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Nach ihren Erlebnissen in Das Fest und Die Außenseiter werden Sahila Atar und Kay Boehm durch gemeinsame Träume auf eine Spur gestoßen, die sie in die rätselhafte Welt des Musikers Eric Zann führt – eine Welt, in der Melodien die Grenzen zwischen den Dimensionen verwischen und unsägliche Schrecken freisetzen können. Ähnlich zu Fiona Schallers neuestem Song namens Have you seen the yellow sign?, der Menschen in seinen Bann zieht und zu beunruhigenden Phänomenen führt. Während Sahila und Kay versuchen, die Wahrheit hinter Zanns verschwundener Musik zu enträtseln, geraten sie in ein Netz aus Verschwörungen, das weit über die sichtbare Realität hinausgeht. Doch diesmal wollen sie agieren – und nicht länger nur reagieren. Die Musik des Eric Zann ist der neueste Band der Serie Verfluchte Träume, die mit dem Prolog Träume im Heckenhaus begann.
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2025
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In dieser Reihe bisher erschienen:
2101 William Meikle Das Amulett
2102 Roman Sander (Hrsg.) Götter des Grauens
2103 Andreas Ackermann Das Mysterium dunkler Träume
2104 Jörg Kleudgen & Uwe Voehl Stolzenstein
2105 Andreas Zwengel Kinder des Yig
2106 W. H. Pugmire Der dunkle Fremde
2107 Tobias Reckermann Gotheim an der Ur
2108 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Xulhu
2109 Rainer Zuch Planet des dunklen Horizonts
2110 K. R. Sanders & Jörg Kleudgen Die Klinge von Umao Mo
2111 Arthur Gordon Wolf Mr. Munchkin
2112 Arthur Gordon Wolf Red Meadows
2113 Tobias Reckermann Rückkehr nach Gotheim
2114 Erik R. Andara Hinaus durch die zweite Tür
2115 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo
2116 Adam Hülseweh Das Vexyr von Vettseiffen
2117 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 2
2118 Alfred Wallon Salzburger Albträume
2119 Arno Thewlis Der Gott des Krieges
2120 Ian Delacroix Catacomb Kittens
2121 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 3
2122 Tobias Reckermann Gotheims Untergang
2123 Michael Buttler Schatten über Hamburg
2124 Andreas Zwengel Finsternacht
2125 Silke Brandt (Hrsg.) Feuersignale
2126 Markus K. Korb Treibgut
2127 Tobias Reckermann (Hrsg.) Drommetenrot
2128 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 4
2129 Peter Stohl Das Hexenhaus in Arkheim
2130 Silke Brandt (Hrsg.) Das Kriegspferd
2131 Anton Serkalow Berge des Verderbens
2132 Klaus-Peter Walter Sherlock Holmes gegen Cthulhu
2133 T. E. Grau Diese alten und dreckigen Götter
2134 Anton Serkalow Träume im Heckenhaus
2135 Michael Buttler Die Astronautenvilla
2136 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 5
2137 Anton Serkalow Das Fest
2138 Julia A. Jorges Hochmoor
2139Manuela Schneider Unbekannter Feind
2140 Jörg Kleudgen & Uwe Voehl Halligspuk
2141 Anton Serkalow Die Aussenseiter
2142 Jörg Kleudgen & Uwe Voehl Halligspuk
2143 Tobias Reckermann (Hrsg.) Kryptologicae
2144 Michael Blihall Die Brücke
2145 Erik Schreiber Die geheimnisvolle Dschungelstadt
2146 Anton Serkalow Die Musik des Eric Zann
2147 Nikolaus Schwarz Teufelswacht
H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens
Buch 46
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© 2025 Blitz Verlag
Ein Unternehmen der SilberScore Beteiligungs GmbH
Mühlsteig 10 • A-6633 Biberwier
Redaktion: Danny Winter
Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney
Logo: Mark Freier
Vignette: Jörg Kleudgen
Satz: Gero Reimer
2146 vom 15.02.2025
ISBN: 978-3-689-84294-9
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Über den Autor
„We are like the dreamer who lives inside the dream. But who is the dreamer?“
David Lynch
