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Ein Lese-Kurztrip nach Südfrankreich. Die Karten werden neu gemischt auf dem Weingut in der Provence - für alle Leser:innen von Julie Dubois und Remy Eyssen Madame Bonheur begleitet ihren Kollegen Xavier Degrange zu einem Fest auf das Weingut seiner Mutter. Endlich einmal sind sie privat miteinander unterwegs und nicht als Detektive. Doch was als großes Kennenlernen und ausgelassene Feier beginnt, entwickelt sich schon bald zu einer Mordermittlung. Eine Tote zwischen den Weinstöcken bereitet der fröhlichen Stimmung ein jähes Ende. Maggie und Xavier müssen subtil vorgehen und spielen die Karten der Wahrsagerei und Mystik aus, um den Täter aus der Reserve zu locken. Denn das Schlimmste ist die große Frage, die über allem schwebt: Ist der Mörder mitten unter ihnen?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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© 2025 Piper Verlag GmbH, München
Redaktion: Christiane Geldmacher
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Covermotiv: Bilder unter Verwendung von depositphotos.com und shutterstock.com
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Cover & Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Colette hielt ein mit Pailletten übersätes silbernes Minikleid in die Höhe. Es glitzerte im Licht der Sonnenstrahlen, die durchs Schlafzimmerfenster hereinfielen, dass es beinahe blendete. »Das ist doch très chic!«, rief sie in einer Mischung aus Entzücken und Verblüffung. »Ich wusste gar nicht, dass du solche Kleidung überhaupt besitzt!«
Maggie blickte von ihrem halb gepackten Trolley auf und verkniff sich ein Schnauben. »Meine Güte, wo hast du das hervorgezogen? Das hat mein Ex mir geschenkt. Ich habe es genau einmal getragen und kam mir dabei vor wie eine Discokugel.«
Kichernd legte Colette es zurück in den Schrank und wühlte sich weiter durch Maggies Garderobe. Ihre Wangen waren vor Eifer gerötet. Sie nahm ihre Aufgabe, Maggie auf den bevorstehenden Kurztrip vorzubereiten, ziemlich ernst. Vielleicht strengte sie die Sache aber auch so an, weil Maggies Garderobe im Vergleich zu Colettes nicht aus farbenfrohen Twinsets und wadenlangen Faltenröcken bestand. Die Freundin hatte sichtlich Mühe, in Maggies legeren Kleidungsstücken, überwiegend weiß und in Erdtönen, etwas zu finden, das ihren Ansprüchen genügte.
Da hellte sich ihre Miene auf. »Diese Palazzohose hier ist hübsch. Du solltest auch etwas für nicht so warme Tage einpacken. Übermorgen ist der August vorbei. Da kann es abends auch mal frisch werden.«
»Ja, die ist gut.«
Colette warf ihr die Hose zu und blies sich den Pony, der ihrem dunklen Bob etwas Mädchenhaftes verlieh, aus dem Gesicht. Maggie legte sie zusammen und verstaute sie im Trolley.
»Laut Wetterbericht bleibt es schön. In der Region um Avignon stehen uns noch ein paar warme Tage und laue Spätsommernächte bevor.«
Colette zog mit bedeutungsvoller Miene die Augenbrauen mehrmals hoch. »Laue Sommernächte, soso. Dir ist klar, dass ich dich jeden Tag anrufen werde, um dich auszufragen.«
Maggie winkte lachend ab, doch insgeheim hoffte auch sie, dass ihr Ermittlungspartner Xavier und sie sich im ungezwungenen Ambiente eines Weingutes vielleicht endlich näherkommen würden. Außerdem stand diesmal kein Fall auf dem Plan. Vielmehr war die Reise tatsächlich privater Natur.
»Also, ich muss schon sagen, dass dein Xavier ein Weingut besitzt, macht ihn fast noch interessanter!«
»Erstens ist es nach wie vor nicht mein Xavier. Wann wirst du das endlich begreifen? Und zweitens gehört das Gut seiner Mutter, wenn ich das am Telefon richtig verstanden habe.«
»Wie auch immer. Egal, wie die Besitzverhältnisse nun genau sind. Wichtig ist doch, dass er dich eingeladen hat, ihn zu begleiten. Und du wirst seine Familie kennenlernen!«
Maggies Lächeln verrutschte unweigerlich. Sie hegte seit längerem Gefühle für Xavier. Dass sie nun seine Eltern kennenlernen würde, noch bevor sie überhaupt wusste, ob er auch mehr in ihr sah, machte sie nervös. Wie würde er sie ihnen überhaupt vorstellen, als Kollegin? Bekannte? Freundin?
