Love at last: Und plötzlich war es Liebe - Tina Keller - E-Book
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Love at last: Und plötzlich war es Liebe E-Book

Tina Keller

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Beschreibung

Alex ist erfolgreich, unverschämt sexy und wird von zahlreichen Frauen umschwärmt. Er genießt sein luxuriöses Leben in vollen Zügen und lässt keine Affäre aus. Doch im Grunde seines Herzens ist er einsam und kann sich auf keine Liebesbeziehung einlassen. Sarah ist resolut, frech und genervt von arroganten Geschäftsmännern, die glauben, sich mit Geld alles kaufen zu können. Seit einem Schockerlebnis vor zwei Jahren macht sie um Erotik und Sex einen großen Bogen. Als die beiden aufeinander prallen, fliegen zuerst heftig die Fetzen. Zu ihrem eigenen Ärger wird Sarah fast magisch von Alex' unwiderstehlichem Sexappeal angezogen. Alex hingegen ist erstaunt und fasziniert, dass ihm eine Frau die Stirn bietet und sich nicht von seinem Reichtum beeindrucken lässt. Je besser sie ihn kennenlernt, desto mehr erkennt Sarah, dass Alex nicht der überhebliche Schnösel ist, für den sie ihn gehalten hat. Doch damit fangen ihre Probleme erst an. Alex hat von Anfang an gespürt, dass Sarah keine der unzähligen Frauen ist, mit denen er einfach nur seinen Spaß hat. Doch als er tiefere Gefühle für sie entwickelt, wird er mit einem lange zurückliegenden Trauma konfrontiert, dem er sich endlich stellen muss. Ihre sehr unterschiedlichen Dramen aus der Vergangenheit verbinden und trennen sie gleichzeitig. Werden sie einen Weg finden, um zueinander zu kommen?

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 – Alex

Kapitel 2 – Sarah

Kapitel 3 – Alex

Kapitel 4 – Sarah

Kapitel 5 – Alex

Kapitel 6 – Sarah

Kapitel 7 – Alex

Kapitel 8 – Alex

Kapitel 9 – Sarah

Kapitel 10 – Sarah

Kapitel 11 – Alex

Kapitel 12 – Sarah

Kapitel 13 – Alex

Impressum

Kapitel 1 – Alex

Irgendwie ist das hier schon sehr albern.

Ich hocke seit einer halben Stunde vor einem Computer und begutachte schöne Frauen. Neben mir sitzt eine etwas zu stark parfümierte Dame in den Fünfzigern und preist mir diese schönen Frauen in den höchsten Tönen an. Sie sind alle wahnsinnig gebildet, charmant, kultiviert, repräsentativ und das absolute Geschenk an jeden Mann.

Naja, Geschenk ist vielleicht nicht der richtige Begriff, denn sie kosten zwischen fünfhundert und dreitausend britische Pfund pro Abend. Allmählich komme ich mir vor, als würde ich mir eine Braut kaufen. Dabei suche ich lediglich eine Begleitung zu einer Familienfeier. Und selbst das ist schon absurd genug.

Es ist ja nicht so, als würde ich keine Frauen kennen, die mich zu diesem Anlass begleiten würden. Ganz im Gegenteil. Ich wage mal zu behaupten, dass es mindestens ein Dutzend Frauen gibt, die alles dafür geben würden, um bei meiner Familie einzumarschieren.

Und genau das ist das Problem. Sie würden sich einbilden, ich empfände etwas für sie, wenn ich sie auf das Anwesen meiner Eltern schleppe. Und dann würde ich sie überhaupt nicht mehr los werden. Womöglich würden sie schon die Hochzeitsglocken läuten hören, wenn ich sie meiner Verwandtschaft vorstelle. Das will ich auf gar keinen Fall.

Darum habe ich beschlossen, eine Dame mitzunehmen, die ich überhaupt nicht kenne. Sie begleitet mich zwei Tage lang zu diesem Event, und das war es dann. Ich zahle dafür und habe keine weiteren Verpflichtungen. Es ist nur ein Deal.

Natürlich könnte ich auch allein zu der Feier anrauschen. Dann hätte ich allerdings all die heiratswilligen Frauen am Hals, die mich schon beim letzten Mal umkreist und mir kaum Luft zum Atmen gelassen haben. Es war schrecklich. Von den Gerüchten, ich sei womöglich schwul, weil ich ja so gut aussehe und offenbar noch nie eine richtige Beziehung gehabt habe, wollen wir erst gar nicht reden.

Nein, das möchte ich mir ersparen. Ich werde eine wunderschöne, gebildete, charmante, kultivierte, repräsentative Escortdame engagieren und mit ihr ein glamouröses Liebespaar geben. Das dürfte ja wohl nicht so schwierig sein. Hübsch sind sie alle. Ich weiß gar nicht, warum es mir so schwer fällt, mich zu entscheiden. Ich muss mich zwei Tage in ihrer Nähe aufhalten, mehr nicht. Ich soll sie ja nun wirklich nicht gleich heiraten.

„Ich kann Ihnen gern Videos der Damen zeigen“, bietet mir Vivienne, die Vermittlerin der Escortladys, an. So einen schwierigen Kunden hat sie sicher nicht alle Tage, zumindest hoffe ich das für sie. Sie kann wahrscheinlich gar nicht verstehen, warum ich so zögerlich bin, wo ihre Damen doch so eine Augenweide sind. So richtig kapiere ich es selbst nicht.

