Lost Land - Jonathan Maberry - E-Book

Lost Land E-Book

Jonathan Maberry

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Beschreibung

Ein Flugzeug, das Hoffnung weckt. Eine Gruppe von Freunden, die sich auf den Weg ins Niemandsland macht. Ein neues Gameland und grauenhafte Begegnungen. Zerreißproben für Freundschaft und Liebe. Ein bitteres Opfer im Kampf für die Zukunft. Wer ist der wahre Feind der Überlebenden?

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Autorenvita

© Jonathan Maberry

Jonathan Maberry (geboren 1958) hat nach einer beachtlichen Karriere als Jujitsu-Kämpfer eine Reihe von Horror-Romanen verfasst, ist New York Times-Bestsellerautor und wurde mehrfach mit dem Bram Stoker Award ausgezeichnet. Er verfasst Graphic Novels für Marvel Comics und Drehbücher für Spielfilme wie Wolfman. Jonathan Maberry lebt in Warrington, Kentucky, und freut sich auf einen Besuch auf seiner Website www.jonathanmaberry.com.

Buchinfo

Ein Flugzeug, das Hoffnung weckt.

Eine Gruppe von Freunden, die sich auf den Weg ins Niemandsland macht.

Ein neues Gameland und grauenhafte Begegnungen.

Zerreißproben für Freundschaft und Liebe.

Ein bitteres Opfer im Kampf für die Zukunft.

Wer ist der wahre Feind der Überlebenden?

In den USA ausgezeichnet mit dem Bram Stoker Award

Dieses Buch widme ich Don Lafferty, Arthur Mensch und Sam West-Mensch.Und – wie immer – Sara Jo.

J. M.

Benny Imura war empört, als er erfuhr, dass die Apokalypse mit Hausaufgaben verbunden war.

»Warum müssen wir diesen Kram lernen?«, beschwerte er sich. »Wir wissen doch, was passiert ist. Die Menschen fingen an, sich in Zombies zu verwandeln, die Zoms haben fast alle aufgefressen, wer stirbt, wird auch zum Zom, und die Moral von der Geschichte ist: Versuche, nicht zu sterben.«

Sein Bruder Tom schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen über den Küchentisch hinweg an. »Versuchst du absichtlich, dich wie ein Idiot aufzuführen, oder bist du ein Naturtalent?«

»Ich meine es ernst. Wir wissen, was passiert ist.«

»Ach wirklich? Und wie kommt es dann, dass du dich letzten Sommer ständig beschwert hast, keiner aus meiner Generation würde keinem aus deiner Generation die Wahrheit über die lebenden Toten erzählen?«

»Uns etwas zu erzählen, ist eine Sache. Aufsätze und unangekündigte Tests sind was völlig anderes.«

»Ja, genau – bloß nichts von dem behalten wollen, was wir euch erzählen.«

Benny hob vielsagend die Augenbrauen und tippte sich an die Schläfe. »Habe ich alles hier oben in meinem großen Wissensspeicher parat.«

»Okay, du Wunderknabe, dann sag mir, was die Seuche ausgelöst hat.«

»Das ist einfach«, antwortete Benny. »Niemand weiß es.«

»Und welche Theorien gibt es?«

Benny rammte seine Gabel in ein großes Stück gebutterter Süßkartoffel, schob es sich in den Mund und kaute geräuschvoll, während er sprach. Das tat er absichtlich, weil er Tom damit gleich auf drei Arten ärgern konnte: Tom hasste es, wenn er mit vollem Mund sprach. Er hasste es, wenn Benny mit offenem Mund kaute. Und da Benny mit vollem, offenem Mund besonders undeutlich sprach, musste Tom sich noch mehr anstrengen, um zu verstehen, was aus diesem Mund voller Süßkartoffelbrei kam. »Radioaktive Strahlung, Viren, Biowaffen, Giftmüll, Sonneneruptionen, höhere Gewalt.« Er rasselte es so schnell herunter, dass er zwischen den einzelnen Wörtern kaum Luft holte – ein weiterer Strich auf Bennys persönlicher Nervskala.

Tom nippte an seinem Tee und sagte nichts, dafür warf er Benny seinen patentierten bösen Blick zu.

Benny seufzte und schluckte. »Okay, zuerst glaubte man, es sei Strahlung von einem Satelliten.«

»Einer Raumsonde«, korrigierte Tom ihn.

»Was auch immer. Aber das ergab keinen Sinn, denn ein einziger Satellit …«

»Eine Raumsonde.«

»… könnte nicht genügend radioaktives Material transportieren, um es über die ganze Erde zu verteilen.«

»Das nehmen wir an.«

»Klar«, stimmte Benny ihm zu, »aber im Physikunterricht haben sie uns erzählt, selbst wenn es bei einem der alten Atomkraftwerke zu einer Dingsbums gekommen wäre …«

»Kernschmelze.«

»… hätte die Strahlung nicht ausgereicht, um den ganzen Planeten zu überziehen, auch wenn darin mehr radioaktives Material steckt als in einem Satelliten.«

Tom seufzte resigniert.

Benny grinste.

»Und was schließt du daraus?«

»Dass die Welt nicht durch radioaktive Alienzombies aus dem Weltall zerstört wurde.«

»Vermutlich nicht durch radioaktive Alienzombies aus dem Weltall zerstört wurde«, schränkte Tom ein. »Was ist mit einem Virus?«

Benny schnitt sich ein Stück Hühnchen ab und schob es in den Mund. Tom war ein hervorragender Koch und heute hatte er eines seiner Spezialgerichte zubereitet: Süßkartoffeln, Brathähnchen mit Pilzen und Mandeln und köstlichen Grünkohl. Ein dampfender Laib Brot, gebacken aus dem letzten Winterweizen, lag ebenfalls in Bennys Reichweite.

»Chongs Dad sagt, ein Virus braucht einen lebenden Wirt, und Zoms sind nun mal nicht mehr am Leben. Daher nimmt er an, dass vielleicht Bakterien oder ein Pilz das Virus übertragen haben.«

»Weißt du, was Bakterien sind?«

»Klar … das sind diese Bazillen, von denen man krank wird.«

»Oh Mann, ich liebe es, wenn du mich an deinem fundierten Wissen teilhaben lässt. Es macht mich stolz, dein Bruder zu sein.«

»Leck mich …«

»Achte auf deine Worte.«

Sie grinsten einander an.

Es war knapp sieben Monate her, dass sich der Hass und das Misstrauen, mit dem Benny seinem Bruder stets begegnet war, in Zuneigung und Respekt verwandelt hatten. Diese Veränderung hatte letzten Sommer begonnen, kurz nach Bennys 15. Geburtstag. In gewisser Weise wusste Benny, dass er Tom liebte, aber da Tom sein Bruder und das hier noch immer die reale Welt war, standen die Chancen, dass Benny jemals das L-Wort benutzen würde, irgendwo zwischen »Kommt nicht infrage« und »Aus dem Weg, ich muss kotzen«.

Nicht, dass er Angst vor dem L-Wort hatte – solange es um jemanden ging, der dafür eher infrage kam, wie zum Beispiel die rothaarige Königin der Sommersprossen, Nix Riley. Benny hätte ihr gegenüber dieses Wort sehr gern erwähnt, um ihr etwas zum Nachdenken zu geben, aber bis jetzt hatte er sich noch nicht getraut. Kurz nach dem großen Kampf im Lager der Kopfgeldjäger, als Benny vorsichtig versucht hatte, das Thema anzuschneiden, hatte Nix ihm unter Androhung von Prügel verboten, das Wort auch nur in den Mund zu nehmen. Also hatte Benny die Klappe gehalten – schließlich war der Zeitpunkt dafür ja auch wirklich denkbar ungünstig gewesen. Rotaugen-Charlie und der Motor City Hammer hatten Nix’ Mutter umgebracht, und da sich die Ereignisse in den Tagen danach förmlich überschlugen, hatte Nix überhaupt nicht richtig darauf reagieren, geschweige denn trauern können.

