Maddrax 582 - Lucy Guth - E-Book

Maddrax 582 E-Book

Lucy Guth

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Beschreibung

Für Tom Ericson bietet sich eine einmalige Gelegenheit: Die Pancinowa gewähren ihm und seiner Begleiterin einen Besuch auf Cancriss, um dort im Namen der Erde ihr Anliegen vorzutragen. Dass diese Begleiterin ausgerechnet Vasraa ist, trübt Toms Enthusiasmus nur ein wenig; schließlich hat er nun die Chance, das heimische Sonnensystem vor dem Streiter zu retten.
Doch als er die kosmische Entität vor dem Rat erwähnt, ist die Reaktion darauf anders als erwartet. Die Mission droht zu scheitern, noch bevor sie richtig begonnen hat...


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Seitenzahl: 148

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Das Geheimnis im Eis

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin der sich mit den Daa'muren ins All aufmacht...

Doch der Kampf gegen den Streiter hat dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als es Matt und Aruula endlich gelingt, ihn mit außerirdischer Hilfe in seinen Orbit zurückzuversetzen, verursacht dies eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums. Überall tauchen Areale verschiedener Parallelwelten auf. Zwar können unseren Helden die Risse versiegeln – aber eine letzte Bruchstelle tauscht ein Areal um den Victoriasee in Afrika aus. Eine gewaltige Stadt erscheint, deren Bewohner einen »Dunklen Keim« verbreiten.

Nach einigen Angriffen der Dunklen unter ihrem Anführer Shadar auch auf die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur findet man dank der befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen saugen den Dunklen Keim aus den Infizierten! Die Gefährten erobern Château zurück, doch Shadar kann sich absetzen. Für weitere Hilfe wendet sich Matt an Colonel Kormak, der eine Eingreiftruppe gründet, die Dark Force. Sie locken Shadar in Mombassa in eine Falle. Schwer verletzt kann er entkommen, und die Stadt selbst rettet ihn, indem sie ihn in ihr Dunkles Herz aufnimmt.

Matt und Aruula wird ein Flug über die Gigantolpole zum Verhängnis: In ihren Tiefen werden sie zum Bösen umgepolt, ermorden de Roziers Enkel und über hundert Hydriten. Doch der Hydrit Quart'ol überwältigt die beiden und bringt sie zur Wolkenstadt. Dort erschießt Pilâtre Aruula aus Rache für Pilou – und gleichzeitig wacht eine andere Aruula im Zentrum der Stadt auf! Das Dunkle Herz schuf Zwillinge der beiden aus deren bösen Anlagen. Sie können gerettet werden und sprengen das Zentrum der Stadt, wobei Shadar stirbt; das Dunkle Herz überlebt.

Doch da naht eine neue Gefahr: Ein Roboter mit dem Geistesinhalt von Professor Dr. Smythe, Matts Erzfeind, begegnet im All einem Streiter und lockt ihn zur Erde. Zunächst wird die kosmische Wesenheit auf den Mars treffen, weshalb der dort lebende Hydree Wang'kul ein Hologramm zur Erde schickt, das Matts Geist zum Roten Planeten holt, während sein Körper zurückbleibt. Matt und Wang'kul können den Streiter per Zeitstrahl sechs Monate in die Zukunft schicken. Dann erreicht Robo-Smythe den Mars – und versucht an Waffen für das Raumschiff zu gelangen, das er gekapert hat: die PLASMA. Doch Matt in Chandras Körper arbeitet gegen ihn, und Smythe muss fliehen. Sein Ziel ist die Erde. Matt nutzt den Zeitstrahl, um vor ihm dort zu sein... weil aber beim Rücktransfer etwas schiefgeht, gelangt Smythe unbemerkt auf die Erde – wo er auf sein Parallelwelt-Ich trifft. Das trägt letztlich den Sieg davon, und Matt kann »Robo-Smythe« schließlich gänzlich zerstören. Nur dessen Begleiterin, ein Sex-Roboter namens Lybreyz, entkommt.

