Lukas und der Notruf vom Jupiter - Goetz Markgraf - E-Book

Lukas und der Notruf vom Jupiter E-Book

Goetz Markgraf

4,7

Beschreibung

Die Suche nach Rohstoffen für den Bau eines Überlichtantriebs, der ihre drei außerirdischen Freunde wieder nach Hause bringen soll, führt Lukas und Nico in die Tiefen unseres Sonnensystems. Die beiden elfjährigen Freunde schürfen Erze auf einem Asteroiden, unternehmen ihre ersten Weltraumspaziergänge und genießen es, »richtige« Raumfahrer zu sein. Doch dann machen sie eine schreckliche Entdeckung: Die Menschheit ist nicht allein im Sonnensystem! Unheimliche Wesen haben auf mehreren Planeten geheimnisvolle Stationen errichtet. Lukas, Nico und die drei Außerirdischen begeben sich auf eine gefährliche Spurensuche. Schließlich führt sie ein rätselhafter Notruf zum Jupiter ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 378

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,7 (16 Bewertungen)
11
5
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



In der Geisterwald-Trilogie sind erschienen:

Band 1: Lukas und das Geheimnis des Geisterwaldes

Band 2: Lukas und der Notruf vom Jupiter

Band 3: Lukas und die Gefahr von der Venus

Inhaltsverzeichnis

Der Aus-Flug

Zwei Würfel haben’s in sich

Ein Blitzen in der Dunkelheit

Unterwegs als Bergarbeiter

Ein Unfall im All

Lisa

Wer darf mit und wer bleibt hier?

Gut verborgen und doch entdeckt

Die Mohaks

In der Schule

Helau und Alaaf

Der Notruf

Ausbildung im Schlaf

Wie sabotiert man eine Mine?

Eis für den Eismond

Eine schreckliche Überraschung

Ratlos

Das Leben geht weiter

Ein Plan wird geschmiedet

Was Max alles weiß

Auf zum Titan

In die Höhle des Löwen

Die Heimkehr

Der Aus-Flug

»Nun trödel’ nicht so ’rum!«, rief Nico ungeduldig. »Ich schmeiß’ dich sonst raus!«

Unschlüssig hielt sich Lukas am Rahmen der Außenluke fest und starrte in die Unendlichkeit. Da draußen war alles schwarz, schwarz mit Hunderten funkelnder Sterne. Dazwischen spannte sich der Bogen der Milchstraße wie ein glitzerndes Band von einem Ende zum anderen. Schwerelos verharrte Lukas, in das schützende Energiefeld des Robotrons gehüllt.

Er wusste, dass er absolut sicher war. Der Robotron bewahrte ihn vor der Kälte und der Luftleere im All. Er hatte gelernt, wie man den Anzug steuert. Außerdem waren seine außerirdischen Freunde in der Nähe und könnten ihm jederzeit helfen. Das alles wusste er. Es war also kein Problem zu springen.

Aber sein Bauch sagte ihm etwas anderes. Bist du verrückt?, schrie er ihn an. Da draußen ist nichts! Du wirst abstürzen! Du wirst sterben!

Wie blöd! Er hatte sich so auf den Weltraumspaziergang gefreut, und jetzt schaffte er diesen einen kleinen Schritt nicht.

Es ist genauso wie in einem Antigravitationsaufzug, ermahnte er sich, einfach abstoßen und treiben lassen.

»Wird’s bald?«, drängelte Nico hinter ihm. »Wenn du nicht willst, dann lass mich vor!«

»Nein, nein, es geht schon«, brachte Lukas mühsam hervor. Dann kratzte er all seinen Mut zusammen, stieß einen gellenden Schrei aus, stemmte sich mit beiden Händen am Rahmen der Luke ab und katapultierte sich in den Weltraum.

Kaum war er draußen, fühlte er sich unbeschreiblich frei. Aus dem Kampfschrei wurde ein Jubeln. Er flog! Mitten in der Unendlichkeit! Lukas breitete die Arme aus. Er fühlte sich wie Superman.

Wohin er auch blickte waren Sterne, weit entfernte Leuchtfeuer im All. Das war großartig!

Vorsichtig lenkte er den Robotron so, dass er sich um seine eigene Achse drehte, und schaute zurück zum Schiff. Dort, mittlerweile fast hundert Meter hinter ihm, schwebte die fliegende Untertasse, das Raumschiff der Akanoden.

»Kommst du nicht, Nico?«, rief Lukas vorwurfsvoll. Seine eigene Angst hatte er längst vergessen.

»Ja, gleich. Sobald ich wieder etwas hören kann, nach deinem Tarzanschrei«, gab sein bester Freund trocken zurück.

»Quatsch nicht lange herum, es ist herrlich hier!«

»Das hört sich an, als wärst du im Schwimmbad. Komm ’rein, das Wasser ist herrlich!«, rief Nico mit verstellter Stimme.

Lukas lachte schallend.

»Du traust dich nicht«, neckte er.

»Von wegen!«, gab Nico zurück, aber Lukas hatte das deutliche Gefühl, dass sich der Junge mit den wirren, blonden Haaren ziemlich zusammennehmen musste. Er hielt sich immer noch unbeweglich am Rahmen der Luke fest.

Lukas kommandierte: »Los jetzt! Eins … zwei …«

»Schnauze!«, brüllte Nico.

Dann stieß auch er sich ab und flog hinaus ins All. »Wow! Cool! Hey!«, rief er. Dabei wirbelte er wie ein Kreisel um die eigene Achse. Er hatte sich offenbar zu fest abgestoßen.

»Sag mal, lernst du es eigentlich nie?«, neckte Lukas seinen Freund. Im Antigravitationsaufzug passierte Nico das auch immer wieder. Kaum jemals war er durch eine der Röhren im Schiff gekommen, ohne sich zu drehen oder irgendwo gegen zu prallen.

Jetzt stabilisierte Nico seinen Flug und hielt mit einem Ruck neben Lukas an. Auch er war in den tiefschwarzen Robotron gehüllt. Lukas konnte sein Gesicht zwar nicht sehen, doch er wusste genau, dass Nico vor Freude und Aufregung strahlte.

»Das ist der Hammer!«, rief Nico.

»Stimmt! Kommen unsere grünhäutigen Freunde auch?«

»Keine Ahnung, ich frage mal. Kawett, Luwa, Skatt! Wo bleibt ihr?«

»Ist da irgendetwas Besonderes?«, hörten sie über Funk die raue Stimme von Skatt. »Fragt mich wieder, wenn ihr in eine Sonneneruption tauchen wollt.«

»Ach, Skatt, halt doch den Schnabel!«, fauchte Luwa. Dann fügte er sanfter hinzu: »Ich sitze gerade am Steuerstand. Da kann ich nicht weg. Ihr wollt doch, dass euch jemand abholt, wenn’s Probleme gibt, nicht wahr?«

»Ich bin gleich bei euch!«, rief Kawett dazwischen.

»War ja klar«, stöhnte Skatt.

Lukas grinste. Von den drei Außerirdischen war Kawett ihr bester Freund, seit sie ihn vor ein paar Monaten im Wald aufgespürt und aus einer Notlage befreit hatten.

Die fremdartige Gestalt des Außerirdischen erschien jetzt in der Außenluke des Raumschiffs. Seine drei langen, dünnen Beine hielt er leicht angewinkelt. Mit allen vier Händen packte er den Rahmen der Luke und schob sich elegant ins Freie.

