Die heimliche Liebe - Patricia Vandenberg - E-Book

Die heimliche Liebe E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Die Räder in der Maschinenfabrik Aldenhoff standen still. Der Prokurist Henri Dittmar verkündete die Nachricht, dass der Boss Conrad Aldenhoff von seinem unheilbaren Leiden erlöst worden sei. Es herrschte Totenstille, und die meisten fragten sich, wie nun wohl alles weitergehen würde. Aldenhoffs Kinder waren noch jung. Kons­tantin, sechsundzwanzig, und gerade erst mit dem Studium fertig, hatte noch nicht viel praktische Erfahrung, und Manuela, gerade erst dreiundzwanzig geworden, steckte noch mitten im Studium. Und dann waren da ein paar Direktoren, die sich schon zu Lebzeiten des mächtigen Conrad Aldenhoff nicht grün gewesen waren. Das war nur nicht offen zutagegetreten, weil der Boss diesbezüglich keinen Spaß verstand. Ja, und dann war da dieser Henri Dittmar, clever und zielstrebig, der eine persönliche Beziehung zu Aldenhoff hatte, weil sein Vater viele Jahre Syndikus der Firma und sogar mit Aldenhoff befreundet war. Sehr beliebt war Henri Dittmar bei den Angestellten allerdings nicht, und erst recht nicht bei den Arbeitern, denen sein arrogantes Auftreten gar nicht gefiel. Er war ein gutaussehender Mann, vierunddreißig Jahre, groß und schlank, und immer korrekt gekleidet nach feiner englischer Art. Lore Becker, die Conrad Aldenhoffs Sekretärin gewesen war und tief traurig, wie versteinert verharrte, bezeichnete Dittmar als Snob. Doch dessen Sekretärin Tina Kaul schwärmte für ihn. Sie war ein flottes Mädchen, recht hübsch anzusehen und nicht auf den Mund gefallen. Aber Henri Dittmar hatte ganz andere Ziele, als sich mit einer mittellosen Sekretärin einzulassen. Ein Frauenverächter war er gewiss nicht, aber immer darauf bedacht, sein Image nicht zu gefährden. Für diesen Tag ruhte nun

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Dr. Norden Bestseller – 232 –Die heimliche Liebe

…lenkt Manuelas Leben in neue Bahnen

Patricia Vandenberg

Die Räder in der Maschinenfabrik Aldenhoff standen still. Der Prokurist Henri Dittmar verkündete die Nachricht, dass der Boss Conrad Aldenhoff von seinem unheilbaren Leiden erlöst worden sei. Es herrschte Totenstille, und die meisten fragten sich, wie nun wohl alles weitergehen würde. Aldenhoffs Kinder waren noch jung. Kons­tantin, sechsundzwanzig, und gerade erst mit dem Studium fertig, hatte noch nicht viel praktische Erfahrung, und Manuela, gerade erst dreiundzwanzig geworden, steckte noch mitten im Studium. Und dann waren da ein paar Direktoren, die sich schon zu Lebzeiten des mächtigen Conrad Aldenhoff nicht grün gewesen waren. Das war nur nicht offen zutagegetreten, weil der Boss diesbezüglich keinen Spaß verstand. Ja, und dann war da dieser Henri Dittmar, clever und zielstrebig, der eine persönliche Beziehung zu Aldenhoff hatte, weil sein Vater viele Jahre Syndikus der Firma und sogar mit Aldenhoff befreundet war.

Sehr beliebt war Henri Dittmar bei den Angestellten allerdings nicht, und erst recht nicht bei den Arbeitern, denen sein arrogantes Auftreten gar nicht gefiel.

