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Vicki hat alles, wovon sie immer geträumt hat: einen tollen Job in einer Werbeagentur, einen charmanten Verlobten, den sie in einer Woche heiraten wird, und tolle Flitterwochen auf den Malediven vor Augen. Doch dann verliert sie durch eine Intrige ihren Job, und als sie sich bei ihrem Verlobten ausweinen will, findet sie diesen im Bett mit einer anderen vor. Nun steht sie vor dem Scherbenhaufen ihres perfekten Lebens, ohne Job, ohne Mann, ohne Wohnung. Aber Vicki lässt sich nicht unterkriegen. Zusammen mit ihrer Freundin Olivia, die auch betrogen worden ist, gründet sie kurzerhand eine Treuetest-Agentur, in der sie beide als Lockvögel im Auftrag von misstrauischen Partnerinnen die Treue der Männer testen. Aber soll sie wirklich Männer zum Seitensprung verleiten, um dann deren Frauen mit der bitteren Wahrheit zu konfrontieren? Vicki ist zunehmend skeptisch, zumal sie sich in den smarten Alex verliebt hat. Dessen besten Freund hat sie »positiv« getestet – was Alex gar nicht gut findet.
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Seitenzahl: 306
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Für Frank, Sebastian,
Benno und Pauli
Mit euch ist die Welt
ein bisschen bunter.
Montag, der 1. August
Dienstag, der 2. August
Mittwoch, der 3. August
Donnerstag, der 4. August
Freitag, der 5. August
Samstag, der 6. August
Sonntag, der 7. August
Montag, der 8. August
Dienstag, der 9. August
Mittwoch, der 10. August
Samstag, der 13. August
Sonntag, der 14. August
Dienstag, der 16. August
Mittwoch, der 17. August
Donnerstag, der 18. August
Freitag, der 19. August
Samstag, der 20. August
Sonntag, der 21. August
Montag, der 22. August
Dienstag, der 23. August
Mittwoch, der 24. August
Donnerstag, der 25. August
Freitag, der 26. August
Samstag, der 27. August
Montag, der 29. August
Dienstag, der 30. August
Mittwoch, der 31. August
Donnerstag, der 1. September
Freitag, der 2. September
Samstag, der 3. September
Sonntag, der 4. September
Montag, der 5. September
Dienstag, der 6. September
Immer noch Dienstag, der 6. September
Mittwoch, der 7. September
Mittwoch, der 8. September
Freitag, der 9. September
Samstag, der 10. September
From: [email protected]
Mo, 1. Aug., 07.13 Uhr
Sollte Carina fragen, hatten wir am Samstag den ganzen Tag ein Seminar über Wurzelspitzenresektion. Ach ja, heute sind wir zusammen auf ein Bier, weil du deinen Frust runterspülen musst. R.
From: [email protected]
Mo, 1. Aug., 07.15 Uhr
Carina wird mich irgendwann hassen. Du kannst nicht immer mich vorschieben, nur um ein Alibi zu haben. Und das mit dem Frust runterspülen nimmt sie dir bestimmt nicht ab. Ich habe Britta verlassen, nicht sie mich. A.
Das gibt´s doch gar nicht! Mit offenem Mund starre ich Cynthia an. Das ist meine Präsentation. Original meine Zahlen und meine Ideen. Und Cynthia trägt es als ihre selbstentworfene Werbekampagne für Happy Kids vor. Nur die Anwesenheit unserer potentiellen Neukunden hält mich davon ab, ihr an die Gurgel zu springen. Jetzt schmeißt sie den Beamer an und benutzt tatsächlich meine Grafik. Ich versuche mit aller Gewalt, nicht laut zu schreien, ich beiße mir auf die Zunge, um mich zu beherrschen, aber es geht nicht.
»Ulf, ich muss dich sprechen. Sofort! Unter vier Augen«, falle ich Cynthia ins Wort.
»Pssst! Nach Cynhias Präsentation«, zischt Ulf mir zu.
»Sofort«, sage ich resolut und gehe zur Tür.
Ulf bittet die Herren von Happy Kids sich an den süßen Teilchen und am Kaffee zu bedienen. Cynthia bittet er, ihren Vortrag zu unterbrechen und ihn so vorzubereiten, dass sie noch einmal von Neuem beginnen kann. Gemeinsam gehen Ulf und ich in sein Büro und schließen die Tür. Gerade zeige ich Ulf meine Zeichnung von dem glücklichen Baby, das mit Happy Kids Baby-Powder gepudert wurde, und erkläre Ulf, dass Cynthia irgendwie an mein Konzept gekommen ist, als sie die Tür aufreißt.