Kurz darauf hatte er die beiden Jungen erreicht.

»Hm«, machte er genießerisch. »Ist immer wieder schön, im All zu fliegen.« Dann wirbelte er ein paarmal um sich selbst und schoss wie ein Pfeil davon.

»So möchte ich auch mal mit dem Robotron umgehen können«, schwärmte Nico.

»Ach, du!«, gab Lukas zurück. »Nach deiner Extratour auf dem Merkur müsstest du doch Spezialist sein!«

»Von wegen. Schließlich war Skatt die ganze Zeit bei mir und hat mir jeden kleinsten Handgriff erklärt. Außerdem sind wir damals nicht in der Schwerelosigkeit geflogen. Das hier ist viel schwieriger!«

Lukas schaute sich wieder um. Er konnte sich gar nicht sattsehen. Rechts hinter der fliegenden Untertasse leuchtete die Erde. Sie sah fast so aus wie der Mond am Nachthimmel, nur ein ganzes Stück größer. Außerdem sah man Meere, Kontinente und Wolken.

Das war seine Heimat. Ein Planet, den nur die wenigsten Menschen jemals verlassen hatten. Aus eigener Kraft war der Mensch gerade einmal bis zum Mond gekommen, und auch das lag ein halbes Jahrhundert zurück.

Manchmal konnte Lukas sein Glück gar nicht fassen: Noch vor Kurzem waren er und Nico völlig normale Schüler der sechsten Klasse gewesen. Jetzt waren sie die ersten Kinder im Weltall, auch wenn der Rest der Menschheit nichts davon wissen durfte.

Inzwischen war Kawett wieder zu den Jungen zurückgekehrt.

»So! Zeit für eure Übungen. Los, los! Wenn ihr zum Asteroidengürtel mitkommen wollt, müsst ihr zeigen, dass ihr die Robotrons beherrschen könnt.«

»Aye, aye, Sir!«, krähte Nico, salutierte und startete.

Sie flogen die Figuren, die Kawett ihnen beigebracht hatte: Kurven, Umdrehen, Anhalten und Ausweichen. Bisher hatten sie das nur im Simulator geübt. Hier, in der echten Schwerelosigkeit, war es viel schwieriger, das Gleichgewicht zu halten und nicht völlig unkontrolliert durchs All zu trudeln. Mehrfach musste Lukas seinen Robotron hektisch herumreißen, um nicht gegen Nico zu prallen. Der hatte nämlich anfangs richtig Schwierigkeiten, seinen Anzug auf Kurs zu halten.

Nach einer halben Stunde war Kawett dann aber doch zufrieden. »So, das reicht für heute. Zurück ins Schiff.«

»Menno«, maulte Nico, wie immer, wenn es zurück nach Hause ging. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre er für immer im All geblieben.

»Nicht meckern«, tadelte Kawett, »schließlich müsst ihr gleich wieder in den Betten liegen. Es ist schon spät, morgen ist Schule.«

»Du klingst wie meine Mutter«, sagte Lukas seufzend. Grummelnd flogen sie zum Schiff zurück.

Wenig später standen sie in der Kommandozentrale des Raumschiffs. An der Steuerung saß Luwa, der große Außerirdische mit der leisen Stimme, und steuerte das Schiff in Richtung Erde.

Kawett schaute die Jungen an und sagte: »Prüft bitte einmal, wann ihr es einrichten könnt, länger als nur eine Stunde mit uns zu kommen. Der Asteroidengürtel ist weit weg. Mit Hin- und Rückflug benötigen wir mindestens drei volle Stunden für eine sinnvolle Exkursion.«

»Was sucht ihr denn auf den Asteroiden?«, fragte Nico.

»Platin«, antwortete Kawett schlicht.

»Was ist denn das?«, fragte Lukas.

»Das weißt du nicht?« Nico sah ihn erstaunt von der Seite an. »Das ist ein Metall, das noch wertvoller ist als Gold!«

»Das glaube ich nicht. Gold ist doch das Wertvollste überhaupt.«

»Oh, Mann!«, stöhnte Nico.

Kawett sagte schmunzelnd: »Nico hat recht. Platin ist bei euch Menschen tatsächlich wertvoller als Gold, vor allem, weil es deutlich seltener ist. Das ist uns aber ziemlich egal. Platin ist sehr widerstandsfähig, ein echtes Edelmetall. Wir brauchen es für die Reparatur unseres Überlichtantriebs. Es ist einer der vielen Rohstoffe, die wir zusammentragen müssen.«

Die drei Außerirdischen waren nämlich nicht freiwillig hier im Sonnensystem. Sie waren selbst noch Jugendliche und sollten eigentlich auf ihrem Heimatplaneten in die Schule gehen. Vor etwas über einhundert Jahren waren sie aufgebrochen, um im Rahmen eines Schulprojektes ein Sternensystem zu erforschen. Leider hatte der Antrieb ihres Fernraumschiffs einen Defekt gehabt, sodass sie im falschen Sonnensystem gelandet waren – mit zerstörten Triebwerken und ohne eine Möglichkeit, nach Hause zurückzukehren. Seitdem lebten sie auf der Erde und hielten sich vor den Menschen versteckt – mit Ausnahme von Lukas und Nico.

Erst vor ein paar Wochen hatte Lukas die rettende Idee gehabt: Die Rohstoffe für die Reparatur würden die Gestrandeten auf den unterschiedlichen Planeten des Sonnensystems finden. Und die notwendige Fabrik könnten sie auf dem Merkur bauen, dort würde sie niemand bemerken. Seitdem waren die Außerirdischen nicht mehr zu bremsen. Sie wollten endlich wieder nach Hause.

»Also«, schloss Kawett, »ihr meldet euch?«

Lukas und Nico nickten eifrig. Dann gingen sie zusammen zum Rand der Kommandozentrale, um einen besseren Blick nach draußen zu haben.

Dabei zischte Lukas seinem Freund zu: »Keine Ahnung, wie ich das schaffen soll. Meine Eltern schlafen doch direkt neben meinem Zimmer. Irgendwann werden sie hören, wenn ich nachts abhaue. Immer muss ich warten, bis sie fest eingeschlafen sind! Du hast es gut. Du hast das Problem nicht.«

»Doch, leider. Mein Dad ist abends manchmal total lange wach. Jedes Mal fürchte ich, dass er mich hört, wenn ich das Haus verlasse.«

»Wenn das nur gutgeht …« Lukas biss sich auf die Unterlippe.

Da bemerkte er Skatt, der mitten im Raum stand und die Jungen nachdenklich ansah. Lukas fühlte sich bei dem kleinsten der drei Außerirdischen nie so recht wohl. Skatt war meist schlecht gelaunt und meckerte häufig herum.

Wie viel hatte er mitbekommen? Lukas wollte nicht, dass die Außerirdischen erfuhren, wie schwer es ihnen fiel, sich nachts aus dem Haus zu schleichen. Er fürchtete, dass sie dann gar nicht mehr würden mitfliegen dürfen.

Also lächelte Lukas den Grünhäutigen schief an. Skatt drehte sich mit unbewegter Miene um und verschwand im Aufzug.

Nico sah Skatt ebenfalls nach. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte: »Wie auch immer. Wenn ich erwischt werde, fällt mir schon etwas ein!«

Unwillkürlich musste Lukas lächeln. Nico würde sich ganz sicher herausreden können, so flink, wie er immer mit seinen Ausreden war.

