Lob der Torheit - Erasmus von Rotterdam - E-Book

Lob der Torheit E-Book

- Erasmus von Rotterdam

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Das berühmteste Buch des Erasmus von Rotterdam ist ein Meisterwerk der Satire und Ironie. Im 16. Jahrhundert war es eines der einflussreichsten Pamphlete, das Humanismus und Reformation den Weg bereitete. Da sich aber hinter den historischen Masken der menschlichen Dummheit ewig wiederkehrende Gesichter verbergen, finden wir uns auch heute in ihnen wieder: als eitle Allesversteher etwa und Gefangene des Wohlstandskäfigs, nicht zuletzt aber auch als Narren unserer ganz privaten, ach so heiligen Gefühle.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 189

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Erasmus von Rotterdam

Lob der Torheit

Sachbuch

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Erasmus an den Thomas Morus

Auf meiner letztern Reise aus Italien nach England wollt ich mir die Zeit, die ich zu Pferde zubringen mußte, nicht mit einem dummen und den Musen verhaßten Geplauder verderben: ich gewöhnte mich daher, Dinge zu durchdenken, die ich vorhin gelesen hatte; und mich mit der Erinnerung an die hier zurückgelassenen gelehrten und wertesten Freunde zu ergötzen. Sie, mein Morus, waren der erste, der mir einfiel. Bei der Erinnerung an Sie war es mir bald so wohl, als es mir allemal ist, wenn ich mich mündlich mit Ihnen unterhalten kann; und so wahr ich ehrlich bin, in meinem ganzen Leben ist mir noch kein angenehmeres Los zugefallen.

Weil ich mich entschlossen hatte, nicht müßig zu sein, die Umstände mir aber nicht erlaubten, etwas Ernsthaftes zu betreiben, so fiel es mir ein, mir mit dem Lobe der Narrheit einen Zeitvertreib zu machen. Sie, mein Herr, werden mich fragen, wie es gekommen, daß mir diese Grille in den Kopf geflogen sei? Die Narrheit, die ja auf griechisch Moria heißt, fiel mir wie von selbst ein, da ich an meinen Freund Morus dachte, der freilich himmelweit von ihr entfernt ist, wie es der ganzen Welt bewußt ist. Ich vermutete, dieses Spielwerk meines Kopfes werde Ihnen nicht mißfallen. Ich glaube nicht, daß es sich Ihnen als ein dummes Zeug vorstellen wird; Ihnen, an welchem unsre Zeiten unter andern einen zweiten Democritus erkennen. Scharfsinn und aufgehellter Verstand setzen Sie auf eine hohe Stelle; und doch besitzen Sie die Kunst, sich auf die allerleutseligste Art herabzulassen, und sich in aufgeräumtester Laune nach jedermann zu richten. Sie werden sichs also gefallen lassen, diese Rede nicht nur als ein Denkzeichen Ihres Freundes anzunehmen, sondern sie auch mit Ihrem Schutze zu begünstigen. Da ich sie Ihnen hiemit widme, so gehört sie hinfort Ihnen und nicht mehr mir.

Streitsüchtige Verleumder werden freilich schreien: solche leichtsinnige Possen schänden einen Theologen; ja sie seien beißender, als daß sie mit christlicher Bescheidenheit und Mäßigung bestehen könnten; alte verrufene Schandschriften ahmt er nach; beißend wie sein Muster Lucian. Wer sich an der Niedrigkeit meines Beispiels ärgert, und daß ich daraus ein solches Spielwerk mache, der erinnere sich, daß ich nicht der Erfinder solcher Dinge bin, und daß schon lange vorher große Männer sich mit solchen Geschäften abgegeben haben. Vor vielen Jahrhunderten scherzte Homer seine Froschmäuslerei, Virgil seine Mücken- und Märtengedichte, und Ovid seine Nüsse. Polykrates pries den Busiris; Isokrates, der ihn deswegen tadelt, die Ungerechtigkeit des Glaucus; Favorinus den Theasites und das viertägige Fieber; Synesius die Glatze; Lucian die Schmarotzermäuler; Seneca belustigt sich mit der Vergötterung des Claudius; Lucian läßt den zum Schwein gewordenen Gnyllus mit dem Ulysses plaudern; Opulejus erzählt die Abenteuer eines Esels; und der heilige Hieronymus redet von dem letzten Willen, den ein Ferkel ich weiß nicht wem in die Feder gegrunzt hat.

