Maddrax 619 - Lucy Guth - E-Book

Maddrax 619 E-Book

Lucy Guth

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Beschreibung

Der Plan war gut und hätte die Rettung vor Mabuta bedeutet. Wenn er nicht im letzten Moment gescheitert wäre - an einer Fallgrube, die sich unvermittelt unter Dak'kar aufgetan hatte.
Als er wieder zu sich kommt, hat ein angespitzter Pflock seine Schulter durchbohrt, er kann sich kaum bewegen - und von den Verbündeten keine Spur. Noch dazu befindet er sich in Mabutas Machtbereich; wenn dessen Aants ihn entdecken, ist es aus.
Nun, Dak'kar wird entdeckt, von jemand anderem. Und vielleicht wäre es besser gewesen, dem Ameisengott in die Mandibeln zu fallen...


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Seitenzahl: 157

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Totgesagte leben länger

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 hält ein gewaltiger Komet Kurs auf die Erde! Man beschießt ihn mit Atomraketen. Drei Stratosphärenjets sollen die Auswirkung beobachten. Commander der Staffel ist der US-Pilot Matthew Drax. Doch die Raketen verpuffen auf dem Himmelskörper, von dem eine unbekannte Strahlung ausgeht. »Christopher-Floyd« schlägt in Asien ein. Die Druckwelle trifft auch die drei Jets und fegt sie davon...

Als Matthew und sein wissenschaftlicher Copilot Professor Dr. Jacob Smythe aus einer Ohnmacht erwachen, trudelt ihr Jet auf die Alpen zu! Smythe gelingt der Ausstieg per Schleudersitz. Matt kann die Maschine abfangen und notlanden. Er wird von Barbaren gefunden, die ihn als Gott ansehen und »Maddrax« nennen. Statt einer verwüsteten Erde sieht Matt sich fremdartigen Lebewesen und Pflanzen in einer veränderten Geografie gegenüber. Was er nicht ahnt: Die Druckwelle hat die Fliegerstaffel durch einen Zeitstrahl um 520 Jahre in die Zukunft geschleudert. Dieser Strahl, der seit Urzeiten vom Mars zur Erde reicht, sicherte vor 4,5 Milliarden Jahren den Marsbewohnern, den Hydree, das Überleben. Der vermeintliche Komet war die Arche einer Wesenheit namens »Wandler«, deren Dienerrasse, die Daa'muren, sich die Erde untertan machen will, indem sie Fauna und Fauna mutieren und die Menschen verdummen lässt. Nur die Bunkermenschen, sogenannte Technos, bewahren sich ihr Wissen, büßen dafür aber über die Jahrhunderte ihr Immunsystem ein.

Zusammen mit Aruula, einer telepathisch begabten Kriegerin, beginnt Matt Drax seinen Feldzug. Er findet Freunde – unter anderem die Hydriten, die sich aus den Hydree entwickelt haben und in den Meerestiefen leben –, kämpft gegen die Daa'muren und Mutanten wie die blutsaugenden Nosfera und gerät an Schurken, allen voran Jacob Smythe, der wahnsinnig wurde und die Weltherrschaft anstrebt, bis Matt ihn am Ende unschädlich macht. Auch Smythes Zwilling aus einem Parallelwelt-Areal stirbt, während seine Freundin Haaley, ebenso verrückt wie er, entkommt. Diese Areale, die überall auf der Erde aufbrechen, sind das Ergebnis von Zeitreisen, die die Menschen einer fernen Zukunft unternahmen, um technische Artefakte zu sammeln. Matt und seine Verbündeten – zu denen sogar zwei Daa'muren zählen, Grao'sil'aana und Gal'hal'ira – können alle schließen, wobei ihnen GRÜN, eine Art Pflanzenbewusstsein der Erde, zur Seite steht.

