Lone in Norwegen - Poul Nørgaard - E-Book

Lone in Norwegen E-Book

Poul Nørgaard

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Beschreibung

Ein Schüleraustausch in Norwegen, was könnte es schöneres geben? Und tatsächlich, Lone ist schnell von dem gewaltigen Hochgebirge und der verschneiten Landschaft beeindruckt. Es dauert nicht lange, bis das junge Mädchen eine begeisterte und gute Skiläuferin wird. Insbesondere mit den zwei norwegischen Jungen Asger und Bjarne verstehen sich Lone und ihre Freundin Tove gut. Bei den gemeinsamen Unternehmungen kommt es zu vielen abenteuerlichen Ereignissen, die für den Leser wunderbar mit zu verfolgen und schön abwechslungsreich sind.Die Liebe zu Natur, Tieren und Sport waren es, die den Autor Poul Nørgaard dazu brachten diese wundervollen Erzählungen über Lone zu schreiben. Der Leser erlebt mit, wie Lone Freunde findet, lernt mit Problemen klar zu kommen und viele Abenteuer unternimmt. Gleichzeitig lässt er in diesen die Erlebnisse seiner eigenen Tochter lebendig werden.

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Poul Nørgaard

Lone in Norwegen

Saga

Lone in Norwegen ÜbersetztAlbrecht Leonhardt OriginalLykke in NorgeCopyright © 1961, 2019 Poul Nørgaard und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711578544

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

1

Mit seiner kräftigen, sehnigen Gestalt, den blauen Augen und der sonnengebräunten Haut glich Pastor Hanner eigentlich eher einem Seemann als einem Pfarrer. Besonders kennzeichnend für ihn war sein Lächeln. Es war so froh und herzlich, daß es ihm nicht nur die meisten Türen öffnete, sondern auch die meisten Herzen; und es kam nur selten vor, daß Pastor Hanner nicht lächelte. Die Bevölkerung der kleinen norwegischen Landgemeinde liebte ihren Pfarrer.

Zu Pastor Hanners vielen guten Eigenschaften gehörte auch ein ausgeprägter Ordnungssinn, eine Tugend, die sein vierzehnjähriger Sohn Asger leider nicht geerbt hatte. Von dieser einen bedauerlichen Ausnahme abgesehen, glich er im übrigen seinem Vater in jeder Hinsicht, ja, als Schiläufer  machte er ihm sogar geradezu den Rang streitig. Und das wollte nicht wenig besagen.

Asgers Mutter sorgte sich um ihren Sohn; bisher hatte er sich kaum Gedanken über seine Kleidung gemacht und war recht gleichgültig damit gewesen. Aber zu ihrer großen Verwunderung war er plötzlich so genau mit sich selbst geworden wie ein Apotheker. Er benutzte Brillantine und zog sich sorgfältig einen schnurgeraden Scheitel. Kleider-, Schuh- und Nagelbürste gebrauchte er häufig, und zu seinem großen Ärger hatte sie ihn schon zweimal dabei ertappt, als er sich an einem ganz gewöhnlichen Werktag in seinem Sonntagsanzug hatte davonschleichen wollen. Nur unter heftigem Protest seinerseits hatte sie ihn dazu bewegen können, sich wieder Werktagskleider anzuziehen. Sein Vater hatte darauf nicht weiter geachtet, und seine Mutter hatte sich schließlich mit dem Gedanken abgefunden, daß dieser Wechsel wohl dem Alter zuzuschreiben sei, in dem er sich befand. Nur überraschte sie, daß jene Umstellung in Gewohnheiten und Interessen, die bei den meisten Kindern früher oder später einzutreten pflegt, bei Asger so plötzlich geschehen war.

Pastor Hanner war gerade von einem Besuch in der Gemeinde zurückgekehrt und wollte nun seine Sonntagspredigt vorbereiten. Aber als er nach seinem Federhalter griff, der immer auf einem bestimmten Platz auf dem Schreibtisch zu liegen pflegte, konnte er dieses unentbehrliche Werkzeug nicht finden.