»Mon dieu, nun guck nicht so bedröppelt. Es wird sicher ganz wunderbar.«
Maggie nickte ausgiebig, als wollte sie sich damit selbst Mut machen. Sie hatte sich unglaublich gefreut, als Xavier sie angerufen hatte. Zuerst dachte sie natürlich, der Privatdetektiv hätte einen neuen Fall für sie beide an Land gezogen. Denn seit er vor einiger Zeit in ihre Wahrsagestube geschneit war, waren sie ein Team und hatten schon zwei knifflige Fälle miteinander gelöst. Doch diesmal hatte er sie nicht aus beruflichen Gründen kontaktiert. Vielmehr hatte er sie zu einem mehrtägigen Fest eingeladen, dass seine Eltern jedes Jahr am Ende der Weinlese mit Freunden und Familie auf ihrem kleinen Gut südöstlich von Avignon feierten. Langsam jedoch wich die anfängliche Freude einer gehörigen Portion Nervosität. Maggie versuchte sie abzuschütteln und straffte sich. Ihr Blick fiel auf ihren Schminktisch. Dort verwandelte sie sich regelmäßig mit schwarzem Kajalstift und goldenen Creolen in die Wahrsagerin Madame Bonheur. Zwar hatte sie inzwischen so viel Vertrauen in ihre Fähigkeiten, dass das ganze Klimbim und Drumherum etwas in den Hintergrund getreten war, trotzdem gab es Tage, an denen sie sich in einem passenden Outfit zu ihren Tarotlegungen noch immer wohler und sicherer fühlte. Xaviers Familie wusste, dass sie als Wahrsagerin arbeitete. Eine Freundin seines Vaters hatte sich sogar schon einmal von ihr die Karten legen lassen und sie daraufhin an Xavier empfohlen und sie beide so zusammengeführt. Zwar erinnerte Maggie sich nicht an die Dame, doch auch unbekannterweise würde sie ihr dafür wohl ewig dankbar sein.
Sie stand auf und trat an den Schminktisch. Vielleicht konnten die Utensilien, die ihr Selbstbewusstsein beim Wahrsagen stärkten, ihr auch jetzt helfen, ihre Nervosität in den Griff zu bekommen. Mit geübten Bewegungen zog sie sich einen schwarzen Lidstrich um die Augen und tuschte ihre Wimpern. Als sie sich die goldenen Creolen an die Ohrläppchen gesteckt hatte, betrachtete sie zufrieden ihr Spiegelbild. Auf ihren bunten Turban würde sie allerdings verzichten. Das war für eine Familienfeier dann doch zu viel des Guten.
»Perfekt!«, sagte Colette. Die beiden Freundinnen blickten sich im Spiegel des Schminktisches an. Da klingelte es an der Tür.
»Hui, das war ja just-in-time!«, rief Colette. Gemeinsam gingen sie hinaus, um Xavier zu begrüßen. Sie umarmten sich herzlich, und nun, da er da war, fiel alle Anspannung von Maggie ab. Sie konnte es kaum erwarten, die nächsten Tage mit ihm zu verbringen.
»Gut siehst du aus«, sagte Xavier, während sein Blick an einem ihrer großen Ohrringe hängenblieb. Hatte sie es womöglich doch etwas übertrieben? Sie kam nicht dazu, länger darüber nachzudenken, denn sie wollten direkt aufbrechen.
»Ich hoffe, du hast an dein Handyladekabel gedacht. Vergiss nicht, ich werde dich jeden Tag anrufen«, flüsterte Colette Maggie mit einem Augenzwinkern zu.
Die nickte wissend. Colette würde ihre Drohung sicherlich wahr machen. Sie war nach Bérénice, der Tratschtante ihres Dorfes, eine der neugierigsten Personen, die Maggie kannte.
Dann drückten die Freundinnen sich zum Abschied. »Ich wünsche dir ganz viel Spaß. Roussillon wird langweilig sein ohne dich.«
Maggie sperrte ab und ging mit Xavier zu seinem Wagen. Er hatte seinen taubenblauen Citroën auf Hochglanz poliert. Ob er das wohl wegen seiner Familie oder wegen ihr gemacht hatte?
Xavier öffnete den Kofferraum, und sie verstauten ihren kleinen Trolley. Dann stiegen sie ein, und Xavier startete den Wagen. Sie waren nun schon öfter zusammen von Roussillon aus zu spannenden Abenteuern aufgebrochen. Doch heute steckte kein Auftraggeber dahinter. Kein Fall hatte sie diesmal zusammengebracht. Sie waren privat unterwegs, als Freunde. Als Pärchen? Maggie versuchte, nicht zu viel darüber nachzudenken. Lieber wollte sie den Ausflug einfach genießen, egal, was kam.
Sie drehte sich um und blickte zur Heckscheibe hinaus. Colette winkte ihnen nach, bis sie am Ende der Straße um die Ecke bogen und aus ihrem Sichtfeld verschwanden.