»Siehst du Ulf, genau das habe ich befürchtet, als ich dir gestern erzählt habe, dass Vicki an meinem Schreibtisch war.«
»Ich war an deinem Schreibtisch?«, frage ich verwundert. »Was sollte ich denn da wollen?«
»Mein Konzept. Ulf mach was! Vicki versucht mit allen Tricks an den Posten des Junior Art Directors zu kommen.«
»Ich verwende keine Tricks. Ich stelle lediglich klar, dass es sich um mein Konzept handelt. Du hast dir ja nicht einmal die Mühe gemacht meine Grafik abzuändern«, gifte ich sie an und kassiere dafür sofort einen vernichtenden Blick von meinem Chef Ulf.
»Wie bitte? Deine Grafik?«
Gekünstelt lacht Cynthia auf und wirft ihre dunklen Locken nach hinten.
»Tu nicht so unschuldig, Cynthia. Du bist an meinen PC gegangen und hast meine Ideen geklaut. Das kann ich beweisen!«
Zornig winke ich mit meiner Präsentationsmappe, die exakt die gleichen Ideen enthält.
»Pah! Das beweist nur, dass du an meinem PC warst. Ulf, sag dieser Frau bitte, dass sie mich meinen Vortrag zu Ende bringen lassen soll! Die Herren warten schließlich auf uns. Eine Unverschämtheit mich zu unterbrechen. Du bist nur neidisch, weil ich diese Superidee hatte und jetzt Junior Art Director werde.«
»Ja genau«, sage ich ironisch und rolle mit den Augen.
»Also Mädels«, sagt Ulf. »Wir beruhigen uns jetzt alle und Cynthia fängt noch einmal mit ihrer Präsentation an. Habe ich das richtig verstanden, dass du nichts Neues hast, Vicki?«
»Natürlich habe ich nichts Neues. Cynthia hat meine Ideen geklaut und eins zu eins vorgetragen.«
»Ach, und wie hätte ich das machen sollen?«, fragt Cynthia höhnisch. »Ich bin schließlich kein Computergenie.«
»Ja, das frage ich mich auch. Du hast deine Dateien doch mit Passwort geschützt, oder?«, hakt Ulf nach.
»Schon, aber Max Lenting ist nun nicht so schwer rauszubekommen. Jeder hier kennt den Namen meines Verlobten.«
Provozierend funkle ich Cynthia an und frage mich, wie jemand, der so hübsch ist, einen so miesen Charakter haben kann.
»Soll das heißen, dass du wichtige Informationen so schlecht schützt, dass quasi jeder jederzeit an deine Daten kommen kann?«, fragt Ulf aufgebracht.
»Äh …«
»Ulf, du glaubst Vicki doch nicht, dass ich das wirklich getan habe, oder?«
Mit ihren samtbraunen Augen sieht Cynthia Ulf unschuldig an. Der zögert kurz und blickt von ihr zu mir und wieder zu ihr.
»Nein, natürlich nicht.«
Genervt verdrehe ich die Augen.
»Mein Gott! Hat sie dir den Verstand rausgevögelt?«
»Wie bitte?« Ulf reißt die Augen weit auf.
»Muss ich die Frage wirklich wiederholen?«
Er schnaubt.
»Was soll diese Unterstellung? Das geht …«
»Komm, ist doch ein offenes Geheimnis, dass ihr zwei was habt. Falls es dich interessiert, das weiß hier jeder.«
»Ist doch nicht schlimm, wenn sie es wissen«, meint Cynthia und tätschelt mit ihrer kaffeebraunen Hand Ulfs Arm. »Dann hört wenigstens das Versteckspiel auf.«
»Fakt ist, dass du eben eine Präsentation vor einem Kunden gestört hast, Vicki, dass du deine Dateien nicht richtig schützt und dass du, nur um den Posten als Junior Art Director zu ergattern, haltlose Anschuldigungen gegen Cynthia ausgesprochen hast, und selbst kein eigenes Konzept vorlegen kannst. Damit hast du dich selbst aus dem Rennen gebracht. Der Wettbewerb wird ab sofort eingestellt und Cynthia wird neuer Junior Art Director.«
»Du ziehst also nicht eine Sekunde in Betracht, dass es genau umgekehrt sein könnte?«
Empört schnappe ich nach Luft.
»Immerhin warst du gestern an Cynthias Schreibtisch.«
»Was du selbst aber nicht gesehen hast. Wie denn auch? Ich war ja nicht an ihren Sachen. Merkst du gar nicht, dass sie eure Affäre nutzt, um dich zu manipulieren?«
»Ich bin objektiv.«
Genervt verdrehe ich die Augen.