Das Reinemachen ist eine lobenswerte Sache, dachte der Pfarrer, wenn die Frauen in ihrem Eifer nur meine Sachen nicht immer wegräumen würden. Als sein Suchen ergebnislos blieb, fiel ihm ein, daß er seiner Frau und ihrer tüchtigen, langjährigen Hilfe womöglich Unrecht tat. Schließlich war es nicht das erste Mal, daß Asger sich in seiner Abwesenheit irgend etwas auf seinem Schreibtisch ausgeliehen und dann vergessen hatte, es wieder an Ort und Stelle zu legen.

Gutmütig ging er die Treppe hinauf in den ersten Stock. In der Tür zu Asgers Zimmer blieb er einen Augenblick stehen und ließ seinen Blick über die dort herrschende Unordnung gleiten; dann machte er sich mit einem stillschweigenden Kopfschütteln daran, den Schreibtisch gründlich zu untersuchen, der in seiner bunten Reichhaltigkeit einen Vergleich mit dem Schaufenster eines Trödelladens nicht zu scheuen brauchte. Leider blieb jedoch alles Suchen erfolglos.

Das ist ja, als wollte man in einem Heuschober nach einer Nadel suchen, dachte der Pfarrer, während er ohne große Hoffnung noch eben in eine Schublade guckte. Gerade dort fand er zu seiner freudigen Überraschung, was er suchte. Doch gleichzeitig fiel sein Blick auf ein rotes Aufsatzheft, auf dem mit einer für seinen Sohn ungewöhnlich zierlichen Schrift geschrieben stand:

GEDICHTE von Asger Hanner

Pastor Hanner stutzte: Gedichte? Und in Verbindung mit Asger? Das erregte seine Neugierde, und obgleich er sonst nicht in die Heimlichkeiten seines Sohnes einzudringen pflegte, nahm er das Heft heraus und begann darin zu blättern. Als er kurz darauf wieder hinunterging, nahm er es mit.

»Inga«, rief Pastor Hanner aus seinem Studierzimmer, »komm doch bitte mal eben!«

Frau Hanner legte die Handarbeit beiseite und ging in sein Zimmer. »Ja, was ist denn, Gustav?«

Der Pfarrer drehte sich auf dem Stuhl halb um. »Weißt du, daß dein Sohn ein Dichter ist?« fragte er.

»Ein Dichter? Wie meinst du das?«

»Hier, bitte!« Er hielt das Aufsatzheft vor sie hin.

»Hat Asger es dir selbst gegeben?« fragte seine Frau.

»Nein, das nicht, aber . . .«

»Dann solltest du auch nicht darin lesen, finde ich. Wo hast du es gefunden?«

»In seiner Schreibtischschublade.«

Sie sah ihn vorwurfsvoll an. »Na hör mal, Gustav, jetzt bin ich aber wirklich sprachlos! Spionierst du in Asgers Sachen herum?«

»Äußerst ungern. So etwas von Unordnung ist einfach unbegreiflich. Aber wenn sich der Junge mein Schreibzeug ausleiht und regelmäßig vergißt, es wieder an seinen Platz zu legen, ja, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als meine Sachen dort zu holen, wo ich sie eben finde.«

»Deshalb brauchst du doch aber seine Gedichte nicht zu lesen«, wandte seine Frau ein.

»Das ist allerdings nicht unbedingt nötig, und wenn du es so schlimm findest, dann werde ich das ›Kunstwerk‹ eben wieder dorthin legen, wo ich es gefunden habe«, sagte der Pfarrer.

