Luis und Lena - Die Zahnlücke des Grauens - Thomas Winkler - E-Book
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Luis und Lena - Die Zahnlücke des Grauens E-Book

Thomas Winkler

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Beschreibung

Wenn die Zahnfee zweimal klingelt

Nach seinem ersten Eishockey-Versuch hat Luis (12) einen Zahn weniger und dafür eine völlig durchgeknallte Zahnfee an der Backe, sichtbar nur für ihn. Dabei glaubt er doch gar nicht an solch unwissenschaftlichen Firlefanz! Die zornige »Zafezupro« (Zahnfee zur Probe) hat ein Problem: Sie braucht Luis' Zahn, sonst ist sie ihre Lizenz für immer los. Aber der ausgeschlagene Beißer wird als Trophäe von den »Wildschweinen« verwahrt – jener Clique, in die Luis nur zu gern aufgenommen würde. Als ihm seine Mitschülerin Lena zu Hilfe kommt, schöpft er Hoffnung. Vielleicht wird er die peinliche Fee doch noch los und Mitglied der »Wildschweine« …

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Seitenzahl: 135

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© 2020 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Vermittelt durch die Literaturagentur im Verlag der Autoren, Frankfurt am Main Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Geviert GbR, Grafik & Typografie

Umschlag- & Innenillustrationen: Daniel Stieglitz

TP · Herstellung: UK

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-25743-9V002www.cbj-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Probleme, nichts als Probleme

Kapitel 1 Ein ultrabeschnackter erster Schultag

Kapitel 2 Alles »okay«

Kapitel 3 Helmtrude und der See des Grauens

Kapitel 4 Wie ich zum Wildschwein wurde

Kapitel 5 Auftritt der dicken Fee

Kapitel 6 Zahn um Zahn

Kapitel 7 Von der Fee verfolgt

Kapitel 8 Der ungerechteste Verweis der Welt

Kapitel 9 Feenterror

Kapitel 10 Wie ich ein Dieb wurde

Kapitel 11 Mein allerbeschnacktester Schultag

Kapitel 12 Wie ich ein Lügner wurde

Kapitel 13 Wie ausgerechnet Lena mich vor dem Wahnsinn rettete

Kapitel 14 Wie ich versuchte, Physiker zu bleiben

Kapitel 15 Harmoniezauber? Dass ich nicht lache!

Kapitel 16 Die Problemfee

Kapitel 17 Wie ich auch noch Einbrecher wurde

Kapitel 18 Hochgeschwindigkeitsgeburtstagsfeier

Kapitel 19 Wie erst ziemlich viel schiefging, und dann plötzlich auch noch der Rest

Kapitel 20 Wie ich doch noch ein echter Freund wurde

Kapitel 21 Wie ich einen Freund bekam

Kapitel 22 Glückskekse

Nachwort Das Leben ohne Fee

Vorwort Probleme, nichts als Probleme

Zuerst eine kleine Frage: Welche der folgenden Aussagen trifft am ehesten auf dich zu?

Feen? Gibt es nicht!Ich glaube, ich habe schon einmal eine Fee gesehen.Ich sehe andauernd Feen. Aber auch Zauberzwerge, Stinktrolle, Elfen, Hexen, Riesen und Gnome. Übrigens höre ich auch Stimmen aus unserer Geschirrspülmaschine, glaube, dass unser Müllmann ein Vampir ist und dass im Wäschekorb neben dem Klo der Geist eines toten Indianers lebt.

Also bei mir traf bis vor Kurzem ganz klar a) zu. Dann ist aber diese doofe Sache mit dem Zahn passiert. Seither ist es leider b).

Natürlich geht es auch schlimmer. Viel schlimmer. So wie bei Lena. Die ist eigentlich kurz vor c). Lena sitzt in der Schule neben mir und hat gehörig einen an der Waffel. Jedenfalls denken das alle. Ich möchte nicht lästern, aber ein bisschen ist sie auch selbst daran schuld: Wenn du am Anfang des Schuljahres auf deinen Steckbrief unter den Punkt »Was ich liebe« schreibst: »Feen, Trolle und andere magische Wesen, von denen ich ganz sicher weiß, dass es sie gibt«, und wenn du dann noch aussiehst wie ein Kobold und ununterbrochen vor dich hin summst, kann es schon sein, dass deine Mitschüler einen großen Sicherheitsabstand zu dir halten. Und dass du, wie Lena, als Einzige alleine an einem Zweiertisch sitzen musst.