Das Geheimnis im Eis

von Lucy Guth

Lepmurt schloss die Tür zu seinem neuen Arbeitszimmer und ließ sich in den schwarzen Sessel sinken. Er hatte das Ziel seiner Wünsche erreicht: Die Bewohner von Cancriss hatten ihn zum neuen Ratspräsidenten gewählt! Nach dem Tod seines Vorgängers war es ihm gelungen, sie von seiner Tatkraft und seinem Können zu überzeugen. Die Zeremonie der Amtseinführung, die er eben hinter sich gebracht hatte, war ihm wie ein Traum vorgekommen.

Ein Klopfen an der Tür unterbrach seine Gedanken. Hegan, der Leiter des Sicherheitsdienstes, trat ein. »Etwas gibt es noch zu tun, Herr Präsident«, sagte er feierlich.

Lepmurt zog die Stirnwülste zusammen. »Und das wäre?«

»Ich werde euch jetzt mit ... gewissen Informationen vertraut machen«, sagte Hegan. »Ihr werdet das größte Geheimnis von Cancriss erfahren ...«

Unruhig wanderte Tom Ericson vor dem Haus auf und ab wie ein Tiger im Käfig. Das Warten machte ihn mürbe. Vasraa lehnte neben der Tür und säuberte ihre Fingernägel mit einem Kampfmesser. Sie wirkte weniger ungeduldig als gelangweilt.

Keiner von ihnen wusste, wann sich endlich jemand von den Pancinowa dazu bequemen würde, ihnen ein Portal für den Transfer nach Cancriss zu öffnen. Das Wurmloch war ihnen zwar angekündigt worden, aber seit Stunden geschah nichts.

Xij kam aus ihrem gemeinsamen Haus und reichte Tom einen Becher Wasser. Auch für Vasraa hatte sie einen Becher dabei. Die ehemalige Techno sah Xij ausdruckslos an, ohne das Wasser zu nehmen.

Xij seufzte. »Ich dachte nur, ihr hättet nach all der Warterei vielleicht Durst.« Sie war seit kurzem Innensenatorin im Senat vom Novis und bemühte sich, diplomatisch zu sein.*

»Habe ich auch.« Tom leerte seinen Becher in einem Zug. Auf Novis war es heiß, was Tom nur noch unruhiger machte.

Vasraa nahm nun doch den Becher und trank.

Schritte näherten sich, und Tom wandte sich um. Xaana kam den kleinen Hügel herauf. »Ihr seid ja noch da!«, rief sie erstaunt.

Vasraa verzog den Mund. »Nicht zu übersehen, was, Schlaukopf?« Sie hatte Xaana noch nie gemocht, doch seitdem ihre Tochter Zekiya sich auf deren Seite geschlagen hatte, zeigte sie ihre Abneigung noch deutlicher.

Tom ging dazwischen, ehe es zu einer Auseinandersetzung kommen konnte. Schließlich war er auf die Zusammenarbeit mit Vasraa angewiesen, auch wenn es ihm selbst nicht schmeckte, die »Beobachterin« des neuen Sicherheitschefs Aslan Javuz am Hals zu haben. »Wie geht es Aki?«

Xaanas Freund, der bisherige Sicherheitschef von Novis, war bei einer Tavernenschlägerei kürzlich schwer verletzt worden.