Er war ein gutaussehender Mann, vierunddreißig Jahre, groß und schlank, und immer korrekt gekleidet nach feiner englischer Art. Lore Becker, die Conrad Aldenhoffs Sekretärin gewesen war und tief traurig, wie versteinert verharrte, bezeichnete Dittmar als Snob. Doch dessen Sekretärin Tina Kaul schwärmte für ihn. Sie war ein flottes Mädchen, recht hübsch anzusehen und nicht auf den Mund gefallen. Aber Henri Dittmar hatte ganz andere Ziele, als sich mit einer mittellosen Sekretärin einzulassen. Ein Frauenverächter war er gewiss nicht, aber immer darauf bedacht, sein Image nicht zu gefährden.

Für diesen Tag ruhte nun die Arbeit in der Fabrik. Die Beerdigung des Firmenchefs sollte am Freitag stattfinden, und auch da gab es für die Belegschaft zusätzlich einen freien Tag. Doch nur wenige konnten sich darüber freuen, nämlich nur die, die erst kurz hier beschäftigt waren, die jung waren und keine Bindung an das Unternehmen hatten. Conrad Aldenhoff war ein sehr menschlicher, sehr sozial eingestellter Chef gewesen. Um ihn wurde echt getrauert.

Und erst Konstantin und Manuela! Sie wollten es nicht begreifen, dass sie den geliebten Vater verloren hatten.

Dr. Behnisch und Dr. Norden hatten zu trösten versucht, hatten ihnen gesagt, wie viel Schmerzen er erduldet hatte, von denen er nun erlöst worden sei, und dass Gottes Wille ihm ein langes Leiden erspart hätte.

»Gott«, murmelte Manuela mit erstickter Stimme. »Mama hat ihn geholt.«

»Sag doch nicht so etwas, Manu«, murmelte Konstantin. »Verrenn dich nicht noch mehr in diesen Gedanken.«

»Ich höre immer noch ihre Stimme. Lass mich nicht allein, Conny, komm mit mir. Erinnerst du dich nicht mehr daran?«

»Sie haben sich sehr geliebt, Manu. Es gibt selten eine solche Bindung. Papas Widerstandskraft ist erlahmt, seit Mama uns verlassen hat. Aber wir müssen jetzt zusammenhalten, und du darfst nicht verzagen. Wir dürfen Papa nicht enttäuschen.«

»Ich will ihn ja nicht enttäuschen«, schluchzte sie auf. »Ich würde ja auch mein Studium sofort aufgeben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, mit Dittmar zusammenzuarbeiten. Ich kann es nicht.«

»Er ist tüchtig. Was hast du nur gegen ihn?«, fragte Konstantin.

»Ich kann es nicht erklären. Mir sträuben sich die Haare, wenn er mich anschaut. Ich bekomme das Kribbeln, aber es macht mich aggressiv.«

»Papa hat viel von ihm gehalten, Manu«, sagte Konstantin.

»Ja, ich weiß es, und er hatte eben nicht das Gefühl für diese unterschwellige Abneigung. Er war ja auch ein Mann, du bist auch einer, Konstantin, und vor allem du musst dich als Mann erweisen und als Papas Nachfolger.«

»Warten wir ab, was er in seinem Testament bestimmt hat«, erwiderte Konstantin.

»Er hat immer großes Vertrauen in uns gesetzt«, sagte Manuela leise.

»Wenn wir doch wenigstens zehn Jähre älter wären, und er wenigstens hätte erleben können, Großvater zu werden.«

»Ans Heiraten denke ich jetzt wirklich nicht«, sagte Konstantin.

»Aber du musst Trixi benachrichtigen«, erwiderte Manuela leise. »Papa hat sie gern gehabt. Sie wäre ihm als Schwiegertochter sehr willkommen gewesen.«

»Musst du damit jetzt auch noch anfangen«, sagte Konstantin unwillig. »Wir haben noch nicht ans Heiraten gedacht. Trixi nicht und ich auch nicht. Derzeit ist ihr ihre Farbenkleckserei bedeutend wichtiger als ich.«

»Das ist nicht wahr, Konstantin, sie hat sich auch nur abzulenken versucht.«

*

Er brauchte Trixi nicht anzurufen. Beatrix Rassow hatte es schon von Dr. Norden erfahren, dass Conrad Aldenhoff gestorben war, und sie kniete in der Aussegnungshalle, in die man den Sarg bereits gebracht hatte, als Kons­tantin und Manuela kamen.

