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Managerhaftung bei Unternehmenskrisen und -zusammenbrüchen E-Book

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Beschreibung

Dieser Sammelband widmet sich Fragen der Unternehmenssanierung, des Konkurses, des Haftpflichtversicherungsschutzes sowie der Haftung für fehlerhafte Unternehmenskommunikation. Zudem enthält er zwei Referate mit rechtsvergleichendem Fokus auf das deutsche Recht, da der Dieselskandal die Grenzen des dortigen Verantwortlichkeitsrechts aufgezeigt hat.

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Managerhaftung bei Unternehmenskrisen und -zusammenbrüchen von Peter R. Isler und Rolf Sethe wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.

© 2023 – CC BY-NC-ND (Werk), CC BY-SA (Text)

Herausgeber: Dr. Peter R. Isler, Prof. Dr. Rolf Sethe – Europa Institut an der Universität ZürichVerlag: EIZ Publishing (eizpublishing.ch)Produktion, Satz & Vertrieb:buchundnetz.comISBN:978-3-03805-590-7 (Print – Softcover)978-3-03805-591-4 (PDF)978-3-03805-592-1 (ePub)DOI: https://doi.org/10.36862/eiz-590Version: 1.01 – 20230622

Das Werk ist als gedrucktes Buch und als Open-Access-Publikation in verschiedenen digitalen Formaten verfügbar: https://eizpublishing.ch/publikationen/managerhaftung-bei-unternehmenskrisen-und-zusammenbruechen/.

1

Vorwort

Die vom Europa Institut Zürich regelmässig durchgeführte „Zürcher Tagung zur Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht“ fand am 6. Juli 2022 zum elften Mal statt. Die Veranstalter haben bei der Themenwahl versucht, die sich aus der jüngeren Rechtsprechung und dem wissenschaftlichen Diskurs ergebenden Grundsatzfragen des Verantwortlichkeitsrechts aufzugreifen. Dabei wurden Fragen der Unternehmenssanierung, des Konkurses, des Haftpflichtversicherungsschutzes sowie der Haftung für fehlerhafte Unternehmenskommunikation behandelt. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch zwei Referate mit rechtsvergleichendem Fokus auf das deutsche Recht, da der Dieselskandal die Grenzen des dortigen Verantwortlichkeitsrechts aufgezeigt hat, was sicherlich auch für Schweizer Juristinnen und Juristen von Interesse ist.

Die in diesem Tagungsband zusammengefassten Beiträge zeigen die grosse Bandbreite des Verantwortlichkeitsrechts. Die gegenüber den Referaten noch vertieften und aktualisierten Aufsätze wollen mithelfen, offene Rechtsfragen zu beantworten und in einen systematischen Kontext zu stellen. Zugleich sollen sie eine Handreichung für Praktiker sein, die vor der konkreten Aufgabe stehen, in einem Fall die zivilrechtlichen Folgen des Verantwortlichkeitsrechts beurteilen zu müssen.

Unser Dank gebührt unseren Referenten, die sich neben ihrem grossen Einsatz an der Tagung der Mühe unterzogen haben, ihr Referat schriftlich niederzulegen. Ausserdem danken wir dem bewährten Team des Europa Instituts, insbesondere Frau Breu, Frau Piritore, Frau Osterwalder und Frau Tschalèr für die Durchführung der Veranstaltung und für die Erstellung und Gestaltung dieses Bandes.

Zürich, im April 2023 Peter R. Isler/Rolf Sethe

2

Inhaltsübersicht

Der Krisenmanager und das Verantwortlichkeitsrecht – Ein praktisches Beispiel

Dr. Peter R. Isler, Rechtsanwalt, LL.M., Lehrbeauftragter an der Universität Zürich, Partner bei Niederer Kraft Frey AG, ZürichKarl Schädler, Managing Partner bei Cottonfield Family Office AG, Partner bei Experts for Leaders AG, Zürich

Umgang mit Verantwortlichkeitsansprüchen in Konkursverfahren

Karl Wüthrich, Rechtsanwalt, Konsulent bei Wenger Plattner, Küsnacht

Beurteilung von Verantwortlichkeitsansprüchen aus Sicht eines D&O Versicherers

Patrick Dummermuth, Rechtsanwalt, Head of Claims, Kessler & Co AG, Zürich

Haftung für fehlerhafte Unternehmenskommunikation: Neue Risiken im Zuge der Nachhaltigkeitsregulierung

Prof. Dr. Daniel Dedeyan, Rechtsanwalt, LL.M. (Yale), Counsel bei Walder Wyss AG, Zürich, Professor und Rektor der ZLS Zurich Law School, Privatdozent an der Universität Zürich

Der persönliche Geltungsbereich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit im schweizerischen und deutschen Recht

Prof. Dr. Rolf Sethe, Rechtsanwalt, LL.M., Ordinarius für Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich, Konsulent bei Niederer Kraft Frey AG, Zürich

Abgas-Skandal und mehr – Aktuelle Entwicklungen im deutschen Verantwortlichkeitsrecht

Dr. Thomas Trölitzsch, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Stuttgart

Der Krisenmanager und das Verantwortlichkeitsrecht – Ein praktisches Beispiel

Peter R. Isler und Karl Schädler

Autoren danken Herrn MLaw, LL.M. Tristan Bohn herzlich für seine wertvolle Unterstützung.