„Die Leute in dieser Stadt werden immer verrückter.“ Ivo Dragicevic betätigte wiederholt die Hupe. Es reichte ja nicht, dass die Straßen eh total verstopft waren, obwohl nicht einmal Rushhour herrschte. Nein. Kaum, dass die ersten Sonnenstrahlen den Matsch von den Straßen vertrieben hatten, der hier als Schnee bezeichnet wurde, mussten sie sich alle nur noch im Freien aufhalten und spontane Sit-ins veranstalten. Oder was war das da vor ihm jetzt? Ivo drückte noch einmal die Hupe, doch die Gruppe von Menschen, die sich auf der Kreuzung versammelt hatte, reagierte nicht einmal im Ansatz darauf. Was auch insofern erstaunlich war, dass Ivo nicht der Einzige und nicht der Erste war, der völlig entnervt hinter dem Steuer seines Wagens hockte und durch die Windschutzscheibe auf die Gruppe starrte. Tja. Leider lief es nie so, wie es in TV-Krimis gerne dargestellt wurde. Ivo konnte jetzt nicht einfach ein Blaulicht aus dem Handschuhfach holen, aufs Dach klemmen die Menschenansammlung damit auflösen. Dennoch stellte der Kommissar seinen Wagen auf Parken und stieg aus. Nicht einmal sein Dienstausweis würde ihm etwas nützen. Er war nicht im Dienst. Müsste also eigentlich die Leute von der Verkehrswacht benachrichtigen. Nun denn. So weit musste es ja nicht kommen. Ivo straffte unbewusst die Schultern, hob die Brust und ging langsam auf die Gruppe zu.
Im Hintergrund ertönten die ersten Beifallsbekundungen, dass sich jetzt endlich einmal jemand der Sache annahm.
Es war nicht nur der Instinkt des Bullen, der Ivo, je mehr er sich der Ansammlung näherte, das Gefühl vermittelte, ihm würde jemand ganz vorsichtig in den Nacken pusten. Etwas stimmte doch mit denen überhaupt nicht. Die standen alle auf einem Fleck, blockierten die Kreuzung, aber sie schienen keinerlei Regeln zu folgen. Die Art, wie sie zusammengekommen waren, ließ jede Organisation vermissen. Das war nicht irgendein spontaner Protest.
Was taten die da?
Je näher Ivo der Gruppe kam, umso stärker wurde das Gefühl, dass hier irgendetwas so ganz und gar nicht mit rechten Dingen zuging. Die Leute standen einfach da, als wären sie in ihrer jeweiligen Tätigkeit unterbrochen und irgendwie versteinert worden und starrten alle auf ihre Smartphones. Einige hielten die Geräte gar nicht in der Hand, dafür allerdings einen Finger auf den Ohrstöpsel gepresst, was Ivo schnell darauf schließen ließ, dass sie alle gemeinsam etwas hörten.
Die sahen aus wie Zombies, die auf Befehle warteten, ging es dem Kommissar durch den Kopf.
Er räusperte sich. „Ähm, entschuldigen Sie. Mein Name ist Ivo Dragicevic und ich bin Kommissar bei der Polizei. Könnten Sie bitte die Straße freigeben?“
Niemand reagierte.
Ivo war jetzt nah genug heran, dass er Einzelheiten wahrnehmen konnte. Nichts deutete darauf hin, dass die Leute sich kannten, dass sie irgendetwas gemeinsam hatten, außer, dass sie jetzt hier zusammenstanden, als hätte man Gummibärchen aus einer Tüte gekippt, und unter irgendeinem Bann zu stehen schienen.
Ivo tippte einer älteren Dame, die ihm am Nächsten stand, vorsichtig auf die Schulter. Sie reagierte aber nicht wie erwartet. Die Frau bewegte den Kopf ganz langsam in seine Richtung. Flüchtig dachte Ivo an eine Schlafwandlerin. Der gleiche abwesende Blick, die gleichen starren Augen.
„Have you seen the yellow sign?“
„Würden Sie bitte ... was?“ Ivo stockte. Die Frau hatte den Kopf wieder weggedreht, aber jetzt erkannte der Kommissar, dass es doch eine Gemeinsamkeit gab, die alle in dieser Gruppe verband. Sie murmelten, wie unter einem Zwang stehend, nicht unbedingt in musikalischem Einklang, alle diese Worte:
„Have you seen the yellow sign?“
Was war hier los?
Das Gefühl, dass ihm jemand in den Nacken blies, ließ die Vorstellung in Ivo aufsteigen, dass es sich bei diesem Wesen um einen Vampir handelte.