„Vielleicht fällt Ihnen die Auswahl leichter, wenn Sie sehen, wie die Damen sprechen und sich bewegen.“

„Hm“, brumme ich unbestimmt.

Die Videos offenbaren das, was mir schon die ganze Zeit klar war: Die jungen Frauen sind alle wunderschön – aber das war es dann leider auch. Sie haben eine makellose Haut, eine atemberaubende Figur, ein hübsches Gesicht, aber mehr nicht. Etwas ganz Entscheidendes fehlt ihnen: Ausstrahlung, Aura, Esprit oder wie immer man es nennen soll. Sie sind einfach nur schön. Das mag vielen Männern, die sich mit diesen Grazien schmücken wollen, reichen.

Mir nicht. Ich erwarte da etwas mehr. Eine Frau muss für mich irgendetwas Besonderes haben, und das hat nicht unbedingt etwas mit gutem Aussehen zu tun. Auch eine wunderhübsche Frau kann eine Ausstrahlung wie ein Toastbrot haben. Die Damen sind schön, aber langweilig. Das ist keine Gesellschaft, die ich zwei Tage lang um mich haben will. Auch, wenn das jetzt ziemlich arrogant klingt.

„Vielen Dank, Vivienne, aber das ist nicht ganz das, was ich mir vorstelle“, sage ich bedauernd und stehe auf.

Ich hätte nicht extra hierher fahren sollen. Vivienne hätte mir Fotos und Videos mailen können. Meine Zeit ist zu knapp und zu kostbar, als dass ich sie mit so etwas verschwenden könnte.

„Das tut mir leid, Mr Johnson.“ Betrübt schaut Vivienne mich an. „Ich war eigentlich sicher, dass eine passende Dame für Sie dabei sein würde.“

„Leider nicht.“

Ich wende mich zum Gehen.

„Haben Sie vielen Dank für Ihre Mühe. Auf Wiedersehen.“

Ich verlasse die Escort Agentur, die in einem riesigen Bürokomplex mit Hunderten von Firmen untergebracht ist und laufe den langen Flur entlang. Dabei schüttele ich über mich selbst den Kopf. Was war das nur für eine Schnapsidee? Als ob ich es nötig hätte, für eine Begleitung zu zahlen! Es würde mich nicht wundern, wenn die Frauen dafür zahlen würden, wenn sie neben mir herlaufen dürften.

Das klingt jetzt sehr überheblich, aber ich weiß, wer ich bin und was ich bin. Ich kenne meinen Marktwert. Und gutaussehende, erfolgreiche Geschäftsmänner mit einem dicken Bankkonto stehen bei fast allen Frauen hoch im Kurs, da müssen wir uns nichts vormachen.

Ich werde Sophia mitnehmen. Sophia ist eine rothaarige Opernsängerin, etwas überkandidelt, aber ansonsten ganz umgänglich. Im Bett singt sie ihre Arien noch viel höher als auf der Bühne. Sie ist große Auftritte gewohnt und wird der schillernde Mittelpunkt im Kreise meiner Family sein.

Oder Scarlett, die mit ihrer hellen Haut, den blutroten Lippen und pechschwarzen, ellenlangen Haaren aussieht wie Schneewittchen höchstpersönlich. Sie scheint sich allerdings richtig in mich verliebt zu haben, so dass es vielleicht doch nicht so ratsam ist, sie zu einer Familienfeier mitzunehmen. Womöglich erzählt sie dort allen, dass wir bald heiraten oder etwas ähnlich Bescheuertes. Und ich kann dann zusehen, wie ich mich wieder aus der Affäre ziehe. Nein, das lasse ich mal lieber bleiben.

Wer kommt denn noch in Frage? Donna, die es gern an ungewöhnlichen Orten treibt und mich damit schon in manch brenzlige Situation gebracht hat? Oder vielleicht doch lieber Enid, die kleine Wildkatze, die meinen Rücken beim letzten Mal so zerkratzt hat, dass ich zwei Wochen lang nicht in der Öffentlichkeit schwimmen gehen konnte?

Ganz in Gedanken achte ich nicht darauf, wohin ich meine Füße setze und knalle plötzlich vor ein metallfarbenes Gefährt. Ehe ich mich versehe, schwappt mir dunkles Wasser über meine tausend Pfund teure Hose und es wird kalt und nass zwischen meinen Beinen. Igitt!

Völlig perplex versuche ich zu begreifen, was passiert ist. Offenbar bin ich vor einen Putzwagen gedonnert, auf dem ein Eimer mit Wischwasser stand. Mit dreckigem Wischwasser. Und genau das läuft nun vom Schritt aus an meinen Beinen herunter. Es sieht aus, als wäre ich drei Tage lang nicht auf der Toilette gewesen und würde mich jetzt exlosionsartig entladen.

Hinter diesem dämlichen Wagen höre ich ein Kichern. Offenbar amüsiert sich da gerade jemand prächtig darüber, dass so ein Business Typ vor den Wagen gelaufen ist und sich ordentlich besudelt hat. Das ist aber auch wirklich extrem spaßig.

Jetzt taucht eine blau gekleidete Gestalt auf, guckt mir ganz unverhohlen in den Schritt und prustet laut heraus. Sie kann sich gar nicht mehr beruhigen. Mitleid ist bei ihr offenbar fehl am Platz.

Ich spüre, wie ich wütend werde. Erst dieser völlig überflüssige Termin, und jetzt werde ich auch noch fast von einem Eimer erschlagen. Und diese Putzfrau hat nichts Besseres zu tun, als mich auszulachen. Heute ist wirklich nicht mein Tag.