Als Maggie sich wieder nach vorne wandte, fiel ihr Blick auf den Ring, den Xavier trug. Sie erkannte ihn sofort wieder. Es war der auffällige Siegelring, den er im Rahmen ihrer letzten Ermittlungen einmal kurz getragen hatte. Damals war er Teil einer Verkleidung gewesen. Überrascht deutete sie darauf. »Den kenne ich doch!«
Xavier nickte schmunzelnd. »Ja, nur dass er heute nicht zu einer Tarnung gehört.«
»Wie meinst du das?«
»Es ist das Familienwappen meiner Mutter. Ich habe ihn angesteckt, um ihr eine Freude zu machen. Im Alltag ist der Ring mir aber zu auffällig.«
Interessiert musterte Maggie das Schmuckstück.
»Sie stammt aus einer adligen Familie. Außer dem kleinen Weingut ist davon allerdings nicht mehr viel übrig«, erklärte er.
Maggie zog verwundert die Augenbrauen hoch. »Du steckst ja voller Überraschungen!«
»Wie gesagt, adlig klingt immer etwas pompös. Aber der einstige Glanz ist längst verblasst. Spätestens wenn du das Herrenhaus siehst, wirst du verstehen, was ich meine. Es ist inzwischen völlig heruntergekommen. Ich bin gar nicht sicher, ob man es noch gefahrlos betreten kann.«
»Nun hör auf tiefzustapeln. Außerdem steht dir der Ring großartig.«
»Ich sehe schon, dass du auf auffälligen Goldschmuck stehst«, gab Xavier lachend zurück. »In dieser Hinsicht passen wir heute perfekt zusammen!«
Maggie grinste in sich hinein. Ja, das taten sie, aber hoffentlich nicht nur in dieser Hinsicht!
Maggie blieb die Spucke weg, als sie durch ein hohes, schmiedeeisernes Tor, das einladend offenstand, auf das Anwesen fuhren. Mit großen Augen blickte sie sich um und saugte alle Eindrücke in sich auf wie ein Schwamm. Das Herrenhaus passierten sie direkt nach dem Tor zu ihrer Linken. Maggie beugte sich neugierig zu Xavier hinüber, um einen besseren Blick auf das Gebäude durch sein Seitenfenster zu erhaschen. Wie er schon erwähnt hatte, stand es augenscheinlich leer, und es war dem Haus auch anzusehen, dass es sanierungsbedürftig war. Der Lack der hölzernen Fensterläden war abgeblättert, daneben gar eine der trüben Scheiben zerbrochen. Nichtsdestotrotz strahlte es Erhabenheit aus und verlieh dem ganzen Anwesen einen altehrwürdigen Touch. Der beige Sandstein wirkte ohnehin zeitlos, und Maggie war sich sicher, dass man von dem kleinen Turm aus, in den die Hausecke in Richtung des Weinberges mündete, einen atemberaubenden Blick haben musste.
Sie fuhren noch ein Stück am Fuß des Hügels entlang, über den sich in vielen Reihen die Rebstöcke zogen. Der Weg war hier sandig und nicht mehr gepflastert und endete auf einem großen runden Platz, in dessen Mitte ein Orangenbaum thronte. Eine Seite des Platzes grenzte direkt an die ersten Reihen der Weinreben an, geradeaus befand sich eine Scheune mit vielen Toren, von denen ein paar offen standen und den Blick freigaben auf Tröge, Bottiche, Maschinen und Autos. Hinter einem Tor war eine Lücke, und Xavier fuhr sofort hinein, um dort zu parken.
Maggie hatte bislang nur einen flüchtigen Blick auf das niedrige Gebäude nebenan erhascht, und beeilte sich daher, aus der Scheune hinauszukommen, um es genauer in Augenschein zu nehmen. Es war ebenso aus Sandstein erbaut wie das Herrenhaus vorne, doch war es wesentlich niedriger. Dafür aber viele Meter breit, so breit gar, dass sein linkes Ende hinter der Scheune verschwand. Bodentiefe Fenster mit dunkelgrünen Holzläden, die in diesem Fall nicht renovierungsbedürftig aussahen, sondern eher frisch gestrichen, fingen Maggies Blick ein. Eines davon war geöffnet, und der Wind bauschte den davor hängenden dünnen Vorhang. Die beiden Flügel der hölzernen Haustür standen ebenfalls offen, und just in diesem Moment kam eine Frau heraus. Sie hatte kastanienbraunes schulterlanges Haar, das mit seinen voluminösen Wellen an eine Löwenmähne erinnerte. Eine große Sonnenbrille steckte darin. Ihre Schürze deutete darauf hin, dass sie gerade irgendetwas gearbeitet hatte, doch darunter trug sie eine Bluse und eine leichte Hose aus feinem Stoff. Ihr Gesicht war perfekt geschminkt. Die Frau, die frappierende Ähnlichkeit mit einer etwa 60-jährigen Sophia Loren hatte, hätte sich nur die Schürze abstreifen müssen und wäre dann ohne Weiteres bereit gewesen, auf eine noble Veranstaltung zu gehen. Während Maggie sie noch interessiert betrachtete und sich in ihrer Gegenwart augenblicklich etwas unperfekter fühlte, breitete die Frau ihre Arme aus.