In jenen Tagen hatte er eine geradezu wahnsinnige Mischung aus totalem Horror, schwärzester Verzweiflung und schwindelerregender Freude durchlebt – Gefühle, die eigentlich gar nicht in ein und dieselbe Welt, geschweige denn zu ein und derselben Person zu gehören schienen.

Also hielt Benny Abstand und gab Nix Zeit zu trauern und auch er selbst trauerte. Mrs Riley war wirklich eine tolle Frau gewesen – freundlich, lustig und immer ein wenig traurig. Wie alle in Mountainside hatte auch Jessie Riley in der Ersten Nacht Schreckliches durchgemacht: Ihr Mann und ihre beiden Söhne waren umgekommen.

»Alle haben jemanden verloren«, erinnerte Chong ihn häufig. Doch obwohl sie damals noch klein gewesen waren, konnten Benny und Chong sich als Einzige unter ihren Freunden an diese Nacht erinnern. Chong meinte, für ihn sei es ein riesiges, verschwommenes Durcheinander aus Schreien und Rufen gewesen, aber Benny hatte erstaunlich klare Erinnerungen: seine Mutter, die ihn durch ein Fenster im ersten Stock an Tom weiterreichte – damals ein 20-jähriger Polizist in der Ausbildung –, bevor das blasse, schlurfende Wesen, das einmal sein Dad gewesen war, aus dem Schatten trat und Mom fortzerrte. Dann war Tom weggerannt, und sein Herz hatte vor Angst wie eine Trommel in der Brust geschlagen, an die er den zappelnden und schreienden kleinen Benny gedrückt hielt.

Noch bis zum letzten Jahr hatte Benny geglaubt, Tom sei in der Ersten Nacht einfach davongelaufen und habe nicht einmal versucht, Mom zu helfen. Er hatte ihn für einen Feigling gehalten.

Inzwischen wusste Benny es besser. Er wusste, welche Qualen Tom durchgestanden hatte, und auch, dass seine Mutter bereits gebissen worden war, als sie ihn durch das Fenster in Toms Arme legte. Sie war bereits verloren gewesen, und Tom hatte das Einzige getan, was er tun konnte: Er war weggelaufen und hatte damit Moms Opfer – mit dem sie ihnen beiden das Leben gerettet hatte – einen Sinn gegeben.

Benny war inzwischen fünfzehneinhalb und die Erste Nacht lag eine Million Jahre zurück.

Die alte Welt existierte nicht mehr, sie war in der Ersten Nacht untergegangen. Als die Toten sich erhoben, gingen die Lebenden zugrunde. Ganze Städte wurden von der Armee in dem vergeblichen Versuch niedergebrannt, die wachsenden Legionen der Toten aufzuhalten. Der elektromagnetische Puls der Atomsprengköpfe ließ sämtliche Elektronik durchschmoren. Alle Maschinen standen still und schon bald war das ganze Land lahmgelegt. Das gesamte Gebiet östlich der kleinen Stadt Mountainside war jetzt das weite Leichenland. Nur wenige weitere Städte lagen verstreut in den Ausläufern der Sierra Nevada, nördlich und südlich von Bennys Heimatstadt, aber der Rest der alten Welt war zerstört worden.

Oder vielleicht doch nicht?

Während ihres Abenteuers in den Bergen östlich der Stadt hatten Benny und Nix etwas gesehen, was ihnen ebenso unerklärlich war und die Welt möglicherweise genauso verändern konnte wie die Zombieplage. Hoch über ihnen war ein Ding durch den Himmel geschwebt, das Benny nur aus alten Büchern kannte: ein Jet.

Ein glänzender Jumbojet war aus dem Osten aufgetaucht, hatte eine langsame Schleife über den Bergen gezogen und war dann wieder in die Richtung verschwunden, aus der er gekommen war. Jetzt zählten Benny und Nix die Tage, bis sie aus Mountainside aufbrechen würden, um herauszufinden, wo das Flugzeug gestartet war. In dem Kalender, der neben der Hintertür an der Wand hing, waren die ersten zehn Tage des Monats jeweils mit einem großen X ausgestrichen. Darauf folgten sieben nicht markierte Tage und schließlich ein großer roter Kreis rund um den folgenden Sonntag. Das war der 17. April – heute in einer Woche. Unter das Datum hatte jemand in Blockbuchstaben EXPEDITION geschrieben.

Tom glaubte, der Jet sei in Richtung des Yosemite-Nationalparks geflogen, der genau östlich von Mountainside lag. Benny und Nix hatten Tom seit Monaten wegen dieser Expedition in den Ohren gelegen, aber je näher der Tag rückte, desto mehr zweifelte Benny daran, ob das wirklich so eine gute Idee war. Nix war jedoch wild entschlossen.

»Erde an Benny Imura.«

Benny blinzelte und hörte als eine Art Nachhall Toms Fingerschnippen.

»Hm?«

»Meine Güte … welchen Planeten hast du denn gerade umkreist?«

»Och … ich hab mich einfach so treiben lassen.«

»Nix oder der Jet?«

»Von beidem etwas.«

»Muss eher um den Jet gegangen sein«, meinte Tom. »Du hast nur ganz wenig gesabbert.«

»Sehr witzig«, entgegnete Benny. Er schaute auf seinen Teller und stellte überrascht fest, dass er leer war.

»Ja, du hast gegessen wie auf Autopilot. War irgendwie faszinierend, dir zuzusehen.«

Es klopfte an der Tür. Benny sprang auf und ging durch die Küche zur Hintertür. Er lächelte, als er den Riegel zurückschob.

»Das muss Nix sein«, sagte er, als er die Tür öffnete. »Hey, Süße …«

Morgie Mitchell und Lou Chong standen auf der hinteren Veranda.

»Äh … hallo, Zuckerschnäuzchen«, entgegnete Chong.

Benny wollte gerade zu einer völlig abstrusen Erklärung ansetzen, als sich eine kleinere Gestalt zwischen dem massigen Morgie und dem drahtigen Chong hindurchschob. Auch wenn er sie jeden Tag sah, ließ ihr Anblick sein Herz immer wieder im Dreieck springen.

»Nix«, sagte er lächelnd.

»›Süße‹?«, fragte sie scharf und ohne zu lächeln.

So was hatte er noch nie zu ihr gesagt – jedenfalls nicht laut –, und er hätte sich dafür treten können, dass es ihm herausgerutscht war. Er suchte nach einem cleveren Kommentar, um die Situation zu retten, denn er wusste, dass Tom die Szene vom Tisch aus beobachtete, und sah, dass Morgie und Chong wie Honigkuchenpferde grinsten. »Na ja«, meinte er. »Ich … äh …«

»Ein echter Charmebolzen«, urteilte Nix und stürmte an ihm vorbei in die Küche.

Chong und Morgie warfen ihm einen Kuss zu.

»Ihr lebt verdammt gefährlich«, drohte Benny ihnen.

»Ja, Schätzchen«, antwortete Morgie und folgte Chong in die Küche.

Benny brauchte ein paar Sekunden, um sich zu sammeln. Dann drehte er sich um und machte ganz ruhig die Tür zu, obwohl er sie am liebsten zugeknallt hätte.

Nach dem Tod ihrer Mutter war Nix zuerst zu Benny und Tom gezogen, aber dann hatte Fran Kirsch, die Frau des Bürgermeisters und ihre nächste Nachbarin, zu bedenken gegeben, dass ein junges Mädchen wahrscheinlich besser in einem Haus wohnen sollte, in dem auch andere Frauen lebten. Benny versuchte, einzuwenden, Nix habe ihr eigenes Zimmer – sein Zimmer – und es mache ihm nichts aus, auf der Couch zu schlafen, aber Mrs Kirsch ließ nicht locker. Also war Nix ins Gästezimmer der Kirschs umgezogen.

Nix und die Jungs setzten sich an den Tisch und machten sich wie Aasgeier über die Reste des Essens her. Tom lehnte sich in seinem Stuhl zurück und Benny setzte sich wieder auf seinen Platz.