„Haben Sie Ihre Inkontinenz Windeln vergessen?“, fragt sie mich allen Ernstes und mir verschlägt es die Sprache angesichts dieser Frechheit. Das geht ja nun wohl wirklich zu weit!

„Hätten Sie Ihren dämlichen Wagen nicht mitten in den Weg gestellt, stände ich jetzt nicht hier wie ein Vollidiot, der sich gerade in die Hose gepisst hat“, schnauze ich sie an.

„Wie kann man denn gegen so einen riesigen Wagen stolpern? Haben Sie Ihre Kontaktlinsen verloren oder waren Sie so geblendet von den Escortladys?“, foppt mich die Frau weiter.

Ich will ihr gerade eine gepfefferte Antwort hinwerfen, als sie ihr Gesicht zu mir hoch hebt und mir direkt in die Augen blickt.

Ganz plötzlich hört mein Herz auf zu schlagen und ich vergesse die Misere zwischen meinen Beinen. Ich blicke in die schönsten, ausdrucksstärksten Augen, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Grün mit einem interessanten Muster, funkelnd, die goldenen Sprenkel tanzen darin. Ich kann nichts anderes tun, als in diese unglaublichen Augen zu starren. Es ist, als würde die ganze Welt stehen bleiben.

Was ist das denn? Bin ich durch das kalte Wasser an meiner empfindlichsten Stelle in eine Art Schockstarre geraten?

Erst nach einer ganzen Weile nehme ich die übrigen Details wahr. Vor mir steht eine junge Frau in einem blauen Kittel, also wahrscheinlich eine Putzfrau, wie mein messerscharfer Verstand sofort analysiert. Ihr dunkles Haar hat sie hochgesteckt, von ihrer Figur ist unter dem Sack nicht viel zu erkennen, und außer diesen Wahnsinnsaugen hat sie ein wirklich hübsches Gesicht, über das sie bis über beide Ohren grinst. Was mich wieder an meine peinlich nasse Hose erinnert.

„Können Sie mal aufhören zu lachen und mir was Trockenes zum Anziehen geben?“, fahre ich sie an.

„Bedaure, aber wir haben nicht dieselbe Größe.“

Sie lacht immer noch, fängt aber immerhin an, unter ihrem Wagen herumzuwühlen.

„Ich könnte Ihnen einen blauen Overall geben, wäre das genehm?“, bietet sie mir an und ihre irren Augen funkeln.

Na, ganz toll. Ich habe in einer halben Stunde einen wichtigen Termin, zu dem ich unmöglich als Putzteufel erscheinen kann.

„Haben Sie nicht was anderes?“, blaffe ich, obwohl sie ja nichts für meine Misere kann. Ich ärgere mich einfach über mich selbst, dass ich so blöd war, vor diesen Scheiß Karren zu laufen, und sie kriegt es jetzt ab.

„Mein Anzug- und Krawattenverleih ist heute leider geschlossen“, bedauert Miss Greeneye. „Aber im Erdgeschoss dieses elitären Bürokomplexes gibt es eine Boutique. Wenn Sie unbedingt sofort einen Anzug benötigen, werden Sie dort sicher fündig.“

„Ja, ich benötige sofort einen Anzug“, sage ich ungeduldig.

„Ich kann schließlich weder in einer nassen Hose noch in einem Putzoutfit zu meinem Geschäftstermin erscheinen. Außerdem, meine Liebe, ich werde dort sicher nicht fündig.“

Ich rolle mit den Augen, als ich bemerke, dass sich um meine Schuhe herum eine Pfütze bildet.

„Ich kann ja schlecht mit einer triefenden Hose in eine Boutique gehen, das leuchtet ja selbst Ihnen ein, oder?“

Das Lächeln der Frau mit den irrsten Augen auf der Welt gefriert augenblicklich.

„Erstens bin ich nicht 'Ihre Liebe', und zweitens: Was genau meinen Sie denn mit 'selbst Ihnen'? Denken Sie, eine Putzfrau ist zu blöd, um zu kapieren, in was für einer Situation Sie sich befinden?“

Oh Gott, ist sie empfindlich. Was soll ich denn jetzt noch tun? Auf den Knien zu ihr rutschen und sie anbetteln? Ist das nicht ein kleines bisschen viel verlangt?

„Nein, das meine ich nicht.“

Ich beiße die Zähne zusammen. Leider bin ich auf sie angewiesen, also muss ich wohl oder übel nett sein.

„Ich habe mich wohl unglücklich ausgedrückt. Entschuldigen Sie bitte.“

Oh Mann. Der Tag wird wirklich immer schlimmer.

Die Reinigungsfachkraft stemmt ihre Hände in die Hüften.

„Schon besser. Im Übrigen könnten Sie ja einen blauen Overall anziehen und damit in die Boutique gehen. Was halten Sie denn davon?“

„Gar nichts.“

Ich laufe doch nicht als Müllsack durch diesen Bürokomplex! Es wäre viel zu peinlich, wenn mich jemand erkennt. Alex Johnson, der Multimillionär, geht neuerdings putzen? Also bitte! Das wäre wirklich die ultimative Steigerung dieses versemmelten Tages. Da kann ich ja gleich nackt gehen.