»Xavier, da bist du ja! Was für eine Freude!«
»Hallo, Maman!«
Sie herzte ihn ausgiebig und tätschelte mit ihrer mit goldenen Ringen und Armreifen geschmückten Hand seine Wange. Dann wandte sie sich Maggie zu.
»Und das muss also die Wahrsagerin sein, von der du mir so viel erzählt hast!«, rief sie freudig aus.
Maggie war etwas verlegen und fragte sich, was seine Mutter wohl alles über sie wusste. »Bonjour, Madame Degrange!«
»Bitte nenn mich Geneviève!«
Während nun auch sie herzlich gedrückt wurde, murmelte sie ein überrumpeltes »Ich bin Maggie« in Genevièves kastanienbraune Mähne.
»Kommt rein, drinnen ist es nicht so heiß. Die Ernte in den letzten Tagen war die Hölle. Hätte ich das geahnt, dass es noch mal so warm wird, hätte ich sie ein paar Tage verschoben«, meinte Xaviers Mutter, als sie sie schließlich wieder losgelassen hatte, und winkte ihnen, ihr zu folgen.
Tatsächlich war es im Haus angenehm kühl, obwohl die Tür offenstand. Den Boden zierten gemusterte Fliesen, und die Sandsteinwände waren auch hier drinnen unverputzt, was dem Gebäude einen ganz eigenen, rustikalen Charme verlieh.
Vom kleinen Flur ging direkt rechts eine Tür ab und führte in eine überraschend große Küche. Auch sie war rustikal und gemütlich, und Maggie konnte sich gut vorstellen, dass hier provenzalische Köstlichkeiten gezaubert wurden. An einer Leiste an der Wand hingen metallene Siebe und Schöpfkellen. Darunter auf dem Ofen stand ein riesiger Emailletopf. Ein Mann rührte darin herum. Als er die Neuankömmlinge bemerkte, legte er den Kochlöffel weg und den Deckel wieder auf den Topf.
»Bruno, du naschst doch wohl nicht schon wieder? Das Essen ist noch nicht fertig!«, rief Geneviève und hob tadelnd den Zeigefinger. Doch sie wirkte dabei nicht streng, sondern eher belustigt.
Der Mann winkte mit schuldbewusster Miene ab und kam heran, um sie ebenfalls zu begrüßen. Es stellte sich heraus, dass Bruno Xaviers Vater war, doch das hätte Maggie auch ohne Erklärung erraten. Die beiden hatten dasselbe wellige Haar, auch wenn Brunos schon grau geworden war. Die dunklen Augen ähnelten sich ebenfalls stark, und der markante Zug um Wangenknochen und Kinn machte das Vater-Sohn-Bild komplett.
Bruno schüttelte ausgiebig Maggies Hand, nachdem er Xavier kurz umarmt und ihm kräftig auf die Schulter geklopft hatte. Auch er betonte, wie viel er schon von ihr gehört habe, und löste damit erneut ein mulmiges Gefühl in Maggie aus. Während sie hier auf lauter Fremde traf, schienen diese Leute schon bestens über sie Bescheid zu wissen. Außerdem hätte sie zu gerne gewusst, was genau Xavier wohl über sie gesagt hatte. Doch das würde sie womöglich nie erfahren, wenn sie ihm ihre Neugierde nicht auf die Nase binden wollte.
»Wir sind diesmal eine etwas kleinere Gruppe«, erzählte Geneviève, während sie Maggie und Xavier ins Wohnzimmer gegenüber führte. Michelle hat sich das Bein gebrochen. Beim Fensterputzen! Mon dieu, das gibt nicht einmal eine gute Geschichte, nicht wahr? Und die Debois haben Corona. Kannst du dir das vorstellen? Corona! Ich dachte, das gäbe es inzwischen schon gar nicht mehr.«
Xavier warf Maggie einen amüsierten Blick zu. Die theatralische Art seiner Mutter schien ihn gut zu unterhalten. Die warf sich inzwischen in einen großen dunkelroten Sessel. Maggie und Xavier setzten sich ihr schräg gegenüber auf eines der beiden ebenso bordeauxfarbenen Sofas. Vor Geneviève stand eine geöffnete Flasche und ein halb volles Glas Wein. »Ich weiß, ich weiß, die Party hat noch nicht begonnen, aber unser Wein vom letzten Jahr ist einfach zu gut, um ihn nicht zu trinken. Ich glaube, es ist der beste Jahrgang, den wir je hatten! Ich hole euch Gläser, schließlich müssen wir auf eure Ankunft hier anstoßen!«
Ehe Maggie überhaupt reagieren konnte, war Geneviève schon wieder aufgesprungen und trat an die große Vitrine, die an der Wand gegenüber der gemütlichen Sitzgruppe stand. Sie war, wie anscheinend alles hier, aus massivem Holz. Durch die Scheiben der Sprossentüren sah man Weingläser in mehreren Reihen, die auf ihren Einsatz warteten. Xavier tätschelte sachte Maggies Rücken, als seine Mutter sich abwandte. Er hatte anscheinend bemerkt, dass Maggie sich ein wenig überrollt fühlte. Vielleicht wäre ein Schluck Wein gar nicht so verkehrt, um endgültig hier auf dem Gut anzukommen.