»Meine Beziehung zu Cynthia hat meine Entscheidung nicht im Geringsten beeinflusst. Deshalb habe ich gesagt, dass diejenige von euch beiden den freien Posten bekommt, die Happy Kids an Land zieht. Da du diese Chance hast verstreichen lassen und da du anscheinend keine neuen Vorschläge beitragen kannst, ist meine Wahl unwiderruflich auf Cynthia gefallen. Ich möchte, dass du sie genauso unterstützt wie bisher Johannes. Und ich erwarte, dass du dich bei ihr entschuldigst und solche Anschuldigungen künftig unterlässt.« Ulf klatscht in die Hände. »Nachdem das jetzt geklärt ist, gehen wir jetzt rüber. Die Herren haben lang genug gewartet. Vicki, du entschuldigst dich bei unseren Gästen.«
»Stopp! Du hast einfach entschieden, dass das Rennen um den freien Posten vorbei ist, ohne mir die Chance zu geben meine Version zu beweisen?«
Kämpferisch stemme ich meine Hände in die Hüften.
»Ja. Und ich habe gesagt, dass ich nichts mehr davon hören will. Und damit du Zeit zum Abkühlen hast, kochst du frischen Kaffee. Die Herren haben die Kanne inzwischen bestimmt ausgetrunken.«
»Weißt du was? … Ich kündige!«
Wutentbrannt mache ich auf dem Absatz kehrt und renne aus dem Büro meines Chefs.
Zu Hause angekommen freue ich mich, dass mein Verlobter Lehrer ist, denn das heißt, dass er heute seinen ersten Ferientag hat, und ich somit meinen ganzen Ärger sofort bei ihm abladen kann. Hoffentlich ist er nicht beim Baden an der Isar. Ich schließe die Tür auf und will ihn gerade rufen, als ich ein seltsames Stöhnen aus dem Schlafzimmer höre. Masturbiert der heimlich, wenn ich nicht da bin? Das will ich sehen. Sofort eile ich zum Schlafzimmer und bleibe wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Max` Hände umfassen die drallen Brüste einer blutjungen Blondine, die auf ihm reitet und gerade anfängt, einen Orgasmus vorzutäuschen. Zumindest wirkt es vorgetäuscht, da sie lauter stöhnt als Victoria Azarenka auf dem Tennisplatz. Zu keiner Bewegung fähig, schaue ich tatsächlich meinem Verlobten beim Vögeln mit einer anderen zu – und das nur wenige Tage vor unserer Hochzeit. Abrupt stoppt Max seine rhythmische Bewegung.
»Oh! Vicki, was zum Teufel machst du denn hier?«, wagt er es tatsächlich in einem verärgerten Ton zu fragen.
»Ich wohne hier! Und du bist echt ein Arsch.«
Max versucht sich unter der Blondine aufzurichten. Dabei vergräbt er ungewollt seine halbe Gesichtshälfte in ihren drallen Brüsten. Unsanft schiebt er seine Gespielin von sich weg. Sie richtet sich zwar auf und sieht mich mit großen Augen an, macht aber keinerlei Anstalten, endlich von meinem Verlobten zu klettern. Ich wünschte, ich wäre nicht so früh nach Hause gekommen. Dann könnte ich Max in ein paar Tagen heiraten und alles wäre gut. Obwohl, vielleicht ist es doch besser, dass ich ihn erwischt habe. Wenn ich mir vorstelle, dass der mich betrogen hat und mich trotzdem heiraten würde … Plötzlich steigt ein widerliches Ekelgefühl in mir auf. Je länger ich auf Max mit seiner Bettbekanntschaft starre, desto schlimmer wird es. Bei der Vorstellung, jemals wieder mit Max intim zu werden, kann ich nur mit Mühe einen Würgereiz unterdrücken.
»Max, verschwinde sofort aus meiner Wohnung! Ich will dich nie mehr sehen. Und nimm Barbie mit!«, sage ich mit letzter Kraft.
»Vicki, du bist zu mir gezogen. Das ist meine Wohnung. Wenn einer geht, dann du«, sagt Max gepresst und kassiert dafür einen bewundernden Blick seiner Gespielin. »Aber ich denke, wir können über alles reden.« Max lächelt mich zaghaft an und auch sein Ton ist jetzt verbindlicher. »Das mit der Gaby ist halt einfach so passiert.«
Statt Bewunderung sehe ich jetzt Zorn in Gabys Augen. Endlich rutscht sie von Max runter, setzt sich neben ihn und streckt mir ihren Busen entgegen.
»Und da wir noch nicht verheiratet sind, ist es nicht mal Ehebruch.«
Glaubt Max wirklich, dass sein Betrug weniger schlimm ist, weil er vor unserer Hochzeit passiert ist? Ich mache auf dem Absatz kehrt und lasse meinen Ex-Verlobten zurück im Bett mit seiner blonden Gaby, die es nicht einmal für nötig befindet, sich die Brüste zu bedecken.
Tränen rinnen mir über das Gesicht, als ich in meinen hellblauen Fiat 500C steige und direkt zur Bank fahre, in der meine beste Freundin Lena arbeitet.