Inhalt

EinleitungMuster-SachverhaltManagement SummaryUnverhoffte KriseDer Verwaltungsrat im KrisenmodusDie heiklen rechtlich relevanten AspekteKontrolle der Finanznotlage nach neuem Aktienrecht (Art. 725-725c OR)Zu Art. 725 ORZu Art. 725a und Art. 725c ORZu Art. 725b ORHandeln mit aller SorgfaltErmessensentscheideGleichbehandlung der Gläubiger?Das Abwägen von Chancen und RisikenTransaktionen mit nahestehenden PersonenKontrolle des Krisenmanagers durch den VerwaltungsratDie konkrete Umsetzung im Muster-SachverhaltKrisenmanagement – RettungsversuchFacts werden geschaffenRisikocockpit und finanzielle FührungPersönliche Anforderungen an einen Krisenmanager und sein rechtlicher HandlungsspielraumPersönliche Anforderungen/EigenschaftenWas zeichnet einen guten Krisenmanager aus?Ausüben des rechtlichen Handlungsspielraumes durch den KrisenmanagerDie neue GerichtspraxisAber Vorsicht bezüglich Art. 725b Abs. 2 Ziff. 4 ORZur 90 Tage FristZur zusätzlichen Gefährdung der GläubigerSchlussbemerkungen aus Erfahrung der AutorenErkenntnisse von Karl Schädler aus dem Fall, welcher dem Muster-Sachverhalt zugrunde liegtFalsche Zusammensetzung und ungenügende Qualifikation des Verwaltungsrates, insbesondere bezüglich Funktion des VR-Präsidenten und Fehlen von externen VR-MitgliedernVR-Mitglieder sind zu wenig kritisch, ungenügend vorbereitet und haben nicht die notwendige UnabhängigkeitBeeinflussung von VR-Entscheiden durch Interessenkonflikte und Eigeninteressen, insbesondere mangels Offenlegung von persönlichen Interessen und fehlenden AusstandsregelungenFehlende oder ungenügende Strategiefindung und StrategiekontrolleFehlendes oder ungenügendes Risk Management, insbesondere bezüglich Liquiditätsplanung und NachfolgeregelungZu geringer Sitzungsrhythmus, indem der Verwaltungsrat nur auf Veränderungen und Ereignisse reagiert und nicht von sich aus agiertMangelhafte Informationsbeschaffung und Informationsauswertung, insbesondere durch unzureichende oder verspätete Berichterstattung an den VerwaltungsratZu späte oder fehlerhafte Entscheidungsfindung, insbesondere zufolge unvollständiger EntscheidungsunterlagenBei erfolgter Geschäftsführungsdelegation ungenügende Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, insbesondere unklare Aufgaben- und KompetenzzuteilungBei erfolgter Geschäftsführungsdelegation fehlt eine periodische Überprüfung der Geschäftsleitung und ungenügende GL-Mitglieder werden zu spät ausgewechseltErkenntnisse von Peter Isler aus den Swissair-VerantwortlichkeitsprozessenLiteraturverzeichnis

Einleitung

Wenn Unternehmen in eine existenzgefährdende Krise geraten, kann dies grundlegend verschiedene Ursachen haben. Etwas verallgemeinert können drei Kategorien von Ursachen unterschieden werden:

Globale Ursachen hatten in der jüngeren Vergangenheit massive Auswirkungen auf die Unternehmungen ganzer Geschäftsbranchen weltweit, z.B.

Die Finanzkrise des Jahres 2008 hatte zur Folge, dass zahlreiche Banken in vielen Ländern nur mit staatlicher Hilfe gerettet werden konnten. In der Schweiz wurde durch die Rettung der UBS ein Dominoeffekt auf andere schweizerische Finanzinstitute verhindert.Die Krise der weltweiten Zivilluftfahrt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und den anschliessenden Reiserestriktionen wegen des SARS-Virus brachte viele staatliche und private Fluggesellschaften an den Rand eines Konkurses. Die meisten Fluggesellschaften mit staatlicher Beteiligung wurden vom betreffenden Staat gerettet. In der Schweiz war dies leider nicht möglich und die Swissair ging in Nachlassliquidation.Die Corona-Pandemie hatte in den Jahren 2020 und 2021 massive negative Auswirkungen auf den Tourismus, den Detailhandel und infolge von Lieferkettenproblemen auch auf zahlreiche Produktionsbetriebe. Durch staatliche Kredithilfen konnte eine Vielzahl dieser Betriebe von der definitiven Schliessung bewahrt werden.Gegenwärtig bringt die kriegerische Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine vor allem in Europa durch stark steigende Energiekosten und damit verbunden einer stark gestiegenen Inflation nicht nur private Haushalte, sondern auch Produktionsbetriebe, Hotels, Fitnessstudios und andere Firmen mit hohem Energieverbrauch in eine existenzgefährdende Situation. Auch hier ertönt der Ruf nach staatlichem Eingreifen in die Preisgestaltung in der Energiewirtschaft.

Regionale Ursachen können auf gewisse Branchen oder Gegenden eines Landes grössere negative Auswirkungen haben, welche meistens ohne staatliche Hilfe durch unternehmerisches Handeln oder Zusammenschlüsse von Unternehmen gemildert werden können, z.B.

Die schweizerische Immobilienkrise zu Beginn der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts brachte für viele Bauunternehmen, aber auch Bankinstitute grosse Probleme. Die Schweizerische Volksbank als viertgrösste Grossbank wurde von der Credit Suisse übernommen, zahlreiche Baufirmen fusionierten oder liquidierten oder wurden mit Bankkrediten notfallmässig in redimensionierter Form am Leben gehalten.Die Schweizer Wirtschaft verfügte während vieler Jahrzehnte über eine blühende Textilindustrie, welche eine große Arbeitgeberin war. Als im 20. Jahrhundert die Textilherstellung sich grundlegend veränderte und insbesondere im Fernen Osten sehr viel billiger möglich wurde, mussten zahlreiche Betriebe vor allem in der Ostschweiz schließen oder sich nur noch auf ganz hochwertige Spezialitäten beschränken.Dasselbe Schicksal erlitt auch die schweizerische Maschinenindustrie. Großbetriebe an den Standorten Winterthur, Baden oder Zürich-West mussten ihre Produktionen nach Osteuropa verlagern oder aufgeben und zahlreiche kleinere Firmen konnten nur überleben, indem sie nur noch hochwertige Spezialprodukte herstellten, für welche der Markt bereit ist, das hohe schweizerische Preisniveau zu bezahlen.Solche regionalen Unternehmenskrisen finden sich keineswegs nur in der Schweiz. Oft sind politische Veränderungen die Ursache davon, wie z.B. in Hongkong, Libanon oder auch im Mittleren Westen der USA oder in den Kohlebergbaugebieten von Europa.