Auch Colonel Aran Kormak stammt aus einer dieser Parallelwelten – zumindest will er Matt dies weismachen. In Wahrheit ist er sein skrupelloser Zwilling aus dieser Welt, von dem Matt glaubt, er wäre tot. Doch Kormak, Befehlshaber einer Elitetruppe namens Dark Force, die aus dem Weltrat in Waashton (Washington) hervorging, scheint sich zu besinnen und verbündet sich mit Matt, als eine neue Bedrohung auftaucht.

Denn kaum ist das letzte Areal in Afrika versiegelt, wobei GRÜN beinahe vernichtet wird, sehen sich die Gefährten einer kosmischen Bedrohung namens »Streiter« gegenüber, die noch immer den Wandler auf der Erde vermutet. In einem furiosen Endkampf gelingt es Matt, sie zu versteinern.

Doch die Freude währt nur kurz, als Aruula mit dem Gleiter RIVERSIDE verschwindet. Matt und ein Dark-Force-Trupp folgen ihr mit der PLASMA, einem gekaperten außerirdischen Raumschiff, bis nach Südamerika (Amraka). Über Peru stürzen sie wegen plötzlichen Energieverlusts ab und finden die havarierte RIVERSIDE. Von Aruula keine Spur! Dafür entdeckt Matt das Wrack eines Flugzeugträgers mitten im Dschungel – und eine blinde Passagierin, die mit nach Amraka kam: Haaley.

Matt schleicht sich auf die USS Nimitz und trifft dort auf eine feindlich gesinnte Mannschaft und einen gewaltigen roten Diamanten. In der Zwischenzeit wird seine Truppe von mysteriösen Gegnern dezimiert, und Matt ist sich nicht sicher, ob nicht Haaley dahintersteckt. Die letzte Dark-Force-Soldatin stirbt beim Kampf gegen einen mutierten Jaguar, kann ihn aber erlegen – ein heiliges Tier, wie Matt und Haaley erfahren, als sie von Eingeborenen überwältigt werden. Zusammen mit einer Frau von der Nimitz warten sie auf den Tod, denn auch die Fremden sind Feinde der Indios, seit sie deren Heiligtümer, zwei rote Diamanten, raubten.

Sie versuchen zu fliehen, doch nur die Fremde entkommt. Matt und Haaley müssen eine Götterprobe bestehen: den »Spiegel von Pachacámac«, mit dem sich weitere Diamanten herstellen lassen, aus einer Todeszone zu bergen – was ihnen auch gelingt. Sie werden freigelassen und beobachten den Angriff eines Ameisenvolks auf die Nimitz. Bei der Kontaktaufnahme mit einem Indiostamm, der den Schwarm kontrollieren soll, stellen sie fest, dass das Gegenteil der Fall ist: Mabuta, der »vielbeinige Gott«, nimmt sie gefangen. Dabei stellt sich heraus, dass Haaley – wie Aruula – vom Volk der Dreizehn Inseln abstammt und latent telepathisch begabt ist, was die Kommunikation mit Mabuta erleichtert. Der wird von einem Pilzgeflecht bedroht, und Matt soll ein Mittel dagegen finden. Auf der Suche nach einem Fungizid fährt er los, Richtung Bogotá, und gerät in ein mörderisches Spiel, mit dem ein Krieg um Öl entschieden werden soll. Dabei lernt er Tschoosch Claansman kennen, der früher als Chemiker bei einem Drogenbaron gearbeitet hat und ihn weiter begleitet. Er hilft ihm, in Med'liin eine Ladung Fungizid zu stehlen.

Mit dem Amphibienpanzer PROTO und einem Lkw schaffen sie das Gift in Mabutas Dorf, wo sie es mit dem Regen verteilen, was das Pilzgeflecht in dieser Region abtötet. Zum Dank bringt der »Ameisengott« Matt und Haaley auf die Nimitz, wo sie als Aants vergeblich nach Aruula suchen, aber von einem bevorstehenden Angriff der Soldaten auf Mabuta erfahren... bevor sie in verschiedenen Tieren fliehen müssen, um in ihre Originalkörper zurückzukehren. Doch die befinden sich inzwischen in der Gewalt Dak'kars, dessen Soldaten viele Ameisen töten konnten, letztlich aber zurückgeschlagen wurden.