Vor der Türe übergebe ich mich direkt in einen dekorativen Blumenkasten. Dann stolpere ich in die Bank, eine Warteschlange ignorierend, direkt an den Schalter. Lena, die gerade in einem Kundengespräch ist, verstummt bei meinem Anblick. Sofort bittet Sie eine Kollegin zu übernehmen und führt mich in die Teeküche.
»Mensch Vicki! Du siehst ja grauenhaft aus. Was ist denn passiert?«
Sie reicht mir eine Küchenrolle für meine Tränen und drückt mich liebevoll an sich. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Bei Cynthia, der falschen Schlange, die mich mehr oder weniger meinen Job gekostet hat, bei Ulf, der, ohne nach der Wahrheit zu forschen, sofort auf ihrer Seite war, oder bei Max, den ich nur wenige Tage vor meiner Hochzeit in flagranti erwischt habe, und der jetzt mein Ex-Verlobter ist, oder damit, dass er mich rausgeschmissen hat und ich deshalb nicht einmal eine Wohnung habe.
»Es ist alles so schrecklich«, schluchze ich.
»Ist was wegen der Hochzeit? Passt dein Kleid nicht mehr? Oder hat das Blumenmädchen keine Lust mehr zu streuen?«
Oh je! Das Kleid habe ich jetzt ja auch noch. Nur der Bräutigam ist nicht mehr da. Ein neues Schluchzen schüttelt meinen Körper, und ich bin immer noch unfähig zu sagen, was alles passiert ist. Liebevoll streicht Lena mir über die Haare.
»Vicki, du musst schon mit mir reden. Ich bin doch keine Hellseherin.«
Ich schniefe in ein frisches, wenn auch raues Blatt Küchentuch.
»Also, die Kurzform: Ich habe keinen Job mehr, die Verlobung ist geplatzt und aus der Wohnung hat Max mich auch noch geworfen. Dafür habe ich ein wunderschönes Brautkleid und eine komplett organisierte Hochzeit an der Backe, die jetzt ausfällt. Noch Fragen?«
Ein weiterer Heulkrampf durchzieht meinen Körper und ich stütze mich an der Arbeitsplatte ab.
»Jetzt mal langsam. Immer der Reihe nach. Warum fällt die Hochzeit aus? Und was ist mit deinem Job?«
Unter Tränen und Schniefen erzähle ich, dass meine Ex-Kollegin Cynthia an meinem PC war und mein komplettes Konzept zum Babypuder von Happy Kids geklaut und eins zu eins vorgetragen hat. Leider muss ich zugeben, dass Max Lenting nicht das beste Passwort war, um meine Datei zu schützen, zumal spätestens nach Erhalt der Hochzeitseinladungen jeder wusste, wie mein zukünftiger Mann heißt.
»Stell dir vor, ohne mit der Wimper zu zucken hat sie mein Konzept vorgestellt. Natürlich bin ich aufgegangen wie ein Hefeteig und habe ihr vorgeworfen, dass sie meine Ideen geklaut hat, aber sie hat nur gelacht. Hat sich blöd gestellt und gemeint, dass sie kein Computergenie ist und deshalb gar keine passwortgeschützte Datei hätte knacken können. Was soll ich sagen? Ulf hat ihr geglaubt. Schlimmer noch, er hat mir verboten so rufschädigende Unwahrheiten zu verbreiten. Mein Konzept wollte er gar nicht mehr sehen, da ich logischerweise keine neuen Ideen parat hatte. Schlimmer noch, er hat mich angewiesen, Cynthia zuzuarbeiten. Kannst du dir das vorstellen? Sie ist jetzt Junior Art Director, also meine direkte Vorgesetzte … Ohne mich! Deshalb habe ich fristlos gekündigt.«
»Okay. Kann ich verstehen, aber ich denke, das war etwas überstürzt. Überleg mal, was für einen tollen Job du in der Werbeagentur hattest. Vielleicht solltest du eine Nacht darüber schlafen und morgen in Ruhe mit Ulf reden. In der heutigen Zeit kündigt man nicht so einfach. Da ist man froh, wenn man einen einigermaßen sicheren Job hat. Jetzt mach ich dir erst einmal einen Kamillentee.«
Sofort setzt Lena Wasser auf.