Wenn man sich mit Überlegung dieser Dinge nicht will abspeisen lassen, so stelle man sich vor, ich habe mir in selbiger Zeit mit dem Schachspiele eine Gemütsergötzung, oder auf dem Steckenpferde eine Leibesbewegung machen wollen. Da man jedermann erlaubt, sich durch ein Spiel von Geschäften zu erholen, warum sollte das ein Schelmenstück sein, wenn auch der über den Büchern Schwitzende sich einen Zeitvertreib gestattet; insonderheit, wenn er sich in das Ernsthafte hineinscherzt, und das Spielwerk so behandelt, daß der Leser, der eben kein ganzer Dummkopf ist, mehr Nutzen daraus ziehen kann, als aus den düstern Beweisen gewisser hochberühmter Grübler? Von diesen streicht Einer in einer von allen Orten her zusammen gestoppelten Rede die Rhetorik oder Philosophie gewaltig heraus; ein Anderer beschreibt die lobenswürdigen Taten seines Fürsten; ein Anderer gibt sich alle Mühe, die ganze Welt wider die Türken in Harnisch zu bringen; ein Anderer sagt künftige Dinge vorher; ein Anderer hält sich bei armseligen Fragen auf, wo bei vielem Geschäre wenig Wolle zu erbeuten ist.

Ja, kindisch ists, wenn man ernsthafte Dinge bloß als Possen behandelt. Aber auch dieses ist wahr: man kann da ein herzliches Vergnügen genießen, wenn man Possen so behandelt, daß es scheint, man habe nichts wenigers als Possen getrieben. Was mich betrifft, so muß ich es auf das Urteil anderer ankommen lassen. Doch, wenn je die Eigenliebe mich nicht ganz geblendet hat, so habe ich die Narrheit nicht auf eine ganz närrische Weise gelobt.

Ich habe mich aber auch vor dem Vorwurfe zu bewahren, daß ich gar zu beißend sei. Man hat dem Witze zu allen Zeiten die Freiheit eingeräumt, das Tun und Lassen der Menschen durch eine scharfe Hechel zu ziehen, wenn er es nur nicht bis zur wilden Ausgelassenheit treibt. Ich muß mich also sehr darüber verwundern, wie verzärtelt heut zu Tage die Ohren geworden, denen bald alles unausstehlich ist, das sich nicht mit schmeichelhaften und stattlichen Titeln feierlich bebrämt befindet. Einige haben es bis zu einer so verkehrten Frömmigkeit gebracht, daß sie ehender die greulichsten Lästerungen wider Christum anhören können, als wenn man sich nur den geringsten Scherz wider den Papst oder einen Fürsten erlaubt, insonders, wenn der Eigennutz mit im Spiele liegt. Man erlaube mir aber eine Frage: wenn jemand die Vergehungen der Menschen so tadelt, daß er keinen Angriff auf diesen oder jenen insbesondere tut; läßt sichs sagen, daß er beiße? Läßt sichs nicht richtiger behaupten, er lehre und erinnere? Wenn sichs nicht also verhielte, o wie beißend würde sich dann auf vielerlei Weise wider mich selbst sein! Anbei, wer keinen Stand der Menschen vorbei geht, der legt an den Tag, daß er nicht auf irgend einen Menschen übel zu sprechen sei, sondern auf alle und jede Laster. Wenn jemand darüber klagen wollte, daß man sich an ihm vergriffen habe, so würde er verraten, daß er, wo nicht ein böses Gewissen, doch gewiß Furcht im Leibe habe. Diesorts hat der heilige Hieronymus sich einen weit freiern und beißendern Scherz erlaubt, indem er zuweilen diesen und jenen mit Namen nennt. Ich habe mir es nirgends verstattet, jemanden namentlich anzuführen, und meine Schreibart ist durchgehend so eingerichtet, daß es jeder verständige Leser bald einsehen wird, es sei mir mehr um das Vergnügen als um das Beißen zu tun gewesen. Ich habe nirgends, nach dem Beispiele Juvenals, in dem Stankpfuhle der Laster gewühlet, sondern mich beflissen, nicht so fest an dem Schändlichen als an dem Lächerlichen zu arbeiten. Der, dem auch noch dieses kein Genügen tun will, erinnere sich, es bringe gewiß Ehre, wenn man von der Narrheit gescholten wird. Da ich diese reden ließ, mußte ich sie es auf eine ihrer Person geziemende Weise tun lassen. Aber was verteidige ich mich hier bei einem Manne, der es schon so oft an den Tag gelegt hat, wie geschickt er sei, eine Sache, die eben nicht die beste ist, auf die beste Weise zu verteidigen? Leben Sie wohl, und nehmen Sie dieses Buch, das jetzt das Ihrige ist, in Ihren tapfern Schutz.