In diesem Aufsatz werden jedoch nur die hausgemachten individuellen Ursachen eines einzelnen Unternehmens zum Ausgangspunkt für eine mögliche Sanierung genommen. In diesem Bereich kann die wirtschaftliche Existenzkrise etwa auf folgenden Ursachen beruhen:

Nachfolgeprobleme in FamilienunternehmenStreit unter AktionärenUnvorhergesehene und nicht oder ungenügend versicherte Grossschäden (Debitorenverluste, Betrügereien, Cyberattacke, Zerstörung der Produktionsstätte durch Brand oder Überschwemmung, etc.)Verlust der Konkurrenzfähigkeit der eigenen Produkte infolge Patentablauf, fehlender Innovation für neue Produkte, besseres oder billigeres neues Konkurrenzprodukt, etc.Liquiditätsengpass ohne Beschaffung neuer Finanzquellen, fehlende KostenkontrolleGrosse Verluste aus spekulativer Tätigkeit, welche ein an sich gut gehendes Unternehmen zugrunderichtet (abschreckendes Beispiel der „Fall Erb“).

Im nachfolgenden Muster-Sachverhalt soll gezeigt werden, wie und unter welchen Vor­aussetzungen ein an sich gut gehendes Unternehmen in einer Krisensituation gerettet werden kann, wenn rechtzeitig und richtig gehandelt und den massgebenden Rechtsnormen die nötige Beachtung geschenkt wird.

Muster-Sachverhalt

Management Summary

Jedes Unternehmen, unabhängig von der Grösse, ob börsenkotiert oder als typisches KMU, muss sich laufend hinterfragen und die Organisation überprüfen in Bezug auf:

Effizienz (Entscheidungsstruktur, Verantwortungs- und Kompetenzverteilung und Schnittstellenmanagement)Risikomanagement (Governance, Risk and Compliance Management (GRC))Finanz-, Investitions- und Liquiditätsmanagement (Planung, Führung und Kontrolle)Konkurrenzfähigkeit, Aufrechterhaltung der oder des competitive advantage(s)[1].

Bei der Immo AG, einer Immobilienbeteiligungsgesellschaft, war von Beginn weg klar, dass die Organisation so schlank und effizient wie möglich sein muss. Diese Vorgabe, verbunden mit der engen persönlichen, personellen und projektbezogenen Beziehung zur Bau AG, führte dazu, dass man basierend auf einem Mandatsvertrag alle operativen Aufgaben an die Bau AG ausgelagert hat. Alles, von der Projektakquisition, der Projektentwicklung bis hin zur Projektvollendung, wurde mit den Spezialisten der Bau AG, oder ihr nahestehenden Unternehmen umgesetzt.

Veränderungen und laufende Optimierungen gehören zum unternehmerischen Alltag.  Unerwartete Marktveränderungen oder der Markteintritt von Konkurrenten mit einem neuen, disruptiven Geschäftsmodell gehört heute auch zu den täglichen Herausforderungen, welchen sich der Verwaltungsrat zusammen mit der Geschäftsleitung stellen muss. Persönliche und hoch emotionale Beziehungsbrüche, verbunden mit der unmittelbaren Infragestellung der gesamten Organisation und aller vertraglichen Abmachungen, gehören zum Glück nicht zum Alltag – aber hier zur aktuellen Herausforderung des Verwaltungsrates der Immo AG.

Nach einem Kaltstart für den Verwaltungsrat, der kurzfristigen Stabilisierung der Situation, ist der Verwaltungsrat nun gefordert, das Unternehmen auf neue und tragfähige Pfeiler zu stellen. Dies bedeutet, das Business Model zu überarbeiten, neue Geschäftspartner für die Zusammenarbeit zu gewinnen und selbstkritisch und vorausschauend die Immo AG von der vertrauensbasierten Organisation in eine professionelle Organisation zu überführen.

Geschichte, Struktur und Organisation

Abb. 1 Übersichtsskizze, Struktur und Organisation
Gründung der Immo AG durch Bau AG mit anschliessender Aktienkapitalerhöhung durch private InvestorenImmo AG erwirbt von Bau AG Liegenschaft mit Umschwung zwecks Überbauung durch Bau AGOrgane der Immo AG sind A als VRP, W/Z als Investorenvertreter und C als Geschäftsführer.

Vor rund fünf Jahren hat die Bau AG aufgrund der boomenden Bautätigkeit und des grossen Projektportfolios entschieden, mit nahestehenden Dritten eine Club-Deal Struktur – die Immo AG –  aufzubauen, um so die Finanzierung und Umsetzung einiger Bauprojekte aus dem Portfolio sicherzustellen. Angestrebt wurde somit eine Win-Win Situation.

Die Geschäftsidee der Immo AG lautet gemäss Investorendossier wie folgt: Die Immo AG bietet eine indirekte Anlagemöglichkeit für Immobilien. Im Planungshorizont von 4-6 Jahren soll der Gesellschaft Kapital im Umfang von CHF 30-40 Mio. durch neue Investoren in Form von Aktienkapital und Darlehen zufliessen, welches für den Aufbau eines eigenen Bestandes an Renditeliegenschaften von ca. CHF 80 Mio. eingesetzt werden soll. Gleichzeitig werden damit Eigentumswohnungen finanziert, realisiert und verkauft, was zu attraktiven Renditen beiträgt. Das Immobilienportfolio ist in Bezug auf Region, Nutzung, Positionierung und Objektvolumen ausgeglichen.

Die Vorteile für die Investoren lauten gemäss Investorendossier wie folgt:

Anlagemöglichkeit für Immobilien, jedoch ohne Aufwand für die Betreuung und Bewirtschaftung. Diese wird durch Fachleute erledigt.Bevorzugte Verzinsung der Aktionärsdarlehen gemäss dem von der Eidg. Steuerverwaltung maximal zulässigen Zinssatz.Erzielung eines regelmässigen Einkommens durch vorgesehene Ausschüttungen (Dividenden oder steuerlich attraktive Nennwertrückzahlungen) und Zinsen auf den gewährten Aktionärsdarlehen.Sicherheit durch einen greifbaren Gegenwert der Grundstücke und Liegenschaften.Durch die enge Verflechtung und Verbindung zur Bau AG als Mitaktionär können attraktive Grundstücke akquiriert werden.Höhere Flexibilität für die Übertragbarkeit der Aktien, im Vergleich zu einer direkt gehaltenen Immobilie (z.B. infolge Erbregelung).

