Lones große Reise - Poul Nørgaard - E-Book

Lones große Reise E-Book

Poul Nørgaard

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Beschreibung

Ein großes Abenteuer steht an: die fünfzehnjährige Lone darf gemeinsam mit ihrer Freundin Kirsten ihren Onkel in Australien besuchen. Doch es läuft nicht alles wie es soll. Bereits während der Überfahrt gibt es viele aufregende Erlebnisse. Ein verdächtiger Passagier und sogar ein Wirbelsturm machen die Reise schwer. Schließlich in Melbourne genießen die beiden Mädchen die Ferientage – bis sie in einer Gewitternacht plötzlich vor einem gefährlichen Einbrecher stehen. Wie das alles nur gut gehen soll...Die Liebe zu Natur, Tieren und Sport waren es, die den Autor Poul Nørgaard dazu brachten diese wundervollen Erzählungen über Lone zu schreiben. Der Leser erlebt mit, wie Lone Freunde findet, lernt mit Problemen klar zu kommen und viele Abenteuer unternimmt. Gleichzeitig lässt er in diesen die Erlebnisse seiner eigenen Tochter lebendig werden.

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Poul Nørgaard

Lones große Reise

SAGA Egmont

Lones große Reise

Aus dem Dänischem von Albrecht Leonhardt nach

Lykke paa eventyr

Copyright © 1956, 2018 Poul Nørgaard und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

All rights reserved

ISBN: 9788711524275

1. Ebook-Auflage, 2018

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

1

Mit einem heiseren Tuten löste sich der Dampfer „Sandra“ außerhalb des Hafens von seinem Schlepper.

An Land putzte sich Kaufmann Berggren auffallend kräftig die Nase. „Es ist trotz allem ein merkwürdiges Gefühl, wenn die Kinder eines schönen Tages flügge werden und auf die Reise gehen.“

„Sie werden es schon schaffen“, sagte Gutsbesitzer Winge und wandte sich vom Schiff ab, auf dem man die beiden Freundinnen nun nicht mehr erkennen konnte, die an der Reling gestanden und mit den Taschentüchern gewinkt hatten. „Hör mal, Mutter, was ist denn mit dir los?“ Er legte seiner Frau den Arm um die Schultern. „Du wirst doch wohl nicht hier stehen und Krokodilstränen vergießen? Wir wollen uns doch freuen, daß den Mädchen ein solches Erlebnis vergönnt ist. Sie werden schon froh und munter ins heimische Nest zurückkehren, wenn der Frühling kommt, genau wie die anderen Zugvögel.“

Frau Winge trocknete ihre Tränen. „Du hast recht, Paul“, sagte sie mit einem Lächeln. „Ich denke bloß daran, wie leer das Haus daheim ohne Kirsten sein wird.“

„Na“, lachte der Gutsbesitzer, „ich brauche eigentlich eine ganze Menge Platz. Was soll Herr Berggren dann erst sagen? Er bleibt ganz allein zurück, nachdem Lone nun abgereist ist.“

„Ja, ich weiß wirklich nicht, wie ich den Verlust meiner Frau ertragen hätte, wenn Lone nicht da gewesen wäre“, sagte Berggren leise.

Der Gutsbesitzer betrachtete einen Augenblick schweigend seine Frau und Herrn Berggren, die von der äußersten Spitze des Kais aus noch immer traurig hinter dem Dampfer herstarrten, der nun zusehends kleiner wurde. Auch Herr Winge hatte seine Bedenken gehabt, die beiden fünfzehnjährigen Mädchen allein auf eine Reise um die halbe Erde zu schicken. Doch wenn man nach reiflicher Überlegung schließlich seinen Beschluß gefaßt hat, so meinte er, dann nützt es nicht, sich noch weiter Sorgen darüber zu machen. Es wäre auch den Mädchen gegenüber nicht ganz ehrlich, hier stehenzubleiben und den Kopf hängen zu lassen, denn das würde ihre Freude trüben, wenn sie davon wüßten.

Er schlug dem Kaufmann freundschaftlich auf die Schulter. „Wissen Sie was, Herr Berggren, wir drei Alten nehmen jetzt die Gelegenheit wahr und amüsieren uns ein wenig. Wäre es nicht eine gute Idee, irgendwo gemeinsam zu essen, wo es Musik gibt und man ein bißchen gemütlich sitzt? Und dann gehen wir ins Tivoli. Ich hoffe, Sie werden meiner Frau und mir die Freude machen, unser Gast zu sein.“ Ohne die Antwort des Kaufmanns abzuwarten, winkte er dem Chauffeur.

Die große Reise, auf die sich die beiden Freundinnen heute begeben hatten, war, was Lone Berggren betraf, lange geplant gewesen.

Vor zwei Jahren war Torben Berggren, der Bruder ihres Vaters, plötzlich in Dänemark aufgetaucht, von dem niemand etwas gehört oder gesehen hatte, seit er als fünfzehnjähriger Bengel von daheim weggelaufen und zur See gegangen war.