 

Auf dem Lande den 10. Brachmonats 1508

Lobrede welche die Narrheit sich selbst hält

Was die Sterblichen auch immer von mir schwatzen mögen (ich weiß es, meine Herren, ich weiß es, in welchem bösen Rufe die Narrheit auch bei den größten Narren steht), so bin doch ich es, ich, wie Sie mich hier vor sich stehen sehen, durch deren übermenschliche Kraft den Herzen der Götter und der Menschen die muntersten Freuden eingeflößt werden. Wollen Sie hierüber einen Beweis? Hier ist ein überzeugender:

Kaum war ich aufgetreten, um in dieser zahlreichen Versammlung eine Rede zu halten, so ward plötzlich jedes Antlitz mit einem neuen und ungewöhnlichen Schimmer der Fröhlichkeit übergoldet; plötzlich entfaltete sich jede Stirn; im hellsten liebenswürdigsten Lächeln wird mir von allen Orten der holdeste Beifall zugewinkt. Wo ich meinen Blick hinrichte, sehe ich Gesichter, die mich nicht anderst denken lassen, als jedermann habe sich bei dem Nektar, dem es die Homerischen Götter bei ihrem Gelache gewiß an dem Safte des die Traurigkeit verbannenden Ochsenzungenkrautes nicht fehlen lassen, in die beste Laune getrunken: und vorhin sah jeder so finster und grämlich aus, als ob er geradesweges aus einer Eremitenzelle zurückkomme. Wie wenn die Sonne am frühen Morgen ihr goldschönes Antlitz der Erde zuwendet; wie wenn nach dem rauhen Winter der neue Frühling mit seinem belebenden Hauche kömmt: jugendlich glänzt das Antlitz der ganzen Natur; Farbe, Anzug, alles hat sich verjüngt: also, meine Herren, hat sich auch auf ihren Angesichtern, sobald sie einen Blick auf mich gerichtet hatten, alles geändert. Große Redner! schwarze Sorgen wollt ihr aus den Herzen der Zuhörer verbannen; und wie betreibt ihrs? In einer viele Nächte hindurch abgezirkelten langweiligen Rede arbeitet ihr oft vergeblich daran. Schämet euch! Sehet, mit einem einzelnen Blicke hab ichs zu Stande gebracht!

Warum ich heute in einem so ungewöhnlichen Aufputze erscheine? Sie werden es sogleich vernehmen, meine Herren, wenn es ihnen nicht zu beschwerlich ist, mir ein geneigtes Ohr zu gönnen; aber bei Leibe ja nicht ein solches, das Sie den ehrwürdigen Kanzelrednern zuwenden, sondern ein solches, das Marktschreiern, Possenspielern und Lustigmachern immer offen steht; ein solches, wie ehedem unser Midas dem Pan ein stattliches Paar zuwendete.