»Besser. Es wird noch eine Weile dauern, bis er sich erholt hat.« Xaana umarmte Tom. »Dann kann ich mich wenigstens von dir verabschieden.«

»Na, ich werde wahrscheinlich nicht sehr lange weg sein.« Tom erwiderte die Umarmung seiner Ziehtochter. »Das heißt, wenn sich überhaupt irgendwann jemand bequemt, uns abzuholen.«

»Wie lange wartet ihr schon?«

»Gut drei Stunden. Wir sind von Ross Bravns Institut hierher gegangen, damit ich noch ein paar Dinge zusammenpacken konnte.« Tom wies auf einen Rucksack. »Ein paar Werkzeuge, eine Feldflasche mit Wasser und ein paar Notizen, die ich dem Rat vorlegen will, um sie von unserem Anliegen zu überzeugen. Und...«, er klopfte verlegen auf seine Jackentasche, »... eine Pistole für alle Fälle. Eileen weiß Bescheid, dass wir hier warten.«

Vasraa stemmte sich von der Wand ab und schlenderte ein paar ziellose Schritte. »Ich frage mich, wie lange sie uns noch schmoren lassen.«

Tom drehte den tönernen Becher in den Fingern. »Wer weiß, was der Grund für die Wartezeit ist. Eileen wollte den Ratspräsidenten umgehend bitten, den Transfer zu veranlassen. Wahrscheinlich irgendwelche bürokratischen oder technischen Hürden.«

»Oder sie wollen uns gleich zeigen, was sie von unserer Bitte halten.« Vasraa verzog das Gesicht. »Wir müssen die Pancinowa davon überzeugen, dass wir dieses Wurmloch brauchen.«

»Ich weiß.« Gereizt stieß Tom die Luft durch die Nase aus. Er reichte Xij den leeren Becher. »Deswegen ist es wichtig, dass wir ruhig und höflich auftreten. Wir sind hier die Bittsteller.«

»Schlimm genug nach allem, was wir für die Pancinowa getan haben.« Vasraa warf das Tongefäß achtlos ins Gras. Zumindest zerbrach es nicht. Xij verdrehte die Augen und hob es auf.

»Wir?« Xaana hob die Augenbrauen. »Ich kann mich nicht erinnern, dich dabei irgendwo gesehen zu haben.«

Vasraas Augen verengten sich. Die ganze Zeit über war sie Tom ungewohnt freundlich begegnet. Zeigt sie jetzt wieder ihr wahres Gesicht?

Sie ging einen Schritt auf Xaana zu und hob die Hand mit gestrecktem Zeigefinger, öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch sie kam nicht mehr dazu, denn keine zwei Schritte entfernt öffnete sich endlich das Wurmloch.

Heraus trat ein äußerst mürrisch wirkender Pancinowa in einer schwarzen Uniform. Die Winkel der riesigen Hautsäcke seines Mundes, die die Lippen darstellten, waren nach unten gezogen, die Froschaugen zu missmutigen Schlitzen verengt. Er trug einen kleinen Koffer bei sich, sodass er Tom mehr an einen Reisenden an einem Bahnhof erinnerte, dessen Zug Verspätung hat.

Der Pancinowa stieß einige blubbernde Laute aus, die Tom nicht verstand. Seine Stimme war leicht heiser und sehr hoch. Hinter ihm schloss sich das Wurmloch.

Tom hob die Hände. »Ich verstehe leider nicht...«

Erneut blubberte der Pancinowa etwas, und Tom verstand zwei Namen: Tom Ericson und Vasraa Uon. Der Panc klang fragend.

»Das sind wir!« Tom legte eine Hand auf seine Brust und deutete mit der anderen auf Vasraa.

Der Pancinowa stellte den Koffer ab und öffnete ihn. Er holte zwei Helme aus dünnen gebogenen Metallstreben hervor und reichte sie Tom und Vasraa.

Tom setzte seinen Helm auf. Er war erstaunlich bequem; Tom merkte kaum, dass er etwas auf dem Kopf trug.

»Verstehen Sie mich jetzt?«, blubberte der Pancinowa.

Tom zog verblüfft die Augenbrauen hoch. »Ja! Sehr gut sogar.«

Nun setzte auch Vasraa den Helm auf.