»Da gibt es nichts mehr zu reden!«, sage ich erstaunlich ruhig. »Wenn Ulf nicht an meine Integrität glaubt und stattdessen dieser falschen Schlange blind vertraut, dann ist er für mich nicht der richtige Chef. Und mit Cynthia will ich auch nie mehr zusammenarbeiten.«
»Dann erkläre ihm halt, wie du auf die Idee gekommen bist, und Cynthia soll das auch machen. So wie in dem Film Die Waffen der Frauen mit Melanie Griffith.«
»Guter Einfall, danke«, sage ich ironisch. »Bei dem Film war die Sache ja auch etwas komplexer und lag nicht so direkt auf der Hand. Melanie Griffith alias Tess hat in der Zeitung einen Artikel darüber gelesen, dass eine große Firma ins Mediengeschäft einsteigen will und deshalb einen Fernsehsender kaufen will.« Ich überlege kurz, ob das davor oder danach war, als sie ihren Freund ebenfalls im Bett mit einer anderen Frau erwischt hat. »Am selben Tag hat sie im Radio gehört, dass die Tochter dieses Industriebosses bei der Organisation einer Wohltätigkeitsveranstaltung mitgeholfen hat. Fast zeitgleich entdeckt sie in einer Zeitschrift ein Foto dieser Tochter. Irgendwie hat sie durch diesen Radiobericht die Verbindung zwischen Radio und Fernsehen gezogen und die Idee gehabt, dass es nicht zwingend ein Fernsehsender sein müsste, mit dem die Firma fusionieren kann, sondern auch ein Radiosender. Irgendwie war dieser Gedanke in dem Film nicht naheliegend und Tess konnte ihren Gedankengang plausibel erklären. Bei Babypuder ist das leider etwas anders. Da kann ich nicht mit so einer tollen Story aufwarten. Ich habe einfach darauf vertraut, dass Qualität bezahlbar ist, also egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht ein Baby stammt. Das dunkelhäutige Baby ist genauso glücklich wie das hellhäutige Baby, die Akademikerfamilie greift genauso gern zum günstigen Qualitätsprodukt wie die allein erziehende Mutter, die auf jeden Cent achten muss. Im Prinzip ist es ja nicht einmal ein neuer Gedanke, nur neu aufgezogen. Wie soll ich da beweisen, dass es meine Idee war?«
Lena reicht mir eine Tasse dampfenden Tee.
»Und was hat Max damit zu tun? Warum hast du dich mit ihm überworfen?«
Ach ja, Max. Sofort fange ich wieder an zu heulen. Unter Tränen erzähle ich, dass ich ihn beim Fremdgehen erwischt habe und er mich jetzt mehr oder weniger vor die Tür gesetzt hat.
Eine bebrillte Azubine steckt kurz den Kopf durch die Tür. »Frau Göring, ihr Sechzehn-Uhr-Termin ist da.« Sofort verschwindet sie wieder.
Lena gibt mir ihren Hausschlüssel und bittet mich in der Wohnung zu warten, bis sie nach Hause kommt. Aufmunternd zwinkert sie mir zu.
»Vorerst schläfst du mal bei uns.«
»Was ist mit Heiko? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Heiko damit einverstanden ist. Immerhin sind wir beide uns nicht immer so grün.«
»Lass mich nur machen. Ich rufe ihn gleich nach meinem Termin an. Bis später.«
Ohne mir die Chance auf einen weiteren Protest zu geben, folgt Lena der Azubine.
Ein Schlüssel geht im Schloss. Das wird Lena sein. Ich will gerade vom Sofa aufstehen, um ihr entgegenzugehen, da ruft Heiko durch die Wohnung:
»Lena? Du bist schon zu Hause? Wolltest du nicht nach der Arbeit das Hochzeitsgeschenk für Vicki und Max abholen? Und was ist das für ein Koffer im Flur?«
Seufzend lasse ich mich wieder auf das Sofa sinken. Offensichtlich glaubt Heiko immer noch, dass Max und ich heiraten. Hat Lena ihm denn nicht Bescheid gesagt? Dann stehe ich entschlossen vom Sofa auf und laufe in den Flur.
»Hallo Heiko, das ist meiner.«
»Aha.«
Auf Heikos Stirn sehe ich tausend Fragezeichen.
»Lena hat mir erlaubt, für ein paar Tage bei euch zu wohnen.«
»So, hat sich das?« Heiko presst die Lippen fest aufeinander. An der Bewegung seines Adamapfels sehe ich, dass er schluckt. »Wieso das denn? Darf man erfahren, was passiert ist?«
»Ja, natürlich. Max hat mich betrogen. Ich hab ihn erwischt.«
»Oh«, sagt er nur. Dann stammelt er: »Äh, und eure Hochzeit? Ihr heiratet doch am Wochenende.«
»Ganz bestimmt nicht. Mit Max ist es aus. Deswegen darf ich ja ein paar Tage bei euch sein. Hat Lena denn nichts gesagt?«
»Nein, hat sie nicht … Lena!«, ruft Heiko jetzt etwas lauter.
»Die ist noch nicht da. Sie hat mir ihren Schlüssel gegeben.«
»Aha.«
Heiko schweigt. Wir sehen uns beide an, und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir beide nicht so recht wissen, wie wir mit der Situation umgehen sollen. Warum hat Lena denn nicht mit ihm gesprochen? Sie wollte ihn doch anrufen. Heiko holt tief Luft.