Lukas wandte sich wieder dem Bildschirm zu, um den Landeanflug zu verfolgen. Die leuchtenden Linien der Autobahnen und die Lichtflecken der Städte waren bereits gut zu erkennen. Luwa steuerte eine dunkle Stelle zwischen zwei Städtchen an: den sogenannten Geisterwald. Kurz über dem Boden erschien das grüne Licht, das zum Antriebssystem der fliegenden Untertasse gehörte und das dem Wald seinen Namen gegeben hatte.

Kurz darauf stand das Schiff in der unterirdischen Halle. Luwa schaltete den Antrieb aus. »Da wären wir.«

»Ab nach Hause!«, forderte Kawett die beiden Jungen auf.

»Okay«, krähte Nico und hüpfte mit Schwung in den Antigravitationsaufzug.

Lukas liebte diese Aufzugsröhren. In ihnen war die Schwerkraft aufgehoben, sodass man elegant wie ein Vogel durch die Luft schwebte.

Nico allerdings … Wie so oft war er auch dieses Mal viel zu ungestüm eingestiegen.

»Mist!«, hörte Lukas ihn noch rufen, da war er auch schon verschwunden. Neugierig schaute Lukas hinterher. Vier Etagen unter ihm schlug Nico soeben auf.

»Was für ein Glück, dass du sowieso bis ganz nach unten wolltest«, rief Lukas hinterher. »Ich wusste gar nicht, dass man in diesem Aufzug überhaupt hart aufprallen kann.«

Nico stand nur grimmig auf und rieb sein Hinterteil.

Da sah Lukas auf einmal eine grüne Hand, die Nico auf die Schulter tippte. Das konnte nur Skatt sein.

Was wollte er?

Skatt und Nico redeten einen kurzen Augenblick miteinander, dann steckte der Akanode Nico etwas zu und verschwand wieder.

Was war los?

Schnell betrat Lukas den Aufzug. Er brannte darauf, zu erfahren, was um alles in der Welt Nico von Skatt bekommen hatte.

Doch als Lukas ihn danach fragte, schüttelte Nico nur mit zusammengepresstem Mund seinen Kopf, ging weg und ließ Lukas ratlos zurück.

Auf dem Weg durch den Wald versuchte Lukas es noch einmal: »Nun sag schon. Was war denn da in der Schleusenhalle los?«

Doch Nico zischte nur: »Sei still!«

Lukas zuckte zurück. Was war passiert? Nico würde doch kein Geheimnis vor ihm haben.

Wenige Minuten später hatten sie den Wald verlassen und standen auf dem Wendehammer vor Nicos Haus. Hastig verabschiedete sich Nico von Lukas und verschwand nach drinnen. Grummelnd radelte Lukas nach Hause.

Zwei Würfel haben’s in sich

Wieder einmal stand Lukas nachts vor seinem Haus. Alles war dunkel. Um Mitternacht hatte er sich davongemacht, und in ein paar Stunden musste er schon wieder aufstehen. Blöd! Er gähnte.

Es war supercool, drei Außerirdische zum Freund zu haben. Wenn nur diese blöde Heimlichtuerei nicht wäre! Vielleicht sollte er seinen Eltern doch alles erzählen. Sie würden bestimmt nicht zur Polizei gehen, sondern die Fremden in Ruhe lassen. Dann könnte er problemlos mitfliegen, wann immer er wollte.

Gute Idee, dachte er müde. Gleich morgen werde ich ihnen alles erzählen.

Und dann fügte er noch in Gedanken knurrend hinzu: Nachdem ich aus Nico herausgequetscht habe, was Skatt ihm gegeben hat.

Er stellte sein Fahrrad neben die Garage und schlich durch den Garten in den Keller.

Bis ins Erdgeschoss klappte alles, doch auf der Treppe nach oben knarrte eine der blöden Treppenstufen! In der nächtlichen Stille klang es so laut wie ein Schuss. Erschreckt hielt er inne. Hatten seine Eltern etwas gehört?

Ja, natürlich!

Aus dem Schlafzimmer seiner Eltern kam ein verschlafenes: »Lukas, bist du das?«

»Schlaf’ weiter«, hauchte er zurück. Doch seine Mutter erschien im Türrahmen.

»Wieso bist du angezogen?«, wunderte sie sich.

Eine Sekunde lang war Lukas wie erstarrt. Dann sagte er: »Ich dachte, ich müsste schon aufstehen. Hab’ wohl nicht richtig auf die Uhr geschaut. Ich geh’ wieder ins Bett.«

Seine Mutter lachte leise: »Oh, du Armer. Dann sieh zu, dass du schnell wieder einschläfst.«

»Ja, Mama. Gute Nacht, äh … guten Morgen … was auch immer!«

Schmunzelnd verschwand seine Mutter wieder im Schlafzimmer.

Kurz darauf lag Lukas in seinem Bett, konnte aber kein Auge zumachen. Sein Herz raste wie wild, und wenn er die Augen schloss, sah er das Gesicht seiner Mutter, wie sie ihn auf der Treppe ertappt hatte. Heiß spürte er noch den Gedanken, der ihn durchzuckt hatte: Jetzt ist alles vorbei.

Würden ihm seine Eltern denn wirklich erlauben, die Außerirdischen weiterhin zu treffen? Er selbst wusste natürlich, dass sie ungefährlich waren, aber würden sie das genauso sehen? Dann dachte er an ihren Ausflug zum Merkur vor gut zwei Monaten. Dort waren sie tatsächlich in Gefahr geraten. Was würden seine Eltern wohl davon halten?

Und was würden Kawett, Luwa und Skatt sagen, wenn er alles ausplauderte? Vor allem der mürrische Skatt vertraute doch keinem Menschen.

Nein, er konnte und durfte sich niemandem anvertrauen.

Irgendwann fielen ihm dann doch die Augen zu. Aber sein Schlaf war unruhig, und er wachte immer wieder auf.

Als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, fühlte sich Lukas wie gerädert. Seine Lider waren schwer und wollten sich überhaupt nicht öffnen. Viel später als sonst saß er am Frühstückstisch und gähnte mit weit offenem Mund.

Seine Eltern sahen sich bedeutungsvoll an. Dann sagte seine Mutter: »Lukas, ist etwas mit dir? Du warst mitten in der Nacht auf. Schläfst du schlecht?« Sie seufzte. »Hast du gestern Abend noch sehr lange gelesen?«

Lukas nickte halb, halb zuckte er mit den Schultern. Er war zu müde, um sich eine vernünftige Ausrede einfallen zu lassen. Sollten seine Eltern doch denken, was sie wollten. Lesen konnte ja nicht allzu schlimm sein.

Doch seine Mutter fuhr fort: »Uns ist aufgefallen, dass du morgens sehr müde bist. Auch deine Klassenlehrerin hat uns eine E-Mail geschickt. Frau Siebald meint, du könntest teilweise dem Unterricht kaum noch folgen.«

Jetzt schrillten Alarmsirenen in Lukas’ Kopf, doch er war immer noch zu müde für einen klaren Gedanken. Also nuschelte er nur: »Ist doch nicht schlimm, wenn ich mal länger lese.«

Sein Vater ergriff das Wort: »Na ja, wenn du dadurch in der Schule absackst, ist das schon schlimm.«

»Hey, meine Noten sind okay«, empörte sich Lukas.

»Noch«, meinte seine Mutter.