Okay, nicht ganz allein. Ich sitze ja nun neben ihr. Und inzwischen sind wir auch Freunde geworden und haben die Gesellschaft für Magische Katastrophen gegründet. Aber das ist erst am Ende dieser Geschichte passiert, als ich schon fast ein richtiger Eishockeyspieler bei den Wildschweinen war. Angefangen hat das alles nämlich viel, viel blöder …

Denn weißt du, was richtig kacke ist?

Moment. Darf man »kacke« überhaupt in einem Buch schreiben? Nicht, dass du beim nächsten Weihnachtsfest von deiner Oma gefragt wirst, wie du ihre Plätzchen findest, und du dann antwortest: »Omi, die sind echt kacke!«

Auch wenn du jedes Jahr bei deiner Oma dieselben trockenen Kokosfelsen, Staubsterne und Zimtwürger aufgetischt bekommst – so was sagt man einfach nicht!

Wenn dich dann also deine Tante fragt, woher du überhaupt solche Ausdrücke kennst, zieh ja nicht dieses Buch raus und schieb die ganze Sache auf mich!

Damit das erst gar nicht passieren kann, werde ich ein Ersatzwort erfinden. Wie wäre es mit »schnacke«? Genial, oder?

So, und jetzt kannst du selbst sehen, wie du aus dem riesigen Schnackhaufen wieder rauskommst, in den du dich vor deinen Verwandten an Weihnachten gesetzt hast.

Wo waren wir? Ah, genau, ganz am Anfang:

Weißt du, was richtig schnacke ist? Richtig schnacke ist es, von Berlin in ein kleines Kaff in Bayern zu ziehen, wo du niemanden kennst und keine Sau dich kennt. Besonders schnacke ist es, wenn du nur mit deiner Mama umziehst und dein Papa in Berlin bleibt, weil deine Eltern seit Jahren getrennt leben. Und ultraschnacke ist es, wenn du dann einen ersten Schultag wie ich erlebst …

Kapitel 1 Ein ultrabeschnackter erster Schultag

Vergangenes Frühjahr eröffnete Mama mir plötzlich beim Abendessen, dass sie sich auf eine Stelle beworben habe. Nicht in Berlin, sondern irgendwo im tiefsten Bayern! Und dass wir daher wegziehen müssten. Ganz weit weg. So hinter-den-sieben-Bergen-bei-den-sieben-Zwergen-weit.

Deshalb hatte sie im Sommer angefangen, eine Wohnung in dem Städtchen ganz nah an den Alpen zu suchen, wo sie eine Stelle als Zahnarzthelferin bekommen hatte. Und am Ende der Weihnachtsferien sind wir dann dort hingezogen.

Natürlich habe ich geschimpft, gebettelt und geflennt wie verrückt – schließlich wohnen alle meine Freunde und auch mein Vater in Berlin –, aber es half nichts. Meine Mutter sagte, es tue ihr schrecklich leid, aber umstimmen ließ sie sich nicht.

Ich wollte an meiner neuen Schule so schnell wie möglich Freunde finden. Da gibt es nur ein klitzekleines Problem: Leider bin ich nicht so der ultracoole Typ, sondern eher ein Wissenschaftsnerd. Und leider sieht man mir das auch an: Ich trage eine Brille und habe einen ziemlichen Quadratschädel. Meine Freunde aus der Astronomie AG in Berlin haben immer gesagt, mein Kopf wäre so groß, dass er sicherlich bald von einem eigenen Mond umkreist würde. (Das ist ein irre lustiger Astronomiewitz, den Nicht-Astronomen aber wahrscheinlich nicht ganz so irre finden).

An meinem alten naturwissenschaftlichen Gymnasium gab es solche wie mich in Scharen. Für meine neue Schule befürchtete ich aber das Schlimmste. Mein Plan für den ersten Schultag war daher schnell klar: coole Klamotten, cooles Auftreten, cooles Vorstellungsgespräch vor der Klasse, cooler Sitznachbar.