Mabuta versetzt Matt und Haaley unter einer Bedingung zurück in ihre Körper: Sie sollen Dak'kar töten! Doch Matt verbündet sich mit ihm, um mit Dak'kars Hilfe zu dem Pilz in der Todeszone vorzustoßen, den er für intelligent und telepathisch begabt hält und der mehr über Aruulas Verbleib wissen könnte. Dafür will er Dak'kar die Formel vom »Spiegel von Pachacámac« verschaffen, mit der weitere rote Diamanten hergestellt werden können. Denn die braucht Dak'kar, um seine heimatliche Community in Macapá, Brasilien, zu retten, in der künstliche Lymphozyten, die eigentlich die Immunschwäche der Ex-Technos heilen sollten, zu einer tödlichen Krankheit führten. Die Strahlung der Diamanten kann diese Lymphozyten abschalten, doch der einzige Splitter wurde von Dak'kars ehemaligem Freund Toma'bar gestohlen.

In der Zwischenzeit startete eine Rettungsmission der Dark Force, die aber aufgrund des riesigen Gebiets eingestellt werden musste. Nur die Daa'muren Grao und Ira sind an der brasilianischen Küste verblieben und versuchen weiter, eine Spur der beiden Freunde zu finden. Sie stoßen auf die Community in Macapá, geraten aber in die Gewalt von Nosfera, die dank der künstlichen Lymphozyten, die sie von Toma'bar erhielten, neue telepathische Kräfte gewonnen haben.

Um Mabuta zu täuschen, der durch Haaleys Geist alles beobachtet, ersinnen Matt und Dak'kar einen Plan, um Dak'kars Tod vorzutäuschen. Er gelingt auch – bis der Anführer der Nimitz-Leute, von den anderen getrennt, in eine Fallgrube stürzt...

Totgesagte leben länger

von Lucy Guth

Der Schmerz in seiner Schulter war so heftig, dass Dak'kar schwarz vor Augen wurde. Als er wieder klar sehen konnte, wusste er nicht, wie viel Zeit vergangen war. Er lag flach auf dem Rücken und sah über sich einen hellen Fleck und dunkles Grün. Er wandte den Kopf. Aus seiner linken Schulter ragte das spitze Ende eines Pflocks.

Dak'kar sammelte seine Kräfte, dann setzte er sich ruckartig auf. Die Schmerzexplosion zuckte von der Schulter aus durch seinen ganzen Körper. Er beugte sich zur Seite und erbrach sich.

Als der Schmerz abebbte, erkannte er, dass er sich in einer Fallgrube befand, deren Boden mit angespitzten Pflöcken gespickt war. Wäre er nur zwei Handbreit weiter links gelandet, hätte ihm einer davon das Herz durchbohrt. So war es nur die Schulter gewesen – aber diese blutete nun heftig. Er spürte, dass ihm erneut die Sinne schwanden...

Naiquis Geschichte

Ich habe nicht immer im Dschungel gelebt. Nein, als Kind wohnte ich in einer richtigen Stadt. Dort lebten viele Menschen, mindestens zweihundert. Es gab hohe Gebäude, Vermächtnisse der Altvorderen. Manche von ihnen waren so hoch, dass sie auch den größten Kapokbaum überragten. Doch meine Leute lebten nur in den unteren Bereichen, nahe dem Boden.

Die alte Moara sagte, dass wir gut daran täten, am Boden zu bleiben. Die Altvorderen hätten es übertrieben damit, dem Himmel zuzustreben. Es gab in den Ruinen Bilder und Bücher, die das bewiesen. Sie bauten sogar Maschinen, mit denen sie am Himmel fliegen konnten. Das ist Hunderte von Jahren her, sagte Moara. Sie wusste alles, denn sie war unsere Heilerin und Schamanin.

Uns Kindern erzählte sie die Geschichten von den Altvorderen, als Warnung. Mit den Altvorderen ging es nämlich nicht gut aus: Eines Tages stürze ein brennender Stern auf die Erde, und dann war es vorbei mit fliegenden Maschinen und Häusern, die bis zum Himmel reichen.

