Mahlers Zeit - Daniel Kehlmann - E-Book

Mahlers Zeit E-Book

Daniel Kehlmann

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Beschreibung

Eines Nachts macht der Physiker David Mahler im Traum eine merkwürdige Entdeckung. Vier Jahre lang hatte er sich mit dem Problem der Zeit beschäftigt, mit der Frage, ob ihre Richtung wirklich ein unumstößliches Naturgesetz ist oder sich nicht doch etwas finden läßt, das ihren Lauf umkehrt. Nun hält er die Lösung in der Hand. »Für einen Moment wußte er nicht, wo er sich befand. Etwas war geschehen. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Stoß von dreißig beschriebenen Blättern, bekritzelt in einer großen, zittrigen Schrift: leicht schiefe Kolonnen von Zahlen, Skizzen, Kurven ... all das war, wenn man es begriff, von leuchtend perfekter Klarheit.« Das älteste Gesetz der Natur ist in Frage gestellt und damit die Grundfesten der Welt. Wird endlich ein Menschheitstraum wahr? Ist es möglich, in die Zukunft zu schauen? Und können die Menschen diesen Blick aushalten? Mahler will seiner ungeheuren Entdeckung Gehör verschaffen, aber ohne Autorität im Wissenschaftsbetrieb gestaltet sich das ausgesprochen schwierig. Wie gehetzt sucht er den Beistand des Nobelpreisträgers Valentinov, doch seltsame Zufälle verhindern ein Zusammentreffen immer wieder. In suggestivem Ton macht Daniel Kehlmann die Zweifel und Ahnungen seines Helden nachvollziehbar und den Leser zum Zeugen eines Experiments, nach dem die Zeit neu zu definieren wäre.

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Eines Nachts macht der Physiker David Mahler im Traum eine merkwürdige Entdeckung. Viele Jahre lang hat er sich mit dem Problem der Zeit beschäftigt, mit der Frage, ob ihre Richtung wirklich ein unumstößliches Naturgesetz ist oder sich nicht doch etwas finden läßt, das ihren Lauf umkehrt. Nun hält er die Lösung in der Hand. Das älteste Gesetz der Natur ist in Frage gestellt, damit die Grundfesten der Welt. Wird endlich ein Menschheitstraum wahr? Mahler will seiner ungeheuren Entdeckung Gehör verschaffen, aber ohne Autorität im Wissenschaftsbetrieb gestaltet sich das ausgesprochen schwierig. Wie gehetzt sucht er den Beistand des Nobelpreisträgers Valentinov, doch seltsame Zufälle verhindern ein Zusammentreffen immer wieder. In suggestivem Ton macht Daniel Kehlmann die Zweifel und Ahnungen seines Helden nachvollziehbar und den Leser zum Zeugen eines Experiments: dem Verschwimmen der Zeit.

»Geschickt und mit einer kräftigen, unprätentiösen Sprache erzählt. Unter den vielen merkwürdigen Helden der neueren deutschen Literaturgeschichte ist David Mahler einer der sonderbarsten.«

Der Spiegel

»Ein Meisterstück suggestiver Leserführung.«

Berliner Illustrierte Zeitung

»Ein poetisches Gedankenexperiment von seltener Qualität.«

Süddeutsche Zeitung

Daniel Kehlmann, geboren 1975, lebt in Wien und Berlin. Er debütierte 1997 mit dem Roman Beerholms Vorstellung. Ebenfalls im Suhrkamp Verlag erschienen 1998 der Erzählband Unter der Sonne, 1999 Mahlers Zeit. Roman (st 3238), 2001 die Novelle Der fernste Ort (st 3627) und 2003 Ich undKaminski. Roman (st 3653). Zuletzt erschienen Die Vermessung der Welt. Roman (2005) und Ruhm. Roman in neun Geschichten (2009).

Daniel Kehlmann

Mahlers Zeit

Roman

Suhrkamp

Umschlagabbildung: Georges de La Tour,

Der Leierspieler (Ausschnitt), um 1635

Musée des Beaux-Arts, Nantes.

© The Bridgeman Art Library, London

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

© Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1999

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski

eISBN 978-3-518-74345-4

www.suhrkamp.de

Who talks of Plato’s spindle;

What set it whirling round?