Leider machte mir als Erstes meine Mutter einen Strich durch die Rechnung. Sie hat immer wahnsinnig viel Angst, dass ich krank werden oder mir etwas anderes Furchtbares zustoßen könnte. Deshalb zwang sie mich, meinen coolen Hoodie und die Sneakers aus- und den doofen grünen Anorak mit dem kaputten Reißverschluss anzuziehen und dazu auch noch die behämmerten grünen Winterstiefel. Und weil ich meinen grünen Helm nicht aufgesetzt hatte, pfiff sie mich noch einmal zurück, als ich schon an den Fahrradständern vor unserem Haus stand.

Damit war mein Zeitplan, den ich mir überlegt hatte, um bloß nicht zu spät zu kommen, komplett im Eimer. Während ich wie ein Bekloppter zur Schule strampelte, rechnete ich meine Verspätung aus:

Coole Kleidung ausziehen und uncoole anziehen

4 Minuten

Treppenhaus hochrennen + Helm aufsetzen

3 Minuten

Sicherheitsbelehrungen von Mama

3 Minuten

Brillante Gegenargumente von mir

0,5 Minuten

Gesamte Verspätung (gerundet)

11 Minuten

Mit dem dicken Winterzeug und dem Helm sah ich aus, als wollte ich auf eine Marsmission gehen, und nicht wie ein cooler Typ, der seinen ersten Auftritt vor der neuen Klasse hinlegt.

Als ich zehn Minuten nach Unterrichtsbeginn schwer atmend vor der geschlossenen Klassenzimmertür stand, nahm das Unheil seinen Lauf: Ich bekam den defekten Reißverschluss an der Jacke nicht auf. Ich probierte alles, nichts half. Also versuchte ich panisch, mich aus meinem Gefängnis zu schälen. Mit Stöhnen und Würgen zerrte ich den Kragen über meinen Kopf. Erst dann fiel mir auf, dass ich den blöden Astronautenfahrradhelm noch aufhatte. Den hatte ich in der Aufregung einfach vergessen. Doch die Arme aus den Ärmeln ziehen, ging auch nicht, weil die Jacke zu eng war. Mama hatte sie letztes Jahr »auf Zuwachs« gekauft. Ich steckte also fest!

Blindlings torkelnd rumpelte ich bei meinen Befreiungsversuchen ein paarmal gegen die Klassenzimmertür. Mir war schnack-heiß und ich bekam kaum noch Luft.

Irgendwann wurde die Tür geöffnet. »Du musst Luis sein«, sagte eine Frauenstimme. Ganz sicher bin ich mir da aber nicht, weil ich im Inneren der Jacke alles nur dumpf hörte. Gegen meinen lautstarken Protest wurde ich ins Klassenzimmer geführt. Augenblicklich brach so lautes Gelächter aus, dass ich es sogar bei mir in der Jacke prima mitbekam. Die Lehrerin befreite mich mit einem kräftigen Ruck am Reißverschluss. Erst wurde es ganz still. Dann lachten alle noch mehr, als sie mich mit meinem knallroten, verschwitzten Gesicht und den beschlagenen Brillengläsern sahen.

Nachdem sich die Klasse wieder beruhigt hatte, verkündete die Lehrerin: »Willkommen, Luis, ich bin deine Klassenlehrerin Frau Schnacke.« (Ich schwöre, sie heißt wirklich so!) Dann fuhr sie fort: »Liebe 6c, das ist euer neuer Mitschüler: Luis Waldemar Kessler.«

Es dauerte nur eine Sekunde, bis es aus einem Jungen herausplatzte. »Waldemar!«, brüllte er und alle warfen sich gleich noch mal weg vor Lachen.

Und dann fragte mich die Lehrerin aus: Woher ich komme und was ich mache – das volle Programm eben. Und ich Idiot war so verwirrt, dass ich gar nicht cool, sondern ganz ehrlich antwortete und alles erzählte, was ich eigentlich bei meinem ersten Auftritt hatte verschweigen wollen: dass ich an meiner alten Schule in der Forschergruppe, im Technikteam und in der Astronomie-AG gewesen war und mich brennend für alles Naturwissenschaftliche interessiere.

Meine neuen Mitschüler schauten mich an, als käme ich tatsächlich vom Mars.