Des Weiteren regelt ein Service Level Agreement (SLA) zwischen der Immo AG und der Bau AG folgende Aufgaben im Sinne eines einfachen Auftrages nach Art. 394 ff. OR. Die Geschäftsführung wird durch den CEO der Bau AG wahrgenommen. Die Grundlage für die Geschäftsführung der Immo AG bildet das Organisationsreglement. Die administrative Betreuung der Geschäfte der Immo AG wird an die Bau AG delegiert, welche sich verpflichtet folgende Tätigkeiten auszuführen:

Führung des Sekretariats und Erledigung von ZahlungenBuchführung der Immo AGAbschlusserstellungLiquiditätsplanungQuartalsweises Bau- und Finanzreporting

Aufgrund dieses Sachverhalts muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Geschäftsführung der Immo AG faktisch bei der Bau AG liegt.

Unverhoffte Krise

Unstimmigkeiten und zunehmend gehässige Diskussionen zwischen A und C über Zuständigkeiten und Kompetenzen innerhalb der Bau AG wirken sich negativ auf die Führung und das Alltagsgeschäft der Immo AG aus und führen bei den Aktionären zu Irritationen. Als das gestörte Verhältnis in einen offenen Schlagabtausch und Konflikt mündet, wird klar, dass auch die Führung der Immo AG akut gefährdet ist.

A wird von den Aktionären der Bau AG aufgefordert, sein Mandat per sofort niederzulegen oder es drohe ihm eine schmähliche Abwahl an einer ausserordentlichen Generalversammlung. Um dies zu verhindern, entscheidet sich A per sofort bei der Bau AG zurückzutreten und seine Aktien an die Familienaktionäre zu verkaufen.

Doch die erhoffte Beruhigung und Sicherstellung der Führungsfähigkeit der Immo AG wird dadurch nicht erreicht, denn der offene Disput zwischen A und C verlagert sich nun auf die Führungsebene der Immo AG und wird noch unerbittlicher, als man beim Aushub bei einem Bauprojekt auf eine illegale Deponie stösst. Diese ist weder im Altlastenkataster der Gemeinde vermerkt, noch wurde von Seiten des Verkäufers darauf hingewiesen, noch hat man diese bei Sondierungsbohrungen bemerkt.

Dies führt nun zur totalen Eskalation zwischen A und C, welche gemeinsam den Kaufvertrag für die Immo AG unterschrieben haben. Dies umso mehr als nach eingehender Prüfung des Vertrages festgestellt wird, dass fehlende Vertragsbestimmungen einen Rückgriff auf den Verkäufer verunmöglichen und dieser auch keine Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Der offene Schlagabtausch zwischen A und C, ob die Entsorgungskosten, welche einen grossen, nicht budgetierten finanziellen Aufwand bedeuten, im GU-Preis mit der Bau AG inbegriffen sind, eskaliert vollständig, als sich bei einem weiteren Bauprojekt der Immo AG eine massive Kostenüberschreitung abzeichnet.

Konfrontiert mit Schuldzuweisungen und dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, droht C als Geschäftsführer der Bau AG, dass ohne eine sofortige Sicherstellung der Bezahlung durch die Immo AG sämtliche Tätigkeiten per sofort eingestellt werden.

Der Verwaltungsrat im Krisenmodus

Aufgrund dieser zugespitzten Situation kommt der VR der Immo AG zu einer ausserordentlichen VR-Sitzung zusammen. Dabei erkennt der VR:

Verhältnis zwischen A und C ist unüberbrückbar gestörtKaufvertrag weist krasse Mängel auf, eine in der Branche übliche Klausel zur Behandlung von Altlasten und Inertstoffen fehltGemäss Aussage von A habe sich C und die Bau AG mündlich verpflichtet, allfällige Altlasten und Inertstoffe zu entsorgenC bestreitet diese Aussage und da nichts schriftlich festgehalten wurde, steht für den VR nun Wort gegen WortDie Bau AG droht, ohne finanzielle Garantien sämtliche Tätigkeiten für die Immo AG per sofort einzustellenDiese Forderung und eine deutliche Kostenüberschreitung bei einem anderen Bauprojekt stürzen die Immo AG in eine LiquiditätskriseDie Immo AG befindet sich in einer existentiellen Krise und eine professionelle Führung der Immo AG durch A und C ist nicht mehr möglich.

Die beiden Verwaltungsräte W und Z realisieren, dass per sofort ein externer Krisenmanager für die Immo AG eingestellt werden muss, um einerseits die operative Führung sicherzustellen und andererseits die existenziellen Herausforderungen anzugehen.

Die heiklen rechtlich relevanten Aspekte

Auch wenn ein Krisenmanager primär ein „Mann der Tat“ mit grosser und rascher Entscheidungsfreude sein muss, bewegt er sich doch auf einem schmalen Pfad in Richtung Rettung des Unternehmens mit Absturzgefahren in den Konkurs (für das Unternehmen) und in die Verantwortlichkeitshaftung (mit persönlichen Folgen). Insbesondere der Fall Swissair mit dem Grounding im Oktober 2001 und der darauffolgenden Nachlassliquidation und den Verantwortlichkeitsklagen gegen die Gesellschaftsorgane haben die Reputations- und finanziellen Risiken für die zuletzt als Krisenmanager handelnden Personen mit aller Deutlichkeit gezeigt[2].

Daher müssen die Krisenmanager und die Verwaltungsräte, welche einen solchen externen Spezialisten zur Rettung des Unternehmens beigezogen haben, auch laufend die heiklen rechtlich relevanten Normen prüfen, sei es aus eigener Kenntnis oder gestützt auf fachkundige Beratung.

Kontrolle der Finanznotlage nach neuem Aktienrecht (Art. 725-725c OR)

Ein Ziel der Aktienrechtsform 2020 war, die rechtliche Regelung für eine Unternehmung in finanziellen Schwierigkeiten grundlegend zu überarbeiten. Durch die Einführung eines Frühwarnsystems sollten die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung erhöht werden, ohne dass die Gläubiger zusätzlichen Risiken ausgesetzt würden. Die bisherige Regelung in Art. 725 und 725a OR wurde in den neuen Art. 725-725c OR erheblich erweitert und neu strukturiert[3].