„Sie können doch in diese Boutique gehen und mir einen Anzug holen“, schlage ich vor. „Es soll auch nicht zu Ihrem Schaden sein.“

Der Putzteufel in Blau mit den grünen Augen zieht mahnend die Augenbrauen nach oben. Du lieber Himmel, was habe ich denn jetzt schon wieder Schreckliches gesagt?

„Es soll auch nicht zu meinem Schaden sein?“, wiederholt sie meine Worte. „Was soll denn das schon wieder heißen? Erstens: Drücken Sie sich immer so geschwollen aus? Zweitens: Soll das bedeuten, dass Sie mich dafür bezahlen wollen, wenn ich Ihnen einen Anzug hole?“

Donnerwetter, sie hat es doch noch kapiert. Hurra. Gleich überreiche ich ihr einen Pokal.

„Was spricht dagegen?“, frage ich sie.

Wieso muss ich hier eigentlich stehen und mit einer renitenten, etwas begriffsstutzigen Putzfrau Grundsatzdiskussionen führen? Warum holt sie mir nicht einfach einen Anzug und freut sich über hundert Pfund Laufgebühr?

„Sie könnten einfach mal bitte sagen, anstatt zu erwarten, dass ich in einen Glückstaumel falle, weil ich etwas für Sie erledigen darf.“ Hochmütig verzieht sie ihr Gesicht.

Oh mein Gott. Gleich wird Alex Johnson, gut betuchter und allseits umschwärmter Businessman, in einer Pfütze aus dreckigem Wasser herumrutschen und eine Putzfrau anflehen, ihm etwas zum Anziehen zu besorgen. Vielleicht sollte ich doch nackt in diese Boutique gehen, anstatt mich dermaßen zu erniedrigen. Bestimmt würde ich auf dem Weg dorthin einige interessante Frauen kennenlernen.

Ich schließe die Augen und zähle langsam bis zehn. Es passt mir nicht, aber ich bin auf diesen aufmüpfigen Wischmopp angewiesen.

„Wären Sie bitte so freundlich und würden bitte in diese gottverdammte Boutique gehen und mir einen verfickten Anzug holen?“, presse ich hervor.

Der Wischmopp grinst. „Schon ganz gut, aber bitte noch einmal ohne diese unflätigen Worte.“

Es ist nass und kalt zwischen meinen Beinen und wird immer nasser und kälter. Und dabei muss ich noch einen Höflichkeitskurs absolvieren.

„Wären Sie bitte so freundlich und würden bitte in diese Boutique gehen und mir bitte einen Anzug holen?“ Ich schlucke hart. Mann, das bin ich echt nicht gewohnt. Meine Sekretärinnen springen für gewöhnlich, wenn ich nur hüstele.

„Na, es geht doch, wenn es ganz offensichtlich auch schwer fällt.“ Die grünen Augen funkeln belustigt.

Ja, ich kann mir vorstellen, dass das für jemanden wie sie sehr lustig ist. Wenn man den ganzen Tag für irgendwelche arroganten Business Männer schrubbt, ist es natürlich eine willkommene Abwechslung, wenn einer dieser arroganten Hansel in einer nassen Hose da steht und betteln muss. Das kehrt das Verhältnis endlich mal um. Aber ich finde, für heute hat sie genug Spaß gehabt. Zum Glück scheint sie das auch endlich einzusehen.

„Okay, ich mache es“, vernehme ich zu meiner Erleichterung. „Ich kenne die Inhaberin der Boutique. Sie gibt mir sicher ein paar Anzüge zur Auswahl mit. Den, den Sie behalten, können Sie beim Rausgehen bezahlen. Ist das in Ihrem Sinn?“

„Ja“, rufe ich enthusiastisch und bin kurz davor, in die Hände zu klatschen. „Das ist absolut in meinem Sinn.“

Ich nenne der einsichtigen Reinigungsfachkraft meine Größe und Farbwünsche und sie zischt ab. Dann trete ich den Weg in die nahegelegene Herrentoilette an, wo ich mir meine versiffte Hose ausziehe.

Wie kann man bloß gegen einen 1 x 2 Meter großen Kasten laufen? Ich glaube, ich bin ziemlich überarbeitet. Jeden Tag zwölf Stunden ackern – und das seit Jahren – geht eben auch an mir nicht spurlos vorbei. Ich müsste wirklich mal wieder entspannen und Urlaub machen. An meinen letzten Urlaub kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern.

Dafür erinnere ich mich umso mehr an zwei wunderschöne grüne Augen, die einfach der absolute Wahnsinn sind. Ich schüttele den Kopf. Ich habe echt noch nie solche Augen gesehen. Ob sie grüne Kontaktlinsen trägt? Diese Farbe kann einfach nicht echt sein.

Ich stehe also unten ohne in dieser Toilettenkabine herum und friere mir den Arsch und weitere wertvolle Körperteile ab. Wo bleibt sie denn nur? Oder will sie mich verarschen und lässt mich hier bis zum Sankt Nimmerleinstag stehen? Es kann doch nicht so ewig dauern, in die Lobby zu laufen und eine Hose zu organisieren!

Ich bin es nicht gewohnt, lange zu warten. Normalerweise springen immer alle, wenn ich etwas anordne, manchmal auch schon vorher. Dass ich mich in Geduld fassen muss, ist neu für mich, und es gefällt mir überhaupt nicht.

Endlich höre ich ein Türenklappen und ihre helle Stimme.

„Hallo, Sir, sind Sie da drinnen?“

„Ja“, rufe ich.

Wo soll ich denn sonst sein? Glaubt sie, ich marschiere unten ohne durch die Gegend und bewerbe mich bei der Escortagentur als Callboy?