Der Pancinowa nickte zufrieden und schaffte es, dabei noch immer mürrisch zu wirken. »Ihr müsst diese Dämpfungshelme tragen. Euch sollte ja bekannt sein, dass ihr Menschen die Wurmlochstrahlung auf Cancriss nicht vertragt, nichwahr? Wir haben dieses Modell für Eileen entwickelt und einen Translator integriert.«

»Das ist... erstaunlich!« Tom berührte den Helm mit den Fingern. »Ich freue mich, dass der Rat von Cancriss zugestimmt hat, uns anzuhören.«

»Der Rat hat damit nicht viel zu tun, nichwahr? Der weiß noch gar nichts von euch«, eröffnete ihnen der Panc. »Präsident Lepmurt hat auf Eileens Bitte hin angeordnet, euch abzuholen, während er eine Sitzung des Rates einberuft. Kann noch eine Weile dauern, bis alle zusammengetrommelt sind, nichwahr?«

»Das ist... nett«, meinte Tom verdutzt.

»Mein Name ist Sehfrrei«, sagte der Pancinowa. Er sah sich auf dem Hügel um, musterte das Haus und die umliegende Region. Am Fuß des Hügels begann die Stadt Novis Prime, die nach wie vor im Aufbau begriffen war.

Abschätzig verzog Sehfrrei den Mund, während er sich ihnen wieder zuwandte. »Ich wurde geschickt, um euch auf den Transfer vorzubereiten. Reist ihr das erste Mal nach Cancriss?«

»Ja«, sagte Vasraa und lächelte zuckersüß. »Und wir freuen uns schon, euren Heimatplaneten kennenzulernen.«

»Tja, viel werdet ihr davon nicht sehen, nichwahr? Wahrscheinlich nur die Verwaltung, denn dort transferieren wir hin. Und vielleicht noch das Kongresshaus oder Eileens Logis. Das dürfte es gewesen sein. Lange bleibt ihr ohnehin nicht, denn euer Wunsch nach einem Wurmloch zur Erde wird mit Sicherheit abgewiesen, nichwahr?«

Die Worte trafen Tom. »Wie kannst du dir da so sicher sein?«

»Einfache Regel: Niemand bekommt ein dauerhaftes Wurmloch von den Pancinowa, nichwahr? So fahrlässig gehen mit unserer mühsam entwickelten Technologie nicht um.« Er machte eine Geste, die Tom, Vasraa und das ganze Umfeld einschloss. »Das alles hier ist Zeitverschwendung. Ich hätte Besseres zu tun.«

Tom verschlug es die Sprache. Er wechselte einen bestürzten Blick mit Xij und Xaana, die den Besucher stumm und fassungslos anstarrten. Natürlich verstanden sie nicht, was er sagte.

Vasraa hingegen schnurrte: »Wir werden ja sehen. Können wir jetzt zum Transfer kommen?«

»Sicher. Umso schneller haben wir es hinter uns, nichwahr?« Geschäftig schloss Sehfrrei den Koffer wieder. »Dann lasst uns anfangen. Legt bitte eure Waffen ab.«

Vasraa schnappte nach Luft. »Wie bitte?«

»Wir können nicht zulassen, dass Fremde mit Waffen in unserer Hauptstadt herumlaufen, nichwahr? Hat nichts mit euch persönlich zu tun.«

Tom reichte Xij seufzend seine Pistole.

Vasraa fiel es deutlich schwerer, sich von ihrem Messer und ihre Schusswaffe abzulegen. Sie gab sie nach kurzem Zögern ebenfalls Xij. »Ich fühle mich unwohl dabei, unbewaffnet auf einem fremden Planeten«, sagte sie düster.

Sehfrrei blieb unbeeindruckt. »Im Verwaltungsgebäude braucht ihr keine Waffen. Der Sicherheitsdienst ist dort sehr präsent und wird für euren Schutz garantieren.«

»Schutz vor was?«, fragte Vasraa.