Zu Art. 725 OR

Neu im aktienrechtlichen Sanierungsrecht ist der bisher schon bekannten Regelung bei Kapitalverlust (nun Art. 725a OR) und Überschuldung (nun Art. 725b OR) in Art. 725 OR der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit vorangestellt.  Der Verwaltungsrat ist verpflichtet, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft laufend zu überwachen und rechtzeitig in der gebotenen Eile die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, wenn die Gesellschaft droht zahlungsunfähig zu werden. Erfahrungsgemäss führt die liquiditätsmässige Notlage häufiger zum Zusammenbruch eines Unternehmens als ein Kapitalverlust oder eine bilanzmässige Überschuldung.

In einem liquiditätsmässigen Engpass ist es oft schwierig neue Geldgeber zu finden. In erster Linie kommen die Aktionäre in Frage, welche durch eine Kapitalerhöhung oder durch Darlehen mit Rangrücktritt die Zahlungsfähigkeit kurzfristig verbessern können[4]. Gleichzeitig sollten auch Verhandlungen mit der Hausbank geführt werden, um Kreditlimiten offen zu halten, Rückzahlungen aufzuschieben oder ein eigentliches Sanierungsdarlehen zu erhalten.[5]

Zu Art 725a und Art. 725c OR

Art. 725a OR befasst sich sodann mit dem Kapitalverlust und enthält den Regelungsbereich des bisherigen Art. 725 Abs. 1 OR, während dessen Abs. 2 und 3 in den neuen Art. 725b OR verschoben wurden. Die Schwelle für den massgeblichen Kapitalverlust bleibt unverändert die Hälfte der Summe aus dem nominalen Aktienkapital und den nicht an die Aktionäre zurückzahlbaren gesetzlichen Kapitalreserven und gesetzlichen Gewinnreserven[6].

Neu ist, dass bei einem solchen hälftigen Kapitalverlust nicht mehr unverzüglich eine Generalversammlung einzuberufen ist. Vielmehr soll der Verwaltungsrat in eigener Kompetenz prüfen, wie er den Kapitalverlust beseitigen kann. Eine vom Gesetz neu geschaffene Möglichkeit ist die Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen vom Anschaffungswert bis maximal zum wirklichen Wert (Art. 725c OR). Allerdings ist der Aufwertungsbetrag wieder unter den gesetzlichen Gewinnreserven gesondert auszuweisen und diese so zu beschränken[7].

Weitere Möglichkeiten in der Kompetenz des Verwaltungsrates sind etwa eine Stärkung des Eigenkapitals durch Forderungsverzicht von Gläubigern oder durch Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital (Zuweisung an die gesetzlichen Reserven ohne Kapitalerhöhung). Auf diese Weise kann die zeitliche Verzögerung und die unerwünschte Publizität vermieden werden, welche mit der Einberufung der Generalversammlung z.B. für die Erhöhung des Aktienkapitals mittels Einlage samt Agio oder eine deklarative Kapitalherabsetzung (Art. 653p OR) verbunden ist[8].

Neu ist die Bestimmung von Art. 725a Abs. 2 OR, dass bei Gesellschaften, welche gemäss Art. 727a Abs. 2 OR keine Revisionsstelle haben, der Verwaltungsrat bei einem Kapitalverlust einen zugelassenen Revisor ernennen muss, welcher die letzte Jahresrechnung der Gesellschaft prüft, und diese anschliessend durch die Generalversammlung genehmigt werden muss.

Zu Art. 725b OR

Art. 725b OR ist nun die neue zentrale Regelung im Aktienrecht für ein schweizerisches Sanierungsrecht bei drohender Überschuldung der Gesellschaft, welche Möglichkeiten und Voraussetzungen bestehen, um den Gang zum Richter zu vermeiden und eine stille Sanierung zu versuchen. Folgende Bestimmungen sollen hier in der gebotenen Kürze aufgeführt werden:

Wenn der Verwaltungsrat eine Überschuldung der Gesellschaft befürchtet, d.h. die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch ihre Aktiven gedeckt sind, hat er sofort einen Zwischenabschluss zu erstellen, d.h. eine Bilanz, eine Erfolgsrechnung und einen Anhang. Dies bedingt, dass gerade in einer kritischen Lage dem Rechnungswesen Priorität eingeräumt werden muss, um rasch diese Unterlagen erstellen zu können.Der Zwischenabschluss ist sowohl zu Fortführungswerten wie auch zu Veräusserungswerten zu erstellen. Wenn die Fortführung der Gesellschaft angenommen werden darf und der Abschluss zu Fortführungswerten keine Überschuldung aufweist, kann auf den Abschluss zu Veräusserungswerten verzichtet werden. Umgekehrt ist bei Annahme, dass eine Fortführung der Gesellschaft nicht mehr gegeben ist, nur noch ein Abschluss zu Liquidationswerten zu erstellen (Art. 725b Abs. 2 OR).Der Verwaltungsrat muss den Zwischenabschluss durch die Revisionsstelle prüfen lassen und bei Fehlen einer Revisionsstelle einen zugelassenen Revisor für diese Aufgabe ernennen.Detailliert ist dann in Art. 725b Abs. 4 OR geregelt, wann der Verwaltungsrat bei Feststellung einer Überschuldung aufgrund des revidierten Zwischenabschlusses auf die Benachrichtigung des Richters verzichten kann:Wenn Gesellschaftsgläubiger im Ausmass der Überschuldung im Rang hinter alle anderen Gesellschaftsgläubiger zurücktreten und ihre Forderungen samt Zinsen stunden, bis die Überschuldung unter Berücksichtigung der nachrangigen Forderung behoben worden ist[9].Oder wenn nach Beurteilung des Verwaltungsrates begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert einer Frist von maximal 90 Tagen seit Vorliegen des geprüften Zwischenabschlusses behoben werden kann und die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden.Mit dieser Regelung soll die bisherige Praxis, entgegen dem Wortlaut von Art. 725 Abs. 2 OR eine Fortführung der Gesellschaft in einem festgestellten überschuldeten Zustand noch für kurze Zeit weiter zu führen, legalisiert und mit klaren Kriterien versehen werden[10].