„Ich habe drei Anzüge für Sie“, übermittelt sie mir die frohe Botschaft, und ich atme auf. Doch plötzlich fällt mir siedendheiß etwas ein.

„Ich brauche eine Unterhose“, rufe ich anklagend und halte das triefende Etwas, das mal mein Slip war, in die Höhe. Ich kann doch nicht ohne Slip in eine Anzughose steigen!

„Keine Sorge, daran habe ich natürlich auch gedacht“, beruhigt mich Miss Greeneye. „Die gab es allerdings nicht in der Boutique. Darum hat es auch so lange gedauert. Ich musste schnell noch um die Ecke flitzen.“

„Ach, da gibt es ein Bekleidungsgeschäft?“, erkundige ich mich desinteressiert. Hauptsache, sie hat was gefunden; wo, ist mir eigentlich egal.

„Nicht direkt.“ Ihre Stimme klingt so, als unterdrücke sie nur mühsam ein Lachen.

„Dort ist ein Sexshop.“

Ich schließe die Augen. Ein Sexshop! Was hat sie mir denn da für Unterwäsche gekauft? Einen Slip mit Puschel oder eingearbeitetem Anal Plug vielleicht?

„Ich habe keinen anderen Laden gefunden“, behauptet sie, und ich weiß nicht recht, ob ich ihr glauben soll. Bestimmt belustigt sie die Vorstellung, dass ich bei meinem Geschäftstermin einen Slip mit automatischer Vibration tragen muss, der mich womöglich völlig aus dem Konzept bringt.

„Ich öffne jetzt die Tür“, verkünde ich. „Wären Sie so liebenswürdig und würden mir die Sachen durch den Spalt reichen? Wenn es geht, mit geschlossenen Augen. Ich stehe hier nämlich, wie Sie sicher schon vermuten, halbnackt herum.“

„Och, das macht nichts, ich habe schon ganz nackte Kerle gesehen. Ich glaube nicht, dass Sie sich wesentlich von denen unterscheiden.“

Ich seufze ergeben auf. Okay, meinetwegen. Es ist ja auch egal. Ich werde diese Frau schließlich niemals wiedersehen. Und prüde bin ich eigentlich nicht.

„Von mir aus können Sie hingucken“, erlaube ich ihr. „Sie werden schon nicht blind werden vor lauter Begeisterung. Hauptsache, Sie geben mir jetzt die Sachen.“

„Natürlich tue ich das. Allerdings nur, wenn Sie sich dafür bedanken. Das sollte ja wohl selbstverständlich sein. Haben Sie das vergessen oder kommt das in Ihrem Repertoire nicht vor?“

Sie kann es einfach nicht lassen, mich anzugreifen. Einerseits ärgert es mich, andererseits amüsiert es mich auch. Es ist in jedem Fall mal etwas anderes als all die Frauen, die schon einen Orgasmus kriegen, wenn ich sie nur anschaue.

„Vielen herzlichen Dank“, sage ich artig. „Ich weiß Ihre Hilfsbereitschaft wirklich sehr zu schätzen. Ohne Sie wäre ich verloren gewesen. Sie sind mein Retter in der Not.“

Ich höre ein gedämpftes Lachen.

„Okay, das reicht. Übernehmen Sie sich mal nicht.“

Ich öffne die Tür und strecke meine Hand aus. Tatsächlich wendet die Putzfrau mit den irrsten Augen des Universums ihren Kopf dezent ab, als sie mir eine Plastiktasche durch den Türspalt reicht.

„Na, wollten Sie doch keinen Blick wagen?“, erkundige ich mich, als ich die Tüte sicher in der Halt halte und die Tür wieder verschlossen habe.

„Nein. Ich wollte nicht riskieren, blind zu werden. Man weiß ja nie.“

„Tragen Sie eigentlich farbige Kontaktlinsen?“, frage ich völlig zusammenhanglos, während ich in die Tasche greife.

„Wie kommen Sie denn darauf?“ Ihre Stimme klingt erstaunt. „Nein, ich trage keine Kontaktlinsen.“

Jetzt bin ich ehrlich verblüfft und halte in meiner Bewegung inne.

„Sie haben wirklich von Natur aus so unglaubliche Augen?“

Ein paar Sekunden ist es ganz still. Schaut sie sich gerade ihre Augen im Spiegel an?

„Sie finden, dass ich unglaubliche Augen habe?“, vernehme ich.

„Ich bin bestimmt nicht der erste, der Ihnen das sagt“, vermute ich und halte eine dunkelgraue Hose in den Händen. Ja, die könnte passen.

Jetzt lacht sie wieder.

„Nein, aber das hat mir noch nie ein Mann gesagt, den ich erst seit ein paar Minuten kenne. Obwohl – eigentlich kenne ich Sie ja gar nicht. Wie heißen Sie überhaupt?“

„Alex Johnson“, gebe ich bekannt und schüttele innerlich den Kopf. Ich habe mich noch nie einer Frau durch eine geschlossene Toilettentür vorgestellt, hinter der ich ohne Hose stehe.

„Ich heiße Sarah“, höre ich.

Jetzt halte ich den Slip in der Hand, und zwar einen aus Lack. Naja, es hätte schlimmer kommen können.

„Freut mich sehr, Sarah.“

Ich stopfe die Anzughose wieder in die Tüte und nehme mir den Slip vor. Er passt wie angegossen, aber wahrscheinlich schwitze ich mich in dem Lackzeug bald zu Tode. Aber immer noch besser als ein Analplug oder eingebaute Vibrationen, die der Putzteufel womöglich auf hundert Kilometer Entfernung mit einer Fernbedienung steuern kann.