»Nein, warte mal«, ereiferte sich seine Frau, als er Miene macht, sich zu erheben. »Wenn du die Gedichte gelesen hast, dann möchte ich natürlich auch gern sehen, was er schreibt. Meinst du, daß er Talent hat?«

»Talent! Das ist das schlimmste Zuckerwasser, das mir je vorgekommen ist. Was bloß in den Jungen gefahren sein mag? Hör dir zum Beispiel dieses Gedicht hier an, ›Frühlingsanbruch‹ nennt er es.« Der Pfarrer schlug das Heft auf und begann vorzulesen:

»›Ich sitze in der Allnatur und denke nur an dich!‹ Allnatur? – Was sagst du bloß dazu? – Woher er diesen verkrampften Ausdruck nur hat? Aber weiter:

›Ich sitze in der Allnatur und denke nur an dich,

du aber verschwendest keinen Blick an mich.

Ich träume, wir wandern durch duftende Wälder,

durch blühende Auen und wogende Felder.

Oh, könnt ich doch immer wandern so mit dir,

 alle Schätze des Morgenlandes gäb ich dafür.‹

Die Schätze des Morgenlandes? Was sagst du nun?« Pastor Hanner sah seine Frau an. »Der Junge muß völlig übergeschnappt sein.«

Seine Frau riß ihm das Aufsatzheft aus der Hand. »Keine Spur, verliebt hat er sich, das ist alles.«

»Verlieht? Unsinn – in dem Alter verliebt man sich nicht.«

»Nicht? Du scheinst ein schlechtes Gedächtnis zu haben.«

Er sah seine Frau verständnislos an. »Wieso?«

»Denk nur mal nach«, sagte sie lächelnd. »Im übrigen wird Asger im Sommer fünfzehn Jahre alt.«

»Fünfzehn!« Der Pfarrer schnaufte verächtlich.

»Ja, fünfzehn!« sagte seine Frau. »Dein Gedächtnis hat also tatsächlich im Laufe der Jahre gelitten. Wie alt warst du denn, als du dein erstes, unbeholfenes Liebesgedicht an mich schriebst?«

»Habe ich . . . Hm, das weiß ich wirklich nicht mehr.«

»Nein, aber ich; und Wenn du es ganz genau wissen willst, warst du damals erst dreizehn.« Ihre Augen blickten träumerisch. »Oh, ich entsinne mich noch deutlich an deine verlegene Miene, als du es mir auf der Schulbank zuschobst.«

»Hm, das ist mir völlig entfallen. Außerdem sprachen wir ja nicht von mir, sondern von Asger.«

»Allerdings, aber wenn du aus der Fassung gerätst, weil dein fast fünfzehnjähriger Sohn sich einen kleinen Schwarm zugelegt hat, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dich daran zu erinnern, daß du auch einmal in dem Alter gewesen bist.«

Der Pfarrer zeigte beleidigt auf das Aufsatzheft, das seine Frau noch immer in der Hand hielt. »Du willst doch damit hoffentlich nicht andeuten, daß ich selbst derartigen Kitsch geschrieben habe?«

»Möchtest du das kleine Gedicht sehen, von dem ich dir eben erzählte?« lächelte sie. »Ich habe es natürlich aufgehoben.« – »Nein! Vielen Dank!«

Sie lachte vergnügt. »Es ist wirklich ein hübsches Gedicht – so romantisch –, wenn du vielleicht auch nicht die gleichen dichterischen Fähigkeiten hattest wie Asger.«

»Dichterische Fähigkeiten!« Der Pfarrer griff sich verzweifelt an den Kopf. »Es ist doch wohl nicht dein Ernst, daß du . . .«

»Doch«, nickte seine Frau, »ich finde den Vers wirklich sehr hübsch. Etwas unbeholfen vielleicht, aber dafür ist er sicher sein erster Versuch. Auf jeden Fall finde ich es nicht recht von dir, darüber zu lachen. Du hättest es überhaupt nicht lesen sollen.«