»Was soll das denn?« Lukas verstand gar nichts mehr. Sooo häufig war er doch gar nicht unterwegs gewesen.

Aber dann dachte er nach. Diese Woche zweimal, davor die Woche einmal im Simulator und davor hatten sie auch einen Nachtflug gemacht.

Aber davor hatten die Außerirdischen insgesamt sechs Wochen in ihrer Tiefschlafkammer gelegen. In dieser Zeit war er jede Nacht im Bett gewesen.

Wo war das Problem?

Die Akanoden verbrachten sehr viel Zeit in einem besonderen Tiefschlaf, in dem sie nicht alterten. Nur so hatten sie die mehr als einhundert Jahre seit ihrer Ankunft überstanden, ohne allzu viel älter zu werden.

Seine Mutter riss ihn aus seinen Gedanken. »Wir haben nachgedacht und beschlossen, dass du abends nicht mehr lesen darfst.«

Lukas starrte seine Mutter mit großen Augen an.

»Das geht so nicht weiter«, fuhr sie ruhig aber bestimmt fort. »Du musst für die Schule ausgeruht sein. In den letzten Wochen warst du mehrfach nachts im Haus unterwegs.«

Lukas durchzuckte es heiß. Sie hatten es bemerkt!

»Das kennen wir so gar nicht von dir«, sprach sie weiter. »Heute Nacht hast du sogar gedacht, du müsstest schon aufstehen. Dein Schlafrhythmus ist total durcheinander!«

Lukas senkte den Blick.

Mit strengem Ton schloss Frau Pohl: »Es tut mir leid, Lukas. Aber du wirst ab sofort spätestens um halb neun im Bett liegen. Und dann heißt es: Licht aus!«

Lukas sackte in sich zusammen. Dann riss ihm ein monströses Gähnen den Kiefer auseinander.

»Siehst du?«, meinte sein Vater.

»Nichts sehe ich«, nuschelte Lukas, rutschte auf seinem Stuhl tiefer und gähnte noch einmal.

Später in der Schule hatte Lukas Mühe, nicht einzuschlafen. Der Unterricht zog sich hin wie Kaugummi, und auch Nico neben ihm war ungewöhnlich schweigsam.

In der Pause nahm Lukas seinen Kumpel zur Seite und forderte: »Nun sag schon! Was hat Skatt dir gestern Abend gegeben?«

Nico schaute sich mit schnellen Bewegungen um.

»Das kann ich dir nicht sagen«, raunte er dann.

»Was soll das heißen?«, fragte Lukas noch einmal. »Was verheimlichst du vor mir?«

Nico verzog das Gesicht. Die Sache schien ihm unangenehm zu sein. »Nicht jetzt. Später vielleicht. Ich habe meine Anweisungen«, flüsterte er. Dabei huschte sein Blick zu dem akanodischen Multicom-Funkgerät, einem silbernen Armband, das er wie Lukas am Handgelenk trug.

Lukas musste lachen. »Anweisungen? Du hältst dich doch sonst auch nicht an Anweisungen.«

Zerknirscht blickte ihn Nico an und verzog den Mund. »Äh …«, machte er, »… du hast Skatt nicht gesehen. Ich wage nicht … Pass auf! Du übernachtest am Wochenende bei mir! Dann kann ich dir mehr sagen. Außerdem wäre das doch eine gute Gelegenheit für den Trip zu den Asteroiden. Oder nicht?«

Jetzt war Lukas an der Reihe. Mit schmerzhaft verzogenem Gesicht beichtete er seinem Freund, dass er ab jetzt unter Schlafkontrolle stand.

Nico pfiff durch die Zähne. »Boah, ey. Wie willst du denn da nachts zur Station kommen?«

»Keine Ahnung«, gestand Lukas.

Der Ausflug zum Asteroidengürtel schien in unerreichbar weite Ferne gerückt. Mittlerweile hatte Lukas auch gar keine Lust mehr, seinen Eltern von seinen außerirdischen Freunden zu erzählen. Sie würden sicher darauf bestehen, dass er ausgeruht zur Schule ging, und ihm alleine schon deswegen die Besuche im Geisterwald verbieten.

»Vielleicht darfst du ja doch bei mir schlafen«, meinte Nico zaghaft.

»Das glaubst du doch selbst nicht«, stöhnte Lukas. »Wenn ich bei dir bin, wissen meine Eltern ja nicht, … ob der Kleine auch wirklich schläft«, beendete er den Satz mit verstellter Stimme.

Nico musste glucksen.

Lukas war überhaupt nicht zum Lachen zumute. »So ganz unrecht haben sie nicht. Ich bin echt total erschlagen.«

»Vielleicht haben die Akanoden etwas dafür. Ein Mittel, mit dem wir auch ohne Schlaf ausgeruht sind.«

»Meinst du?«

»Einen Versuch ist es wert. Wir können sie ja mal fragen. Und du fragst deine Mom, ob du am Samstag bei mir schlafen darfst.«

Lukas nickte, auch wenn er keine große Hoffnung hatte.

Und so kam es dann auch. »Lukas, versteh’ doch! Wenn du bei Nico bist, wissen dein Vater und ich nicht, wie lange ihr wach bleibt.«

Doch Lukas wollte nicht kampflos aufgeben. Daher fragte er: »Und wenn Nico stattdessen von Samstag auf Sonntag bei uns schläft? Ich gehe am Freitag auch ganz früh ins Bett, das verspreche ich. Ist doch Wochenende.«

Seine Mutter lächelte ihn an: »Von mir aus. Aber nur unter der Bedingung, dass ihr nicht so lange quatscht.«

»Versprochen!«

Natürlich würde nichts daraus werden, sich nachts aus dem Haus zu schleichen. Aber wenn er schon eingesperrt war, dann wenigstens nicht alleine.

Also saß Nico am darauffolgenden Samstagnachmittag mit Schlafsack ausgestattet auf Lukas’ Bett. Sie quatschten über dies und das, bis Lukas schließlich seinem Freund den Ellenbogen in die Seite rammte.

»Au!«, sagte der, mehr gespielt als wirklich getroffen. »Was soll das?«

Die ganze Woche über hatte Lukas gerätselt, welches Geheimnis Nico ihm wohl offenbaren würde. Jetzt konnte und wollte er nicht mehr warten!

»Nun spuck’s schon aus!«, forderte er seinen Freund auf.

Nico verstand sofort. Er lächelte geheimnisvoll, griff in seine Tasche und holte zwei kleine, würfelförmige Gegenstände hervor. Sie waren ungefähr so groß wie Spielwürfel und hatten den gleichen silbrigen Glanz wie die Robotron-Gürtel oder ihre Multicom-Armbänder.

Alien-Technologie, dachte Lukas.

»Was ist das?«, wollte er wissen.

»Weiß ich nicht«, antwortete Nico und gab Lukas einen der Würfel. »Skatt hat mir eingeschärft, ich dürfte sie erst ausprobieren, wenn ich mit dir alleine wäre. Und ich meine: ganz alleine!, hat er noch hinzugefügt. Und mich angesehen, als wollte er mich auffressen. Mensch, der Blick ging durch und durch.«

»Offenbar!«, beschwerte sich Lukas. »Du hast nichts erzählt!«

»Sorry, aber ich hatte Sorge, dass Skatt meinen Multicom abhört. Keine Ahnung, ob das geht. Aber ich wollte kein Risiko eingehen. Nicht bei Skatt.«

»Na gut«, sagte Lukas und nickte. »Schwamm drüber.«

Sie betrachteten die unscheinbaren Gegenstände. Die Seiten wirkten glatt und ohne Markierung. Auf einer Fläche konnten sie einen Knopf fühlen, ähnlich wie bei einem Robotron.