Insgesamt ist die Regelung zum neuen aktienrechtlichen Sanierungsrecht als flexibler und unternehmungsorientierter zu begrüssen. Es ist zu hoffen, dass damit Verwaltungsrat und Krisenmanager ermutigt werden, auch bei drohender oder festgestellter Überschuldung der Gesellschaft alles unternehmerisch Vernünftige zu versuchen, um die Gesellschaft zum Vorteil der Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten und Finanzgläubiger zu retten[11].

Handeln mit aller Sorgfalt

Ermessensentscheide

Auch in Krisensituationen und dem dadurch geschaffenen Zeitdruck gilt die Bestimmung von Art. 717 Abs. 1 OR, dass „die Mitglieder des Verwaltungsrates sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, …. ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft  in guten Treuen wahren [müssen]“.[12]

Allerdings ist gerade in Krisenzeiten für den Verwaltungsrat wie für den Krisenmanager – unabhängig davon ob er als Delegierter  des Verwaltungsrates  oder als Geschäftsführer eingesetzt wird – die neuere Auslegung von Art. 717 OR und Art. 754 OR von Vorteil, dass die in Krisensituationen zu treffenden Entscheide fast durchwegs Ermessensentscheide in geschäftlichen Angelegenheiten sind, z.B. die Veräusserung von Aktiven zur Liquiditätsbeschaffung, die Massnahmen zur Kostensenkung (Entlassung von Mitarbeitern, Lohnkürzungen, Aufgabe von Räumlichkeiten, Lagerabbau) und auch die Festlegung, welche Zahlungen unbedingt geleistet werden müssen und welche hinausgeschoben werden können. Hier soll der Richter sich in Zurückhaltung üben bei einer nachträglichen Beurteilung und nach der auch im schweizerischen Aktienrecht anerkannten Business Judgment Rule vorgehen. Konkret bedeutet dies, dass die Entscheidung in einem angemessenen aber durchaus wegen Zeitdruckes kurzen Entscheidfindungsprozess zustande kommen muss und frei von Interessenkonflikte sein sollte[13]. (Zum Aspekt des Interessenkonfliktes vgl. nachfolgend Ziff. III.3.).

Gleichbehandlung der Gläubiger?

Auch bezüglich der Gleichbehandlung der Gläubiger besteht für den Krisenmanager ein Geschäftsermessen. Art. 717 Abs. 2 OR bestimmt zwar eine Pflicht des Verwaltungsrates zur Gleichbehandlung der Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen, nicht aber eine solche zur Gleichbehandlung der Gläubiger vor dem Konkurs. Nur Art. 285ff SchKG enthält Bestimmungen, welche allenfalls eine Anfechtung einer Zahlung an einen Gläubiger ermöglichen, aber dies ist dann grundsätzlich keine Frage der Haftung des Gesellschaftsorganes, welche diese Zahlung ausgeführt hat, sondern ein Risiko des bevorzugten Gläubigers[14]. Auch die Rückzahlung eines Bankdarlehens vor Konkurseröffnung ist unter Umständen nicht paulianisch anfechtbar, wenn eine Bank einer Gesellschaft in schwierigen Zeiten beisteht und mit ihrem Darlehen einen Beitrag zur möglichen Sanierung leisten will[15].

Das Abwägen von Chancen und Risiken

Als Faustregel gilt für den rechtlichen Rahmen des zulässigen Handlungsspielraumes durch den Krisenmanager, dass er bei seinen Geschäftsentscheiden die Chancen zur Rettung des Unternehmens und die Risiken eines Fehlschlages gegeneinander abwägen muss. Die verantwortlichen Organe sollen im Interesse der Gesellschaft  die gebotenen Chancen wahrnehmen, wenn unter Beachtung der erkennbaren Umstände die Chancen einer Rettung die Risiken eines Fehlschlages überwiegen oder auch nur zumindest aufwiegen[16].

Transaktionen mit nahestehenden Personen

Wie vorn in Ziff. III.2.a) erwähnt, ist eine der Voraussetzungen für die Anwendung der Business Judgment Rule, dass der Entscheidfindungsprozess frei von Interessenkonflikten zustande gekommen ist. Wie im Vertragsrecht ist auch im Aktienrecht ein Rechtsgeschäft mit einer Nichtigkeit bedroht, wenn bei einem Insichgeschäft ein Interessenkonflikt zwischen den handelnden Personen nicht ordnungsgemäss beseitigt worden ist[17].

Allerdings lassen sich in Krisensituationen formale Interessenkonflikte nicht immer vermeiden, wenn es zur Liquiditätsbeschaffung in kurzer Zeit keine realistische Alternative gibt, als einer nahestehenden Person gewisse Vermögenswerte, z.B. ein Grundstück oder eine Beteiligung, zu verkaufen. Der neue Art. 717a OR verbietet denn auch solche Geschäfte mit Interessenkonflikten nicht absolut, sondern schafft nur eine Informationspflicht und eine Verpflichtung des Verwaltungsrates, die für die Interessen der Gesellschaft notwendigen Massnahmen zu treffen. Als solche kommen in Betracht die Ausstandspflicht für die konfliktbehaftete Organperson, eine unabhängig Schätzung des Wertes der zu veräussernden Aktiven oder der Beizug eines Beraters zur Abklärung allfälliger alternativer Lösungen[18].

Auch bei Geschäftsentscheiden hat ein Interessenkonflikt nur zur primären Konsequenz, dass eine Anwendung der Business Judgment Rule und somit die richterliche Beurteilung des Geschäftsentscheides auf „Vertretbarkeit“ nicht zur Anwendung kommt. Vielmehr ist bei einem Rechtsgeschäft, in welchem zumindest eine der beteiligten Parteien oder Personen in einem Interessenkonflikt steht, die richterliche Überprüfung, ob der Entscheid vernünftig, sachlich richtig bzw. nicht fehlerhaft ist, nicht eingeschränkt. Aber auch dann kann bei voller Kognition der Richter zur Schlussfolgerung kommen, dass das Rechtsgeschäft im Interesse des Unternehmens liegt, auch wenn eine an ihr beteiligte Person einen Interessenkonflikt hat[19].

