Drachen schon fast ausgestorben. Selbst auf meinen Reisen nach China habe ich nur ganz wenige gesehen. Einer von ihnen war schon so alt, dass er nicht einmal mehr genug Feuer spucken konnte, um ein Teelicht anzuzünden. Er lebt inzwischen bei meinem Freund Drago-Drago, einem weisen chinesischen Zauberer, der vor ein paar Jahren eine Drachenpension aufgemacht hat. Er versteht so viel von Drachen wie kein anderer und kümmert sich rührend um die Tiere. Von ihm habe ich alles gelernt, was ich über Drachen und andere Zauberwesen weiß. Den Drachen, den es hier im Zoo gibt, habe ich allerdings noch nie zu Gesicht bekommen.« Theo streichelte behutsam über das Ei. »Und einem Jungdrachen bin ich auch noch nie begegnet. Ein Drachenei ist ein ausgesprochen seltener und ganz außergewöhnlicher Glücksfall.«
»Bist du sicher?«, vergewisserte sich Lilli. »Tausendmillionenprozentig? Es ist wirklich ein Drache? Ein richtiger, echter, lebendiger?«
Theo klopfte mit seinen langen Fingern vorsichtig gegen das Ei.
Erst herrschte Stille, dann klopfte etwas in dem Ei zaghaft zurück.
»Ja«, meinte Theo zufrieden. »Ganz sicher lebendig.«
Lilli schloss kurz die Augen. Einen wunderbaren Moment lang stellte sie sich vor, tatsächlich einen Drachen zu besitzen. Im Geiste sah sie sich schon auf seinem Rücken durch die Lüfte fliegen, während ihr neues Haustier große Flammen aus seinen Nüstern stieß und ihre Klassenkameraden ihr bewundernde Blicke zuwarfen.
Dann aber kam ihr ein anderer Gedanke, und auf einmal wurde Lilli traurig.
»Ich werde ihn aber nicht behalten dürfen.«
Theo runzelte die Stirn. »Warum denn nicht?«
»Weil Haustiere in unserer Wohnung verboten sind. Das hat Mama gesagt, als du damals diese Kiste mit den südamerikanischen Gürteltieren gefunden hattest und mir eines schenken wolltest. Nichts mit Fell oder Federn oder Schuppen. Mamas Worte!«
»Ach, kein Problem.« Theo winkte ab. »Die wenigsten Drachen haben Schuppen. Die meisten haben eine ganz glatte, lederartige Haut in verschiedenen Blau- oder Grüntönen. Und normale Haut ist bei euch doch nicht verboten, oder?«
Lilli überlegte kurz. »Ich glaube nicht.«
»Na, dann ist ja alles klar«, erwiderte Theo und klatschte in die Hände. »Jetzt müssen wir nur noch darauf warten, dass der Drache schlüpft. Habt ihr zu Hause genügend Pfeffer auf Vorrat?«
»Ich weiß nicht. Salz haben wir auf jeden Fall und Zucker auch.«
»Zucker und Salz nützen hier nichts. Die meisten Drachen mögen scharfes Essen. Warte mal einen Augenblick.« Theo verschwand in seiner kleinen Küche, klapperte mit Schranktüren und Töpfen und kehrte dann mit einer großen Pfeffermühle zurück. »Hier, bitte sehr«, sagte er. »Schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen eine Delikatesse für jeden Drachen. Nur zur Sicherheit, falls er heute Nacht schon schlüpft.«
»Und was mache ich dann? Wenn er schlüpft, meine ich«, fragte Lilli etwas besorgt.
»Dann gibst du ihm Wasser und Pfeffer und eine Menge Käsekuchen.«
»Aber wo soll er bloß schlafen?«, überlegte Lilli weiter.
»Unter deinem Bett vielleicht«, schlug Theo vor. »Dort stört ihn zumindest niemand.«
»Der Staubsauger schon«, wandte Lilli ein.
»Saugt deine Mutter denn oft Staub?«, fragte Theo beunruhigt. »Das hätte ich gar nicht von ihr gedacht.«
»Nicht jeden Tag.« Lilli überlegte wieder. »Ich glaube, nicht einmal jedes Jahr«, meinte sie dann.
In diesem Moment hörte man draußen ein lautes Poltern, ein Knallen und Rattern und ein ohrenzerfetzendes Quietschen. Lilli waren diese Geräusche nur allzu vertraut: Mamas klappriges altes Auto war gerade auf Theos Hof gebogen und mit kreischenden Bremsen stehen geblieben.
Ein paar Sekunden später wurde die Tür der Zauberbude aufgerissen, und Lillis Mutter kam mit großen Schritten herein. Sie trug riesige flauschige Ohrenschützer über ihren dunkelroten Haaren, lächelte Theo an, winkte Lilli zu und blieb dann wie erstarrt stehen.
»Was ist denn das?«, fragte sie und deutete mit einem grün lackierten Fingernagel auf das Ei.
»Das«, erwiderte Lilli, »ist unser Drache!«
»Auf gar keinen Fall!«, rief Mama, als Lilli von ihren Plänen berichtete. »Kein Haustier mehr! Weißt du noch, was für ein Theater wir mit diesem Piranha hatten, den du in der Badewanne gehalten hast? Immer, wenn ich mich waschen wollte, hat er mich in den Zeh gebissen und dazu ›Mjam, mjam!‹ gemurmelt.«
»Drachen beißen nur äußerst selten«, versicherte ihr Theo. »Sie stecken vielleicht gelegentlich etwas in Brand, aber davon abgesehen sind sie eigentlich ganz friedlich.«
»Du liebe Güte!«, stieß Mama hervor. »Wir haben nicht einmal einen Feuerlöscher!«
»Ihr braucht auch keinen«, beruhigte Theo sie. »Zwei, drei Eimer Wasser pro Zimmer reichen völlig aus.«
»Aber was ist, wenn er meine Schuhe anzündet?« Mama schaute auf ihre Füße hinab, die heute in gepunkteten Gummistiefeln steckten. Von jedem Stiefel baumelte eine Christbaumkugel herab, die Mama an Weihnachten daran befestigt und dann dort vergessen hatte.
»Ach«, winkte Theo ab. »Unsinn! Das wird er sicher nicht tun. Er riecht doch, dass deine Füße drinstecken!«
»Aber was machen wir, wenn er die ganze Zeit bellt und alle Nachbarn weckt?«
»Drachen bellen nicht«, stellte Theo klar. »Sie fauchen höchstens.«
»Aber eine Stadtwohnung ist doch kein Ort für einen Drachen«, wandte Mama schließlich ein. »So ein Tier braucht sicher viel Platz. Bestimmt fühlt er sich gar nicht wohl bei uns.«