Mich hat die Laune angewandelt, mich Ihnen für eine Weile als Sophistin zu weisen; nicht von der Art jener, die in unsern Zeiten der Schuljugend einige Armseligkeiten ängstlich einbläuen, und dabei lärmend ein mehr als weibisches Gekeif ergellen lassen. Ich werde jene Alten nachahmen, die sich, um dem mir so verhaßten Namen der Weisen klüglich auszuweichen, Sophisten nannten. Sie übernahmen es, das Lob der Götter und der Helden herauszustreichen. Man halte sich also in Bereitschaft, eine Lobrede anzuhören; nicht auf einen Herkules, einen Solon, sondern auf mich, d.i. auf die Narrheit.

Ich mache mir nicht das geringste daraus, wenn jene Weisen jeden, der sich selbst lobt, für einen Narren und Unverschämten ausschreien. Närrisch so viel sie wollen, wenn sie nur eingestehen, daß es dem Charakter angemessen sei. Und was könnte sich für die Narrheit besser schicken, als ihr Lob selbst auszuposaunen, und nach ihrer eigenen Pfeife zu tanzen? Wer wird mich natürlicher schildern, als ich es selbst tun kann? Wer steht in genauerer Bekanntschaft mit mir, als ich?

O ja, man wird mir eingestehen, daß ich mich noch bescheidener betrage, als der Haufe der Großen und Weisen, welche bei einer verkehrten Schamhaftigkeit, einen fuchsschwänzerischen Schwätzer, oder einen windichten Dichter mit barem Gelde dingen, um aus seinem Munde ihr eigenes Lob anhören zu können; das ist, eitele Lügen: und dann steht der Schamprahler da, wie der Pfau, der mit dem ausgebreiteten Schweife stolziert, den Kamm hochtragend. Der unverschämte Schmeichler vergleicht den Taugenichts mit den Göttern; er streicht ihn als das vollkommenste Tugendmuster heraus, und weiß doch, daß derselbe himmelweit davon entfernt sei; er verziert eine kleine Krähe mit fremden Federn; wascht einen Mohren; macht aus einer Mücke einen Elefanten. O ich, ich folge dem gemeinen Sprichworte: wenn niemand mich loben will, so lob ich mich selbst.

Verwundern muß ich mich über das Betragen der Sterblichen. Ists Undankbarkeit? ists Trägheit? Sie machen mir alle den Hof; meine Wohltätigkeit gegen sie erwecket in ihnen vieles Vergnügen: doch ist seit so vielen Jahrhunderten noch niemand aufgetreten, der aus Erkenntlichkeit das Lob der Narrheit feierlich angestimmt hätte; und doch schonte man die Herausstreichung eines Bustiris, eines Phalaris, des viertägigen Fiebers, eines Kahlkopfs, oder was dergleichen tolles Zeug mehr sein mag, weder der Nachtlampe, noch dem Schlafe.

Eine unausgearbeitete und im Stegreife gehaltene, deswegen aber um so viel natürlichere und die Wahrheit angemessener Rede werden Sie von mir hören. Bilden Sie sich ja nicht ein, ich sage dieses nach der Weise gemeiner Redner, um dadurch meinen Geistesfähigkeiten Bewunderung zu erkünsteln. Diese haben sich etwa bei Verfertigung einer Rede dreißig Jahre hindurch erschwitzt, wenn es ja nicht gar eine zusammengeborgte Ware ist: und doch behaupten sie mit einem tapfern Eidschwure, sie haben sie inner drei Tagen spielend zu Papier gebracht. Meine Sache aber ist es, alles gerade heraus zu sagen, wie es mir auf die Zunge springt.