Als nächstes steige ich in die Hose. Auch sie sitzt perfekt, so weit ich das ohne Spiegel beurteilen kann.

„Der große Moment ist gekommen: Ich verlasse die Toilette“, kündige ich an und öffne die Tür. Zwei wunderschöne Augen sehen mich neugierig an. Ich schaue in den Spiegel und begegne diesen faszinierenden Augen genau dort. Für einen Sekundenbruchteil bin ich wie geblendet. Es ist, als würden mich diese Augen geradezu verhexen. So etwas habe ich noch nie erlebt.

„Na, passt doch“, findet Sarah und legt den Kopf schief. „Ich hoffe, auch der Slip findet Ihre Zustimmung?“

„Ja, er ist absolut wunderbar. Ich fühle mich wie neu geboren. Vielen Dank.“

Ich werfe einen Blick in den Spiegel und sehe das Übliche: einen großen, durchtrainierten Mann Anfang 30 mit dunklen Haaren und einem männlichen Gesicht, das viele Frauen als unwiderstehlich empfinden. Die meisten halten mich allen Ernstes für ein Model.

Ein Model! Niemals würde ich in einem Beruf arbeiten, in dem man mir sagt, was ich zu tun habe. Das könnte ich nicht ertragen. Ich bin derjenige, der sagt, wo es lang geht.

Ansonsten habe ich das gute Aussehen von meiner Mutter geerbt, die tatsächlich als Model über die Laufstege dieser Welt geschritten ist. Nur deshalb hat mein Vater sie geheiratet. Er wollte sich mit ihr schmücken und angeben, mehr nicht. Von Liebe war nie die Rede.

Meine Gedanken schweifen in die Vergangenheit.

Ich war ein niedliches Baby, ein hübsches Kind und ein attraktiver Teenager. Während meine Mitschüler Akne und Minderwertigkeitskomplexe hatten, hatte ich zarte Haut und ein stetig wachsendes Selbstbewusstsein, das auch daraus resultierte, dass mir die Mädchen scharenweise hinterher liefen. Ich kannte es nie anders, es war für mich immer normal, dass man mich wegen meines Aussehens anschwärmte und bewunderte. Gutaussehende Menschen haben es im Leben leichter; das mag ungerecht sein, aber es ist so.

Als der berufliche Erfolg und das damit verbundene Geld hinzukamen, war ich noch begehrter. Geld und Erfolg machen nun mal sexy. Ich genieße beides in vollen Zügen.

Die Frauen, die sich für mich interessieren, sind immer bildschön. Andere nehme ich gar nicht wahr, um mal ehrlich zu sein. Es heißt ja, man suche sich einen Partner aus, der dasselbe Level an Attraktivität hat wie man selbst. Da ist was Wahres dran. Oder man ist potthässlich und gleicht dieses Defizit durch ein dickes Bankkonto aus.

Ich muss jedes Mal lachen, wenn mir eine 20jährige attraktive Frau erzählt, ihre Beziehung zu einem 60jährigen Großverdiener habe nicht das Geringste mit seinem Reichtum zu tun, sondern sie liebe ihn als Mensch. Da frage ich mich doch, warum ich nicht einen einzigen Fall dieser Konstellation kenne, in der der Mann nicht vermögend ist. Gibt es ein einziges Paar mit einem gravierenden Altersunterschied, wo der Typ keine Kohle hat? Na, also. Das mal dazu.

Aber ich bin selbst jung und attraktiv, und darum müsste meine Auserwählte noch etwas mitbringen, das sie interessant für mich macht. Leider habe ich noch nicht herausgefunden, was das sein könnte. Sie müsste irgendetwas Besonderes haben oder sein, wobei mir selbst nicht klar ist, wie sich diese Besonderheit äußern sollte.

Vielleicht ist das aber auch nur eine Ausrede, um mir meine Beziehungsunfähigkeit nicht eingestehen zu müssen.

„Schön, dass Sie so verliebt in Ihr Spiegelbild sind“, reißt mich Sarah aus meinen Gedanken. „Bestimmt haben Sie in Ihrem Büro direkt vor Ihrem Schreibtisch einen Spiegel aufgestellt, in dem Sie sich den ganzen Tag lang bewundern können.“

Ich bin noch so in meinen Gedanken versunken, dass ich ihre Frozzeleien gar nicht richtig wahrnehme. Bin ich wirklich beziehungsunfähig? Und wenn ja, warum stört es mich plötzlich? Ich habe mir immer gefallen in der Rolle des Helden, der jede Frau haben kann. Es hat mir geschmeichelt, dass Frauen mich umkreisen wie Motten das Licht. Und ich war bestimmt kein Kostverächter.

Aber irgendwann hat man sich eben daran gewöhnt und es wird langweilig. Und das Gefühl, dass es all diesen Frauen nur um mein Aussehen und mein Geld geht, ist auch nicht besonders prickelnd. Es soll ihnen um mich gehen. Aber wer bin ich eigentlich, wenn ich mein Aussehen und Vermögen ausklammere?

Dass von den Damen, mit denen ich ausgehe, keine einzige in Betracht kommt, um zu meinen Eltern zu fahren, lässt tief blicken. Dass ich mir für diesen Anlass sogar eine Escortlady buchen wollte, ebenfalls. Ist das nicht ziemlich traurig?