»Ich probier’s mal aus«, sagte Lukas und drückte beherzt auf den Knopf.

Im selben Moment erschien vor ihm ein gelber Lichtpunkt in der Luft. Mehr veränderte sich nicht. Lukas schaute den Punkt an und griff danach. Aber seine Hand ging einfach hindurch, als bestünde der Punkt nur aus Luft.

Lukas runzelte die Stirn und ließ den Knopf wieder los. Der Punkt verschwand.

»Hm, verstehst du …«, begann er, da wischte auf einmal eine Hand an seinem Gesicht vorbei. Lukas erschrak und sprang auf. Nico sah ihn verwundert an.

Lukas schaute zurück und erstarrte.

Neben Nico auf dem Bett saß: er selbst! Er war auf einmal doppelt!

Der Lukas auf dem Bett blickte angestrengt vor sich hin, dann fuchtelte er mit einer Hand in der Luft herum.

Nico sah es auch und fuhr entsetzt in die Höhe. »W… Was …«, stotterte er, und sein Blick wirbelte zwischen dem Lukas auf dem Bett und dem Lukas neben ihm hin und her.

»Hier bin ich«, sagte Lukas und winkte. Gemeinsam betrachteten sie den Doppelgänger.

Der wiederholte immer wieder die gleiche Bewegung mit der Hand. Da ging Lukas ein Licht auf: »Das ist eine Aufnahme von mir. Diese Bewegung habe ich gemacht, als ich den Knopf gedrückt hatte. Da war so ein Punkt in der Luft.«

Er hob den Würfel hoch. »Das Ding hat eine Aufzeichnung von mir gemacht, und die wird jetzt immer wieder abgespielt.« Lukas drückte den Knopf ein zweites Mal, und das Bild verschwand.

»Cool!«, rief Nico. »Ich will auch mal!«

Er drückte den Knopf seines Würfels und schnitt dabei eine alberne Grimasse. Kaum ließ er den Knopf los, verdoppelte auch er sich. Der neue Nico wiederholte den Gesichtsausdruck bis ins kleinste Detail.

Lukas und Nico nahmen immer verrücktere Bewegungen von sich auf und spielten sie wieder ab. Sie lachten, bis sie Bauchweh bekamen. Mensch, das war ein tolles Spielzeug!

»Super!«, rief Lukas lachend. »Wenn ich das nächste Mal im Unterricht müde bin, nehme ich schnell eine aufmerksame Position auf. Dann denkt Frau Siebald, ich höre zu, während ich auf dem Boden liege und schlafe.«

Nico erstarrte. »Äh, Lukas …«, sagte er langsam. »Apropos schlafen …«

Lukas begriff sofort. Wie aus einem Mund jubelten beide: »Asteroidengürtel, wir kommen!«

Dann holten sie ihre Multicom-Funkarmbänder hervor und riefen die Außerirdischen an.

Ein Blitzen in der Dunkelheit

An diesem Abend gingen Nico und Lukas widerspruchslos um kurz nach halb neun ins Bett. Lukas’ Eltern bekamen offenbar ein schlechtes Gewissen, denn sie boten an, noch eine Runde Karten zu spielen. Aber die Jungen lehnten entschieden ab. Zum Schein unterhielten sie sich noch eine Weile, dann war es so weit.

Mit den Würfeln in der Hand machten sie jeweils eine Aufnahme von sich, im Bett liegend mit geschlossenen Augen. Sie mussten ein paar Versuche machen, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden waren. Dann sah es täuschend echt aus: zwei friedlich schlummernde Kinder unter der Bettdecke. Solange seine Eltern sie nicht anfassten, würden sie auf den Schwindel hereinfallen.

Mittlerweile war es kurz nach neun. Jetzt hieß es, leise das Haus zu verlassen. Zuerst zogen sie sich wieder an, dann öffnete Lukas die Tür einen Spalt breit. Niemand zu sehen. Seine Eltern waren vermutlich noch unten im Wohnzimmer oder – noch besser – im Arbeitszimmer. Das war selbst an einem Samstagabend nicht ungewöhnlich. Lukas’ Eltern arbeiteten bei einer Werbeagentur. Es kam häufig vor, dass sie Überstunden machten.

Mit angehaltenem Atem lauschte Lukas ins Treppenhaus. Leises Gemurmel drang aus dem Wohnzimmer. Zögernd machte er einen Schritt auf den Flur.

Plötzlich schrillte das Telefon. Lukas’ Herz hüpfte einen Salto, er selbst sprang zurück, direkt auf Nicos Fuß!

»Mann! Pass doch auf!«, keuchte dieser unterdrückt.

»Psssst!«, zischte Lukas.

Seine Mutter kam in den Flur und nahm den Telefonhörer ab. »Pohl? … Hallo Harald, schön, dass du anrufst … Ja, der ist auch da … Warte, ich stelle auf laut.«

Sie verschwand im Wohnzimmer.

»Das ist perfekt!«, flüsterte Lukas Nico zu. »Sie telefonieren mit meinem Onkel. Jetzt hören sie uns nicht. Leise und los!«

Auf Zehenspitzen schlichen sie die Treppe hinunter und direkt weiter über die Kellertreppe nach ganz unten. Aus dem Wohnzimmer drangen abwechselnd die Stimmen seiner Eltern und die von Onkel Harald.

Atemlos erreichten sie den Keller und schlüpften in den Garten. Dort krochen sie unter dem Wohnzimmerfenster her, dann waren sie aus dem Gartentor hinaus. Sie hatten es geschafft! Fast hätte Lukas gejubelt, doch das durfte er nicht. Noch könnte man sie im Haus hören.

Mit leisen Schritten machten sie sich auf den Weg zum Geisterwald.

Knapp eine Viertelstunde später standen sie am Wendehammer des Birkenweges bei Nicos Haus. Hier begann der Waldweg, der in den Geisterwald hinein führte.

»Auf geht’s«, flüsterte Lukas und rieb wärmend seine Hände aneinander. Der kalte Februarwind pfiff ihnen um die Nasen. Obwohl sie stramm marschiert waren, fühlten sich ihre Hände und Gesichter eisig an.

Ein paar Hundert Meter weiter verließen sie den Weg und schlugen sich nach links ins Unterholz. Die Strecke war Lukas mittlerweile so vertraut, dass er sich kaum noch umsah. Noch vor ein paar Monaten hatte er sich unwohl gefühlt, wenn er hier entlang gegangen war. Damals hatten sie nur wenig über die Fremden gewusst, und jeder Besuch hatte eine neue Überraschung gebracht.

Jetzt war er voller Vorfreude. Die Akanoden würden Nico und ihn tatsächlich zum Asteroidengürtel mitnehmen! Ihr Training im Simulator und der Übungsflug im All hatten sich ausgezahlt. Lukas konnte es kaum fassen.

Ungeduldig hob er seinen Multicom an die Lippen: »Hallo, ihr da! Wir sind gleich bei euch!«

»Erzähl’ mir was Neues!«, knurrte Skatt zurück. »Was meinst du, wie lange wir euch schon auf dem Schirm haben?«

»Wieso kommt ihr so früh?«, fragte Luwa ein wenig argwöhnisch. »Ich hoffe, euch hat niemand gesehen.«

Lukas gluckste: »Meine Eltern denken, wir lägen friedlich in den Betten und würden schnarchen.« Von den künstlichen Abbildern, die statt ihrer dort lagen, sagte er natürlich nichts.