„Have you seen the yellow sign?“
Die Worte wurden von einer Melodie begleitet, und wie Ivo jetzt erfasste, ertönte die aus den Geräten, die nicht ihre akustische Information über Ohrhörer abgaben. Alle in der Gruppe hatten den gleichen glasigen Blick, alle wiederholten die Worte.
„Have you seen the yellow sign?“
Ivo taumelte. Ein Sog erfasste ihn, als würde sich der Straßenbelag unter ihm auftun und eine endlose Schwärze öffnen, in die er jetzt hinabschweben würde. Ein Gefühl, wie kurz vor dem Einschlafen, wenn alle Muskeln entspannten und dann noch einmal zuckten und ...
„Have you seen the yellow sign?“
Mit einem Schlag war es vorbei.
Nicht nur Ivo hatte offensichtlich den Eindruck, als wäre er aus einem wirren Traum erwacht. Die Leute vor und um ihn herum schauten auf, blickten einander erschrocken in die Gesichter. Fragende Blicke irrten umher, Lippen formulierten lautlose Unsicherheiten. Wie und wann war er, Ivo Dragicevic eigentlich in diese Ansammlung gelangt?
Die Leute gingen auseinander. Innerhalb weniger Sekunden war die Kreuzung frei. Im Hintergrund ertönte das Geräusch der ersten Motoren, die angelassen wurden. Ivo musste sich beeilen, zu seinem eigenen Fahrzeug zurückzukommen, damit nicht er jetzt derjenige war, der die Straße blockierte.
Verdammt, dachte er. Jetzt komme ich zu spät.
* * *
„Entschuldigung, ich stand im Stau. Ich hatte einen Termin zur Kontrolle.“
„Dann müssten Sie sich jetzt etwas gedulden, Herr Dragicevic. Nehmen Sie im Wartezimmer Platz.“
„Danke.“
Ivo betrat das Wartezimmer, murmelte einen leisen Gruß, der von keinem der anderen drei anwesenden Menschen wirklich beantwortet wurde, hing seine Jacke auf und setzte sich auf einen freien Stuhl. Ohne groß darüber nachzudenken, griff er nach einer der Zeitschriften, die auf dem flachen Tisch in der Mitte des Wartezimmers lagen. Wer las heute eigentlich noch Zeitungen? Also, so gedruckte? Wahrscheinlich überlebten die alle nur durch Auslieferungen an Arztpraxen. Eventuell noch Frisörsalons? Ivo grinste. Dann erst erfasste sein Hirn die Information, die seine Augen längst dem Titelblatt entnommen hatte. Die Schlagzeile hätte zu einem Boulevardblatt gepasst. Aber er hielt ein Kunstmagazin in der Hand, das vom Druck und der Beschaffenheit schon als Bildkatalog durchgehen würde.
„Ausstellung im MMK lässt Besucher*innen teilweise in Ohnmacht fallen!“
Ivo schlug den entsprechenden Artikel auf.
„Die Sonderausstellung Das Grauen im Museum – Die Faszination des Horrors in der Popkultur. Was vor der Eröffnung der Ausstellung vor vier Wochen noch als Marketingaktion durchgegangen wäre, scheint sich als durchaus notwendige Vorsichtsmaßnahme zu erweisen. Ein Teil der Ausstellung ist nur volljährigen Personen der Zutritt gestattet, und mittlerweile ist das Museum für Moderne Kunst auch dazu übergegangen, sich zusätzlich eine Erklärung unterschreiben zu lassen, um von jeglicher Haftung entbunden zu werden. Aus verständlichen Gründen dürfen wir keines der Exponate dieser Sonderexposition innerhalb der Sonderausstellung abbilden, aber wir unternahmen den Versuch einer Annäherung und einer Analyse. Was ist dran an den Werken eines Georg Roglers, dessen Kunst der Erschaffung von Wachsfiguren ein Relikt längst vergangener Epochen zu sein scheint, wo man noch Menschen mit körperlichen Missbildungen auf Jahrmärkten ausstellte, und die doch offensichtlich auch heute teilweise drastische Reaktionen bei den Besucher*innen auslöst. Wobei es besonders ein Exponat ist, das hier gesondert aus dem an sich schon, ungewöhnlichen Repertoire des Künstlers Georg Rogler heraussticht und das wohl erst knapp vor der Eröffnung fertiggestellt wurde. Worte scheinen kaum zu genügen, jenes Ding, jene Kreatur zu beschreiben. Sie dürften die Leser*innen lediglich an Monster aus Geschichten denken lassen, die vor einhundert Jahren ihre Blütezeit in einem amerikanischen Groschenheftmagazin namens Weird Tales feierten.“
Ivo schüttelte den Kopf. Mit Kunst konnte er eh nichts anfangen. Bei den meisten Werken, die unter diesem Namen ausgestellt und für teuer Geld verkauft wurden, konnte er sich nur mit Mühe verkneifen, zu sagen: „Mach isch disch für die Hälfte.“ Aber das, was hier beschrieben wurde? Er unterdrückte ein Grinsen. Rüssel? Kiemen? Tentakel? Schwarze Pfoten mit Scheren?