Kontrolle des Krisenmanagers durch den Verwaltungsrat

Generell ist davon auszugehen, dass der Verwaltungsrat des Unternehmens bei der Einsetzung eines Krisenmanagers diesem möglichst umfassende Kompetenzen einräumen will und auch soll. Er kann dies dadurch erreichen, indem er den Krisenmanager zum Delegierten des Verwaltungsrates ernennt oder zum Geschäftsführer bzw. Leiter der Geschäftsleitung. Stets aber gilt auch jetzt die Pflicht gemäss Art. 754 Abs. 2 OR, dass der Verwaltungsrat den Krisenmanager sorgfältig auswählen, instruieren und überwachen muss.

Besonders wichtig ist nach Einsetzung des Krisenmanagers, dass sich der Verwaltungsrat durch regelmässige Berichterstattung orientieren lässt und so seine Überwachungspflicht wahrnehmen kann. Die Berichterstattungspflicht, welche sich auch aus Art. 716b Abs. 2 OR ergibt, muss sowohl in Bezug auf den Inhalt wie auch auf die Zeitintervalle festgelegt werden und den generellen Vorbehalt anbringen, dass bei unerwarteten Ereignissen sofort zu orientieren ist und vor allem eine enge, dauernde Zusammenarbeit zwischen dem Krisenmanager und dem Verwaltungsratspräsident bestehen muss[20].

Die konkrete Umsetzung im Muster-Sachverhalt

Krisenmanagement – Rettungsversuch

Im Gegensatz zu Notfällen sind Krisen meistens unvorhersehbar und können daher nicht mit konkreten Vorkehrungen und/oder Plänen bewältigt werden.

An einem dringlich einberufenen Aktionärsmeeting wird die Fragestellung, wer das Krisenmanagement übernehmen soll, kontrovers diskutiert. Es zeigt sich klar, dass das persönliche Zerwürfnis zwischen A und C sich auch auf die Aktionäre ausgewirkt hat und auf dieser Ebene gegenseitige Schuldzuweisungen erfolgen. Die zerstrittenen Aktionäre können sich aber auf einen externen Krisenmanager (K) einigen, welcher von allen Parteien akzeptiert wird und das Vertrauen aller involvierter Parteien geniesst.

K nimmt dieses Mandat an und erstellt zusammen mit W und Z folgende Aktionsliste:

Klärendes Einzelgespräch mit A und C, welche ihre Aufgaben per sofort niederlegen sollen.Klärung der Zusammenarbeit mit der Bau AG, Einsetzung eines neuen Geschäftsführers (GL-Mitglied der Bau AG).Abwendung der von der Bau AG geforderten Sicherstellungen.Optimierung des Risikocockpits und Anpassung des IKS zur finanziellen Führung, Erstellung eines Zwischenabschlusses um auszuschliessen, dass eine Über­schuldungssituation gemäss Art. 725b OR vorliegt.Erstellung eines Krisen-Kommunikationskonzeptes, um einen drohenden Reputationsschaden/Vertrauensverlust bei den Banken, potenziellen Immobilienkäufern und den Netzwerkpartnern abzuwenden.

Facts werden geschaffen

Erste klärende Einzelgespräche mit A und C ergeben, dass C als Geschäftsführer per sofort ausscheidet und durch ein bisher nicht involviertes Geschäftsleitungsmitglied der Bau AG ersetzt wird. Damit kann kurzfristig das operative Tagesgeschäft wieder störungsfrei und unbelastet von jeglichen persönlichen Animositäten abgewickelt werden.

Die Gespräche mit A verlaufen deutlich schwieriger. Dieser weigert sich, das Amt als VRP der Immo AG niederzulegen, da nach dem abrupten Ausscheiden bei der Bau AG und dem drohenden Verlust des Mandates bei der Immo AG seine Reputation, aus seiner Sicht unverschuldet, beschädigt würde. Er legt auch glaubwürdig dar, dass die Immo AG mit seinem Abgang einen Reputationsschaden erleiden würde, dies vor allem aufgrund seiner Vernetzung in der Region – sei es bei Netzwerkpartnern, potentiellen Immobilienverkäufern oder potentiellen Interessenten für die Objekte der Immo AG. K ist sich der Wichtigkeit von A „der in der Region das Gras wachsen hört“ durchaus bewusst, gleichzeitig ist aber A Teil des Problems und kann keinesfalls Teil der Lösung sein. Nach harten Verhandlungen und emotionalen Gesprächen einigen sich K und A darauf, dass dieser nur noch nach aussen und nur mit vorgängiger Rücksprache als VRP auftritt. A akzeptiert dies und versichert K, dass er weiterhin sein Netzwerk zu Gunsten der Immo AG einsetzen werde, schliesslich sei er als Aktionär ja ebenfalls an einer guten Lösung interessiert.

Dieser Umstand ermöglich K nun, die Gespräche mit C und dem VR der Bau AG wieder aufzunehmen, welche sich geweigert haben Lösungsansätze zu besprechen, so lange A faktisch noch Verwaltungsratspräsident ist. Die Verhandlungen sind trotz des Ausstandes von A weiterhin schwierig und zähflüssig und werden von den im Raum stehenden Vorwürfen überschattet. K gelingt es die Gespräche in eine konstruktive Form zu leiten und kann die weitere Zusammenarbeit, basierend auf dem Service Level Agreement, sicherstellen. Alle Beteiligten sind sich einig, dass dies nur für die angefangenen, gemeinsamen Projekte gilt und eine weitere Zusammenarbeit darüber hinaus nicht mehr möglich ist. Diese wichtigen Einigungen sind aber erst der Anfang des Krisenmanagements der Immo AG und bilden das Fundament, um nun die finanziellen Herausforderungen anzugehen.

Risikocockpit und finanzielle Führung

Die Verkettung der Ereignisse – Altlasten und deren Beseitigung, Kostenüberschreitung, persönliches Zerwürfnis – hat für die Immo AG gravierende Konsequenzen.

Zusammen mit der Buchhaltung und dem Finance-Team der Bau AG verschafft sich K einen Überblick über die äusserst angespannte Liquiditätssituation, welche durch die finanzielle Forderung der Bau AG, nämlich die finanzielle Sicherstellung aller Tätigkeiten, und die drohenden Kostenüberschreitungen hervorgerufen wird.