»Gut so«, mischte sich jetzt auch Kawett ein. »Dann haben wir mehr Zeit.«

»Sagt mal, hängt ihr alle drei am Funkgerät und wartet nur auf uns? Da fühlen wir uns aber sehr geehrt«, rief Nico aus.

Die beiden Jungen lachten.

»Von wegen!«, blaffte Skatt. »Bildet euch ja nichts ein. Ich wäre eigentlich gar nicht hier, wenn mich die beiden anderen nicht zum Dienst an den Überwachungsgeräten eingeteilt hätten.«

Lukas und Nico grinsten sich an.

Endlich erreichten sie ihr Ziel: Eine Lichtung im Wald, auf der sich ein kleiner, aber steiler Hügel erhob. Auf den ersten Blick gab es hier nichts Besonderes zu sehen. Kein Mensch ahnte, dass unter der Erde die Station der Außerirdischen verborgen war. Der Hügel war in Wirklichkeit das Dach einer Halle, in der das Raumschiff stand. Alles hier war künstlich, sah aber so täuschend echt aus, dass in über hundert Jahren niemand die Tarnung durchschaut hatte.

»Sesam, öffne dich!«, sagte Nico übermütig. Dann setzte er hinzu: »Nun macht schon auf, Leute!«

Wo eben noch normaler Waldboden gewesen war, öffnete sich eine Falltür und gab die Treppe in die Tiefe frei.

So betraten sie die Station der Außerirdischen.

Ihr Weg führte sie in eine Halle tief unter der Erde. Sie war rund und hatte einen Durchmesser von etwa dreißig Metern: der Landeplatz der fliegenden Untertasse.

Lukas fand, dass das Raumschiff genau die gleiche Form hatte wie die legendären UFOs der kleinen grünen Männchen aus dem All. Es ruhte auf vier metallenen Stützsäulen. An der tiefsten Stelle ragte das dunkle Rohr des Antigravitationsaufzugs heraus.

Kawett wartete schon auf sie. Wie fast immer trug er einen eng anliegenden, dunkelgrauen Anzug. Der Außerirdische stand auf drei spindeldürren Beinen. Auf dem kurzen Hals saß ein grüner, haarloser Kopf. Anstelle von Mund und Nase wölbte sich der Kopf wie ein Schnabel vor. Statt zwei Augen hatte das Wesen drei. Zwei an den Seiten des Kopfes, das dritte mitten auf der Stirn. Sie waren groß und leuchteten rötlich. So häufig die Jungen ihn und seine Freunde auch schon gesehen hatten, der Blick der Wesen vom Planeten Akano war immer noch unheimlich. Doch Lukas und Nico wussten, dass die außerirdischen Jugendlichen harmlos und freundlich waren.

Kawett hielt seine vier dünnen Arme weit ausgebreitet. »Schön, dass ihr da seid. Kommt herein, dann können wir starten.«

Wie bei allen Akanoden war seine Stimme und Ausdrucksweise absolut menschlich. Die Fremden lebten schließlich lange genug auf der Erde und hatten sich an die Sprache und Verhaltensweise der Menschen perfekt angepasst.

»Ich freue mich schon auf den Flug«, sagte Lukas, als er Kawett erreichte. Er betrat den Aufzug und stieß sich leicht federnd mit den Füßen ab. Sofort schwebte er aufwärts und erreichte den unteren Schleusenraum.

Erwartungsvoll schaute er sich nach Nico um. Dieser schoss viel zu schnell aus der Röhre heraus und knallte fast gegen die Decke.

»Wann lernst du es endlich?«, stöhnte Lukas, konnte sich dabei aber ein Grinsen nicht verkneifen.

»Wieso? War doch schon besser, oder?«, gab Nico ebenfalls grinsend zurück und landete sanft auf dem Boden. So langsam hatte Lukas das Gefühl, sein Freund machte das absichtlich.

Weiter hinauf ging es durch eine zweite Röhre. Auf dem Weg zur Kommandozentrale flog Lukas an den drei anderen Etagen des Raumschiffs vorbei. Was dort wohl alles zu finden war? Irgendwo mussten zum Beispiel die Maschinen für den Antrieb sein. Aber wo? Und wie sahen sie aus? Es gab noch so viel zu entdecken …

Ganz oben erreichte Lukas die Zentrale. Der Raum war kreisrund, und an der Außenseite verlief ein durchgehendes Schaltpult mit Hunderten von Bildschirmen, Lämpchen und Tastern. Am Steuerstand saß Luwa und schaute Lukas aus seinen drei dunkelrot leuchtenden Augen an.

Durch die halbkugelförmige, durchsichtige Decke der Zentrale konnte Lukas im Moment nur das Dach der Landehalle sehen. Aber wenn sie erst im freien Raum wären, würden Millionen von Sternen hereinfunkeln.

Direkt hinter ihm kam Nico und zuletzt Kawett. Als er Luwa an den Kontrollen sah, stutzte der Akanode.

»Skatt«, sprach er in sein Multicom-Armband, »hatten wir nicht vereinbart, dass du fliegst?«

»Mir ist nicht gut«, antwortete der Außerirdische mürrisch.

»Drückeberger!«, knurrte Kawett verärgert.

»Ist schon okay«, antwortete Luwa. »Ich fliege gerne.«

»Ja«, kam es bissig von Skatt zurück. »Und so zuverlässig!«

Luwa zuckte zusammen, als ob er geschlagen worden wäre. Das große, sanfte Wesen hatte den Unglücksflug gesteuert, bei dem sie vor über hundert Jahren im irdischen Sonnensystem gestrandet waren. Obwohl der defekte Antrieb des Schiffes und nicht Luwas Kurs für die Katastrophe verantwortlich gewesen war, ritt Skatt immer wieder darauf herum.

»Hör nicht auf ihn«, beruhigte ihn Kawett. »Soll ich fliegen?«

»Ich würde gerne«, rief Nico dazwischen.

Die Außerirdischen fuhren herum und starrten den Jungen erstaunt an.

»Das kannst du doch gar nicht«, sagte Kawett.

»Ich weiß«, erwiderte Nico. »Aber ich finde, es wird Zeit, dass wir es lernen. Wenn wir schon regelmäßig mit euch kommen, sollten Lukas und ich dieses Ding auch steuern können. Oder etwa nicht?«

Kawett und Luwa fingen schallend an zu lachen.

»So weit kommt’s noch«, prustete Luwa.

Damit war das Thema erledigt.

»Netter Versuch«, flüsterte Lukas seinem Freund zu.

»Hat aber nicht geklappt«, entgegnete Nico enttäuscht.

»Was hast du erwartet?«

Luwa wandte sich den Kontrollen zu und fragte über die Schulter: »Kann es jetzt endlich losgehen? Ich möchte heute noch mit ein paar dicken Brocken Platinerz nach Hause kommen.«

Kawett fragte eine Reihe von Anzeigen ab. Dann sagte er: »Die Biosensoren zeigen: niemand in der Nähe. Die Luft ist rein.«

Luwas vier Hände flogen wie Spatzen über die Schaltfelder des Kontrollpultes. Es blinkte und blitzte, als die Maschinen des Schiffes zum Leben erwachten. Über ihren Köpfen öffneten sich die beiden Hälften des künstlichen Hügels und gaben den Weg in den Himmel frei. Gleichzeitig erschien das grüne Leuchten.