Eternity may dwindle,

Time is unwound.

(W. B. Yeats: Words for Music Perhaps)

Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen,

wenn neue Entdeckungen unerwartete Tiefen enthüllen.

Vielleicht möchte auch der eine oder andere behaupten,

die Natur habe unlautere Kniffe angewandt.

(Arthur Eddington: Das Weltbild der Physik)

I

In dieser Nacht machte David Mahler die wichtigste Entdeckung seines Lebens.

Ein Mann bewegte sich auf ihn zu. Er trug einen grauen Mantel, einen Hut und einen Aktenkoffer, und irgend etwas an ihm wirkte zugleich vertraut und bedrohlich. Er kam sehr schnell näher. Sein Mantel wehte hinter ihm, sein Hut saß etwas schief, der Koffer schlenkerte in seiner Hand. Dann war es kein Mann mehr, sondern eine Frau mit einer großen, viel zu großen Handtasche, dann ein kleines Mädchen mit dürren Armen und zwei Insektenflügeln, die über seinen Schultern zitterten ... David wollte loslaufen. Aber er fühlte sich erstarrt, als gehorchten ihm seine Beine nicht, als hätte er keine Beine oder überhaupt keinen Körper mehr; er wollte Luft holen und schreien, aber er hatte keine Stimme, und da war auch keine Luft; und die Gestalt war schon sehr nahe. Auf einmal zerrann sie, ihre Umrisse veränderten sich, wurden eins mit dem grünlichen Horizont, verschwanden. Und dann war selbst dieser Horizont nicht mehr da, und nur Davids Angst blieb, wie etwas Abstraktes, abgelöst von jeder Ursache, zurück. Für eine Weile, die er weder als lang noch als kurz empfand, sondern als eine seltsam zerdehnte Gegenwart, war ihm nichts anderes bewußt. Er war völlig allein mit seiner Furcht.

Trotzdem versuchte er, den Traum festzuhalten. Vergeblich: Für einen Moment konnte er sich noch erinnern, aber er wußte nicht mehr, an was er sich erinnerte, und dann, durch eine Bewegung seines Körpers, schwankte alles und kräuselte sich und löste sich auf. Es war vorbei. Er öffnete die Augen.

Das Licht zeichnete weißliche, geschwungene Linien auf die Zimmerdecke, eine neben der anderen. Nachdem er einige Zeit hingesehen hatte, schienen sie sich zu bewegen und in Wellen überzugehen. Als ein Auto vorbeifuhr, flammten sie für eine Sekunde gelb auf. Dann hörte er ein Geräusch neben sich. Aber er drehte den Kopf nicht, und er wandte die Augen nicht von der Decke ab, über die jetzt schon ein lautloser Strom von Helligkeit floß. Er fühlte, wie etwas klar wurde.

Eine schimmernde Struktur von Zahlen. Sie wuchs, bildete neue Kristallflächen, ein System gläserner Schönheit, und er sah zu und verstand. Er wußte, daß er sich nicht bewegen durfte. Alles andere mochte sich bewegen – die Welt draußen und auch das Zimmer; sogar sein Bett schien langsam durch den Raum zu treiben. Nur er durfte sich nicht rühren.

Sein Herz klopfte schneller. Das Bett vollführte eine plötzliche Drehung, ein hoher, eigenartig klarer Ton füllte für Sekunden die Luft. David hörte auf zu atmen. Das Licht floß schneller über die Decke. Ihm war schwindlig. Und dann konnte er nicht mehr anders: Er setzte sich auf, schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett.

Er ging auf das Fenster zu. Es wich vor ihm zurück; er ging schneller und erreichte es. Direkt darunter, auf der Straße, stand eine Laterne. Aber irgend etwas damit stimmte nicht; von ihr ging kein Licht aus; etwas fehlte: Die Kugel aus Milchglas, die an ihrer Spitze gewesen war, lag zerbrochen auf dem Asphalt. Ein Mann ging vorbei, die Scherben knirschten unter seinen Schuhen. David lehnte sich an die Scheibe, sie fühlte sich kühl an. Er drehte sich um, im Bett lag jemand, gleichmäßig atmend, mit geschlossenen Augen, der ihm bekannt vorkam. Er kam ihm sogar sehr bekannt vor. Er war es selbst.