„Äh … nein, habe ich nicht“, erwidere ich abwesend. So selbstverliebt bin ich nun auch wieder nicht. Ich weiß, dass ich gut aussehe, aber ich tänzele nicht den ganzen Tag vor dem Spiegel herum und bete mich selbst an. Dazu habe ich keine Zeit, ich muss schließlich arbeiten. Was denkt diese Frau denn von mir? Ich werde doch nicht für mein Aussehen bezahlt!

„Ich bekomme 44 Pfund für den Lackslip“, fährt Sarah fort und runzelt die Stirn. „Das scheinen Sie offenbar vergessen zu haben.“

Mein Modelgesicht scheint auf sie wenig Eindruck zu machen. Ich glaube, so wenig Eindruck habe ich noch nie auf eine Frau gemacht. Woran mag das wohl liegen?

„Ja, natürlich.“

Ich ziehe mein Portemonnaie aus der Jackentasche und halte Sarah einen Hundert-Pfund-Schein hin.

„Der Rest ist für Ihre Bemühungen“, sage ich. „Und noch mal vielen herzlichen Dank.“

Sarah sieht mich mit einem, wie ich finde, merkwürdigen Blick an.

„Hundert Pfund sind für normale Menschen mit einem normalen Job viel Geld.“

Ihre Stimme klingt vorwurfsvoll und nicht gerade freundlich.

„Dafür muss ich zum Beispiel zehn Stunden lang putzen. Und das ist eine verdammt harte Arbeit. Sie werfen mir diesen Geldschein so hin, als sei das gar nichts. Ab welchem Betrag merken Sie es eigentlich, wenn er auf Ihrem Konto fehlt?“

Perplex starre ich sie an. Was ist denn das für eine Ansprache? Ich dachte, sie freut sich über das Trinkgeld. Macht sie mich jetzt etwa an, weil ich ihr gegenüber großzügig bin? Wie wäre es denn, sich einfach darüber zu freuen? Das war doch leicht verdientes Geld!

„Hören Sie mal“, beginne ich. „Ich war in einer blöden Situation, und Sie haben mir geholfen. Dafür bin ich Ihnen außerordentlich dankbar. Darum habe ich den Betrag für den Slip ein wenig aufgerundet. Wären Sie zufriedener, wenn ich Ihnen genau 44 Pfund abzähle? Sicher nicht. In dem Fall würden Sie mich für einen Geizhals halten. Egal, was ich also mache, ich bin immer der Arsch. Was werfen Sie mir eigentlich vor? Dass ich viel Geld habe? Dazu kann ich nur sagen: Ich habe verdammt hart dafür gearbeitet und tue es immer noch. Ich werde nämlich nicht dafür bezahlt, dass ich mich den ganzen Tag im Spiegel bewundere. Ich ackere rund um die Uhr.“

„Mir kommen die Tränen.“ Sarahs Augen blitzen streitlustig. „Glauben Sie nicht, dass andere Menschen auch verdammt hart arbeiten? Mit dem Unterschied, dass Sie in Saus und Braus leben und andere gerade mal so über die Runden kommen. Die müssen möglicherweise einen ganzen Monat von dem leben, was Sie für ein einziges Essen ausgeben.“

„Dann machen sie eben den falschen Job“, erkläre ich. „Es ist doch wohl klar, dass man als Putzfrau keine Millionen scheffeln kann. Augen auf bei der Berufswahl, kann ich da nur sagen. Jeder kann etwas aus seinem Leben machen, wenn er fleißig und beharrlich ist. Den meisten Menschen fehlen allerdings Visionen und Durchhaltevermögen. Das ist ihr Problem.“

Sarah läuft vor Wut knallrot an.

„Sie sind so ein arroganter Schnösel, wie alle reichen Leute“, faucht sie los. „Mr Johnson, nur mal zu Ihrer Info: Nicht alle Menschen haben alle Möglichkeiten und gute Voraussetzungen. Einige müssen sofort nach der Schule arbeiten gehen, weil sie sich kein Studium finanzieren können.“

„Na und? Sie könnten arbeiten gehen, um sich das Studium zu finanzieren“, schlage ich vor. „Das wäre doch auch eine Möglichkeit, oder?“

Sarah zieht ihre Augenbrauen zusammen.

„Mussten Sie das auch tun? Oder haben Ihnen Ihre Eltern eine Penthouse Wohnung und ein schnittiges Auto finanziert?“

Warum greift sie mich so an? Ist sie neidisch, dass ich es zu etwas gebracht habe, während sie putzen gehen muss? Das ist ja wohl wirklich nicht meine Schuld.

„Nein, haben sie nicht“, sage ich mit Nachdruck. „Falls es Sie interessiert: Ich war tatsächlich einer von denen, die sich ihr Studium selbst finanzieren mussten. Sie liegen falsch, wenn Sie denken, meine Eltern hätten mich mit dem Goldlöffel aufgezogen. Eher im Gegenteil. Die Penthouse Wohnung und das schnittige Auto habe ich mir selbst erarbeitet. Während meines Studiums hatte ich ein WG-Zimmer und ein Fahrrad. Von meinen Eltern gab es nichts, absolut gar nichts.“

Noch immer gibt mir das einen feinen Stich ins Herz. Meine Eltern hatten und haben zwar genug Geld, waren aber der Ansicht, dass ihr Sohn daraus keinerlei Vorteile ziehen sollte. Ich sollte mir alles selbst aus eigener Kraft erarbeiten. Obwohl es für sie ein Klacks gewesen wäre, haben sie mich bei meinem Studium in keinster Weise unterstützt.