»Ob mein Dad jetzt wieder ein Foto macht?«, flüsterte Nico seinem Freund grinsend zu. Nico wohnte mit seinem Vater zusammen in einem großen, alleinstehenden Haus am Rande von Neuendorf. Seine Mutter hatte die Familie ein Jahr nach Nicos Geburt verlassen. Nicos Vater, Professor Sönderborg, war Astrophysiker und versuchte schon seit zehn Jahren, das Geheimnis des grünen Leuchtens im Wald zu ergründen – wie schon viele andere vor ihm. Doch niemandem war es gelungen.

Niemandem, außer Lukas und Nico.

Ohne Erschütterung fielen die Bäume des Geisterwaldes nach unten. Zumindest sah es so aus, doch Lukas wusste: Das Raumschiff war gestartet. Spüren konnte man davon nichts, es flog geräuschlos und ohne jedes Anzeichen von Beschleunigung.

Nur wenige Augenblicke später hatten sie die Atmosphäre der Erde verlassen und rasten ins All.

Auf einmal rief Luwa: »Hoppla!«

Draußen drehte sich der Himmel, alles wirbelte umher, die Erde kam ins Blickfeld: Das Raumschiff flog eine scharfe Kurve.

Lukas wurde schwindelig, und er stolperte gegen Nico.

»Hey, was ist los?«, fragte Kawett empört.

»’tschuldigung«, gab Luwa zurück, »aber die ISS war im Weg. Ich musste ausweichen.«

»Haben wir die Station gerammt?«, fragte Nico aufgeregt. Lukas wusste, dass Nico ein großer Fan dieser Raumstation war, die permanent die Erde umkreiste und von allen Ländern, die Raumfahrt betrieben, gemeinsam gebaut worden war. ISS stand dabei für ›International Space Station‹, die internationale Raumstation.

»Das nicht«, sagte Luwa schwer atmend, »aber die Astronauten hätten uns sehen können.«

Dann fauchte er los: »Kawett, hast du das nicht gecheckt? Das hätte ins Auge gehen können.«

Der Angesprochene brummelte etwas Unverständliches. Der Fehler war ihm offensichtlich peinlich.

»Ich hätte die ISS gerne mal gesehen«, sagte Nico, »so, in echt, meine ich.«

»Tja, das wird leider nicht gehen«, erwiderte Luwa. »Vor der müssen wir uns ganz besonders in Acht nehmen. Die Astronauten dort sind extrem gute Beobachter. Grundsätzlich gilt, dass Wissenschaftler für uns die größte Gefahr darstellen. Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber direkt am Waldrand wohnt ein Astronom, der uns ständig beobachtet.«

Lukas bekam einen Schreck und blickte Nico an, der ebenfalls mit großen Augen zurück starrte.

Luwa merkte davon nichts und redete weiter: »Der ist richtig hartnäckig. Nie sind wir vor ihm ganz sicher. Ohne genaue Prüfung der Lage dürfen wir die Station niemals verlassen.«

Die drei Außerirdischen wussten offenbar nicht, dass Nico der Sohn eben dieses Astronomen war. Irgendwann würde er es ihnen sagen müssen. Was würden sie davon halten?

Lukas schluckte.

»Aber es ist ja nochmal gut gegangen«, sagte Luwa leichthin. »Wir sind an der ISS vorbei und fliegen in Richtung Asteroidengürtel. Ich drücke dann mal auf die Tube, wie man bei euch sagt.«

Und übergangslos wurde das Schiff richtig schnell. Sie merkten es daran, dass der Mond auf einmal einen Satz machte und in wenigen Sekunden an ihnen vorbeizog. Bald darauf verschwand sogar die Erde von dem Bildschirm, der nach hinten zeigte. Lukas beschlich ein mulmiges Gefühl. Sie waren so unendlich weit von zu Hause entfernt und würden sich noch viele Hundert Millionen Kilometer weiter entfernen. Natürlich wusste er, dass er an Bord der Untertasse völlig sicher war, aber ein bisschen gruselig war es doch.

Um sich abzulenken, fragte er Nico: »Sag mal, was genau ist dieser Asteroidengürtel eigentlich?«

»Das weißt du nicht? Das ist ein Ring aus unendlich vielen Gesteinsbrocken. Sie kreisen zwischen der Mars- und der Jupiterbahn um die Sonne. Eben wie ein Gürtel oder ein Ring. Die größten Ballermänner haben einen Durchmesser von fast tausend Kilometern, die kleinsten von nur wenigen Hundert Metern.«

»Und wo kommen die her?«, wollte Lukas wissen.

Nicos Augen glänzten, als er erklärte: »Irgendwann einmal hatte es da einen Planeten gegeben, Phaeton genannt. Der ist explodiert. Die Asteroiden sind die Trümmer dieses Planeten.«

»Wo hast du das denn her?«, mischte sich Kawett ein. »Das ist absoluter Quatsch!«

»Nicht?«, fragte Nico erstaunt.

Kawett schüttelte den Kopf. »Nein. An der Stelle, wo heute der Asteroidengürtel ist, hat es niemals einen Planeten gegeben. Als sich aus Staub und Gas die einzelnen Planeten geformt haben, hat der riesige Jupiter das meiste Material wie ein Staubsauger an sich gezogen. Es blieb einfach nicht genug übrig, um einen weiteren Planeten zu formen.«

»Aber es gibt doch Millionen von Asteroiden«, rief Nico aus.

»Nicht wirklich«, entgegnete Kawett lächelnd. »Mehrere Hunderttausend: ja. Eine Million: vielleicht. Viele Millionen: nein. Würde man alle Asteroiden auf einen Haufen packen, so hätte alleine euer Mond immer noch zwanzigmal so viel Masse.«

Nico war sichtlich enttäuscht. Seine großartige Geschichte vom explodierten Planeten, einfach so kaputt!

Doch er erzählte tapfer weiter: »Wie dem auch sei. Wir werden jedenfalls höllisch aufpassen müssen, wenn wir da rein fliegen. Überall schwirren die Brocken herum, kreuz und quer, und Luwa wird es extrem schwer haben, nicht gegen einen Asteroiden zu knallen. Das wird ein Ritt auf der Achterbahn, sage ich dir.«

Kawett räusperte sich: »Ähm, Nico. Auch das ist völliger Blödsinn.«

»Habe ich aber so gesehen!«, rief Nico und stampfte mit dem Fuß auf.

»Wo hast du das denn gesehen?«, fragte Kawett erstaunt.

Nico murmelte etwas Unverständliches, das wie ›im Kino‹ klang.

Kawett lachte laut auf. »Meinst du etwa ›Star Wars‹? Junge, das sind Filme! Was haben wir gelacht, als wir uns die angesehen haben! Nein, ganz so spektakulär wird es nicht werden. Und auch nicht halb so gefährlich. Es gibt zwar viele Asteroiden da draußen, aber sie verteilen sich über ein ungeheuer großes Gebiet. Wenn wir ganz viel Glück haben, sehen wir zwei auf einmal.«

Nico brummelte enttäuscht vor sich hin.