»Trainieren wir heute Abend?«, fragte Morgie.

Tom nickte. »Die Expedition ist für nächste Woche geplant, wie du ja weißt. Also müssen Benny und Nix sich vorbereiten und ihr beiden dürft auch nicht einrosten. Wer weiß, was euch in Zukunft noch bevorsteht.«

»Du hast sie ganz schön hart rangenommen«, bemerkte Chong.

»Das muss sein. Alles, was wir von jetzt an tun, dient der Vorbereitung auf die Expedition. Und das wird …«

»… kein Spaziergang«, beendete Benny den Satz. »Ja, das hast du schon ungefähr hunderttausendmal erwähnt. Ich dachte bloß, wir hätten mal einen Abend frei.«

»Einen Abend frei?«, wiederholte Nix. »Ich würde am liebsten sofort aufbrechen.«

Benny ging nicht weiter auf das Thema ein und fragte stattdessen: »Wo ist Lilah?«

Lilah war das neueste Mitglied ihrer Truppe. Das ein Jahr ältere und sehr sonderbare Mädchen war im Leichenland aufgewachsen – die ersten Jahre bei einem Mann, der ihr in der Ersten Nacht bei der Flucht geholfen hatte, danach war sie jahrelang ganz auf sich allein gestellt. Sie war mehr als nur halb wild, launisch, äußerst schweigsam und unglaublich schön – »Das Verlorene Mädchen«, so wurde sie auf den Zombiekarten genannt. Für die meisten war Lilah nur eine Legende oder ein Mythos gewesen, bis Tom und Benny bewiesen hatten, dass sie tatsächlich existierte. Sie würde Benny, Nix und Tom ins Leichenland begleiten, um nach dem Jet zu suchen.

Chong deutete mit dem Kopf auf die Hintertür. »Sie wollte nicht reinkommen.«

Chong seufzte, und Benny musste sich zusammenreißen, um die Gelegenheit nicht auszunutzen und ihn aufzuziehen. Sein Freund hatte sich derart hoffnungslos in Lilah verknallt, dass bereits ein falsches Wort ihn für Tage in eine Depression stürzen konnte. Niemand, einschließlich Nix, Benny und Chong selbst, glaubte, dass sich Lilah auch nur die Bohne für Chong interessierte. Aber wahrscheinlich interessierte sie sich ohnehin nicht die Bohne für irgendetwas, das nichts mit Klingen, Schusswaffen und Gewalt zu tun hatte.

»Was macht sie gerade?«, fragte Benny und umging damit das Thema diplomatisch.

»Zerlegt ihre Waffe und reinigt sie«, antwortete Nix und schaute Benny an. Ihre grünen Augen begegneten seinem Blick und wanderten dann schnell Richtung Hof.

Lilah behandelte ihre Pistole, als wäre sie ihr Schoßhündchen. Chong meinte, es sei süß, aber in Wirklichkeit hielten es alle eher für traurig, wenn nicht für unheimlich.

Benny goss sich noch eine Tasse Tee ein, gab einen Löffel Honig dazu und beobachtete, wie Nix die letzten Fleischreste von der Hähnchenbrust abzupfte. Er liebte sogar die Art, wie sie sich über Essensreste hermachte. Er seufzte verzückt.

»Ich werde bald den ersten Wels der Saison fangen«, verkündete Morgie.

»Was nimmst du als Köder?«, fragte Chong. »Bennys Gehirn?«

»Zu klein.«

Es war eine ihrer ältesten Frotzeleien und Benny gab die passende unpassende Antwort. Und Tom sprach die passende Ermahnung in Sachen Sprache aus.

Selbst dieses Ritual, so alt und abgegriffen es auch sein mochte, tat Benny gut. Besonders, da Nix neben ihm saß. Er überlegte, was er sagen konnte, damit sie ihm ein Lächeln schenkte. Vor dem Tod ihrer Mutter hatte oft ein unbeschwertes Lächeln ihr Gesicht erhellt, aber seitdem war es so selten und so kostbar geworden wie ein Edelstein. Benny hätte alles dafür gegeben, um das zu ändern, aber wie Chong einmal gesagt hatte: »Man kann die Uhr nicht zurückdrehen.« Damals, vor einem Jahr – als Benny bei dem Versuch, einen Homerun zu landen, das Schaufenster von Lafferty’s Krämerladen eingeschlagen hatte –, hatte er diese Bemerkung für ziemlich abgedroschen gehalten. Aber inzwischen wusste er, dass eine tiefere Wahrheit darin steckte.

Im letzten Jahr war so viel passiert, dass er wünschte, er könnte die Uhr zurückdrehen und es ungeschehen machen, aber weder inständiges Wünschen noch Willenskraft oder nächtliche Gebete konnten irgendetwas daran ändern.

Nix’ Mom war tot. Man kann die Uhr nicht zurückdrehen.

»Worüber versuchst du, nachzudenken?«, fragte ihn Morgie mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augen.

Alle schauten Benny an, und er begriff, dass jemand ihm vermutlich eine Frage gestellt hatte, er aber so tief in seine melancholischen Gedanken versunken gewesen war, dass er es nicht mitbekommen hatte. »Was? Äh … ich hab gerade an den Jet gedacht«, log er.

»Aha«, sagte Chong trocken. »An den Jet.«

Der Jet und alles, wofür er stand, hatte sie seit ihrer Rückkehr im vergangenen September überallhin verfolgt, wie ein großes, stummes Monster. Der Jet bedeutete, dass Nix und Benny fortgehen würden, Chong und Morgie jedoch nicht. Tom nannte es eine »Expedition«, was nahelegte, dass sie irgendwann wiederkommen würden, aber Benny wusste, dass Nix nicht die Absicht hatte, jemals nach Mountainside zurückzukehren. Das Gleiche traf vermutlich auch auf Tom zu, der noch immer um Jessie Riley trauerte. Benny dagegen wollte gern zurückkommen – vielleicht nicht auf immer und ewig, aber zumindest, um seine Freunde wiederzusehen. Doch er wusste: Wenn sie sich erst einmal aufgemacht hatten, standen die Chancen auf eine Rückkehr verdammt schlecht.

Die Vorstellung war furchtbar und herzzerreißend und keiner von ihnen redete gern darüber. Aber sie war immer in ihren Köpfen, verbarg sich in jeder Unterhaltung.

»Schon wieder dieser verfluchte Jet?«, beschwerte Morgie sich und schüttelte genervt den Kopf.

»Ja. Ich hab mir überlegt, ich geh morgen mal in die Bücherei und sehe nach, ob sie irgendwelche Bücher über Jets haben. Vielleicht finde ich den, den Nix und ich gesehen haben.«

»Warum?«, hakte Morgie nach.

»Wenn wir wissen, was für eine Art Flugzeug es war«, erklärte Nix, »können wir vielleicht auf seine Reichweite schließen. Vielleicht ist es gar nicht von der anderen Küste gekommen, oder vielleicht kam es aus Hawaii.«

Morgie war verwirrt. »Ich dachte, ihr hättet gesagt, es sei aus Osten gekommen und auch wieder in diese Richtung verschwunden?«

»Die beiden sind schließlich keine Fluglotsen, Morgie«, warf Chong ein. »Je mehr sie über den Jet in Erfahrung bringen können, desto besser stehen die Chancen, ihn zu finden. Glaube ich jedenfalls.«

»Was ist ein Fluglotse?«, hakte Morgie nach.

Das gab Chong Gelegenheit, das Thema zu wechseln und über Dinge aus der Zeit vor der Ersten Nacht zu sprechen. Benny warf Nix einen verstohlenen Seitenblick zu, und da war sie: die klitzekleine Andeutung eines Lächelns. Nix griff unter den Tisch und drückte kurz seine Hand.