Die Wiedersehensfreude war natürlich groß gewesen. Noch größer war allerdings die Überraschung, als Lones Vater hörte, daß Torben, den man allgemein für tot gehalten hatte, nach vielen mühevollen Jahren jetzt als angesehener Geschäftsmann und Besitzer von bedeutenden Fabriken in Australien lebte.

Während seines kurzen Besuches in Dänemark hatte Torben Berggren alle Dinge auf den Kopf gestellt. Er hatte seinem mittellosen Bruder zu einem soliden Kauf mannsladen auf dem Lande verholfen und vor seiner Abreise den Bruder und Lone zu einem Besuch in Melbourne eingeladen und wollte sogar die Überfahrt bezahlen. Nur mußte diese Reise leider aufgeschoben werden, bis Lone aus der Schule kam.

Lone hatte sich riesig gefreut und fast von nichts anderem mehr gesprochen. Um so größer war deshalb ihre Enttäuschung gewesen, als aus dem Plan nichts zu werden drohte. Unter der tüchtigen und gewissenhaften Leitung ihres Vaters war das Geschäft nämlich immer mehr gewachsen, und je näher der Tag der Abreise kam, desto deutlicher wurde es ihm, daß er es nicht verantworten konnte, den Laden so lange ohne Aufsicht zu lassen.

Die Möglichkeit, daß Lone allein reisen könnte, war nur flüchtig besprochen worden, denn teils waren Vater Berggrens Bedenken zu groß gewesen, und teils war Lone auch selbst von diesem Gedanken nicht sehr erbaut. Sie gehörte zu den Naturen, die ein Erlebnis nicht genießen, wenn sie niemand haben, mit dem sie es teilen und darüber sprechen können.

Daher war Onkel Torbens Brief mit der Mitteilung, sie dürfe ihre beste Freundin mitbringen, als eine erlösende Freudenbotschaft aufgenommen worden.

Lange wurde hin und her beraten, und Kirstens Vater hatte immer wieder ein gutes Wort für die Mädchen in die Waagschale geworfen, bis schließlich die letzten Bedenken überwunden waren und man sich entschloß, die beiden ziehen zu lassen.

Um die Reise so einfach und reibungslos wie möglich zu gestalten, hatte Herr Winge sich an einen Jugendfreund gewandt, der jetzt Schiffsreeder war. Vielleicht konnten die Mädchen mit einem seiner Schiffe fahren. Es wäre für die Eltern eine Beruhigung gewesen, wenn Lone und Kirsten in Kopenhagen an Bord gehen und mit dem gleichen Schiff bis zu ihrem Bestimmungsort hätten fahren können.

Dieser Schiffsreeder hatte jedoch gerade keine Fracht nach Australien, aber durch seine Verbindungen gelang es ihm, den Mädchen an Bord des Frachtdampfers „Sandra“ Platz zu verschaffen, der mit einer Stückgutladung über verschiedene Zwischenhäfen nach Melbourne bestimmt war, um dort Häute und australische Äpfel zu laden.

Sobald man die erforderlichen Auskünfte von der Reederei hatte erhalten können, war Onkel Torben telegrafisch über die ungefähren Daten der Abfahrt von Kopenhagen und der Ankunft in Melbourne unterrichtet worden, worauf umgehend sein Antworttelegramm einlief: „lone und kirsten herzlich willkommen stop freue mich sehr.“

Die Mädchen selbst hatten nicht die geringste Angst davor, über den weiten Ozean zu fahren. Auch der Gedanke, über ein halbes Jahr lang von daheim weg zu sein, schreckte sie nicht ab. Sie freuten sich unbändig und zerplatzten beinahe vor lauter Ungeduld und Spannung.

„Au, sieh mal hier, Lone!“ hatte Kirsten ausgerufen, als sie am letzten Abend vor Berggrens Globus saß und mit dem Finger die Reiseroute verfolgte. „An der europäischen Westküste entlang, vorbei an Gibraltar, über das Mittelmeer, durch den Sueskanal und das Rote Meer nach Südosten über den Indischen Ozean. Wir fahren gut und gerne um die halbe Erde, sowohl in der Länge als auch in der Breite.“

„Was redest du denn da bloß, Kirsten?“ Frau Winges Stimme hatte ein wenig besorgt geklungen. „Wollt ihr mich noch …? Erklär mir doch mal, was sie meint, Paul“, bat sie, da Kirsten und Lone offenbar viel zu beschäftigt waren, um ihre Frage zu hören.