„... einer der verblüffendsten Aspekte von Roglers finalem Werk ist allerdings, dass er die Kreatur so gestaltet hat, als hätte er sich an Damien Hirsts Arbeiten aus den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts orientiert. Wenn man das Wesen von hinten betrachtet, sieht es aus, als wäre es der Länge nach durchgeschnitten und dann konserviert worden. Was ihm einerseits den Touch eines Exponates in einem Naturkundemuseum verleiht, auf der anderen Seite aber gleichzeitig an eine billige Theaterkulisse denken lässt. Womit die Arbeit auf der Metaebene ...“
„Was?“
Ivo zuckte zusammen.
„Der Länge nach durchgeschnitten?“
Seine Augen huschten über die Zeilen. Lasen sie noch einmal und noch einmal. Es blieb dabei. Das konnte doch kein Zufall sein. Der Kommissar legte die Zeitung auf den Tisch zurück und zog sein Smartphone hervor. Dabei bemerkte er, dass die anderen drei Personen im Wartezimmer ihn vorwurfsvoll musterten. Offenbar hatte er die letzten Worte unbeabsichtigt laut ausgesprochen. Von der Überlegung, sich dafür eventuell zu entschuldigen, wurde Ivo entbunden, da die Sprechstundenhilfe in der Tür erschien und Frau Radulescu aufrief.
Der Kommissar vertiefte sich in seiner Recherche, und als er die entsprechende Telefonnummer gefunden hatte, setzte er dazu an, diese zu wählen. Im letzten Augenblick hielt Ivo inne und blickte auf. Die verbliebenen Personen starrten ihn unverhohlen wütend an.
„Äh. Ich ...“ Er stand auf. „Geh dann mal nach draußen.“
Während Ivo dies sagte und aufstand, wurde bereits die Verbindung hergestellt.
„Ivo Dragicevic. Kommissar Ivo Dragicevic. Ich würde gerne mit einem Verantwortlichen für die Ausstellung, also für dieses Ding da, von diesem ... Rogler. Ja genau Rogler, sprechen. Dieses durchtrennte ... Nein. Es geht nicht um eine Schadensersatzforderung, ich bin vom LKA ... es scheint nur, als gäbe es bei diesem ... diesem Ding ... erstaunliche Parallelen zu einem Fall, den wir ... Also mehr darf ich verständlicherweise nicht dazu sagen. Mir würde auch ein Bild genügen ... geht nicht? Gut. Dann komme ich einfach mal vorbei. Es ist ja erst ...“ Ivo nahm das Smartphone herunter, um die Uhrzeit abzulesen.
Hinter ihm beugte sich die Sprechstundenhilfe über den Tresen.
„Herr Dragicevic, Sie könnten schon einmal im Zimmer 2 Platz nehmen.“
Ivo winkte nach hinten ab.
„Ich melde mich wegen eines neuen Termins. Das hier ist ... ich muss ... das ist dienstlich.“
* * *
„Das ist wirklich ...“
„Beeindruckend, nicht wahr? Obwohl ich gestehe, dass es mir auch immer noch ein ziemlich komisches Gefühl verursacht.“
Der Angestellte des Museums, der dem Kommissar zur Seite gestellt worden war, um ihn zu der Figur zu führen, hatte den gesamten Weg dazu genutzt, Ivo die Ausstellung zu erläutern, als wäre der Kommissar ein Besucher, der an den künstlerischen Aspekten interessiert war.