Tom, der das Ganze beobachtet hatte, verbarg sein Lächeln hinter der Teetasse, die er gerade zum Mund führte. Nachdem er die Tasse geleert hatte, stellte er sie mit einem lauten Klirren ab. Und alle Augen richteten sich auf ihn. »Okay, meine jungen Jedi-Ritter … Zeit fürs Training.«

Alle sprangen auf, aber auf dem Weg nach draußen stupste Morgie Chong in die Rippen. »Was ist ein Jedi-Ritter?«

Aus Nix’ Tagebuch

Was wir über Zombies wissen – Teil I

Es sind tote menschliche Wesen, die wiedererwacht sind.

Sie können nicht denken. (Tom ist sich da ziemlich sicher.)

Sie brauchen nicht zu atmen.

Sie bluten nicht.

Ein paar Sachen können sie (gehen, greifen, beißen, schlucken, stöhnen).

Sie benutzen nur selten Werkzeuge. (Tom sagt, dass einige von ihnen versuchen, mithilfe von Steinen oder Stöcken in Häuser einzubrechen; aber er meint, das sei die Ausnahme.)

Sie sind nicht sehr koordiniert. (Tom hat gesehen, dass ein paar von ihnen einen Türknauf gedreht haben. Sie steigen nur Treppen hinauf, wenn sie Beute verfolgen. Aber sie steigen nicht auf Leitern.)

** Sie sind echt unheimlich!

»Ich bin ein kaltblütiger, echt erbarmungsloser und total gefürchteter Zombiekiller«, erklärte Benny Imura. »Meine Adleraugen sehen alles, und ich vernichte alles, was …«

Nix Riley wehrte sein Schwert ab und verpasste ihm einen Schlag auf den Kopf.

»Au!«, schrie er.

»Ja, du machst mir echt Angst«, meinte sie. »Gleich falle ich in Ohnmacht.«

»Au!«, wiederholte er, dieses Mal jedoch lauter, um seiner Empörung Nachdruck zu verleihen.

Chong und Morgie hockten auf dem Picknicktisch. Tom lehnte an der großen Eiche in der Ecke des Hofs und Lilah saß mit dem Rücken zum Gartenzaun. Sie alle lachten. Über ihn.

»Ja, lacht nur«, knurrte Benny und fuchtelte mit seinem Holzschwert, dem Bokutō, in ihre Richtung. »Sie hat mich geschlagen, als ich nicht hingesehen habe.«

»Dann sieh doch hin«, schlug Chong vor.

Morgie hielt sich die Hand vor den Mund und tat so, als würde er husten, sagte aber: »Loser.«

»Ein bisschen Konzentration könnte nicht schaden«, erklärte Tom. »Ich meine … wenn man bedenkt, dass wir in einer Woche aufbrechen wollen und ihr hier trainiert, um im Notfall euer Leben retten zu können. Um zu überleben, müsst ihr klug sein wie ein Krieger.«

Tom hatte sie alle so erbarmungslos mit seiner »Kriegerklugheit« gedrillt, dass Benny ernsthaft darüber nachdachte, sich von seinem Bruder loszusagen.

Es war zwar erst Anfang April, aber schon so heiß wie im Hochsommer, und Benny trug nur ein schweißnasses T-Shirt und abgeschnittene Jeans. Die Monate des Trainings hatten ihn abgehärtet und seine Muskeln stark gemacht. Er straffte seine Schultern und warf Nix einen eiskalten Blick zu.

Nix hob ihr Schwert und verkündete laut und deutlich: »Ich. Werde. Jetzt. Mein. Schwert. Schwingen.«

»Sehr witzig«, stieß Benny zwischen den Zähnen hervor. Er hob sein Schwert – Ellbogen und Knie im perfekten Winkel, das Gewicht auf die Fußballen verlagert, die Schwertspitze auf Augenhöhe, die Muskeln kampfbereit angespannt – und versuchte, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Er spürte die Kraft in seinen Armen. Mit einem lauten, wilden Schrei, der in der Ära der Samurai das Herz jedes Feindes zum Stillstand gebracht hätte, griff er an und führte sein Schwert mit absoluter Präzision.

Nix parierte seinen Angriff und schlug ihm wieder mit ihrem Bokutō auf den Kopf.

»Au«, sagte Benny.

»So macht man das nicht«, bemerkte Lilah.

Benny rieb sich den Schädel und blinzelte sie an. »Echt nicht? Ich soll also nicht mit dem Kopf abblocken?«

»Nein«, antwortete Lilah nüchtern. »Das ist dumm. Du würdest sterben.«

Lilah verfügte über viele Fertigkeiten, die Benny zutiefst bewunderte – kämpfen, sich anschleichen, eine geradezu unglaubliche Körperbeherrschung –, aber sie besaß nicht den geringsten Sinn für Humor. Bis sie Lilah nach Mountainside gebracht hatten, war ihr Leben ein unaufhörliches Martyrium aus Paranoia, Angst und Gewalt gewesen. Denn dort, wo sie ums Überleben gekämpft hatte, stand die Entwicklung von sozialen Kompetenzen nun mal an letzter Stelle.

»Danke, Lilah«, sagte Benny. »Ich werde mich bemühen, daran zu denken.«

Sie nickte, als habe er ein ernst gemeintes Versprechen abgegeben. »Dann muss ich dich hinterher nicht befrieden.« Sie sprach mit leiser, rauer Stimme, denn durch die panischen Schreie in ihrer Kindheit waren ihre Stimmbänder beschädigt worden.

Benny starrte sie einen Augenblick lang an und wusste, dass Lilah es todernst meinte: Wenn er starb und sich in einen Zombie verwandelte, würde sie ihn ohne Zögern töten – ihn befrieden, wie alle in der Stadt es lieber ausdrückten. Schließlich wandte er sich wieder an Nix: »Willst du es noch einmal versuchen? Beim nächsten Mal pariere ich besser.«

»Ah … du willst also wirklich versuchen, wie ein kluger Krieger zu kämpfen?«, meinte Chong. »Sehr vernünftig.«

Nix lächelte Benny an. Aber es war nicht das herzerwärmende Lächeln, nach dem er sich gesehnt hatte: Es erinnerte ihn eher an Lilahs Miene, wenn sie Zombies jagte.

Benny parierte Nix’ Angriff tatsächlich besser. Nicht, dass es ihm viel genutzt hätte.

»Au!«, schrie er drei Sekunden später.

»Klug wie ein Krieger!«, riefen Morgie und Chong im Chor.

Benny warf ihnen einen wütenden Blick zu. »Wie wär’s, wenn einer von euch Clowns mal versuchen würde …«, setzte er an, wurde aber mitten im Satz von einem durchdringenden, schrillen Schrei unterbrochen.

Alle erstarrten und schauten in Richtung Stadtmitte. Einen Moment herrschte Stille. Dann durchschnitt erneut ein Schrei die Luft – die laute, schmerzerfüllte Stimme eines Mannes. Weitere Schreie folgten. Und dann der dumpfe Knall eines Schusses.

»Bleibt hier!«, befahl Tom. Er rannte ins Haus und kam einen Augenblick später wieder heraus, in der einen Hand seinen Pistolengurt und in der anderen sein Schwert. Kein Übungsschwert aus Holz, sondern das tödliche Katana aus Stahl, das er in seinem Job als gefürchtetster Zombiejäger des Leichenlands benutzte. Während er an Benny vorbei auf das Gartentor zulief, warf er sich den Schwertriemen über die Schulter. Dann setzte er wie ein Hürdenläufer über das Tor und schnallte sich in vollem Lauf den Pistolengurt um. »Bewegt euch nicht vom Hof weg!«

Dieser letzte Befehl drang zu ihnen, als er über den Hügel verschwand.

Benny schaute Nix an, die daraufhin Lilah ansah, die wiederum Chong einen Blick zuwarf, der dann Morgie anblickte.

»Tom hat gesagt, wir sollen hierbleiben«, stellte Nix fest.

»Stimmt genau«, bestätigte Benny.