„Nur immer ruhig!“ Der Gutsbesitzer hatte sich lachend erhoben und Kirsten, trotz ihrer Proteste, den Globus weggenommen. „Da, schau mal her: Melbourne liegt beinahe ebenso weit südlich wie östlich von Dänemark.“

„Ach, liegt es so weit im Süden! Wenn nur die Mädchen die Wärme auch vertragen. Da muß ja eine tropische Hitze herrschen.“

„Tropisch? Na, jetzt hör aber auf, Mutter. Ich glaube, du solltest deine geographischen Kenntnisse mal wieder ein bißchen auffrischen. Melbourne liegt auf demselben Breitengrad südlich wie Spanien nördlich vom Äquator. Und soweit ich mich entsinne, fühltest du dich recht wohl, als wir dem Winter damals ein Schnippchen schlugen und ein paar Monate nach Valencia ausrückten.“

2

Schon am ersten Tage merkten Lone und Kirsten, daß sie kaum Gelegenheit finden würden, sich an Bord des Schiffes zu langweilen.

Außer ihnen waren noch drei andere Passagiere aus Kopenhagen dabei: ein Großhändler mit seiner Frau, die auf einer Ferienreise nach Ägypten waren, und ein älteres Fräulein, das Lone sofort für eine Lehrerin hielt. Sie wollte in Australien einen jüngeren Bruder besuchen, der dort eine Farm besaß.

Die Erwartungen der Freundinnen waren deshalb weniger auf die Mitreisenden als vielmehr auf die Begegnung mit Schiff und Besatzung gerichtet.

Kaum hatten sie die offene See erreicht, da fragte sie der Erste Steuermann, ein langaufgeschossener Mann in den Vierzigern, ob sie Lust hätten, sich das Schiff anzusehen.

Er zeigte ihnen die „Sandra“ und erklärte ihre Einrichtung in allen Einzelheiten. Zugleich machte er sie bei dieser Gelegenheit mit der Besatzung bekannt.

„Die müssen in der Hitze doch zerschmelzen“, meinte Lone, als sie aus dem Maschinenraum heraufkamen, wo rußbedeckte Trimmer und Heizer mit schweißglänzenden, nackten Oberkörpern sich wie lautlose Schatten zwischen surrenden Schwungrädern und stampfenden Kolben bewegten.

„Hitze?“ antwortete der Steuermann. „Wir wollen nicht von Hitze reden, bevor wir durch den Sueskanal gekommen sind. Dann könnt ihr nämlich eure Kleider in den Schrank hängen.“

Die Passagiere aßen in der Offiziersmesse zusammen mit dem Kapitän, den Offizieren und Ingenieuren. Das ausgezeichnet zubereitete Essen wurde von einem Schiffsjungen in kurzer weißer Jacke serviert.

„Wird unsere Reise stürmisch werden, Herr Kapitän?“ fragte das ältere Fräulein am Mittagstisch.

Der Kapitän sah sie leicht erstaunt an. „Darauf kann Ihnen nur der Herrgott antworten, Fräulein Simonsen. – Sie sind wohl nicht seefest?“

„Ich dachte eigentlich mehr an die beiden Mädchen. Ich werde bestimmt niemand zur Last fallen!“

„Offenbar sind Sie schon des öfteren auf See gewesen, wenn ich Sie recht verstehe“, mischte der Großhändler sich in das Gespräch.

„Ich bin schon mehrmals von Kopenhagen nach Aarhus gefahren und wieder zurück. Die meisten Passagiere waren immer recht mitgenommen, aber mir hat das nie etwas ausgemacht. Deshalb glaube ich wohl sagen zu dürfen …“ Sie brach jäh ab und betrachtete durch ihren Kneifer scharf den Ersten Steuermann, dem anscheinend etwas in die verkehrte Kehle geraten war, denn er hustete und prustete plötzlich und die Augen tränten ihm zum Erbarmen. „Das Kattegatt ist ein berüchtigtes Gewässer, falls Sie das nicht wissen sollten“, bemerkte sie streng. „Es kann nämlich bei starkem Seegang sehr unangenehm werden.“

Das Wetter blieb jedoch auch weiterhin schön, und der Dampfer arbeitete sich ruhig durch die Nordsee.

In der Straße von Dover kam Nebel auf, und die „Sandra“ mußte mit kurzen Zwischenräumen die Sirene ertönen lassen. Draußen in der grauen Einöde wurde ihr Heulen ab und zu von anderen Schiffen beantwortet, die auf diese Weise ihre Position angaben.

Als es dunkel wurde und der Dampfer sich mit halber Kraft durch die klammen gelbgrauen Nebelbänke vorwärts tastete, wirkten diese heiseren Heultöne besonders unheimlich.

Plötzlich hörte man auf dem Vorschiff lautes Gebrüll, gefolgt von erregten Stimmen.

„Sieh mal nach, was dort los ist“, befahl der Kapitän dem Zweiten Steuermann, der sofort nach vorn lief.

Einen Augenblick darauf kam er mit dem Zimmermann zurück, dem alten Sivertsen, der leichenblaß war und am ganzen Leibe zitterte.

„Was ist denn passiert?“ fragte der Kapitän.