Das war’s, dachte ich, als ich zum einzigen freien Platz in der Klasse schlich, schon am ersten Tag ist mein Schicksal also besiegelt.

Allerdings war das noch nicht das Ende – denn erst jetzt sah ich, neben wem ich sitzen würde: neben einem blassen Koboldmädchen mit roten Haaren, Sommersprossen und breiten Zähnen, um dessen Hals ein Steinamulett baumelte.

Ich ließ mich frustriert auf den leeren Stuhl fallen, packte meine Sachen aus und hoffte, dass sie mich zumindest nicht gleich ansprechen würde.

»Hallo, ich bin Lena«, flüsterte sie im nächsten Moment.

»Luis«, stellte ich mich kühl vor, ohne sie anzusehen.

Anscheinend wollte sie eine Unterhaltung beginnen. »Luis, du solltest …«, flüsterte sie, brach ihren Satz aber ab, als ich meinen Zeigefinger auf die Lippen legte. »Ich meine ja nur, du solltest wirklich …«, setzte Lena noch einmal an.

Ich deutete zur Tafel und zischte: »Entschuldige, aber ich würde echt gern aufpassen.«

»Wie du meinst«, sagte Lena achselzuckend und widmete sich leise summend der großen Zeichnung, die sie neben dem Eintrag in ihr Deutschheft gemalt hatte.

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass auf Lenas Bild drei dicke Trolle mit Tätowierungen und Heavy-Metal-T-Shirts in einem VW-Bus über eine Berglandschaft dem Sonnenuntergang entgegenfetzten. Abgesehen davon, dass sie echt gut zeichnen konnte, dachte ich nur: Oh nein, jetzt sitze ich auch noch neben der Klassenwahnsinnigen!

»Luis«, unterbrach in diesem Augenblick Frau Schnacke meine Gedanken. Die gesamte Klasse drehte sich zu mir um. »Bei uns kann man übrigens den Fahrradhelm im Unterricht ruhig abnehmen.«

Alle außer Lena und mir schütteten sich aus vor Lachen.

»Nee, ohne Helm wäre es hier drin wirklich zu gefährlich«, grölte ein Junge in der ersten Reihe.

»Unser neuer Sicherheitsexperte«, sagte sein Banknachbar und klatschte mit ihm ab.

Als ich meinen Helm abgenommen hatte und der Unterricht weiterlief, verstummte Lenas Summen für einen Augenblick. Ohne von ihrem Bild aufzublicken, flüsterte sie: »Das war es, was ich dir vorhin sagen wollte. Aber du musstest ja aufpassen.«

Kapitel 2 Alles »okay«

Nach diesem ersten ultrabeschnackten Schultag dachte ich, es wäre das Beste, erst einmal auf Tauchstation zu gehen, bis Gras über die Sache gewachsen sein würde.

Die Jungs aus der Klasse hatten da wohl andere Pläne: Mein Spitzname wurde »Helmtrude«. Kein schöner Name, fand ich, aber nach meinem Auftritt hätte es ja auch locker »Riesenbirne«, »Schwitzgesicht« oder »Professor T. Rottel« sein können.

Meinem Vater schrieb ich eine lange Nachricht über meinen üblen Start in Bayern, aber der antwortete mal wieder nur mit einer seiner Lebensweisheiten.

Wahrscheinlich hatte er damit sogar recht: Nach der peinlichen Katastrophe hatte ich nun tatsächlich die Chance, dass mich alle in der Klasse auf ewig für einen Schwachkopf halten konnten.

Frustriert verbrachte ich die trüben Februar-Nachmittage ganz allein und vertrieb mir die Zeit mit Messungen zur Glatteisbildung, einem Forschungsprojekt, das ich mit meinem besten Freund Lennard noch vor meinem Umzug in Berlin angefangen hatte. Es war haargenau so traurig, wie es klingt.

Wenn ich bei meinen Experimenten einsam durch die vereisten Gassen rutschte, konnte ich beobachten, dass sich die Jungs aus meiner Klasse an einem zugefrorenen Weiher vor dem Städtchen trafen. Abseits am Ufer saß auch immer Lena auf einer Bank und zeichnete, während die anderen begeistert Eishockey spielten. Alle. Jeden Tag. Von Unterrichtsschluss bis es dunkel wurde.