Und schon im nächsten Augenblick setzten sich alle in Bewegung, packten ihre Holzschwerter und stürmten durch das Tor – außer Lilah, die genauso über den Zaun setzte, wie Tom es getan hatte. Dann rannten sie los, so schnell sie konnten.

Lilah lief ihnen allen davon. Aber seit letztem September hatten die anderen Muskeln aufgebaut und ihre Kondition verbessert, sodass sie nicht allzu weit zurückfielen. In einer lockeren Gruppe kamen sie um die Kurve bei der Getreidemühle und sprinteten dann die Oak Hill Road entlang.

Benny grinste zu Chong hinüber, der zurückgrinste. Auf eine seltsame Art machte das Ganze Spaß. Sie waren Krieger, die letzte Gruppe von Samuraischülern auf der Welt. Und für Augenblicke wie diesen trainierten sie.

In dem Moment, in dem sie nach links in die Mockingbird Street einbogen, hörten sie erneut Schreie.

Es waren die schrillen, durchdringenden Schreie von Kindern.

Bei diesem Geräusch verschwand das Grinsen von Bennys und Chongs Gesicht.

Benny schaute zu Nix hinüber.

»Mein Gott«, keuchte sie und rannte noch schneller.

Die Schreie rissen nicht mehr ab. Für Benny sprach eher Angst als Schmerz aus ihnen – ein Gedanke, der eigenartigerweise etwas Tröstliches hatte.

Nebeneinander bogen sie in die Fairview ein, ihre Holzschwerter mit schweißfeuchten Händen umklammert. Dann blieben sie wie ein Mann abrupt stehen.

Am Ende einer Ladenzeile befanden sich drei Häuser – links das der Cohens, rechts das der Familie Matthias und in der Mitte das Haus der Housers. Vor dem mittleren Haus hatten sich Bewohner aus der ganzen Stadt versammelt, die meisten von ihnen mit Äxten, Mistgabeln und langstieligen Schaufeln bewaffnet. Benny entdeckte mindestens vier Personen mit einem Gewehr oder einer Pistole.

»Da wohnt Danny!«, flüsterte Nix vielsagend.

Benny und seine Freunde gingen mit Danny Houser in die Schule; Dannys Schwestern, die Zwillinge Hope und Faith, waren in der ersten Klasse.

Tom war auf der Veranda und spähte durch die geöffnete Tür vorsichtig ins Innere des Hauses. Dann wich er zurück, denn aus dem Schatten des unbeleuchteten Wohnzimmers kam etwas auf ihn zu.

Benny hielt den Atem an, als er sah, wie die Gestalt langsam, mit unsicheren Schritten und steifen Beinen durch die Tür trat, die Hände nach Tom ausgestreckt. Es war Opa Houser. »Nein!«, rief Benny, aber Tom wich weiter zurück.

Opa Housers Augen waren so dunkel und leer wie Löcher, und seine Kiefer klackten aufeinander, als wolle er in die Luft beißen.

Tiefe Trauer erfasste Benny. Er mochte Dannys Großvater – der alte Mann war immer freundlich und erzählte die lustigsten Anglergeschichten. Doch jetzt war Opa Houser verschwunden und durch ein Wesen ersetzt worden, das weder ein Bewusstsein noch Humor oder Intelligenz besaß und nur noch einen trügerischen äußeren Anschein von Menschlichkeit. Es war ein Zombie, getrieben von einem unstillbaren Hunger nach menschlichem Fleisch. Selbst aus zehn Metern Entfernung konnte Benny das leise Stöhnen des unendlichen Verlangens hören, das diese Kreatur ausstieß.

»Er muss im Schlaf gestorben sein«, urteilte Nix außer Atem.

Chong nickte. »Und er hat seine Schlafzimmertür nicht abgeschlossen.«

Es war eine traurige und schreckliche Tatsache, dass jeder, der starb, als Zombie zurückkehrte. Aus diesem Grund schlossen die Bewohner der Stadt sich nachts in ihre Schlafzimmer ein: Nur selten war ein Zombie in der Lage, einen Türknauf zu bewegen, und keiner von ihnen konnte ein Vorhängeschloss öffnen oder einen Schlüssel drehen. Dass jemand im Schlaf starb und dann als Zom wiedererwachte, gehörte zu den größten Ängsten der Stadtbewohner.

Denn so etwas konnte jederzeit passieren.

Benny nahm rechts von sich eine Bewegung wahr und sah dann, dass Zak Matthias ihn durch das Seitenfenster des Nachbarhauses beobachtete. Benny hätte Zak zwar nicht unbedingt als Freund bezeichnet, aber die meiste Zeit waren sie gut miteinander ausgekommen. Sie waren im gleichen Alter, besuchten dieselbe Schule und gingen gemeinsam zu den Pfadfindern. Außerdem hatten sie in der gleichen Baseballmannschaft gespielt, in derselben Gewichtsklasse gerungen und waren manchmal sogar zusammen zum Angeln gegangen, wenn Morgie und Chong keine Zeit hatten. Aber all das hatte sich seit letztem September geändert.

Zak Matthias war der Neffe von Rotaugen-Charlie. Und obwohl sie es nicht genau wussten, nahmen Benny und Nix an, dass Zak derjenige gewesen war, der Charlie erzählt hatte, was Benny in einem Packen Zombiekarten gefunden hatte: ein Bild des Verlorenen Mädchens.

Lilah.

Charlie hatte Benny verfolgt und versucht, ihm die Karte abzunehmen. Damals hatte Benny den Grund dafür nicht gekannt – doch kurze Zeit später erfuhr er, dass Charlie befürchtete, Lilah könnte den Leuten erzählen, was draußen im Leichenland vor sich ging: dass Kopfgeldjäger wie Charlie Kinder entführten und sie nach Gameland brachten, wo sie in den Zombiegruben kämpfen mussten, damit üble Burschen wie er Wetten auf die Sieger abschließen konnten.

Rotaugen-Charlies Versuch, alles auszulöschen, was über das Verlorene Mädchen und Gameland bekannt war, hatte zum Tod von Nix’ Mom und des Erosionskünstlers Rob Sacchetto geführt – der Mann, der die Karte des Verlorenen Mädchens gezeichnet hatte.

Mittlerweile ging Zak nicht mehr in die Schule. Sein Vater, Big Zak, behielt ihn zu Hause, und die ganze Familie wurde von den Leuten in der Stadt gemieden. Benny waren Gerüchte zu Ohren gekommen, dass Zak von seinem Dad verprügelt worden war, weil er ihm die Schuld für das gab, was mit Charlie passiert war.

Trotz allem hatte Benny irgendwie Mitleid mit Zak. Er sah so einsam aus, wie er da hinter dem Spitzenvorhang am Fenster stand, ganz blass, weil er sich immer im Haus versteckte. Benny wollte ihn hassen, war sich aber sicher, dass Zak nicht geahnt hatte, welch schreckliche Folgen die Informationen haben würden, die er seinem Onkel gegeben hatte.

»Sei vorsichtig, Tom!«, rief jemand, und Benny drehte sich schnell um. Tom war bis zum Rand der Veranda zurückgewichen.

»Erschieß ihn, Tom!«, brüllte der Postbote der Stadt.

»Nein!«, kreischten zwei Stimmen gleichzeitig und Benny schaute nach oben zum ersten Stock, wo die Houser-Zwillinge am Fenster standen. »Opa!«, schrien sie. Ihre Stimmen waren so schrill wie die verängstigter Vögel.

»Erschieß ihn«, murmelte Morgie vor sich hin. Benny drehte sich zu ihm um und sah, dass Morgie vor Nervosität schwitzte. »Erschieß ihn.«

Toms Pistole steckte noch immer in dem Holster an seiner Hüfte.

Lilah schüttelte nur einmal kurz und entschieden den Kopf. »Nein, die Kugel wäre verschwendet.«

Plötzlich bewegte sich etwas auf der Veranda ganz schnell – Tom, dessen Körper förmlich zu verschwimmen schien. Er packte den Zombie bei den Schultern und wirbelte ihn herum, sodass Opa Houser über seine Hüfte gehebelt wurde und mit dem Gesicht nach vorn auf die Bretter der Veranda krachte. Dann kniete sich Tom auf den Rücken des alten Mannes, packte dessen blasse Handgelenke und band sie mit einer Kordel zusammen, die er aus seiner Tasche gezogen hatte. Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden.