Man erwarte nicht, daß ich mich, nach der Weise der Alletagsredner, bei einer kunstmäßigen Beschreibung meiner selbst, oder wohl gar bei einer kopfbrechenden Einteilung meines Gegenstandes, verweilen werde. Beides würde für mich sehr unschicklich sein. Wie! ich sollte mir selbst Schranken setzen, mir, deren Herrschaft sich über die ganze weite Welt erstreckt? Ich sollte da pedantisch trennen und teilen, wo alle Völker in ihrer Berechnung übereinstimmen? Wozu würde es dienen, ein wirkliches Schattenbild von mir hier aufzustellen, da man mich selbst mit Augen sehen kann? Ich mache Sie, meine Herren, zu Augenzeugen: bin ich nicht die echte Austeilerin alles Guten, die man in der ganzen Welt die Narrheit zu nennen gewohnt ist?

O ja, ich Närrin hätte dieses zu sagen nicht nötig gehabt. Aus meinem Antlitz läßt sichs sehen, auf meiner Stirn lesen, was ich im Schilde führe. Wenn mich jemand für die Minerva ausgeben wollte, für die Göttin der Weisheit, so würde er widerlegt sein, so bald man mir ins Angesicht sähe. In diesem, wenn ich auch den Mund nicht auftue, ist meine Gemütsart nach dem wahren Leben geschildert. Ich bediene mich keiner Schminke; wie ich von innen bin, zeig ich mich von außen; ich bin mir immer so gleich, daß man mich auch an denen nicht verkennen kann, die sich unter der Larve der Weisheit für hochweise Männer ausgeben; Affen, die im Purpurröckchen einher strotzen; Esel, die in einer Löwenhaut umher traben: wenn sie sich auch noch so listig verstellen, so verraten doch die hervorragenden Öhrchen ihren Midas.

In Wahrheit, das sind undankbare Geschöpfe: sie sind unstreitig unsre Zunftgenossen, und schämen sich doch öffentlich unsern Namen anzunehmen; ja sie schimpfen auf die, welche von sich ein ehrlicheres Bekenntnis ablegen. Da sie wirklich Erznarren sind; und doch für weiser als ein Thales wollen angesehen werden: können wir sie nicht mit allem Rechte Närrisch-Weise nennen? Es scheint, daß sie diesorts unsern heutigen Rednern nacheifern, die sich bald gar für Götter halten, wenn sie die Leute bereden können, daß sie, gleich den Blutsaugern, zweizüngig seien; sie sehen sich für Helden an, wenn sie eine lateinische Rede mit einigen griechischen Wörtern durchspicken, und also eine unschickliche Musikarbeit zu Markte bringen können. Und wenn es ihnen an ausländischen Wörtern fehlt, so scharren sie aus verschimmelten Schriften etliche veraltete Wörter hervor, mit denen sie dem Leser einen Dunst vor die Augen zaubern: dadurch setzen sie sich in die Gunst derer, die sich darauf verstehen; die übrigen werden um so viel tiefer in Verwunderung gesetzt, je unwissender sie sind. Auch dieses macht einen schönen Teil unsrer Wonne aus, daß wir uns durch das, so von weitem kommt, am meisten rühren lassen. Die, welchen es an Ehrfurcht nicht fehlt, lächeln ihren Beifall zu, und bewegen geheimnisvoll, gleich den Esel, die Ohren, damit man denke, sie seien mit der Sache tief bekannt: ja, sprachen sie scharfsinnig: die Sache verhält sich wirklich so, wie sie sich verhält. Ich lenke wieder ein.

Sie wissen also meinen Namen, Sie, meine Herren! Welchen Ehrentitel soll ich Ihnen beilegen? Das Wort Erznarren wird Ihnen wohl nicht zuwider sein; mit einem schicklichern weiß die Göttin der Narrheit ihre Verehrer, die mit ihren Geheimnissen vertraulich bekannt sind, nicht zu bezeichnen. Weil aber meine Abkunft eben nicht vielen bewußt sein wird, so will ich solches unter dem guten Beistande der Musen zu eröffnen trachten.