Nein, das meinte ich nicht, dachte Ivo. Dieses Ding, diese Kreatur, die war in seinen Augen lediglich einem kranken Geist entsprungen. Sicher, sie strahlte etwas aus, dass über sein Verständnis von Kunst weit hinausging, und vielleicht war es das, was bei einigen der Menschen, die sie betrachteten, diese Reaktionen auslöste. Leute, die halt geistig nicht so gefestigt waren. Nein, was der Kommissar meinte, waren die verblüffenden Parallelen zu zwei Fällen. Zwei Fällen, an denen sein ehemaliger Kollege Harald Offenberger gearbeitet hatte. Offenberger, von dem es hieß, dass er Suizid begangen haben sollte. Nachdem er und Ivo an dem Fall des Musikers Eric Zann gearbeitet hatte. Zann. Dessen Leiche genauso drapiert worden war wie diese Figur, von diesem Georg Rogler hier vor ihm in dieser Ausstellung. Das konnte doch einfach kein Zufall sein.
„Wie kann ich den ... den Erschaffer dieser Krea... dieses Kunstwerkes erreichen?“
„Ähm? Wie?“
„Ich müsste diesem Rogler ein paar Fragen stellen.“
„Ach so. Ja, also. Herr Rogler ist im Moment leider nicht abkömmlich.“
„Bitte?“
„Ah. Entschuldigen Sie. Sie sagten ja, dass das irgendwie mit einem Fall, den Sie bearbeiten, zusammenhängt. Also Herr Rogler ist noch kurz vor der Eröffnung der Ausstellung in die Vereinigten Staaten gegangen. Laut Frau Winkler ist das für ihn normal. Dass er sich einfach immer mal eine längere Auszeit nimmt und für niemanden erreichbar ist. Und dann irgendwann mit neuen, aufsehenerregenden Arbeiten zurück...“
„Und diese Frau Winkler?“
„Sie meinen Judith Winkler? Das ist die Kuratorin der Ausstellung und eine enge Bekannte von Georg Rogler. Im Grunde seine einzige. Ein Stück weit auch so etwas wie seine Managerin. Ohne sie wäre Rogler mit seinen Wachsfiguren sicherlich nicht mehr ...“
„Wie kann ich die erreichen?“
„Äh? Ja. Also Frau Winkler hat sich ebenfalls eine Auszeit genommen und ist ...“
Diesmal genügte es, dass Ivo eine Augenbraue in die Höhe zog, und der Redefluss seines Gegenübers versiegte abrupt.
„Gibt es denn irgendjemanden, den ich zu diesem ... diesem Ding da befragen kann?“
„Also. Ja. Da wäre Kay Boehm.“
Ein Moment verstrich, der in Ivo das Gefühl erzeugte, dass von ihm erwartet wurde, dass er diesen Namen kennen müsste, wie jeden anderen, den der Kerl in den letzten Minuten, seit er den Kommissar durch das Museum begleitete, heruntergeleiert hatte.
„Äh. Das ist so ein, eine ... also der ist Make-up-Artist, und Frau Winkler hat ihn engagiert, da Herr Rogler zum Schluss etwas in Verzug geraten war. Die Arbeiten von Boehm ...“
„Gut. Und wie erreichte ich Herrn Boehm?“
„Also Sie meinen ... they.“
„They?“
„Boehm definiert sich als genderfluid, beziehungsweise als nonbinär. Darum bevorzugt they das geschlechtslose, englische Pronomen ...“
Diesmal stieß Ivo geräuschvoll die Luft aus.
„Ja. Also Boehm hat einen Videochannel. Da es ja eine Impressumspflicht gibt ...“
Ivo holte sein Smartphone hervor und entsperrte das Display.
„Die Adresse?“
„Steht im Impressum!“
„Die URL?“
„Ah! Sie meinen, wie der Channel heißt.“
* * *
Ivo hasste solche Telefonate. Sie klangen in seinen eigenen Ohren, wie der Abklatsch eines billigen Klischees. Und natürlich war Madja sauer gewesen. Auch wenn er ihr gesagt hatte, dass es doch nur ein paar Stunden von Berlin nach Weimar waren. Er würde zwar später als gedacht nach Hause kommen, aber auch wieder nicht so spät.
„Und warum musst du nochmal direkt dahinfahren? Warum reicht es nicht, dass du ihm eine E-Mail schreibst und er antwortet?“