»Nehmt ihn mit«, befahl er, und zwei stämmige Männer traten zögernd auf die Veranda, zogen Opa Houser auf die Füße und schleiften ihn fort. »Bringt ihn in den Schuppen, aber befriedet ihn noch nicht.« Bei diesem Satz deutete er mit dem Kopf zum Fenster im oberen Stock.

Einer der Männer wollte die Treppe hinaufgehen, aber Tom hielt ihn zurück. »Nein … wir wissen noch nicht, wo Jack, Michelle und Danny sind.«

Benny hatte einen Kloß von der Größe eines Hühnereis im Hals.

»Sollen wir helfen?«, fragte Chong in einem Ton, der eindeutig verriet, dass er seinen Vorschlag nicht wirklich ernst meinte.

»Eindeutig nicht klug wie ein Krieger«, befand Morgie mit leiser Stimme.

»Ich helfe«, sagte Lilah in ihrer eisrauen Flüsterstimme und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. Die meisten Stadtbewohner wichen vor ihr zurück, als sei sie ein wildes, gefährliches Geschöpf –, und Benny begriff, dass das im Grunde ja auch stimmte.

Lilah nickte Tom kurz zu, dann schlichen sich die beiden vorsichtig ins Haus.

»Sie ist auf jeden Fall eine Kriegerin«, meinte Chong, »aber auch völlig durchgeknallt.«

»Sollten wir nicht auch reingehen?«, fragte Morgie. »Vielleicht brauchen sie unsere Hilfe.«

»Tom und Lilah? Mach dich nicht lächerlich«, entgegnete Nix. Sie, Chong und Benny drehten sich gleichzeitig zu ihm um.

Morgie lief rot an. »Jaja … schon gut«, beschwichtigte er sie. »Irgendwie dämlich, oder?«

Chong legte ihm tröstend die Hand auf den Arm. »Nein, Morgie, nicht nur irgendwie.«

Benny nahm wieder eine Bewegung im Haus nebenan wahr. Er sah, wie Zak Matthias vom Fenster zurücktrat, aber etwas in Zaks Gesicht machte ihn stutzig. Zak hatte dunkle Ringe um die Augen und irgendwie wirkte sein ganzes Gesicht geschwollen. Vielleicht hatte Big Zak ihm ein Paar Veilchen verpasst. »Mist«, murmelte Benny.

Nix folgte seinem Blick. »Was ist …?«

»Da oben steht Zak«, erklärte er leise. »Ich glaube, er ist verletzt. Er schaut schon die ganze Zeit zu uns runter.«

Nix öffnete den Mund, um etwas Abfälliges über Zak zu sagen, schloss ihn dann aber wieder.

Benny richtete den Blick erneut auf die Veranda der Housers, wo alles ruhig war. Ein paar Leute bewegten sich vorsichtig darauf zu. Dann wandte er sich wieder zu Zaks Haus und biss sich unschlüssig auf die Unterlippe.

Und dann, ohne sich dessen bewusst zu sein, ging er auf das Haus von Zak Matthias zu.

Aus Nix’ Tagebuch

Die Erste Nacht

So nennen die Menschen den Tag, an dem sich die Toten erhoben. Tom sagt, es habe morgens an ein paar Orten begonnen und sich bis zum Abend überall ausgebreitet.

Niemand weiß, warum es angefangen hat.

Niemand weiß, wo es angefangen hat.

Tom sagt, er habe aus einem Nachrichtenbericht aus Pittsburgh in Pennsylvania davon erfahren. Bei Anbruch des nächsten Tages hatte es sich über die ganze Welt verteilt.

Der Ausnahmezustand wurde verhängt. Tom meint, diese Maßnahme habe nicht ausgereicht und sei zu spät gekommen.

Bis zum Nachmittag des folgenden Tages war die Verbindung zu über 60 Städten in den Vereinigten Staaten und weltweit zu über 300 Städten abgebrochen. Niemand zählte mehr, wie viele Städte und Dörfer überrannt wurden.

Am fünften Tag stellten die Radio- und Fernsehstationen ihre Übertragungen ein.

Mobiltelefone funktionierten zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr.

Und danach konnte nicht mehr festgestellt werden, wie ernst die Lage war.

Benny ging um Zaks Haus herum zur Hintertür. Wenn Big Zak betrunken war, schlief er meistens auf der Couch im Wohnzimmer ein, sodass es Benny am besten erschien, von der Rückseite einen Blick ins Haus zu riskieren.

»Benny!«, rief Nix und lief hinter ihm her, um ihn einzuholen. »Was ist los?«

»Ich …«, setzte er an, wusste aber nicht, was er ihr sagen sollte. Wie sollte ausgerechnet Nix verstehen und akzeptieren, dass Benny sich vergewissern wollte, ob mit Zak Matthias alles in Ordnung war? Dieses Haus stand für alles, was sie verloren hatte. Aber wenn sie an seiner Stelle gewesen wäre, so glaubte er, würde sie genauso empfinden.

Er schenkte ihr ein nichtssagendes Lächeln – fast nur ein Zucken der Mundwinkel – und stieg auf die hintere Veranda des Hauses. Nix blieb auf dem Rasen am Fuß der Treppe stehen. Benny legte sein Bokutō auf den Boden – Zak würde auf keinen Fall die Tür öffnen, wenn er ihn dort mit einem großen Holzschwert stehen sah – und schirmte die Augen mit den Händen ab, um durch das Küchenfenster einen Blick ins Haus zu werfen.

Drinnen brannte kein Licht.

Die Küche war leer. Keine Spur von Zak.

Benny klopfte vorsichtig an die Tür. Nichts. Er zögerte. Was wollte er Zak eigentlich sagen? Zaks Onkel Charlie hatte Nix’ Mom umgebracht. Benny hatte Charlie getötet, jedenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit. Er hatte ihn mit dem schwarzen Eisenrohr des Motor City Hammers einen Schlag verpasst und zugesehen, wie Charlie 100 Meter in die Dunkelheit gestürzt war. Wie sollte er mit einer dieser Informationen eine Unterhaltung anfangen?

Zak, alter Junge, ist heut’ schon irgendwer umgebracht worden?

Trotzdem klopfte er noch einmal an die Tür.

Eine Gestalt trat hinter den Vorhang und drehte den Türknauf. Dann wurde die Tür geöffnet, und Benny – unsicher, was er sagen sollte – holte tief Luft.

Aber es war nicht Zak. Vor ihm stand Big Zak.

Er war zwar nicht so groß wie Rotaugen-Charlie, aber immer noch hünenhaft. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er kein Albino, besaß aber sehr helle Haut und blassblonde Haare und wirkte genauso unheimlich.

Besonders jetzt. Big Zaks Hemdbrust war vollständig mit hellrotem Blut durchtränkt.

»Ich … ich …«, krächzte er, aber zu mehr war er nicht in der Lage – dafür fehlte ihm ein zu großes Stück seiner Kehle. Er machte einen einzigen, wackligen Schritt hinaus auf die Veranda und fiel dann direkt auf Benny. Das Gewicht des großen Mannes drückte Benny auf die Holzdielen und presste ihm sämtliche Luft aus den Lungen. Und sein Kopf schlug so hart auf, dass er Sternchen sah.

»Benny!«, schrie Nix.

Er hörte sich selbst ebenfalls schreien. Entsetzt starrte er in Zaks Gesicht, nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Es war über und über mit Kratzern und Schnitten bedeckt und seine Augen blickten starr vor Angst und Schmerz. Benny versuchte mit aller Kraft, den schweren Mann von sich wegzudrücken.