Nicht Chaos, Orkus, Saturn, Jupiter war mein Vater, noch irgend einer der veralteten und ausgedienten hausgrunzerischen Göttergreisen: Plutus hieß er; dieser, und dieser allein (trotz dem Hesiodus, dem Homerus, und dem Jupiter selbst) war der Vater der Menschen und Götter; Plutus, auf dessen Wink auch jetzt noch, wie vor Zeiten, alles, was heilig und unheilig ist, unter einander gemengt wird. Krieg, Friede, Reiche, Ratsversammlungen, Gerichtsplätze, Landtage, Ehen, Bündnisse, Verträge, Gesetze, Künste, das Scherzhafte; das Ernsthafte (o an Atem gebrichts mir!), kurz alle öffentlichen und besonderen Angelegenheiten der Sterblichen, richten sich nach seiner Willkür. Ohne sein Zutun würde das ganze poetische Göttervolk (ich will freier von der Brust weg reden), würden selbst die Götter der ersten Klasse entweder gar nicht sein, oder doch gewiß am häuslichen Tisch ihr Leben sehr sparsam durchbringen müssen. Dem, über den er zürnt, wird selbst Pallas kümmerlich zu helfen wissen. Der, den er begünstigt, wird er mit dem obersten Jupiter, und seinem Donnerkeile, sicher aufnehmen können.

Eines solchen Vaters hab ich mich zu rühmen. Er erzeugte mich, nicht aus seinem Gehirne, wie Jupiter jene saure und scheußliche Minerva, sondern mit der jugendlichen Neotes, der schönsten und muntersten Nymphe. Er war mit ihr nicht im traurigen Bande des Ehestandes verstricket; ich ward nicht wie jener Vulkan, der hinkende Schmidt, geboren; ich bin eine Tocher der freien und freudigen Liebe.

Mein Vater war nicht (irren Sie sich nicht, meine Herren!) jener aristophanische Plutus, der abgelebte, halbblinde; nein munter war er noch, in der Blüte der jugendlichen Hitze; ja, nicht nur der jugendlichen, sondern auch der durch den Nektar entzündeten, den er damals an einem Freudenfeste der Götter reichlich geschlürft hatte.

Wollen Sie auch meinen Geburtsort wissen? O ja, heut zu Tage kommt es in Absicht auf den Adel vieles darauf an, wo man in der Wiege zuerst geschrien habe. Ich ward nicht in der schwimmenden Insel Delos geboren; nicht in dem wogenreichen Meere; nicht in einer verborgenen Höhle; sondern in jenern beglückten schlaraffischen Inseln, wo alles ungesäet und unbepflügt hervor sprudelt; da weiß man nichts von Arbeiten, vom Alter, von Krankheiten. Goldwurzeln, Pappeln, Zwiebeln, Feigbohnen, Erbsen, oder andre dergleichen Ärmlichkeiten, verstellen da die Felder nicht; dem Auge und Geruche schimmern, und duften von allen Seiten her Amarauten, Rosen, Majoran, Violen, Hyazinthen entgegen; man glaubt, in dem Garten des Adonis zu sein.

In einer solchen wonnevollen Gegend geboren, fing ich das Leben nicht mit Weinen an; schmeichelnd lächelte ich, kleine Närrin, meiner Mutter sogleich ins Angesicht. Den saturnischen Jupiter beneide ich nicht, daß er eine Ziege zur Amme hatte. Zwo drollichte Nymphen reichten mir ihre Brüste dar: die taumelnde Methe, Tochter des Bacchus; und die sorglose Apädia, Tocher des Pans. Beide befinden sich hier in der Gesellschaft meiner Gefährten und Aufwärterinnen. Ich soll sie bei ihren Namen nennen? Gut, hier sind sie! Diese, die ihre Stirn hoch trägt, ist die sich selbst liebende Philautia. Diese mit ihren zulächelnden Augen, beifallklatschenden Händen, ist die schmeichelnde Kolakia. Diese halbschlafende, die man bereits träumend glauben sollte, ist die vergeßliche Lethe. Diese, die sich auf ihre Ellenbogen steuert, und die Hände gefaltet hält, ist die arbeitscheuende Misoponia. Diese mit Rosenkränzen umschlungen, Wohlgerüche duftend, ist die wollüstige Edone. Diese mit ihren unstet umherschweifenden Augen, ist die wahnsinnige Anoia. Diese mit der glatten Haut, deren ganzer Körper sich sowohl genährt zeigt, ist die verzärtelte Tryphe. Unter diesen Mädchen sind auch zwei Götter zu sehen. Der Eine ist der sich bei jugendlichen Trinkgelagen munter hervortuende Komus; der Andere der sich dann in den tiefsten Schlaf versterbende Nagretos-Hypnos. Mit dem Beistande dieser meiner getreuen Bedienten unterwerf ich alles meiner Herrschaft, und Monarchen selbst erteil ich meine Befehle.