Um ihn aufzumuntern, sagte Kawett: »Aber ich kann dir etwas anderes bieten als die Gefahr, mit einer kosmischen Bowling-Kugel zu kollidieren. Wir werden auf einem Asteroiden landen.«

Sofort hellte sich Nicos Miene wieder auf: »Ehrlich?«

»Ja, landen und aussteigen. Wir wollen doch Erze und Metalle schürfen. Dazu steuert Luwa gerade den Asteroiden Vesta an. Das ist eines der größten und massereichsten Objekte im ganzen Asteroidengürtel. Groß genug, dass wir dort herumlaufen können – oder besser: herumhüpfen.«

»Wieso hüpfen?«, fragte Lukas und runzelte die Stirn.

»Wartet’s ab!« Kawett grinste und setzte sich neben Luwa an das Steuerpult des Raumschiffs.

In den nächsten zehn Minuten geschah nichts, außer dass Skatt in die Zentrale kam und sich wortlos auf einen Hocker fallen ließ. Offenbar hatte er seinen Anfall von Unwohlsein überwunden – oder war es Faulheit gewesen?

Auf dem Bildschirm schrumpfte die Sonne immer mehr zusammen.

Lukas schluckte erneut. Ganz bewusst wandte er sich von dem Bildschirm ab und schaute hinauf zur Kuppeldecke, in die Richtung, in die sie flogen. Wann würde er wohl den ersten Asteroiden sehen?

Auf einmal leuchtete draußen etwas auf. Wie der Blitz von einem Fotoapparat zuckte etwas Weißes über das Blickfeld und verschwand wieder.

Was war das denn gewesen?

Er drehte sich zu den anderen um. »Habt ihr das gesehen? Da draußen hat was geblitzt.«

»Was meinst du?«, fragte Kawett.

»Da draußen«, Lukas fuchtelte mit der Hand in Richtung Kuppeldecke. »Es war nur ganz kurz. War das ein Asteroid? Oder eine Sternschnuppe?«

»Ich habe keine Ahnung, aber ein Asteroid wird das nicht gewesen sein. Dessen Oberfläche würde das Licht nicht so gut reflektieren, dass es wie ein Blitz aussähe. Und Sternschnuppen gibt es nur innerhalb einer Atmosphäre. Du hast dich wahrscheinlich geirrt.«

Bei diesen Worten hob Skatt seinen Kopf und betrachtete Lukas nachdenklich. Dann fragte er: »Luwa, hast du den seitlichen Scan eingeschaltet?«

Irritiert antwortete Luwa: »Natürlich nicht. Warum auch? Wir fliegen schließlich geradeaus.«

Skatt brummte vor sich hin: »Das kann aber nicht sein, hm«, und setzte sich an ein Schaltpult. Dort begann er, wild darauf herumzutippen.

Lukas schaute Nico fragend an. Der zuckte nur mit den Achseln.

Auch Kawett konnte sich aus dem Verhalten seines Kameraden offenbar keinen Reim machen. Er rollte genervt das mittlere Auge.

Dann fragte er aber doch: »Haben wir vielleicht einen Kometen passiert? Dessen Eisoberfläche könnte das Sonnenlicht reflektieren.«

Skatt tippte wortlos weiter, als hätte er die Frage gar nicht gehört. Nach einer Weile sagte er: »Nein, haben wir nicht.« Und er brummte weiter vor sich hin.

»Was war es dann?«, fragte Lukas.

Kawett hob seine vier Arme. »Ich vermute, du hast dich geirrt. Wahrscheinlich war es eine Spiegelung der Glaskuppel. Die ist zwar fast reflexionsfrei, aber eben nur fast.«

Damit war das Thema für ihn erledigt.

Skatt hingegen sah kurz hoch und schüttelte langsam den Kopf. Dann blickte er den Jungen noch einmal nachdenklich an, bis er sich wieder seinen Geräten zuwandte.

»Er glaubt nicht, dass Kawett recht hat«, flüsterte Lukas seinem Freund zu.

»Ich auch nicht. Lass uns später mit Skatt reden.«

»Ja. Auch wegen …« Lukas formte mit den Fingern in der Luft einen kleinen Würfel.

Dann sahen sie wieder nach draußen. Lukas schaute angestrengt, ob sich noch ein weiterer Blitz zeigen würde. Doch er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken.

Was um alles in der Welt hatte er bloß gesehen?

Unterwegs als Bergarbeiter

Etwa zehn Minuten später rief Luwa ihnen zu: »Vesta, Steuerbord vorrrraus.« Dabei rollte er das R wie ein norddeutscher Seemann.

Alle stürmten zum Pilotensitz.

»Beim Klabautermann!«, polterte Luwa und verdrehte sein mittleres Auge. »Steuerbord is’ rrrechts, ihr Landratten!« Er deutete mit der Hand nach rechts oben zur Kuppeldecke. »Do müsst ihr hinseh’n!«

Dann sah Lukas es auch. In der mit winzigen Sternen gesprenkelten Leere schwebte ein kleiner, dunkler Ball. Er war nicht ganz rund und etwa so grau wie der irdische Mond. Seine Oberfläche war über und über mit Einschlagskratern bedeckt. Er sah aus wie ein Sandhaufen, auf den Regen geprasselt war.

»Sehen wir uns diese kosmische Kartoffel einmal genauer an«, schlug Luwa vor.

Er bremste weiter ab, und schließlich glitt das Raumschiff über die Oberfläche des Asteroiden hinweg. Langsam und majestätisch drehte er sich unter ihnen: Eine leblose, graue Welt, auf der die ferne Sonne scharfkantige Schatten zeichnete. Die riesenhaft wirkenden Krater deformierten den Asteroiden, sodass er richtiggehend verbeult aussah. Immer wieder überflogen sie gewaltige Bergketten und tiefe Täler.

»Wow!«, entfuhr es Lukas. »Sieht aus, als hätte hier eine Schlacht getobt.«

»Das kannst du laut sagen«, entgegnete Nico. »Vor ein paar Milliarden Jahren gab es die sogenannte ›Zeit des großen Bombardements‹. Millionen, ach was sage ich, Milliarden von Gesteinsbrocken flogen damals im Sonnensystem herum und kollidierten mit den noch jungen Planeten und anderen Himmelskörpern. Dabei ist ein großer Teil der Krater entstanden, die man überall findet. Die auf dem Mond genauso wie diese hier auf Vesta.«

»Stimmt das denn jetzt?«, fragte Lukas mit einem unsicheren Seitenblick zu Kawett.

»Ja«, bestätigte dieser und zwinkerte. »Ausnahmsweise hat Nico recht.«

Nico holte tief Luft, doch Kawett grinste ihn an. Dann fuhr er fort: »Der nette Nebeneffekt ist, dass die Oberfläche sehr schön aufgewühlt wurde. So kommen wir leicht an die Erze heran«.

Er schaute auf das Instrument, das die Bodenbeschaffenheit analysierte. »Dort drüben treten ein paar vielversprechende Vorkommen an die Oberfläche. Luwa, bitte landen!«

Kurz darauf setzte die fliegende Untertasse auf dem grauen Staub der Vestaoberfläche auf. Die fünf versammelten sich in der unteren Schleusenhalle, und Kawett gab den beiden Jungs je einen Robotrongürtel. Lukas nahm seinen mit zitternden Fingern entgegen und legte ihn sich um.

Gleich ging es wieder los. Gleich würde er wieder einmal auf einem neuen, unbekannten Himmelskörper stehen. Sein Bauch fühlte sich an, als ob ein ganzer Schwarm Schmetterlinge darin herumschwirrte.