»Das Fest am Ende der aktuellen Lese ist bei uns auch immer die Premiere des Weines, der im letzten Jahr geerntet wurde«, erklärte Xavier ihr, während Geneviève mit zwei Gläsern zurückkam.
Sie schenkte ein und reichte ihnen die Gläser. Ihre Miene war jetzt gespannt, anscheinend interessierte Geneviève ihr Urteil.
Der Wein war wirklich ausgezeichnet. Nicht zu herb und nicht zu süß. Maggie meinte ein leichtes Beerenaroma herauszuschmecken, hätte sich als Laie jedoch nie getraut, das offen auszusprechen. Jedenfalls lag der Rosé leicht auf der Zunge, ohne fade zu sein. Ein wunderbarer Sommerwein. Sie nickte anerkennend, und Xavier schmatzte zufrieden.
»Nicht wahr?«, meinte Geneviève erfreut und sah sich durch ihre Reaktionen bestätigt, noch bevor sie dazu gekommen waren, den Rosé zu loben.
»Mit dem Wein muss das Fest ja gut werden«, meinte Xavier pragmatisch.
»Ja, wirklich fantastisch«, ergänzte Maggie pflichtbewusst.
Geneviève gönnte sich noch einen großen Schluck. Sie wirkte nun sehr zufrieden.
»Wo sind denn die anderen? Du meintest zwar, es gebe ein paar Ausfälle, aber ich sehe gar keine Gäste«, hakte Xavier nach.
Maggie lehnte sich zurück in das bequeme Sofa und widmete sich ihrem Wein.
»Thierry ist mit Ava im Dorf, ein paar Besorgungen machen. Die Erntehelfer kommen dann erst später zur Feier wieder. Avas Familie und Brigitte und ihr Mann halten ein Schläfchen, wahrscheinlich das Schlauste, was man in der Mittagshitze tun kann. Florence hat sich nicht davon abbringen lassen, auf Fototour zu gehen. Sie hat eine Kamera zum Geburtstag bekommen, und jetzt ist sie im Fotografierfieber, obwohl sie mit dem teuren Ding gar nicht richtig umgehen kann. Ich denke, deshalb will sie den Sonnenschein nutzen, da werden die Bilder immer gut, auch wenn man es nicht wirklich kann. Ja, und Générale Millet und seine Gattin sind noch nicht eingetroffen.«
Maggie schwenkte ihr Glas und beobachtete entspannt, wie der Wein darin hin- und herschwappte. So viele Namen. Ohne die Gesichter dazu würde sie sich ohnehin keinen einzigen davon merken können. Nur, dass Ava Xaviers Schwester war, das wusste sie bereits. Der Rest würde sich schon ergeben, wenn sie alle persönlich kennenlernte. Lächelnd stellte sie fest, dass der Rosé nicht nur fabelhaft schmeckte, sondern sie auch wunderbar entspannte.
Um zu den Schlafräumen zu gelangen, stiegen Maggie und Xavier eine steile Holztreppe in das Obergeschoss hinauf. Es war etwas niedriger hier oben, und dunkle Sichtbalken an der Decke unterstrichen den gemütlich-rustikalen Charakter des Hauses.
»Das hier ist dein Zimmer.« Xavier öffnete eine der Türen, die von dem langen Gang abgingen. Drinnen standen ein kleiner Schminktisch mit Stuhl davor, ein Schrank und ein Queensize Bett, über das ein Moskitonetz gespannt war, ebenso blütenweiß wie die dünnen, schlichten Baumwollvorhänge. Mit den wenigen Möbeln war der Raum ausgefüllt. Maggie fühlte sich auf Anhieb wohl. Hier herrschte dasselbe wohlige Flair wie unten. Das dunkle Holz von Bett, Schrank, Tisch und Stuhl glänzte edel, und das Moskitonetz erinnerte an ein Himmelbett.
»Wie hübsch!«, sagte Maggie. »Und wo wirst du schlafen?« Das Bett, vor dem sie gerade standen, wäre durchaus groß genug für sie beide.