Dabei wird deutlich, dass das vorhandene Finanzreporting ein Schönwetterreporting darstellt und bei der bisherigen, erfolgreichen Geschäftstätigkeit ausreichend war, aber für das Krisenmanagement unbrauchbar ist.

Gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1 OR ist der Verwaltungsrat zwingend für die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der dazu gehörigen Weisungen zuständig. Dazu gehört auch das strategische Risk Management, welches die Grundlage für ein effektives operatives Risk Management bildet. Der Verwaltungsrat hat demnach die Risikoeinstellung des Unternehmens und die Steuerung der Risikopolitik selbst festzulegen. Die vorgegebenen Risikoziele sollten sich dabei mit den allgemeinen Unternehmenszielen decken.

Bei der Immo AG hat man sich bisher auf die finanziellen und operativen Risiken beschränkt und es unterlassen, eine umfassende Risikomatrix zu erstellen und die entsprechende Überwachung bzw. Kontrolle zu implementieren.

K beauftragt die Buchhaltung, unverzüglich einen Zwischenabschluss zu erstellen und erarbeitet gemeinsam mit W und Z und dem CFO der Bau AG ein detailliertes Finanz- und Risikocockpit, welches jederzeit eine Übersicht über das gesamte Projektportfolio der Immo AG zulässt. Damit soll verhindert werden, dass die Immo AG in ihrer Liquiditätsklemme schlimmstenfalls in eine Insolvenz fällt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind alarmierend und bewegen K dazu folgende Optionen durchzugehen:

Straffung des Projektportfolios durch Nichtausübung einer Option auf ein Baurecht und die damit verbundene Rückzahlung des Reservationsbetrages zur Verbesserung der LiquiditätVerkauf eines Projektes (fire sale) an interessierte institutionelle InvestorenEinbringung von nachrangigen Darlehen durch die Aktionäre.

Die mit den Fakten konfrontierten Aktionäre wollen einen fire sale und den damit verbundenen Reputationsschaden unbedingt vermeiden und erklären sich bereit, bei Bedarf nachrangige Darlehen zur Stabilisierung der Immo AG einzubringen. Dies verschafft K nun Zeit, die ein Krisenmanager in der Regel nie hat, um all die Herausforderungen anzugehen. In diesem Fall gelingt es nach weiteren Gesprächsrunden mit der Bau AG die Sicherstellungen abzuwenden, dies nicht zuletzt auch auf Grund eines überraschend erfolgreichen Verkaufs von Stockwerkeinheiten und der Verbesserung der Liquidität durch die Rückzahlung des Reservationsbetrages aufgrund der Nichtausübung eines Baurechts.

Persönliche Anforderungen an einen Krisenmanager und sein rechtlicher Handlungsspielraum

Die folgenden Ausführungen basieren auf der Praxiserfahrung der Partner von Experts for Leaders AG und haben weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch auf eine generelle Gültigkeit. Vielmehr versucht die folgende Aufzählung von Eigenschaften die Komplexität des Krisenmanagements zu beleuchten.

Persönliche Anforderungen/Eigenschaften

Ein Krisenmanager soll verhindern, dass die Krise in einem Unternehmen ausser Kontrolle gerät, das Unternehmen untergeht. Er muss somit versuchen, Lösungen zu finden, welche das bisherige Management nicht erkannt hat oder, wie in unserem Beispiel, aufgrund des persönlichen Zerwürfnisses nicht angegangen werden können. Der Druck, mit dem ein Krisenmanager umgehen muss, dem er sich stellen muss, ist enorm, denn es steht viel auf dem Spiel.

Die Anforderungen an einen Krisenmanager könnten kaum widersprüchlicher sein, denn einerseits sollte er emotionslos sein und sich nicht scheuen, die getroffenen Entscheide entschlossen, beharrlich und konsequent umzusetzen. Andererseits sollte er empathisch und kommunikativ sein. Dies, um keine unnötigen Kollateralschäden anzurichten und die Entscheidungen für alle Beteiligten nachvollziehbar und überzeugend darzulegen.

Des Weiteren muss er eine hohe persönliche Belastbarkeit und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, gepaart mit umfangreicher Führungserfahrung, mitbringen. Nur eine starke, ausgeglichene Persönlichkeit ist in der Lage, in einer Krise zum Wohle aller Share- und Stakeholder zu handeln. Dies auch dann, wenn er mit heftigen Vorwürfen, Anschuldigungen und Verdächtigungen konfrontiert wird. Angriffen und Beleidigungen sollte er mit stoischer Gelassenheit und Sachlichkeit entgegentreten.

Dies bedeutet nicht, dass er starrsinnig und stur sein soll, denn neue Informationen sollte er flexibel aufgreifen und in den Entscheidungsprozess integrieren können. Dabei darf er aber nie den Eindruck erwecken, dass er wankelmütig, beeinflussbar oder gar steuerbar sei, weil sonst jede seiner Entscheidungen in Frage gestellt würde.

Krisenmanager werden nicht geboren, sondern entfalten sich in einer Krisensituation. Ihnen gelingt es, die hohen, oft überzogenen Anforderungen und die daraus entstehenden Selbstzweifel auszubalancieren. Immer wieder schaffen sie auch den Spagat zwischen Schnelligkeit und Qualität. Flexibilität und Organisationstalent sind unabdingbare Eigenschaften, um mit den teils widersprüchlichen Anforderungen klarzukommen.

Was zeichnet einen guten Krisenmanager aus?

Vernetztes Denken und strukturierte Vorgehensweise – Klarheit schaffen!

Da es im Krisenmanagement keinen Königsweg gibt, arbeiten wir bei Experts for Leaders mit einem strukturierten Prozess, der die klassischen Phasen wie Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle umfasst und die Komplexität reduziert.

Abb. 2 Strukturierter Prozess im Krisenmanagement, Experts for Leaders AG, 2022

Neben der Reduktion der Komplexität ist der Faktor Zeit matchentscheidend. Die Reaktionszeiten müssen in einer Krise durch Anpassung des Führungsverhaltens und der Führungsorganisation verkürzt werden. Wesentliches muss von Unwesentlichem getrennt werden. Krisen setzen die Verantwortlichen unter erheblichen Zeitdruck, der zu einem sogenannten Tunnelblick und in der Folge zu fatalen Fehlentscheidungen führen kann.