»Schutz vor was auch immer ihr glaubt, wofür ihr Waffen braucht, nichwahr?«

Tom wandte sich Xij und Xaana zu. »Wir sehen uns bald wieder!«

»Wahrscheinlich schneller, als ihr denkt«, murrte Sehfrrei. Er schloss den Koffer und betätigte den Wurmlochgenerator, der an seinem Gürtel hing. Ein Wurmloch öffnete sich vor ihnen.

Der Pancinowa winkte ungeduldig. »Beeilt euch. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, nichwahr?«

Der Jagiir hatte ein kleines Nagetier erlegt und fraß. Camay konnte aus seiner Position heraus nicht erkennen, was genau die Beute war. Er lag flach auf dem frostigen Grund und beobachtete den Jagiir bereits seit geraumer Zeit. Seine Beine waren bereits steif von der Kälte, trotz der dicken, mit Knoorifell gefütterten Hosen. Auch seine Jacke aus Bitu-Leder war durchnässt.

Es hatte in der Nacht geschneit; dicke Flocken, die sich auf dem vereisten Grund in ein Zwischending aus Pulver und Matsch verwandelten.

So, wie der Jaagiir geduldig und reglos am Ausgang des Baus auf das Nagetier gelauert hatte, lauerte auch Camay auf den Jagiir. Bislang hatte sich das etwa zwei Schritt lange Raubtier mit dem weißen Fell und den Pinselohren in einer ungünstigen Position befunden. Hätte Camay es attackiert, wäre es entweder zum Angriff übergegangen – das taten Jagiire nur ungern, denn eigentlich waren sie feige –, oder es wäre in die falsche Richtung geflüchtet.

Jetzt, da der Jagiir seine Beute erlegt hatte, saß er günstig. Camay stemmte sich hoch und unterdrückte ein Ächzen, als er seine steifen Beine bewegte. Er war nicht mehr der Jüngste. Seit über vierzig Umdrehungen lebte er im Eisland.

Er war nicht freiwillig zum Einsiedler geworden. Als er damals herkam, war er jung und frustriert gewesen. Als Unverträglicher hatte er keine andere Wahl gehabt, als sich von der Gemeinschaft der Pancinowa abzusondern. Sein Körper stieß das Imprint ab, das ihm Zugang zum Netzwerk der Pancinowa erlaubt hätte.

Er wollte auch gar nichts mit den Gestaden und den technischen Errungenschaften seines Volkes zu tun haben; zumindest redete er sich das gerne ein. Aber mit den Romantikern der Nontech-Community, die freiwillig auf Technik verzichteten, hatte er auch nicht viel am Hut. Die nahmen sich in seinen Augen selbst zu wichtig.

Im Eisland, so glaubte er damals, war es einfacher, seinem aus dem Zwang heraus geborenen Credo von Natürlichkeit zu folgen. Denn hier funktionierten aufgrund der sich kreuzenden Magnetfelder des Pols weder Wurmlochtechnik noch anderer Schnickschnack.

Als Jungspund war es Camay damals leicht gefallen, sich an das karge Leben zu gewöhnen: Die Jagd mit dem Speer ging ihm erstaunlich problemlos von der Hand, ebenso das Fallenstellen und das Verarbeiten der Ressourcen, die ihm zur Verfügung standen. Pfeil und Bogen beherrschte er trotz der langjährigen Übung nur leidlich. Doch er hatte andere Wege gefunden, um an seine täglichen Essensrationen zu kommen.

Gleich im ersten Jahr seines Einsiedlerdaseins hatte Camay eine einfache Holzhütte in der Eissteppe errichtet, die er seitdem ausgebaut und zu einem gemütlichen Heim gemacht hatte – nur mit Ausdauer, einer Handaxt und dem felsenfesten Willen, es zu schaffen. Doch allmählich kam er in ein Alter, in dem er nicht mehr stundenlang auf die Pirsch gehen konnte, ohne dass sein Körper protestierte.