»Direkt gegenüber. Normalerweise ist das hier immer mein Zimmer. Aber diesmal überlasse ich es dir. Mit dem Fenster hinten raus wirst du besser schlafen können, als wenn du dir bis tief in die Nacht die weinschwangeren Gespräche im Innenhof anhören musst.« Er zog eine Grimasse, die Maggie zum Kichern brachte.
»Danke, das ist sehr fürsorglich von dir. Und bevor du die ganze Nacht lang wach liegst, darfst du gerne hier herüber flüchten.«
In Xaviers intensivem Blick meinte sie zu lesen, dass er ihren unbedachten Vorschlag durchaus als zweideutiges Angebot wertete. Sollte er ruhig. Wenn sie hier auf diesem wunderbaren Weingut nicht zueinander fanden, dann würde es womöglich niemals klappen.
»Da seid ihr ja endlich!«, unterbrach da eine weibliche Stimme ihren Blickkontakt.
Es folgte das Klicken eines Fotoapparates. Das musste dann wohl Florence sein. Ehe Maggie die Frau wirklich sah, wurde sie schon in eine Umarmung gezogen.
»Na, erinnerst du dich noch an mich?«
Florence brachte etwas Abstand zwischen Maggie und sich und hielt sie auf Armeslänge vor sich fest. Maggie betrachtete sie überrascht. Sie trug eine gemusterte weite Stoffhose und eine ebenfalls, aber ganz anders gemusterte Tunika dazu. Ihr dunkelblondes glattes Haar, das einen leicht kupferfarbenen Stich hatte, war mit einem gestreiften dünnen Schal zurückgebunden. Irgendwie kam sie Maggie tatsächlich vage bekannt vor. Doch sie hatte keine Ahnung, wo sie Florence schon einmal begegnet sein könnte.
»Ich bin nicht sicher«, antwortete sie zögerlich.
Xavier trat heran und legte jeder der beiden Frauen eine Hand auf die Schulter. »Florence hat uns zusammengebracht.«
Er hatte ihr erzählt, dass eine Freundin seiner Eltern sie ihm als Wahrsagerin empfohlen hatte, nachdem sie sich von Maggie die Karten hatte legen lassen.
»Tatsächlich? Wie schön!« Maggie war ehrlich erfreut, Florence wiederzutreffen und kennenzulernen.
»Du hast mein Leben verändert, liebe Maggie!«, rief diese, als Maggie gerade auf ihr damaliges Kartenlegen zu sprechen kommen wollte.
»Oh, wow!«, meinte sie etwas unbeholfen. »Das musst du mir genauer erzählen.«
»Das tue ich. Aber jetzt müsst ihr erst einmal Thierry und Ava begrüßen. Sie sind grade vom Einkaufen zurückgekommen.«
Xavier freute sich sichtlich darauf, die beiden zu treffen, und so stiegen die drei gleich im Gänsemarsch die steile Holztreppe wieder hinunter. ›Zu viel Wein darf man hier aber nicht trinken, sonst bricht sich auf dieser Stiege noch einer das Genick‹, schoss es Maggie durch den Kopf.
Sie hatte sich in letzter Zeit wohl zu viel mit Todesfällen beschäftigt, seit sie mit Xavier als Privatdetektivin zusammenarbeitete. Maggie schüttelte die morbiden Gedanken ab und umfasste das Geländer etwas fester.
Dass die Neuankömmlinge in der Küche sein mussten, war nicht zu überhören. Xavier schritt voran und ging sogleich hinein. Florence und Maggie blieben an der Tür stehen. In der Küche waren nach wie vor seine Eltern, Bruno etwas abseits, kauend, mit einem kleinen Küchlein in der Hand. Geneviève hatte sich mitten im Zimmer aufgebaut und machte ein ziemliches Gewese, weil Ava und Thierry anscheinend den falschen Käse mitgebracht hatten. Die beiden standen vor der zeternden Dame des Hauses wie zwei Schulkinder bei einer Standpauke. Ein Seitenblick auf Florence, die lässig im Türrahmen lehnte und grinste, verriet Maggie, dass diese Szene wohl lediglich Genevièves temperamentvolles Wesen widerspiegelte und nicht so ernst zu nehmen war. Xavier sah das offensichtlich ganz genauso. »Nicht mal zum Einkaufen kann man euch schicken, ihr Nichtsnutze!«, rief er gut gelaunt und sprengte damit die Standpauke seiner Mutter. Lachend schlug sie mit einem Geschirrtuch nach ihm. Dann machte sie ihm Platz, damit er Thierry und Ava begrüßen konnte. Gleich darauf wandte er sich zu Maggie um und winkte sie heran, um sie den beiden vorzustellen.
Sein Cousin Thierry wirkte ein ganzes Stück jünger als Xavier und hatte einen spitzbübischen Gesichtsausdruck, der durch seine ausgeprägten Grübchen in beiden Wangen noch verstärkt wurde. Sein Haar war braun und trotz des kurzen Schnitts recht verstrubbelt.