Ich habe nun von meiner Abkunft, meiner Auferziehung und meinem Gefolge Nachricht gegeben. Damit niemand meine, ich bediene mich ohne Grund des Titels einer Göttin, will ich zeigen, wie viel Gutes ich an Göttern und Menschen tue, und wie weit sich meine göttliche Macht erstrecke. Man öffne die Ohren!

Jemand hat die nicht unschickliche Anmerkung gemacht: um ein Gott zu sein, müsse man den Menschen Wohltaten erweisen. Man hat der Zunft der Götter mit Recht jene einverleibt, welche die Menschen über den Gebrauch des Weines, des Getreides, und andre Lebensbedürfnisse von dieser Art, unterrichtet haben. Wo hätte man das Recht her, mich nicht für das Alpha aller Götter zu halten, mich, welcher einzig jedermann alles und jedes zu verdanken hat?

Zuerst, was kann angenehmer, was köstlicher sein, als das Leben an sich selbst? Und von wem anders, als von mir, hat man den Anfang desselben erhalten? Nicht die Lanze der aus dem stärksten der Väter gebornen Pallas, nicht der Schild des wolkensammelnden Jupiters, hat einen Einfluß in die Zeugung und Fortpflanzung des Menschengeschlechtes. Noch mehr; selbst der Vater der Götter, der König der Menschen, dessen Wink den ganzen Olympus zittern macht, muß seinen dreigespitzten Donnerkeil weglegen, samt seiner titanischen Mine, mit welcher er, nach seinem Belieben, allen Göttern einen Schrecken einjagt; nach der armseligen Weise des Schauspielers muß er einen andern Charakter annehmen, wenn er das tun will, das er zuweilen tut; das ist, wenn er zum Vater eines kleinen Jupiters werden will.

Auf die nächste Stelle nach den Göttern machen die Stoiker Anspruch. Gebt mir einen solchen! Und wenn er auch tausendmal ein Stoiker ist, so muß er mir, wo nicht den Bart, dieses Merkmal der Weisheit, wenn er ihn auch gleich so groß als der Bock hat, doch gewiß seine Gravität, weglegen; seine Stirn muß sich entfalten; er muß sich seiner demantfesten Grundsätze entschlagen; er muß ein wenig faseln und den Narren spielen; kurz, mich, mich, sag ich, muß der weise Mann zu Hilfe rufen, wenn er zum Vater werden will.

Warum soll ich nicht nach meiner Weise, offenherzig schwatzen? Man sage mir: ists das Haupt, das Antlitz, die Brust, die Hand, das Ohr, irgend eines der für ehrhaft gehaltenen Kleider, die zur Zeugung der Götter und Menschen erfordert werden? Mich deucht es nicht; es ist etwas so Närrisches und Lächerliches, daß Sie, meine Herren und Damen, wenn ich es nennen sollte, sich des Lachens nicht enthalten würden, dem man diese Ehre zuerkennen muß. Dieses ist weit richtiger, als jener pythagorische Quaternio, die heilige Quelle, aus welcher alles das Leben schöpft.