Trotzdem waren seine Bewegungen nach wie vor geschmeidig. Er näherte sich dem Jagiir von hinten. Ihm war klar, dass er unmöglich nahe genug mit dem Speer an das Tier herankommen konnte, um es zu töten. Dazu hatten Jagiire zu feine Sinne. Aber das war auch nicht seine Absicht.

Camay hatte sich dem Jagiir bis auf zwanzig Schritte genähert, als sich die Pinselohren des Tieres aufrichteten. Es erstarrte für einige Augenblicke. Dann spurtete es los – genau in die Richtung, die Camay vorgesehen hatte.

Mit erhobenem Speer und spitze Schreie ausstoßend, rannte er hinterher und achtete darauf, dass der Jagiir nicht zur Seite ausbrach. Es war zum Glück nicht weit. Schon waren die roten Stöcke in Sicht, die Camay vor vielen Jahren in den Boden geschlagen hatte. Das Tier schlug zwei rasche Haken, sodass der Schnee unter seinen weichen Pfoten aufspritzte. Dann machte es einen Satz in nördlicher Richtung – und verschwand.

Zufrieden blieb Camay stehen und schnaufte tief durch. »Na bitte. Geht doch!«

Im Halbdunkel der Polarnacht kontrollierte er die Spuren des Tieres – sie endeten tatsächlich im Nichts. Alles war wie geplant verlaufen.

Camay drückte den schmerzenden Rücken durch und lockerte seine Schultern. Gemächlich wandte er sich um und stapfte zurück. An einem kleinen Eisföhrenwäldchen setzte er sich auf einen umgestürzten Stamm und zog seinen Tragebeutel vom Rücken.

»Zeit für eine Pause!«, sagte er. In all den Jahren der Einsamkeit hatte er sich angewöhnt, mit sich selbst zu sprechen. Es war ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er sich während der Jagd daran erinnern musste, seinen Mund zu halten.

Camay griff in den Beutel und holte ein Stück Fleischbrot hervor. Es war ein von ihm eigens kreiertes Rezept, für das er selbst gejagtes Wild in Teig buk.

Die Zutaten für den Teig tauschte er dreimal pro Sonnenumkreisung in einem Dorf am Rand der Eiszone, in dem ebenfalls Nontechs lebten. Dort gab es Landwirtschaft, und einige der Bewohner brauten sogar ganz schmackhaftes Getreidewasser. Camay tauschte regelmäßig ein paar Flaschen gegen Felle und Wild, doch er hob sie für ruhige Abende auf. Während der Jagd war es ratsam, einen klaren Kopf zu bewahren. Deswegen hatte er eine Feldflasche mit Schmelzwasser dabei, die er nun hervorzog.

Das Fleischbrot – mit herrlich saftiger Pah-Lende als Hauptanteil – schmeckte vorzüglich. Vielleicht mundete es ihm auch nur deswegen so gut, weil er sich über die gelungene Jagd freute. Das weiße Fell des Jagiirs würde sich gegen reichlich Vorräte eintauschen lassen, und Jagiir-Schenkel war zart und hielt sich in Salz eingelegt sehr lange.

Es war wirklich Glück gewesen, dass er das Tier so nahe dem Übergang gefunden hatte. Normalerweise musste er sich während der Polarnacht mit Kaniten und anderen Kleintieren begnügen. Die größeren Tiere kamen erst mit Anbruch des Polartages heraus, zumindest die ungefährlichen. Und bis dahin dauerte es noch zahlreiche Umdrehungen.

Camay legte das Fleischbrot auf seinen Schoss, stützte die Arme hinter sich auf den Stamm und schloss die Augen. Er drehte seinen Kopf und ließ seine Halswirbelsäule knacken, um sich zu entspannen. Jagd brachte immer Anspannung mit sich, und die Zeit, in der diese von ihm abfiel, gehörte zu seinen Lieblingsmomenten.