Ava hingegen sah völlig anders aus als der Rest der Familie. Sie war die Einzige mit blondem Haar. Da auch ihr Teint vergleichsweise hell war, konnte das durchaus ihre natürliche Haarfarbe sein, obwohl Maggie sich bei der südländischen Optik der Eltern wunderte, wo das herkam.
Sowohl Thierry als auch Ava begrüßten Maggie freundlich. Sie fühlte sich sofort und vorbehaltlos in der Gemeinschaft aufgenommen und genoss dieses Gefühl sehr, auch wenn ihr von den ganzen neuen Menschen und Eindrücken der Kopf schwirrte.
Um den Trubel perfekt zu machen, tauchten in diesem Moment zwei weitere Personen auf. Ein Mann und ein kleiner Junge stürmten die Holztreppe herunter. Nun, zumindest der Junge stürmte, der Mann kam langsamer und vorsichtiger nach. Als er unten ankam, hatte sich der kleine, vermutlich etwa Dreijährige, schon an Florence vorbei in die Küche gedrückt. Mit einem »Hallo, Mama!«, sprang er Ava an und ließ sich in die Arme schließen.
»Elian, mein Schatz, hast du gut geschlafen?«, hörte Maggie sie erwidern.
Der Mann blieb neben Florence stehen und stellte sich als Noel vor. Er war neben Bruno der Einzige, der Maggie nicht sogleich um den Hals fiel. Sondern er drückte ihre Hand, als sie zu ihm ging, um aus dem Küchentrubel herauszukommen. Das machte ihn für Maggie tatsächlich sofort sympathisch. Als gebürtige Schwäbin hatte sie es eigentlich nicht so mit Umarmungen und Küsschen zur Begrüßung, vor allem nicht, wenn sie ihr Gegenüber noch gar nicht wirklich kannte. Dass er Avas Partner war, konnte Maggie sich erschließen. Ein hübsches Paar gaben die beiden ab, denn so hell ihre Haut, Augen und Haare waren, so dunkel waren seine.
»Weg mit euch jetzt!«, rief da Geneviève unvermittelt. »Alle, die nicht mitkochen, müssen hier raus!«
»Ich kann dir helfen«, bot ihr Mann Bruno an.
»Nichts da, du isst nur die ganze Zeit!«
Lachend verließ die Meute die Küche. Als alle außer Geneviève draußen waren, schickte Florence sich an, hineinzugehen.
»Kommst du mit?«, fragte sie Maggie über die Schulter.
Die nickte und folgte ihr. Sie war zwar keine Meisterköchin, doch so, wie sie Geneviève kennengelernt hatte, würde die alles im Griff haben und genau definierte Hilfsjobs an sie und Florence verteilen. Außerdem fühlte es sich einerseits gut an, sich etwas nützlich zu machen, und es andererseits fürs Erste nur mit zwei neuen Gesichtern zu tun zu haben. Da war Maggie introvertiert genug, dafür das Kochen in Kauf zu nehmen.
Zurück in ihrem Zimmer warf Maggie sich auf das Bett. Wie erwartet, hatte in der Küche dank einer klaren Rangordnung alles reibungslos geklappt. Nebenbei hatte sie von Florence erfahren, dass diese nach dem Kartenlegen ihr Leben völlig umgekrempelt hatte. Sie hatte sich gefangen gefühlt, viel zu selten auch mal nein gesagt und sich aus Pflichtgefühl immer wieder verbogen. Nun mache sie nur noch, worauf sie Lust habe. Statt ihres Bürojobs betreibe sie inzwischen eine Töpferei, die dank der Touristen auch recht gut laufe, und drei bis vier lose Beziehungen täten ihr auch wesentlich besser als eine Ehe.
Maggie hatte nicht erwartet, dass ihre Wahrsagerei solche Auswirkungen haben könnte. Im ersten Moment wusste sie gar nicht, wie sie sich damit fühlen sollte, dass sie so viel Einfluss auf ein fremdes Leben genommen hatte. Doch Florence wirkte sehr glücklich und zufrieden mit sich und ihrem neuen Leben, und Maggie war mehr als erleichtert darüber.
Als sie drohte einzudösen, stand sie auf und ging in das Bad am Ende des Ganges, um sich für die Feier fertig zu machen. Zum Glück war es gerade leer, und Maggie gönnte sich eine Dusche. Als sie schließlich frisch und in einem neuen Kleid die Treppe hinunterstieg, hörte sie Musik durch die offene Tür. Neugierig sah sie sich um, die Küche war leer, und so ging sie hinaus. Dort wanderten zwei ältere Herren auf dem Vorplatz herum. Der eine spielte Gitarre, der andere hatte sich ein Schifferklavier umgeschnallt. Einige Gäste klatschten im Takt. Geneviève und Bruno tanzten unter dem Orangenbaum. Auf der anderen Seite hatte man eine L-förmige Tafel aufgebaut. Der Tisch war bereits gedeckt. Die unterschiedlichen Stühle waren bunt wie die Lampions darüber im Baum, und das weiße Tischtuch wiegte sich passend zu den Tanzenden leicht im Wind. Wie gerne hätte sie diese idyllische Szene festgehalten. Da erspähte sie Florence, die eifrig am Fotografieren war. Anscheinend hatte die ganz ähnliche Gedanken.