»Nein, das gebe ich zu, und deshalb werde ich das Heft sofort wieder in die Schublade legen und so tun, als hätte ich nichts gesehen.« Er machte eine Bewegung, um das Heft an sich zu nehmen, griff aber in die Luft. »Nein«, widersprach seine Frau, »nachdem Asgers Geheimnis jetzt sowieso verraten ist, möchte ich auch wissen, was er noch geschriebehat. Schließlich hat niemand ein größeres Recht darauf, es zu lesen, als seine Mutter.« Sie setzte sich und blätterte die erste Seite um:

Zweites Gedicht

LONE

Wie ein Reh springst du dahin

und gehst mir nicht mehr aus dem Sinn.

Wie das Schilf am See so lind

wogt dein Haar im Abendwind,

und es glitzert darin Schneegeflimmer

wie ein flüchtger Sternenschimmer.

Wirst du bei mir sein, du liebe Lone,

wenn einmal hier am See ich wohne?

Beim Lesen des Gedichtes war Frau Hanner nachdenklich geworden. Sie las den Vers noch einmal, dann sagte sie: »Ich glaube, ich weiß, für wen Asger schwärmt.«

»Wieso?« Der Pfarrer machte ein verblüfftes Gesicht. Doch dann schien ihm plötzlich ein Licht aufzugehen. »Ah, du meinst, es handelt sich um die junge Dänin, die drüben in der Pension wohnt und der Asger gestern abend unbedingt die Schier einfetten mußte? Übrigens ein nettes, lebendiges Mädchen, diese Lone. Aber Asger verliebt? Nein, da kann ich nur lachen. Asger, der sich immer darüber erhaben gefühlt hat, ›mit Langhaarigen zu spielen‹? Außerndem denkt er nur an seine Angelei und seine Schier oder was Jungen in dem Alter eben sonst noch treiben. – Liebste Frau, ich fürchte, in diesem Falle bist du ein wenig zu romantisch.«

Er erhob sich und sah lächelnd zum Fenster hinaus, vor dem sich die großartige, schneebedeckte Landschaft ausbreitete. »Was meinst du«, er faßte seine Frau um die Schultern, »ob es in der Welt wohl noch einen zweiten Pfarrhof gibt, der so schön gelegen ist wie unserer? Diese Aussicht ist mir jeden Tag von neuem eine beglückende Freude. Und wie die Jugend sich hier tummeln kann.« Er zeigte auf eine Gruppe von Schiläufern, die in der Ferne als kleine schwarze Pünktchen auf dem weißen Schnee zu erkennen waren, der zwischen blauen Bergschatten in der Sonne glitzerte, daß es einem in die Augen schnitt.

»Habt ihr hier in Norwegen immer so gutes Wetter?« fragte Lone etwas außer Atem einen rothaarigen Jungen, der neben ihr her lief.

Bjarne wandte ihr sein sommersprossiges Gesicht zu. »Ja, fast immer.«

»Dann seid ihr zu beneiden. Daheim in Dänemark haben wir immer soviel Wind und Regen.«

»Bei euch muß es doch auch viel Schnee geben«, mischte sich Asger ins Gespräch.

»Wie kommst du darauf?«

»Sonst würdet ihr doch nicht so gut Schi laufen können, wie du es kannst.«

»Ach, das sagst du ja bloß so«, lachte Lone. »Aber bei uns hat man auch kaum Gelegenheit zum Schilaufen, weil Dänemark so flach ist. – Kommt, wir nehmen diesen Hang hier.«

Sie stieß sich mit den Stöcken ab und sauste in die Tiefe, daß ihr braunes Haar wie eine Fahne hinter ihr her flatterte.

Die dänischen Kinder waren in den Osterferien von ihrer Schule aus nach Norwegen gekommen, eine ganze Klasse. Das war so eine Art Austausch, denn die entsprechende Klasse der norwegischen Schule wollte die Sommerferien in Dänemark verbringen.