»H-hilf … mir«, krächzte Big Zak. »B-bitte.« Und dann erlosch das wahnsinnige Leuchten in Big Zaks Augen, die Spannung wich aus seinem Körper, und er sackte leblos zusammen.

Benny geriet in Panik und wollte diesen schlaffen Körper unbedingt abschütteln. Verzweifelt drehte er seine Hüften hin und her, um sich unter dem toten Mann herauszuwinden. Während er sich wie ein Ringer bewegte, wunderte er sich, warum Nix ihm nicht half. Sie war doch keinen Meter entfernt …

Wie aufs Stichwort schrie Nix im nächsten Moment: »Benny, pass auf!«

Big Zaks lebloser Körper rutschte ein Stück von Benny herunter, sodass er sich befreien konnte. »Ein bisschen spät für ›Pass auf!‹«, blaffte er. »Ich hab schon …«

Aber Nix eilte mit erhobenem Holzschwert auf ihn zu, das Gesicht vor Hass und Furcht verzerrt.

»Nein!«, schrie Benny. Er wich zurück und stieß mit jemandem zusammen …

… mit Zak.

Benny wirbelte herum und schaute in das Gesicht seines ehemaligen Schulkameraden. In das blasse, dunkeläugige und blutverschmierte Gesicht des Wesens, das einmal Zak Matthias gewesen war. Mit einem hungrigen Stöhnen sprang Zak ihm an die Kehle.

Alles passierte viel zu schnell.

Zak packte Benny mit eiskalten, weißen Fingern am Hemdkragen und riss ihn an sich. Benny konnte ihn gerade noch rechtzeitig mit den Handflächen abwehren, denn im nächsten Augenblick schlugen Zaks Zähne nur einen Zentimeter von Bennys Luftröhre entfernt aufeinander. Benny schrie auf vor Angst, während Zak vor Hunger und Frust stöhnte.

»Benny! Runter!«

Plötzlich sauste braunes Hartholz durch die Luft, gefolgt von einem Geräusch, als würde eine Wassermelone auf dem Asphalt zerplatzen. Zak und Benny gingen in entgegengesetzte Richtungen zu Boden. Erneut schlug Bennys Kopf auf, dieses Mal noch härter. Zak kippte nach hinten und dort, wo vorher sein Gesicht gewesen war, schimmerte eine entsetzliche Masse aus Blut und zerquetschtem Gewebe. Benny hatte das Gefühl, als sei sein Kopf zertrümmert worden. Eine Stimme rief seinen Namen.

Nix?

Er versuchte, ihren Namen auszusprechen, aber um ihn herum drehte sich alles, und dann gingen ihm sämtliche Lichter aus.

»Benny – steh auf!«

Die Stimme schien meilenweit entfernt.

»Benny!«

Sein umnebeltes Hirn ordnete der Stimme einen Namen zu: Nix. Und … sie schrie ihn an. Aber warum? Er wollte sie fragen, aber aus seinem Mund kam nur leises, unzusammenhängendes Gebrabbel.

Dann zog Nix ihn hoch und schüttelte ihn.

Mühsam öffnete er ein Auge. Es schien, als müsse er einen Zentner Ziegelsteine hochstemmen.

»Guten Morgen, Nix«, sagte er mit vollkommen normaler und vernünftiger Stimme. »Möchtest du eine Scheibe Toast?«

Nix verpasste ihm eine Ohrfeige – und zwar eine kräftige.

»Hey … AU!« Die Ohrfeige brachte Ordnung in sein verwirrtes Hirn und ihm wurde bewusst, dass sich Nix über ihn gebeugt hatte und ihm direkt ins Gesicht schrie.

»ZOMBIES!«

Das genügte. Schlagartig war sein Gehirn wieder voll funktionstüchtig. Als Nix ihm aufhalf, nahm er aus dem Augenwinkel links von sich eine Bewegung wahr. Er drehte sich um und sah, dass Big Zak langsam auf die Füße kam; Blut tropfte von seinen gummiartigen Lippen und aus seiner zerfetzten Kehle. Der Zombie wandte sein schlaffes Gesicht Benny zu und stöhnte wie eine verlorene Seele.

Eine weitere Bewegung veranlasste Benny, sich nach rechts zu drehen, und er entdeckte, dass Danny Houser und seine Mutter über den Rasen auf die Veranda zutorkelten. Beide von Bisswunden entstellt. Beide tot. Zoms. Hinter ihnen drangen Rufe, Schreie und Schüsse aus dem Haus der Housers.

»Fang!« Nix hob Bennys Schwert auf und warf es ihm zu.

Gerade noch rechtzeitig, als Big Zak bereits einen schwerfälligen Schritt auf ihn zu machte, fing Benny das Schwert aus der Luft auf. Nix sprang von der Veranda herunter und rannte mit erhobenem Bokutō auf Danny zu, um ihm den Weg abzuschneiden.

Inzwischen war Big Zak zu nah für einen mit Schwung ausgeholten Schlag, also änderte Benny die Richtung und verpasste ihm einen Hieb mit dem schweren Griff des Holzschwerts. Er traf den Zombie so fest an der Kinnspitze, dass er den Rückstoß wie eine Schockwelle im Handgelenk spürte. Big Zak taumelte nach hinten.

Hastig schaute Benny zu Nix hinüber, als diese gerade ausholte, um Mrs Houser einen Hieb zu verpassen, aber im gleichen Augenblick stapfte Danny vorwärts und packte Nix an ihren roten Haaren. Reflexartig machte Benny einen Schritt auf Nix zu, aber Big Zak bekam ihn an seinem Sweatshirt zu fassen. Der Zombie zog ihn in die Höhe, zuerst auf die Zehen und dann vollständig vom Boden hoch. Selbst als Untoter war Big Zak Matthias noch ein kräftiger Mann. Benny baumelte an seinen Fäusten und schaute ihm einen kurzen Moment direkt in die starren Augen.

Unter den Kindern im Ort ging die Geschichte um, man könne in den Augen eines Zombies sein eigenes Spiegelbild als Untoter sehen. Seit den albtraumhaften Ereignissen im letzten September glaubte Benny das zwar nicht mehr, als er jetzt aber in Big Zaks leere Augen starrte, wusste er genau, wie er als Zombie aussehen würde. Klein, verblichen und verloren, sämtliche Spuren seiner Menschlichkeit und Persönlichkeit ausgeblasen wie ein Streichholz.

»Nein!«, schrie er, und als der Zombie mit den Zähnen nach ihm schnappte, rammte er ihm den Schaft seines Holzschwerts in den weit aufgesperrten Mund.

Big Zak biss so fest zu, dass Holzsplitter in alle Richtungen flogen und die Spitzen seiner Schneidezähne abbrachen. Das Schwert fiel krachend auf die Dielen der Veranda. Als Big Zak sich ihm zuwandte, drehte Benny die Hüfte und trat dem Zombie mit beiden Füßen gegen die Knie. Durch die Wucht des Tritts torkelte Big Zak nach hinten, trat auf den gestürzten Zak junior und ging dröhnend zu Boden. Benny rappelte sich auf, schnappte sich das Schwert, holte aus und ließ es mit aller Kraft nach unten sausen.

KNACK!

Das hölzerne Schwert zerbrach genau an der Stelle, wo noch Teile von Big Zaks Schneidezähnen steckten, doch der Schlag zertrümmerte dem Zombie den Schädel. Er prallte mit dem Gesicht auf die Dielen, wand sich stöhnend und griff in die Luft. Benny starrte auf den halben Meter zersplittertes Hickoryholz in seiner Hand, drehte den Schwertstumpf um, hob ihn mit beiden Händen über den Kopf und rammte ihn Big Zak in den Nacken. An der Stelle, wo die Wirbelsäule in den Schädel eintritt, befindet sich eine kleine Öffnung. Tom nannte diesen Bereich, in dem der Hirnstamm am empfindlichsten ist, den »Optimalpunkt«. Durchtrennte man den Hirnstamm, war der Zombie für immer tot. Befriedet.