Xavier löste sich aus dem klatschenden Grüppchen und kam zu ihr. »Darf ich bitten?«, fragte er und reichte ihr seine Hand. Zwar war Maggie etwas mulmig bei dem Gedanken, so auf dem Präsentierteller zu tanzen, doch das Gefühl verflog binnen Sekunden, als sie mit Xavier ihre Runden über den Platz drehte. Auch Ava und ihr kleiner Sohn kamen dazu und gaben kichernd, hüpfend und klatschend einen wilden Tanz zum Besten.
Ein plötzliches Trommeln unterbrach den Reigen, und die Musik verstummte. Dafür kam aus Richtung des Herrenhauses ein kleiner Zug an Menschen, allen voran ein junger, schlaksiger Kerl mit einer großen Basstrommel vor dem Bauch. Ihm folgten mehrere Leute. Sie alle waren bester Laune, jubelten und winkten.
»Das sind die Erntehelfer aus dem Dorf«, erklärte ihr Xavier. »Sie waren in den letzten Tagen hier fleißig. Die meisten kommen jedes Jahr wieder, aber so ein Spektakel haben sie schon länger nicht mehr gemacht.«
Der Zug erreichte den Vorplatz und wurde mit großem Hallo empfangen. Geneviève verlor einige Worte des Dankes an die Helfer. Dann verkündete sie, dass der Wein vom letzten Jahr ganz ausgezeichnet geworden sei, während Bruno aufs Stichwort begann, gefüllte Gläser zu verteilen.
Sie prosteten sich zu, und wenig später saßen sie alle zusammen an der großen Tafel und ließen sich neben dem Wein auch die verschiedenen Köstlichkeiten schmecken, die sie unter Genevièves Anleitung gezaubert hatten. Maggie konnte gar nicht genug bekommen von den kleinen Blätterteig-Täschchen, die sie mit Birnenscheiben, Käse, Walnüssen und etwas Thymian gefüllt hatten. Xavier hingegen hatten es die Fleischspieße angetan. So schlemmten und tranken sie, und Xavier erklärte ihr nebenbei, wer die ganzen Leute waren, denen er sie noch nicht vorgestellt hatte.
Da gab es zum Beispiel noch Brigitte, die Schwester seines Vaters und Thierrys Mutter. Sie trug ihr dunkles langes Haar in so bauschigen, kleinen Löckchen, dass Maggie auf eine Dauerwelle tippte. Ein bisschen sahen sie und ihr eher unscheinbarer Mann aus, als wären sie einer 80er-Jahre Sitcom entsprungen. Und ein waschechter General war ebenfalls anwesend. Er hatte eine tiefe volle Stimme, mit der er es womöglich auch zum Sänger gebracht hätte, und einen Schnauzer, der Maggie unweigerlich an Agatha Christies Hercule Poirot denken ließ. Sie alle wirkten auf ihre Weise sympathisch, was wohl auch ein bisschen an der ausgelassenen, guten Stimmung lag. Es wurde nicht nur dem hervorragenden Wein und Genevièves Kochkünsten gefrönt, sondern auch viel erzählt und gelacht. Zu späterer Stunde spielte das Musikduo wieder auf, und nur wenige der Gäste hielt es dann noch auf ihren Stühlen. Maggie tanzte noch einige Male mit Xavier, dann auch mit Thierry und Bruno und schließlich einen Ringelreihen mit Ava und Elian. Da der Kleine sehr selbstbewusst das Tempo vorgegeben hatte, war sie danach ganz schön aus der Puste.
Schließlich verabschiedete sich Ava, um ihren Sohn zu Bett zu bringen, und auch die ersten Erntehelfer aus dem nahe gelegenen Dorf brachen auf. Die Dämmerung war längst hereingebrochen und die Lampions im Orangenbaum spendeten buntes Licht. Entlang des Weges und vor dem Haus brannten Fackeln. Die beiden Musiker legten ihre Instrumente beiseite und ließen sich mit vollen Roségläsern für ihren Einsatz belohnen. Eine zufriedene Ruhe legte sich über die Feiergesellschaft. Auch Maggie lehnte sich zurück und seufzte wohlig. »Was für ein schöner Abend«, murmelte sie.
Xavier neben ihr strich ihr sanft mit den Fingerspitzen über den Arm. »Wollen wir noch einen kleinen Spaziergang machen?«