Moara sagte, wir sollen die Natur und die Geister ehren und schön am Boden bleiben, also taten wir das. Ich bemühte mich noch mehr als die anderen darum, denn ich hatte meine Schande gutzumachen. Und ich wollte Moara gefallen, denn sie war die Einzige, die gut zu mir war. Sie und Eloq.

Ich wurde mit der Schande geboren, und das ist auch der Grund, warum meine Mutter mich nicht wollte. Ich war kaum einen Tag alt, da warf sie mich aus ihrem Haus – zumindest hat Moara mir das so erzählt. Ich verstehe das: Niemand will eine Schande in seinem Haus haben.

Als die Leute das schreiende Bündel, das ich war, fanden, riefen sie Moara und forderten sie auf, mich zu töten. Aber Moara sagte, dass es nicht die Aufgabe der Menschen sei, über Leben und Tod zu entscheiden. Sie sagte, selbst ein Säugling mit einer Schande habe eine Chance verdient.

Man legte mich also außerhalb der Stadt auf eine Lichtung und ließ mich dort bis zum nächsten Sonnenaufgang liegen. Die meisten Leute rechneten damit, dass ich bis dahin gefressen oder verhungert sein würde. »Die Leute sagten: Lass sie hier, die wilden Tiere werden sich um sie kümmern!«, erzählte Moara mir später immer wieder die Geschichte.

Aber als sie zurückkam, war ich noch lebendig. Sie sagte, es sei der Wille der Götter, dass ich lebe, also nahm sie mich mit zurück in die Stadt und gab mir den Namen Naiqui.

Ich habe nie erfahren, wer von den Frauen in der Stadt meine Mutter war. Alle hassten mich gleichermaßen, also war es schwer zu bestimmen. Und weil niemand es wusste, musste die Gemeinschaft für mich sorgen. Das bestimmte Moara so. Sie sagte, das sei der Wille der Götter.

Im Haus wollte mich natürlich niemand haben, nicht einmal Moara. Die ersten Jahre lebte ich auf ihrer Terrasse. Ich lag da in einem Körbchen, und wenn ich schrie, kam irgendwer und gab mir etwas zu essen oder machte mich sauber.

Als ich größer war, durfte in einer leerstehenden Ruine wohnen. Die Leute gaben mir zu essen und zu trinken, und sie versorgten mich mit Kleidung – dunklen Umhängen und Masken, damit niemand die Schande sehen musste. Das war, glaube ich, ganz gut so, denn so gewöhnten sie sich irgendwann an mich – an das vermummte Kind – und dachten nicht mehr sofort an die Schande unter dem Stoff.

Natürlich mochte mich die Gemeinschaft trotzdem nicht besonders gern. Wenn ich in der Nähe war und etwas ging schief, bekam ich Prügel dafür, obwohl ich gar nichts getan hatte. Manchmal bekam ich auch einfach so einen übergezogen, nur weil ich gerade vorbeikam und jemand schlechte Laune hatte. Also versuchte ich, unsichtbar zu werden.

Auch die anderen Kinder wollten mich nicht bei sich haben. Ihre Eltern hatten ihnen gesagt, dass die Schande auf mir lag und Unglück brachte, deswegen hielten sie sich von mir fern. Nur wenn Moara ihre Geschichten erzählte, duldeten sie mich in ihrer Nähe.

Das lag aber daran, dass Moara gesagt hatte, wenn sie mich fortjagten, würde sie niemandem irgendetwas erzählen. Also mussten sie mich in Ruhe lassen, wenn sie die Geschichten hören wollten. Und so saß ich ein Stück von den anderen entfernt und lauschte genauso begeistert wie sie, wenn Moara von den Altvorderen erzählte, von den Göttern oder von alten Helden wie dem tapferen König Gaasia, der vor seinem Palast von seinen Feinden erschossen, erschlagen und mit einer Machete erdolcht wurde; oder von El Libertador, der unser Volk einst von grausamen Herrschern befreit hat.