Und da wurde mir mit der Zeit klar, dass ich hier wahrscheinlich nie Freunde finden würde. Denn ich war erstens nicht besonders sportlich und zweitens würde mir meine Mutter so was Gefährliches wie Eishockey niemals erlauben.

Aber mich fragte ohnehin niemand, ob ich mitspielen wollte. Also brütete ich nach der Schule weiter über der Auswertung meiner Glatteisdaten, las Wissenschaftsbücher und gaffte aus dem Fenster. Keine Freunde zu haben, ist echt bescheuert.

Vielleicht hätte ich mich mit der durchgeknallten Lena anfreunden können, aber die war mir wirklich zu eigenartig. Und so saßen wir mehrere Wochen nebeneinander im Unterricht. Schweigend. Das heißt, nicht ganz: Lena summte ja durchgehend, wenn sie ihre Fantasiebilder zeichnete. Das trieb mich langsam, aber sicher in den Wahnsinn. Vor allem, weil sie in den Klassenarbeiten trotzdem immer super Noten bekam. Obwohl sie nie aufpasste. Sogar in Mathe und Bio war sie manchmal besser als ich. Eine Unverschämtheit!

Klar, dass sie Frau Schnacke da wegen ihrer ständigen Zeichnerei nicht schimpfte. Ganz im Gegenteil: Es verging kaum eine Stunde, in der sie nicht vor der ganzen Klasse Lenas »lebhafte Fantasie« und die »wohlüberlegte Komposition« und »beeindruckende Farbwahl« bei ihren Bildern lobte.

»Fantasie ist so wichtig«, erklärte Frau Schnacke immer wieder. »Gerade hier in unserer Region, wo es so viele Mythen und Sagen gibt«, schwärmte sie und zeigte dabei geheimnisvoll aus dem Fenster auf die düsteren Hänge, die noch düstereren Wälder und die megadüsteren Berge, die sich hinter der Schule erhoben.

»Lena, ganz toll« und »Lena, weiter so«. So ein Lob hätte mir auch mal gutgetan. Aber ich will nicht meckern: Sogar mir als Neuling war schon nach ein paar Tagen klar, dass Lena die totale Außenseiterin war. Sie tat Frau Schnacke vermutlich einfach nur leid.

Moment, eigentlich will ich doch meckern: Nach meinem Marsmännchenauftritt am ersten Tag war ich ja auch ein totaler Außenseiter – aber das war der feinen Frau Schnacke anscheinend egal! Lieber etwas für die arme, arme Koboldin tun, dachte sie wohl. Dem bebrillten Marsjungen wird in seinem Riesenschädel bestimmt selbst eine Lösung für seine Probleme einfallen.

Auch Mama merkte, dass es bei mir nicht gut lief, und fragte von Zeit zu Zeit, ob es mir in meiner neuen Klasse gefalle. Ich antwortete stets mit dem gleichen Satz: »Klar. Alles okay.«

Aber nichts war okay.

Also fasste ich einen Entschluss. Mir war klar geworden, dass ich es selbst würde in die Hand nehmen müssen, wenn ich in diesem bayrischen Kaff nicht an Einsamkeit sterben wollte. Ich kratzte meine gesamten Ersparnisse zusammen und ignorierte die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf, die mich vor gefährlichen Sportarten warnte (ehrlich gesagt, fand sie alle Sportarten gefährlich).

Dann schlachtete ich mein Sparschwein, radelte zum einzigen Sportgeschäft, das es in dem Städtchen gab, und kaufte mir einen Eishockeyschläger und Schlittschuhe.

Kapitel 3 Helmtrude und der See des Grauens

Am folgenden Nachmittag stampfte ich entschlossen zum Weiher. Auf dem Eis war gerade ein Spiel in vollem Gange: Schläger flogen, und die Jungs aus meiner Klasse schrien, lachten und rangen sich gegenseitig zu Boden. Auf der Bank am Ufer saß Lena und malte auf einem Zeichenblock, ohne dass jemand sie beachtete.

Auch ich setzte mich so weit wie möglich weg von ihr und zog meine Schlittschuhe an. Dann wartete ich darauf, dass mich jemand entdeckte.