»Ja, Vicki, ich weiß da jetzt auch nicht so recht, was ich dir raten soll. Du weißt ja, dass ich in diesen Gefühlsdingen nicht so gut bin. Als Investmentbanker bin ich mehr der analytische Typ.«
Er lächelt schief und wirkt irgendwie unbeholfen.
»Schon gut.«
»Vielleicht ist es ja ganz gut, dass das noch vor der Hochzeit passiert ist. Zumindest besser als danach, oder?«
»Ja, vielleicht«, sage ich leise und merke, wie sich meine Augen mit Tränen füllen. Hoffentlich bemerkt Heiko das nicht. Ich senke den Kopf.
»Vicki«, sagt er plötzlich in sanftem Ton. »Die Sache mit Max tut mir leid. Nur bitte fang jetzt nicht an zu weinen.« Er sieht mich hilflos an und zuckt die Schultern. »Nimm dir doch einfach ein Glas Wein und warte im Wohnzimmer auf Lena. Die kann dich viel besser trösten als ich.« Heiko lockert seinen Krawattenknoten. »Ich zieh mir so lange mal was Bequemeres an.«
»Am besten suche ich mir für den Anfang eine billige Pension. Nicht, dass du noch Ärger wegen mir bekommst«, schluchze ich unter Tränen, als ich mit Lena später in der Küche sitze.
»Das ist doch Quatsch. Du brauchst jetzt jemanden, der dich aufpäppelt. Ganz bestimmt lass ich es nicht zu, dass du dich irgendwo vergräbst.«
»Aber Heiko …«
»Ach, der war nur ein bisschen überrascht, weil ich ihn nicht vorgewarnt habe. Dumm, dass mein Termin so lang gedauert hat. Wenn ich vorher die Gelegenheit gehabt hätte, ihm deine Situation zu erklären, wie ich es ja eigentlich vorhatte, wäre er nicht so überrumpelt gewesen. Lass uns jetzt lieber überlegen, was alles zu tun ist. Als Erstes müssen die Gäste ausgeladen werden. Machst du das oder Max?«
Schulterzuckend schnaube ich aus.
»Der? Der hat sich ja schon um die Vorbereitungen so wenig wie möglich gekümmert. Außerdem weiß ich ja gar nicht, ob der die Hochzeit wirklich absagen will. Immerhin hat er vorgeschlagen, über alles zu reden. Wahrscheinlich denkt Max, es ist ganz normal, sich noch mal vor der Hochzeit ein bisschen auszutoben.«
»Und? Willst du reden?«
»Ich bitte dich! Wenn der schon vor der Hochzeit fremdgeht, noch dazu, wo ich jetzt noch einigermaßen knackig bin, wird er das erst recht machen, wenn ich alt und faltig bin und überall Cellulite habe. Mit dem bin ich fertig.«
»Okay, das heißt also, dass dein Entschluss steht und dass alles an dir hängen bleibt.«
Ich nicke. Lena holt sich einen Collegeblock und einen Stift.
»Da wären als Erstes die Gäste. Die müssen ausgeladen werden. Machst du das schriftlich oder telefonisch?«, erkundigt sich Lena und notiert Gäste auf ihrer To-do-Liste.
»Na, telefonisch bestimmt nicht. Ich habe keine Lust, mir blöde Kommentare anzuhören, warum mir das nicht früher eingefallen ist. Noch weniger habe ich Lust zu erzählen, warum ich mich von Max getrennt habe. Auf Mitleid kann ich komplett verzichten.«
Lena seufzt.
»Also schreiben wir Karten. Wenn du mir deine Gästeliste mit Adressen gibst, übernehm ich das für dich.«
»Ehrlich? Das wäre super.«
»Aber deinen Eltern sagst du es bitte selber. Die müssen ja ihren Flug stornieren. Vielleicht könntest du ja eine Weile bei ihnen wohnen. Meinst du nicht, dass dir ein bisschen Entspannung auf Mallorca gut täte?«
»Bloß nicht.«
Lena lacht.
»Okay, aber der Anruf wird heute noch gemacht. Was ist mit der Musik. Habt ihr einen DJ oder eine Band gebucht? Das musst du stornieren!«
»Band«, sage ich monoton und Lena setzt Band auf ihre Liste.
»Dein Kleid? Ist das noch im Laden? Kann man das zurückgeben? Erkundige dich danach!«
Während sie das Wort Kleid notiert, nicke ich benommen.
»Das Lokal musst du auch absagen. Soll ich das für dich übernehmen?«
»Gern.«
»Kirche und Standesamt übernimmst du?«, fragt Lena und ergänzt, ohne eine Antwort abzuwarten, wieder ihre Liste.