Moara ließ mich zwar nicht in ihr Haus, aber ich durfte davor sitzen, wenn sie auf der Terrasse ihre Kräuter verarbeitete oder Salben und Tränke zubereitete. Sie erklärte mir sogar, was sie machte, und hin und wieder durfte ich mit ihr in den Dschungel gehen und ihr dabei zuschauen, wenn sie Pflanzen suchte.

So lernte ich allerlei Nützliches über die Tiere und Pflanzen, aber auch über die Geisterwelt. Die Götter zeigen sich oft als Tiere, sagte Moara. Und die Geister von Menschen, Tieren und Pflanzen wandeln oft noch lange zwischen uns, bevor sie ins Geisterreich hinübergehen. Manchmal kommen sie auch zurück, weil sie noch etwas zu erledigen haben. Das alles lernte ich von Moara.

Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie meine Mutter wäre. Doch natürlich wusste ich, dass das wegen der Schande nicht ging.

Eigentlich konnte mich Moara wohl auch nicht besonders gut leiden. Klar, sie kümmerte sich um mich, weil das der Wille der Götter gewesen war, und sie bildete mich aus, weil sie meinte, dass jeder, der essen wollte, auch etwas dafür leisten musste. Aber sie war sehr streng und hart.

Ich weiß noch, einmal, als ich eine Arbeit nicht zu ihrer Zufriedenheit erledigte, schimpfte sie mich aus. Ich wollte weglaufen, doch sie hielt mich eisern fest und band mich mit einem Strick und einem besonderen Knoten, den ich nicht öffnen konnte, an der Terrasse fest, damit ich die Arbeit – es ging um das Zerkleinern bestimmter Knollen – zu ihrer Zufriedenheit erledigte. Ich schrie und tobte, doch sie ging einfach weg und ließ mich wüten. »Wir reden, wenn du gelernt hast, dich wie ein Mensch zu benehmen«, sagte sie ganz kalt und ruhig.

Erst als ich vom Schreien und Weinen heiser war, kam sie zurück, gab mir ein Messer und sagte: »Jetzt bring deine Arbeit zu Ende.« Ich durfte erst gehen, als alle Knollen geschnitten waren. Und ich bekam an diesem Tag kein Abendessen.

Eines Nachts, als ich auf dem Lager in meiner Ruine lag, hörte ich ein Rascheln, Fauchen und Zischen. Ich stand auf und sah nach, was los war. Da sah ich ein paar Ratzen im Mondschein, die miteinander kämpften. Eigentlich waren es drei große fette Ratzen, die eine kleinere attackierten. Die kleine Ratze war schon völlig blutig gebissen, und ich sah, dass sie nur drei Beine hatte. Der vierte war ein verkrüppelter Stumpf.

Ich bekam Mitleid mit der kleinen Ratze. Sie hatte niemandem etwas getan, sie war einfach nur schwächer als die anderen. Ich nahm einen Stock, vertrieb die drei bösen Ratzen und nahm die kleine, die kaum noch zuckte, auf die Hand. Ich brachte sie zu meinem Lager und versorgte ihre Wunden, gab ihr etwas von den Essensresten, die man mir als Abendessen überlassen hatte. Das Tier war so schwach, dass es sich nicht gegen mich zur Wehr setzte. Und weil ich es fortan fütterte, wurde es zahm.

Ich nannte die Ratze Gaasia und behielt sie bei mir. Das durfte natürlich niemand wissen, denn Ratzen sind unreine Tiere, die in der Stadt nicht geduldet wurden. Ich verbarg sie in meiner Kleidung oder ließ sie in meiner Ruine zurück, wo sie stets auf mich wartete. Nicht einmal Moara erzählte ich von meinem einzigen Freund.

Gaasia war mein Vertrauter und meine Familie, und als er gesund war, flitzte er trotz seiner drei Beine genauso schnell umher wie andere Ratzen. Und weil ich ihn gut fütterte, war er bald kräftig genug, um sich gegen seine Artgenossen zu wehren. Trotzdem blieb er bei mir.