Trixi schluchzte so jämmerlich, dass auch Manuela gleich wieder die Tränen kamen. Konstantin umfasste ihre zuckenden Schultern und zog sie empor. »Ich wollte es dir sagen«, flüsterte er. »Du warst nicht zu erreichen.«

»Dr. Norden hat es mir gesagt. Ich habe es nicht glauben wollen, Konny, und ich kann es immer noch nicht glauben. Er war ein großartiger Mann, und er war zu mir wie ein Vater. Ich hatte ja keinen. Mein Gott, ich habe ihn so geliebt.«

Manuela gingen diese Worte zu Herzen. Vielleicht hat sie Papa mehr geliebt, als sie Konstantin liebt, dachte sie. Es war ja auch immer herzerfrischend gewesen, wie Conrad Aldenhoff und Trixi miteinander plaudern und lachen konnten.

»Sie ist ein Sonnenschein«, hatte Conrad gesagt, »halt sie fest, Konstantin. Solche Mädchen sind so selten.«

Aber jetzt weinte sie, und Manuela weinte nun auch wieder. Sie hielten sich umschlungen, aber wer sollte da trösten? Sie empfanden den gleichen tiefen Schmerz.

*

An etwas anderes, was Conrad Aldenhoff in seinen letzten Lebensstunden noch gesagt hatte, erinnerten sich die Geschwister erst, als sie nach der Beerdigung in sein Büro gingen. Da stand die China-Vase, ein sehr wertvolles Stück. Conrad hatte sie von seinem Freund Victor Dittmar, Henris Vater, geschenkt bekommen.

»Die China-Vase, rührt sie nicht an«, hatte Conrad gemurmelt. »Sie soll an ihrem Platz bleiben.«

Warum sollte sie auch entfernt werden. Sie hatte einen guten Platz, gleich neben dem Schreibtisch auf einem Sideboard, auf dem auch der Samowar stand, mit dem Conrad Aldenhoff sich seinen Tee stets selbst zubereitet hatte. Ja, er hatte seine Eigenheiten gehabt, und die waren auch bei der Trauerfeier erwähnt worden. Er hatte jeden Tag seine Blumen selbst gegossen, und an seinen Schreibtisch durfte niemand heran. Nichts durfte da verändert werden. Er trug sein Leben lang niemals gemusterte Krawatten und nur Anzüge in Blau- und Grautönen. Er fuhr stets das gleiche Autofabrikat und manchen Wagen fast zehn Jahre, wenn er nicht vorher einen Defekt hatte. Er war nicht geizig, er war einfach treu. So lautete auch sein Leitspruch, und der Bibelspruch, der ihn von der Konfirmation bis zur Beisetzung begleitete: »Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu. Wer im Geringsten unrecht ist, der ist auch im Großen unrecht.« Ja, er war sich, den Seinen und auch seinen Grundsätzen treu geblieben, und nicht das kleinste Unrecht konnte man ihm nachsagen.

»Er war ein wundervoller Vater«, hatte Manuela leise gesagt, als sie ihm einen Strauß weißer Rosen ins Grab warf.

Es war eine riesige Trauergemeinde versammelt gewesen. Zum Glück hatte Manuela gar nicht bemerkt, dass Henri Dittmar sich geradezu demonstrativ hinter sie gestellt hatte, aber als sie es dann bemerkte, eilte sie so schnell von ihm fort, dass Konstantin und Trixi ihr kaum folgen konnten. Beileidsbezeugungen am Grab hatten sie ohnehin nicht entgegennehmen wollen.

»Sie tut mir so leid«, sagte Lore Becker leise zu Tina Kaul.

»Sie erben ein Riesenvermögen«, meinte diese nur.