»Den Blumenschmuck muss ich ja auch stornieren«, sage ich wie in Trance, was Lena sofort notiert. »Und die Hochzeitstorte«, sage ich immer noch monoton. »Friseurtermin auch. Fotograf.«
»Was ist mit einer Limo? Habt ihr irgendwas in dieser Richtung gebucht?«
»Nein, aber wir haben einen Gospelchor für die Kirche engagiert.«
Sofort ergänzt Lena alles in ihrer To-do-Liste.
»Um die Geschenkrückgabe soll sich jeder selbst kümmern. Ich informiere das Kaufhaus, dass nichts mehr von eurer Liste verkauft werden soll und dass wahrscheinlich vieles zurückgegeben wird. Was ist mit eurer Hochzeitsreise? Willst du die stornieren, oder willst du vielleicht alleine fahren?«
»Sehr witzig! Die verlassene Braut sitzt alleine in ihrer romantischen Honeymoonsuite auf einer einsamen Malediveninsel fest. Ganz bestimmt das, was ich brauche.«
Vorwurfsvoll sehe ich Lena an. Ein bisschen mehr Taktgefühl hätte ich schon erwartet.
»Entschuldige bitte! Ich dachte nur wegen der hohen Stornogebühren. Vielleicht will Max ja mit dieser …«
»Wage es ja nicht, diesen Satz zu Ende zu sprechen!«, fauche ich meine Freundin an. »Bevor der sich mit seinem Betthäschen dort vergnügt, wo unser absolut tollster und romantischster Urlaub hätte stattfinden sollen, komme ich lieber ganz alleine für die horrenden Stornogebühren auf. Ganz sicher gönne ich es ihm nicht, all unsere gemeinsamen Fantasien mit einer anderen zu praktizieren.«
Sofort steigt wieder Übelkeit in mir auf. Zu deutlich habe ich Max mit dieser Gaby vor Augen.
»Schon gut.« Beruhigend tätschelt Lena meine Hand. »Vielleicht täte dir doch ein Erholungsurlaub auf Mallorca gut? Am besten rufst du gleich mal deine Eltern an.«
»Ich will eure Telefonrechnung nicht strapazieren«, sage ich ausweichend, da ich mich im Moment nicht gewachsen fühle, von meinen traurigen Neuigkeiten zu berichten.
»Keine Ausrede!«
Sofort steht Lena auf und reicht mir den Hörer. Widerwillig beuge ich mich und wähle diese endlos lange Nummer auswendig.
»Holà«, meldet sich meine Mutter auf Spanisch.
»Hallo Mama. Ich bin`s«, melde ich mich mit niedergeschlagener Stimme, die meine Mutter aber gar nicht bemerkt.
»Toll, dass du anrufst. Ich habe noch eine super Idee für eure Hochzeit. Weil es einfach so schade ist, dass ihr nicht auf Mallorca heiraten wollt, haben dein Vater und ich gedacht …«
»Mama, es gibt keine …«
»Vicki, lass mich ausreden!«, sagt sie mit tadelnder Stimme, sodass ich beinahe sehen kann, wie sie die Stirn kraus zieht. »Wir haben beschlossen, dass wir für unsere Freunde hier auch einen Empfang geben. Gleich nach euren Flitterwochen …«
»Mama, es gibt keine …«, setze ich wieder an.
»Erst haben wir gedacht, wir machen es bei uns im Garten. Mit Catering und allem, was dazugehört. Aber jetzt hat dieses neue Edellokal aufgemacht, mit einer Terrasse, sag ich dir, ganz toll. Der Blick auf den Hafen ist einfach atemberaubend. Besonders bei Nacht, wenn die vielen Lichter …«
»Mama, ich will dir was sagen!«, unterbreche ich ihren Redeschwall.
»Ich weiß, ich weiß. Das ist viel zu teuer, aber das bekommt ihr von uns zur Hochzeit geschenkt. Du musst dich um nichts kümmern, das habe ich schon alles gemacht. Eigentlich sollte es ja eine Überraschung werden, aber jetzt ist es raus. Du kennst mich ja, wenn ich mal rede, bin ich einfach nicht mehr zu bremsen. Und Vicki, du musst unbedingt dein Hochzeitskleid anziehen. Ist das nicht toll! Du bist die einzige Braut, die ihr Kleid zweimal tragen wird.«
»Nein. Ich werde kein Hochzeitskleid anziehen, weil …«
»Vicki! Ich bestehe darauf. Ich habe gesagt, dass ich mich aus allem raushalte, was ihr in München plant, aber hier auf Mallorca bestimme ich. Schließlich ist es ein Geschenk. Selbstverständlich sind Lena und Heiko auch eingeladen.«
Genervt verdrehe ich die Augen und sehe zu Lena, die ein Victoryzeichen macht, um mir Mut zu machen. Ich schüttle nur den Kopf und zucke mit den Schultern, während meine Mutter irgendwas von Hummer und von einer Eisskulptur labert. Ohne Punkt und Komma, sodass ich gar keine Chance habe, zu beichten, dass die Hochzeit ausfällt.