Ich fand das damals echt bitter. Andere Eltern, die kaum Geld hatten, haben ihr letztes Hemd für ihre Kinder hergegeben. Es tat weh, das bei meinen Kommilitonen mitzuerleben. Aber ich habe die Zähne zusammen gebissen und mich durchgeboxt. Allein. Und ich habe es geschafft, auch ohne Hilfe. Darauf bin ich verdammt stolz.

„Okay.“ Sarah sieht mich zweifelnd an. Wahrscheinlich glaubt sie mir kein Wort. „Was haben Sie denn studiert?“

„Ich habe Architektur studiert, später zuerst Luxushotels eingerichtet, dann private Villen und seit neuestem Boote“, führe ich aus. „Das heißt, ich kaufe alte Kähne günstig ein und lasse sie aufwendig sanieren, ganz individuell. Das Geschäft boomt seit einiger Zeit wie verrückt. Jeder hat ein Boot oder gleich mehrere, aber meine Boote sind etwas ganz Besonderes. Und jeder möchte etwas Besonderes haben, weil er etwas Besonderes sein will.“

Zufrieden schaue ich mein Spiegelbild an. Da habe ich wirklich eine bombastische Idee gehabt. Ich kann gar nicht so viele Boote aufkaufen, wie die gelangweilten Millionäre kaufen wollen. Und die Gewinnspanne ist gigantisch. Eigentlich bräuchte ich nie wieder arbeiten zu gehen.

Bloß: Mir macht mein Beruf verdammt viel Spaß. Ich liebe es, kreativ zu sein und aus einem alten Kahn ein außergewöhnliches schwimmendes Zuhause zu machen. Der Vorher-Nachher-Effekt ist einfach Wahnsinn und begeistert mich jedes Mal aufs Neue. Und die neuen Besitzer sind total glücklich, weil sie etwas Schönes erworben haben. Da freue ich mich wirklich mit, wenn sie vor dem Unikat-Schiff stehen und völlig ausflippen vor lauter Freude. Diese Freude habe ich ihnen geschenkt. Das ist ein wunderbares Gefühl.

Zum ersten Mal glimmt so etwas wie Interesse in Sarahs unbeschreiblich schönen Augen auf. Aber es erlischt gleich wieder, und der nächste Angriff folgt.

„Sie hatten also eine zündende Idee, immerhin. Aber haben Sie mal darüber nachgedacht, dass Erfolg in erster Linie von Glück und Zufall abhängen?“

Sie stemmt ihre Hände in die Hüften.

„Andere haben auch gute Ideen, aber die versickern einfach, weil ihnen niemand eine Chance gibt. Sie, Mr Johnson, haben verdammt viel Glück gehabt. Das sollte Ihnen klar sein, und dafür sollten Sie auch dankbar sein.“

„Ich bin dankbar“, sage ich mit Nachdruck.

Sarah schüttelt den Kopf.

„Dankbare Menschen sind nicht so arrogant. Sie hätten sich mal sehen sollen, mit was für einer herablassenden Geste Sie mir den Hundert-Pfund-Schein überreicht haben. So nach dem Motto: 'Hier, du armer kleiner Schrubber, nimm mal das Almosen, du hast es sicher bitter nötig.'“

„Ist das nicht so? Sie können das Geld doch sicher gut gebrauchen.“

Mist, das ist mir jetzt so herausgerutscht. Das wollte ich eigentlich nicht sagen. Das hört sich jetzt wirklich sehr herablassend an, da hat sie schon Recht.

„Nein, das ist nicht so.“

Bebend vor Zorn kramt Sarah in ihrem Portemonnaie herum und hält mir einen 50-Pfund-Schein vor die Nase.

„Hier ist Ihr Wechselgeld.“

Jetzt zählt sie allen Ernstes noch weitere sechs Pfund ab und wirft sie auf den Waschtisch.

„Ich hätte Sie in Ihrer nassen Hose einfach da stehen lassen sollen“, wütet sie. „Mal sehen, wie weit Sie damit gekommen wären. Und jetzt müssen Sie sicher schleunigst zu einem wichtigen Termin mit einem anderen reichen Arschgesicht, dem Sie gleich diese Anekdote erzählen können.“

Ich schnappe nach Luft. Was habe ich ihr eigentlich getan? Ich wollte doch nur nett und großzügig sein. Warum kriegt sie das permanent in den falschen Hals?

„Sie sollten mal darüber nachdenken, wie Sie mit Menschen umgehen“, tobt Sarah weiter. „Menschen mit wenig Geld sind nicht automatisch Menschen zweiter Klasse. Kohle macht Menschen nicht zu etwas Besserem, eher im Gegenteil.“

Die Frau hat aber wirklich schwer einen an der Waffel, tolle Augen hin oder her.

„Und Sie sollten mal darüber nachdenken, ob Sie nicht vielleicht ein bisschen hysterisch sind.“ Ich schüttele den Kopf.

„Oder neidisch. Oder beides. Finden Sie nicht, dass Sie total überreagieren?“

„Nein, das finde ich nicht. Ich bleibe dabei, dass Sie ein selbstverliebter, arroganter Schnösel sind, der keinen Respekt vor Menschen hat, die wirklich hart ackern in Jobs, die ganz offensichtlich unter Ihrer Würde sind.

---ENDE DER LESEPROBE---