»Eine Riesenverantwortung«, konterte Lore. »Das Vermögen steckt zum größten Teil in der Firma.«

»Sie haben auch so genug«, erwiderte Tina spöttisch. »Wenn ich bedenke, wie wir krebsen müssen.«

»Wir werden sehr gut bezahlt«, sagte Lore unwillig.

»Fragt sich, wie lange. Vielleicht geht alles in den Eimer«, meinte Tina.

Es wurden auch ernsthaftere Überlegungen angestellt nach dieser Trauerfeier. Und einige der leitenden Herren überlegten vor allem, wie man Henri Dittmar und noch einige andere ausschalten könnte.

Aber ein junger Mann, der in der Firma noch gar nichts zu sagen hatte, der erst ein paar Monate dort in seiner ersten Stellung als Ingenieur arbeitete, machte sich wohl die meisten und kritischsten Gedanken, und er gehörte zu denen, die Conrad Aldenhoffs frühen Tod tief betrauerten.

Er hieß Robin Forster, war Deutsch-Engländer, und niemand, nicht einmal Konstantin, wusste, dass er sich aus einem ganz bestimmten Grund um diese Stellung beworben hatte, die er aufgrund seiner glänzenden Examen auch bekam. Der triftige Grund hieß Manuela. Er hatte sie kennengelernt, als sie sich bei Freunden in London aufhielt. Er hatte sich in sie verliebt, und er war ihr auch nicht gleichgültig geblieben. Im Scherz hatte sie gesagt, dass er sich ja mal in der Firma ihres Vaters um eine Stellung bewerben könne, ohne jedoch zu ahnen, dass er es wirklich tun würde. Aber er hatte es getan.

Er hatte es ihr erst gesagt, als er eingestellt worden war, und sie gebeten, vorerst nichts davon verlauten zu lassen, dass sie sich kannten, weil er sich ganz frei bewegen und seine Kenntnisse beweisen wollte.

Manuela traf sich nur heimlich mit ihm. Sie akzeptierte seine Argumente, denn Robin wollte keinesfalls, dass man ihm nachsagen würde, er hätte die Stellung durch Protektion bekommen. Er wollte erst von Conrad Aldenhoff wegen seiner Leistungen akzeptiert werden, bevor er über seine Liebe zu Manuela sprach.

Er war unter den Trauergästen gewesen. Er hatte sich nicht in den Vordergrund gedrängt, aber grimmig hatte er beobachtet, wie sich Henri Dittmar an Manuela heran­drängte, und er hatte auch gesehen, wie sie dann vor ihm floh. Sie hatte ihm schon mehrmals gesagt, dass sie Dittmar nicht ausstehen konnte. Robin wusste jedoch, dass Dittmar in dem Unternehmen eine recht bedeutende Rolle spielte und seine Kompetenzen auch sehr deutlich zur Geltung brachte.

Ja, auch Robin Forster überlegte, was nun geschehen würde oder könnte. In seiner Stellung hatte er nur Einblick, was die Fertigung betraf, und er wusste, dass die Geschäftslage keinen Anlass zu Sorgen gab, aber er hörte auch, was man über die derzeitige Geschäftsleitung munkelte. Immerhin war Conrad Aldenhoff schon sechs Wochen in der Klinik gewesen, bevor seinem Leben endgültig ein Ende gesetzt wurde. Anfangs hatte er die Geschichte seiner Firma noch vom Krankenbett aus geleitet, aber mehr und mehr hatte Dittmar disponiert.

In Aldenhoffs wunderschönem Haus herrschte schweigende Trauer. Das Personal war selbstverständlich auch auf dem Friedhof gewesen. Der Hausmeister Joseph war nicht so schnell gefahren wie Konstantin, und so waren er, Manuela und Trixi schon früher zu Hause, als die Köchin Lina und die beiden Haushaltshelferinnen Nelli und Prisca.