Eines Tages ging ich mit Gaasia tiefer in die Ruinen hinein. Die Kinder meiner Stadt spielten oft in den Hinterlassenschaften der Altvorderen, obwohl wir das nicht sollten. Die Mutigen stiegen die alten Treppen hinauf und sahen aus den höchsten Türmen weit ins Land hinaus. Andere suchten besonders unheimliche Plätze auf und spielten dort Fangen und Verstecken.

Da gab es zum Beispiel ein Haus mit einem vollkommen fensterlosen Saal, in dem zahlreiche Sitzreihen hintereinander angeordnet waren, und vorne war nur eine flache Wand, an der weiße Stofffetzen hingen. Gruselig war das.

Ich hatte an diesem Tag jedoch ein anderes Ziel. Auf einem der nicht ganz so hohen Häuser war ganz oben das Dach flach. Dort gab es ein viereckiges Becken, in dem sich das Regenwasser sammelte und so etwas wie einen künstlichen Teich bildete. Ich wusste nicht recht, wie tief das Wasser war, denn es war von einem grünen Algenteppich bedeckt. Aber ich war gerne dort, weil es irgendwie mysteriös war. Ich dachte mir gerne aus, dass die Altvorderen dort Wasserrituale durchgeführt und Jungfrauen ertränkt hatten.

Ich war mir sicher, dass nur ich diesen Ort kannte; das war natürlich Blödsinn. Die anderen Kinder waren viel mutiger als ich und hatten bestimmt schon alle Ruinen erkundet, während ich mich in die meisten nicht hineintraute.

Als ich am Rand des Beckens saß und Gaasia schwimmen ließ – meine Ratze liebte das Wasser –, machte es auf einmal dicht an meinem Ohr: »Buh!«

Ich war so erschrocken, dass ich kreischend herumfuhr und meinen mutmaßlichen Angreifer ins Wasser stieß. Die anderen drei Jungen – denn natürlich waren es Kinder aus der Stadt gewesen, die mich ärgern wollten – hatten eben noch gelacht, schrien jetzt jedoch erschreckt auf und rannten weg. Ich begriff, dass ich kein Monster, sondern eins der anderen Kinder ins Wasser gestoßen hatte, und wandte mich zu ihm um.

Entsetzt erkannte ich Eloq, einen Jungen in meinem Alter, der prustend versuchte, an der Oberfläche des trüben grünen Wassers zu bleiben. Das gelang ihm nicht, denn die Wasserpflanzen hatten sich beim Sturz um seine Arme und Beine gewickelt.

Ich sah mich um und sah in einiger Entfernung morsches Holz liegen. Früher waren das vielleicht Möbel gewesen, jetzt waren nur zusammengefallene Bretter davon übrig. Ich schnappte mir eines davon und ließ ein Ende ins Wasser gleiten.

»Halt dich fest!«, rief ich Eloq zu. Der Junge griff nach dem Brett, und ich zog ihn mit einiger Mühe aus der grünen Brühe. Schließlich lagen wir schnaufend und keuchend nebeneinander am Rand des Beckens.

»Du hast mich ins Wasser geworfen«, stieß Eloq zwischen zwei Schnaufern hervor.

Ich zog den Kopf ein. Sicher würde er mich deswegen verprügeln. Ich wappnete mich für den Schmerz und die Demütigung und schloss die Augen.

Als nichts passierte, blinzelte ich vorsichtig. Eloq hatte sich aufgesetzt und starrte mich an. Meine schwarze Kleidung war etwas verrutscht, sodass meine bloße Hand und ein Stück meines Armes zu sehen waren. Rasch bedeckte ich beides wieder.

»Na ja, ich war wohl selbst schuld«, sagte Eloq schließlich. »Danke, dass du mich rausgeholt hast.«

»Gern geschehen«, flüsterte ich.

Gaasia kam aus dem Wasser und kroch auf meine Hand.

Eloqs Augen weiteten sich. »Was ist das denn?«

»Das ist Gaasia. Er gehört mir.«

»Beißt er dich nicht?«