Benny legte seine ganze Kraft und Entschlossenheit in den Hieb. Und verfehlte die Stelle. Die Spitze der zerklüfteten Klinge traf auf den harten Knochen des Hinterkopfs, rutschte ab und zerbrach schließlich auf den Dielen, direkt hinter dem Ohr des Zombies. »Verdammt!«, fluchte Benny. Big Zaks zuckende Finger tasteten nach seinen Fußgelenken, aber er schien keine Kraft mehr zu besitzen. Als Benny sich hastig aus seiner Reichweite entfernte, stöhnte der Zombie leise.

Sofort wirbelte Benny herum und suchte nach Nix. Als er von der Veranda sprang, sah er, wie Danny Houser zu Boden fiel und sein Kopf auf einem angeknacksten, aber nicht gebrochenen Hals hin und her kippte. Nix wich vor ihm zurück und ihre Brust hob und senkte sich schnell vor Panik und Anstrengung.

»Pass auf!«, rief Benny ihr zu, als Mrs Houser aus Nix’ totem Winkel auf das Mädchen zustürmte. Kaum hatte Nix sich umgedreht, stürzte Benny sich auch schon auf die Untote, packte sie und ging zusammen mit ihr zu Boden. Doch Mrs Houser zappelte und fauchte wie eine Katze und schlug ihm die Zähne in die Schulter. Benny schaffte es gerade noch, zurückzuweichen, als ihre Kiefer aufeinandertrafen und sie nur ein Stück aus seinem durchnässten Sweatshirt herausriss.

Plötzlich hörte er das gedämpfte Geräusch eines dumpfen Schlags und der Körper des Zombies erzitterte. Dann ertönte ein weiteres Hiebgeräusch und noch eines, und er begriff, dass Nix mit ihrem Schwert auf das Monster einschlug, um es abzulenken oder es von ihm zu lösen.

»Nix!«, brüllte eine Stimme. »Zur Seite!«

Die dumpfen Schläge brachen ab und eine Sekunde später wurde Benny vom Körper des Zombies befreit. Als er nach oben schaute, sah er Tom. Er hatte Mrs Houser einen Arm von hinten um den Hals geschlungen, und obwohl sie kämpfte und wild um sich schlug, war sie gegen Toms starken Griff machtlos.

Ein Dutzend Leute stürmte zwischen den Häusern hindurch auf den Hof, darunter auch Chong und Morgie. Als sie Benny blutverschmiert auf dem Rasen liegen sahen, hielten sie abrupt inne. Nix stand ein wenig abseits, das Holzschwert mit beiden Händen umklammert. Sie war verängstigt und außer Atem, schien aber unverletzt. Eine Sekunde lang richteten sich alle Blicke auf sie, um sich dann wieder auf Benny zu heften.

Benny wollte sich gerade aufrappeln, als Lilah plötzlich mit einem blitzenden Dolch in der Hand auftauchte. Noch bevor er etwas sagen konnte, beugte sie sich über ihn und drückte ihm die Klinge unters Kinn. Er erstarrte.

»Lilah!«, knurrte Tom.

»Sieh dir mal seine Schulter an! Er ist gebissen worden!«, erwiderte sie wütend.

»Nein …«, krächzte Benny.

»Nein!«, schrie Nix.

Tom übergab Mrs Houser an Captain Strunk und zwei andere Männer von der Stadtwache. Sie fesselten und knebelten sie routiniert, auch wenn ihre Gesichter vor Angst und Abscheu verzerrt waren. Dann trat Tom neben Lilah und berührte ihre Hand mit dem Dolch. »Nein«, sagte er sanfter als zuvor und schaute von ihr zu Benny und wieder zurück. »Wenn er gebissen wurde, kümmere ich mich darum. Das ist eine Familienangelegenheit.«

»Ich bin nicht gebissen worden«, beharrte Benny, aber offenbar hörte ihm niemand zu.

Lilahs Augen besaßen normalerweise die Farbe von Honig, doch in diesem Augenblick erschienen sie Benny kalt wie Eis. In ihrem Gesicht war keine Spur von Mitgefühl oder Menschlichkeit zu erkennen. Er sah in ihr nur die Jägerin und Einzelgängerin – das legendäre Verlorene Mädchen, das im Leichenland sowohl Menschen als auch Zombies getötet hatte. Ihre Klinge fühlte sich wie ein glühendes Brandeisen auf seiner Haut an.

Dann war der Dolch weg und Lilah trat einen Schritt zurück.

»Sieh genau nach«, befahl sie Tom. »Sonst mach ich das.«

Erschöpft ließ Benny sich ins Gras sinken. Die letzten Sekunden hatten ihn mehr Kraft gekostet als der Kampf mit den Zombies.

Mit wütendem, finsterem Blick schob Nix sich an Lilah vorbei und stellte sich zwischen sie und Benny. Morgie kam näher, bis er Schulter an Schulter mit Nix stand, und nach kurzem Zögern folgte Chong seinem Beispiel, sodass die drei mit ihren Körpern einen Wall bildeten. Lilah musterte sie abschätzig, als überlegte sie, wie viel oder wie wenig Mühe es sie wohl kostete, um an ihnen vorbei zu Benny zu gelangen.

Dieser rappelte sich langsam auf. »Ich bin nicht gebissen worden!«, brüllte er, zog sich zum Beweis das Sweatshirt über den Kopf und warf es Lilah vor die Füße. Wut stieg in ihm auf und verdrängte die Angst. »Hier, sieh genau hin!«

»Ich seh’s«, erwiderte sie. Dann ließ sie den Dolch sinken und wandte sich ab. Sämtliche Blicke folgten ihr, als sie auf die Veranda stieg und ihre Klinge ohne zu zögern in Big Zaks Genick rammte. Im Gegensatz zu Benny verfehlte sie den Optimalpunkt um keinen Millimeter.

»Heilige Scheiße«, stieß Morgie hervor.

»Mhm«, murmelte Chong bestätigend. Er war blass und zitterte.

Tom bückte sich, hob Bennys Sweatshirt auf, inspizierte das durch den Biss entstandene Loch in der Schulterpartie und reichte es ihm. »Ist mit dir wirklich alles in Ordnung?«

Benny schaute hinüber zur Veranda, wo Big Zak ausgestreckt nur wenige Schritte neben seinem Sohn lag – dem Wesen, das einst ein Junge im gleichen Alter wie Benny gewesen war. Ein Freund und dann ein Opfer.

»Ich hab doch gesagt, ich bin nicht gebissen worden«, wiederholte Benny noch einmal und schüttelte langsam den Kopf, als er sich abwandte. »Aber ich bin alles andere als in Ordnung.«

Aus Nix’ Tagebuch

Vor der Ersten Nacht schätzte das Statistische Bundesamt der Vereinigten Staaten die Weltbevölkerung auf 6922000000 Menschen.

Tom meinte, in den Nachrichten sei gemeldet worden, dass in den ersten beiden Tagen nach der Ersten Nacht über 2000000000 Menschen starben.

Als das Internet zusammenbrach, wurde die Zahl der Toten weltweit auf 4000000000 geschätzt.

Die Leute in der Stadt nehmen an, dass seit der Ersten Nacht mindestens 6000000000 Menschen gestorben sind. Die meisten glauben, der gesamte Rest der Menschheit sei tot.

Wir wissen, dass laut Ergebnis der Volkszählung am letzten Neujahrstag insgesamt 28 261 Menschen in den neun Städten hier in Zentralkalifornien leben.

Die Freunde saßen am Picknicktisch in Toms und Bennys Hof, tranken Eistee und aßen riesige Stücke Apfelkuchen mit Rosinen und Walnüssen. Die Sonne glich einem goldenen Ball und schien von einem wolkenlosen blauen Himmel herab und in den Bäumen zwitscherten die Vögel. Aber auch diese üppige Schönheit konnte die bedrückte, bestürzte Stimmung nicht aufhellen, die sie wie ein Nebel umfing.

Lesen Sie weiter in der vollst?ndigen Ausgabe!

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