Der »Leichenschmaus«, wie man in Bayern sagte, fand ohne die engsten Angehörigen in einem Restaurant statt. Das hatte natürlich Henri Dittmar arrangiert. Für ihn war es der gegebene Anlass, die Meinung der »oberen« Hundert der Firma zu hören. Es waren nicht alle, die er erwartet hatte erschienen, auch Robin Forster nicht. Lore Becker hatte auch verzichten wollen, aber dann hatte sie sich klugerweise gedacht, dass sie doch manches erfahren könnte, was wichtig wäre, möglicherweise auch für Aldenhoffs Erben. Und sie stellte ganz nüchtern fest, dass Henri Dittmar sich so benahm, als wäre er der Haupterbe.

In der Villa Aldenhoff hatte niemand so rechten Appetit. Konstantin aß zwar ein paar Schinkentoasts, aber Manuela zwang gerade einen Zwieback mit Butter über die Lippen. Und Trixi aß nur ein bisschen Salat. Aber sie ergriff dann als Erste das Wort. »Jetzt müsst ihr euch am Riemen reißen, das würde euer Vater von euch erwarten.«

»Und auch von dir, Trixi«, sagte Manuela. »Du gehörst ja dazu.«

»Eigentlich sollte das lieber Kons­tantin sagen«, murmelte Trixi.

»Du weißt doch, was ich denke. Muss ich es dauernd sagen?«, brummte er.

»Ich weiß nicht immer, was du denkst, Konny«, sagte Trixi. »Gut, dann sage ich es noch mal. Wir werden zu gegebener Zeit heiraten, und wenn du willst, meinetwegen nächsten Monat.«

»Das auf keinen Fall«, widersprach sie heftig. »Darum geht es doch auch gar nicht.«

»Ich war wieder mal vorlaut«, fiel ihr Manuela ins Wort. »Für mich gehörst du eben dazu, ob du Konstantin nun heiraten willst oder nicht.«

»Warum sollte sie mich nicht heiraten wollen?«, fragte nun Konstantin gereizt.

»Okay, okay«, sagte Manuela, »jetzt sind wir wenigstens abgelenkt. Papa würde das sehr begrüßen. Wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass er nicht mehr hinter uns und neben uns steht.«

»Aber über uns«, sagte Trixi leise. »Er blickt auf uns herab. Ich kann es nicht anders sagen, nicht anders denken. Ich sehe seine gütigen Augen, höre seine Stimme, und ich kann nur immer wieder sagen, wie dankbar ihr sein müsst, einen solchen Vater gehabt zu haben. Und jetzt müsst ihr eben beweisen, dass ihr aus dem gleichen Holz geschnitzt seid.«

»Dann wirst du bei uns einsteigen müssen«, sagte Manuela spontan.

»Du wirst schon aufpassen, dass wir nichts falsch machen.«

Trixi sah mit einem seltsamen Ausdruck zwischen den Geschwistern hin und her.

»Ich möchte gern aufpassen, dass euch niemand in den Rücken fällt«, sagte sie tonlos.

Konstantin schwieg noch eine ganze Zeit, dann aber sagte er: »Lasst uns jetzt mal alles ganz vernünftig überlegen. Papa hatte ja den totalen Durchblick, und er hatte die Fäden fest in den Händen. Aber wem kann man trauen, wem nicht? Darüber hat er sich niemals klar geäußert.«

»Weil er genau wusste, wie er alle anpacken musste«, sagte Trixi. »Vor ihm hatten sie Respekt. Da hat keiner gewagt, etwas über einen anderen zu sagen, weil er fürchten musste, dass er dann ausgebootet werden würde.«

»Woher nimmst du solche Weisheiten?«, fragte Konstantin.

»Ich habe, nein, euer Papa hat mit mir darüber gesprochen. Ich habe ihn nur mal gefragt, wie man so ein Unternehmen so souverän leiten kann.«

»Mit uns hat er darüber nicht geredet«, sagte Konstantin.