David zuckte zurück. Und öffnete die Augen.

Er lag im Bett. Das Zimmer war dunkel und leer. Er streifte vorsichtig die Decke ab, stand auf und ging zum Fenster.

Das Glas beschlug von seinem Atem. Er wischte über die Scheibe und sah hinunter auf eine zerbrochene Straßenlaterne. Ein Auto fuhr brummend vorbei. Er drehte sich um. Das Zimmer lag harmlos vor ihm. Aber die Laterne war zerbrochen. Gestern abend war sie noch ganz gewesen.

Er ging zurück zum Bett – der Teppich fühlte sich weich an unter seinen nackten Füßen – und legte sich wieder hin. Er lag still und schloß die Augen. Neben ihm, auf dem Nachttisch, tickte seine Armbanduhr.

Und da sah er es wieder. Es nahm Gestalt an. Ein Gebilde reiner Mathematik, zum ersten Mal in seinem Leben, nach so langer Arbeit, er mußte nichts dafür tun, es ging wie von selbst. Zahlen, die noch nicht ganz Zahlen waren, Begriffe, die ihre Bedeutung erst erhalten würden, Formen, noch nicht eingetreten in die Welt. Und das Ticken der Uhr erzeugte den Rhythmus, spannte ein Gerüst auf, an dem Formeln entlangglitten, sich aufreihten, sich ordneten. David hörte, wie seine Atemzüge in ein Keuchen übergingen, aber er hielt die Augen geschlossen, und er bewegte sich nicht. Die Uhr tickte. Und dann war dieses Ticken, die immer gleiche Spanne von Stille zwischen dem immer gleichen Laut, nicht mehr Begleitung, sondern hatte sich ins Innere der Gedanken selbst geflochten; es erschien plötzlich – verständlich. Auf der Straße heulte ein Motor auf, falsch geschaltet. Und in diesem Moment explodierte in ihm, in einem versteckten, noch niemals aufgesuchten Ort seines Bewußtseins, eine Gewißheit. Entsandte warme, funkelnde Wellen in sich weitenden Kreisen; voran, hinaus, voran, durch David.

Eine Weile lag er da wie ein Toter. Die Uhr tickte, sonst war es still. Er öffnete die Augen.

Die Zimmerdecke hing über ihm, eine Fläche aus geglätteter Dunkelheit. Möbel formten graue Silhouetten. Das Viereck des Schrankes, die Umrisse des Schreibtisches, die gezackte Form des Sessels davor. Er wollte sich auf die Seite drehen, aber ihm fehlte die Kraft. »Endlich«, sagte er leise und fand, daß seine Stimme seltsam klang. »Endlich!«

Dann war etwas geschehen. Er versuchte einzuatmen, doch nun ging das nicht mehr; etwas preßte seine Lunge zusammen, schnürte ihm den Atem ab; sein Herz trommelte. Er streckte die Hand aus, tastete auf dem Nachttisch nach der Dose mit dem Nitrospray, stieß Gegenstände zur Seite, etwas fiel hinunter, er wußte nicht was, und die Dose war nicht da, nicht da ... Da spürte er sie in seiner Hand. Er führte sie zum Mund, umschloß das Mundstück mit den Lippen, atmete den bitteren Geschmack ein.

Er wartete. Die Uhr tickte zehn, fünfzehn ... zwanzig Mal. Jetzt war es besser. David atmete vorsichtig ein und aus und wieder ein. Die Spraydose glitt aus seinen Fingern und verschwand irgendwo im Bett. Sein Puls war nun langsamer, auch das Zittern hörte auf. Er drehte sich zur Seite.

Er widerstand der Versuchung, sich das Gebilde noch einmal vor Augen zu stellen. Das würde er morgen tun und übermorgen und dann immer, jeden Tag, es gehörte jetzt ihm. Er spürte, wie der Schlaf näherkam: Ein tiefer, sehr angenehmer, nicht bedrohlicher Schlaf. Hinter dem Ticken der Uhr und den Motorgeräuschen von draußen trat allmählich, wie ein leises Rauschen, die Stille hervor.

David lächelte.

II

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