»Vielleicht habt ihr nicht soviel gefragt wie ich. Aber mich hat das doch so brennend interessiert vom menschlichen her.« Ihr Blick irrte ab. »Vielleicht habe ich ihn auch mit ganz anderen Augen betrachtet als ihr. Ihr seid ja bei ihm aufgewachsen. Ich hatte keinen solchen Vater, von dem man so viel lernen konnte. Meiner war nur ein mittelmäßiger Schauspieler mit großen Flausen im Hirn. Ich war so glücklich, dass Konny mir das nicht angekreidet hat. Er war für mich der beste Freund.«

»Und ich bin nur sein Sohn«, knurrte Konstantin.

»Du wirst genauso werden wie er«, sagte Trixi sanft.

»Man sagt ja eigentlich, man solle sich die Mutter anschauen, wenn man die Tochter heiraten will. Bei uns ist es anscheinend so, dass meine Auserwählte sich erst den Vater angeschaut hat, ob der Sohn möglicherweise auch die gleichen Qualitäten mitbringen könnte«, murrte Konstantin sarkastisch.

Trixis Augen verdunkelten sich und wurden feucht.

»Ich habe überhaupt nicht daran gedacht oder gar darauf spekuliert, deine Frau zu werden, Konstantin. Für mich war es ein Erlebnis, einen Mann wie deinen Vater kennenzulernen, und dann auch noch zu spüren, dass er mich mag.«

Ein trockenes Schluchzen begleitete ihre Worte, und Manuela legte schnell ihren Arm um Trixis zuckende Schulter.

»Ich weiß, wie lieb er dich hatte«, sagte sie weich. »Und du warst so unendlich tapfer. Du konntest immer noch mit ihm scherzen, während mir schon zum Weinen war.«

»Ich habe es nicht geglaubt, dass er uns genommen wird«, weinte Trixi, »warum denn er, wo andere leben dürfen, die nur Kummer und Sorgen bereiten.«

Konstantin wandte sich ab. Er wollte nicht zeigen, dass auch ihm Tränen über die Wangen rollten, aber nach ein paar Minuten nahm er Trixi in den Arm und sagte zärtlich: »Wir wissen, wie lieb er dich hatte, und nun wissen wir auch, wie sehr du ihn geliebt hast. Und wenn er auf uns herabschaut, wird er wissen, dass seine Trixi eine Aldenhoff wird.« Er küsste sie auf Stirn und Wangen. »Und ich werde mich sehr bemühen, mich Papa würdig zu erweisen, und dich nicht zu enttäuschen.«

»Dann such dir die richtigen Partner und Mitarbeiter aus«, sagte Trixi. »Und tu nicht alles nur das, was Dittmar anschafft.«

»Du magst ihn auch nicht?«, fragte Manuela atemlos.

»Nein, ich mag ihn überhaupt nicht«, erwiderte Trixi.

»Aber Papa hat großes Vertrauen zu ihm gehabt«, warf Konstantin leicht irritiert ein.

»Vertrauen?«, fragte Trixi. »Er hat ihm bestimmt nicht ganz vertraut. Er war immer auf der Hut. Er hat einmal gesagt, dass ein Apfel nicht immer weit vom Stamm fiele, und manche Äpfel hätten auch einen faulen Kern.«

»Das hat er in bezug auf Dittmar gesagt? Das kann ich nicht glauben«, sagte Konstantin.

»Er hat es nicht so direkt auf ihn bezogen. Ich will damit sagen, dass er stets vorsichtig in seinem Urteil war. Er war immer objektiv. Er urteilte nach Erfahrungen, aber er verurteilte nicht ohne Beweise.«

»Jetzt spricht die angehende Juristin«, sagte Manuela.

»Und wenn ich mich jetzt um eine Stellung in eurer Rechtsabteilung bewerbe, ohne abgeschlossenes Studium?«, fragte Trixi.

»Du bekommst sie«, erwiderte Kons­tantin. »Aber diese Abteilung untersteht auch Henri Dittmar.«

»Eben und deswegen«, erwiderte Trixi, und jetzt legte sich ein ganz entschlossener Zug auf ihren Mund.

*