»Die haben sogar einen Brunnen, aus dem Champagner fließt«, flötet meine Mutter begeistert. Und wenn es dunkel ist, sind auf der ganzen Terrasse Fackeln aufgestellt. Du musst also dein Kleid noch einmal anziehen! Unbedingt.«
»Mama!«, schreie ich ins Telefon und beobachte Lena, die mit den Händen rudert, damit ich ja nicht stocke und meine Mutter mich weiter zutextet. »Ich werde kein Kleid anziehen, weil ich nämlich gar nicht komme.«
»Ich bestehe darauf. Gleich nach euren Flitterwochen. Ich hab im Kalender nachgesehen. Max hat noch Ferien. Eure Flüge sind auch schon gebucht. Stell dir vor, Paps hat sie sogar online gebucht. Ganz allein. Du siehst, wir sind noch nicht zu alt für das Internet.«
»Die Hochzeit fällt aaauuusss!«, schreie ich in den Hörer, weil ich nicht weiß, wie ich anders zu Wort kommen könnte.
Am anderen Ende höre ich, wie nach Luft geschnappt wird. Wahrscheinlich steht meine Mutter in einem ihrer bunten Hängekleider in der Diele und fächelt sich Luft zu. Würde mich nicht wundern, wenn ihr graublonder Pagenschnitt dabei hin- und herwippt.
Wir schweigen betreten.
Lena sieht mich an, als ob ich eine Erklärung liefern sollte. Aber ich bringe es einfach nicht über die Lippen. Unmöglich kann ich meiner Mutter sagen, dass ich Max beim Fremdgehen erwischt habe.
»Wie?«, höre ich ganz leise die Stimme meiner Mutter.
»Wir haben uns getrennt«, sage ich laut und deutlich.
»Nein«, sagt meine Mutter, als ob sie es dadurch rückgängig machen könnte.
»Doch.«
Sie seufzt.
»Vicki, was hast du denn jetzt wieder gemacht, um diesen tollen Mann zu vergraulen?«
Hä? Was ich gemacht habe? Sie zieht nicht einmal die Möglichkeit in Betracht, dass Max was gemacht haben könnte.
»Du musst das wieder in Ordnung bringen!«, fordert meine Mutter in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet.
»Nein!«
»Doch! Wie stehen wir denn jetzt da? Wir haben es schon allen erzählt.«
»Max hat mich betrogen«, sage ich tonlos.
»Du musst nicht alles glauben.«
»Mama, ich habe ihn erwischt. In flagranti. In unserem Bett.«
»Das hat bestimmt nichts zu bedeuten. Viele Männer machen das vor ihrer Hochzeit. Sie haben Panik, und versuchen noch einmal auszubüxen.«
»Also hättest du kein Problem gehabt, wenn Paps dich vor der Hochzeit betrogen hätte?«, frage ich irritiert.
»Du kannst doch Paps nicht mit Max vergleichen. Paps hat damals zehn Stunden am Tag gearbeitet. Der hätte dafür keine Zeit gehabt.«
»Ach, weil Max als Lehrer nicht ausgelastet ist, hat er das Recht, mich zu betrügen?«
Ich ziehe die Stirn kraus. Findet meine Mutter wirklich in Ordnung, was Max gemacht hat?
»Vicki, sei nicht zu hart mit Max. Immerhin seid ihr noch nicht einmal verheiratet. Sei doch froh, dass Max sich vor der Hochzeit austobt.«
»Hab ich einen Hörfehler?«, frage ich aufgebracht. »Max hat mich betrogen, und es ist mir piepegal, ob das vor unserer Hochzeit passiert ist oder danach. Das geht gar nicht.«
»Er wird dich um Verzeihung bitten. Du musst ihm verzeihen.«
»Nenne mir einen einzigen Grund, warum ich das muss?«, fauche ich und fahre mir mit einer Hand durch die Haare.
»Weil - alles - arrangiert – ist!«, schreit meine Mutter aufgebracht.
»Du siehst also lieber zu, wie deine Tochter sich ins Unglück stürzt, als dass du bereit bist, einen Empfang abzusagen, um den ich dich nicht gebeten habe?«
»Wie undankbar du bist«, sagt meine Mutter in verächtlichem Ton. »Wir wollten euch nur eine Freude machen. Wenn wir geahnt hätten, dass du unser Geschenk so mit Füßen trittst …«
»Mama!«, falle ich ihr energisch ins Wort und kreuze hinter dem Rücken die Finger. »Wenn ich heiraten würde, hätte ich mich wirklich über euer Geschenk gefreut. Sehr sogar. Ganz ehrlich! Aber die Hochzeit fällt aus.«
Mir geht es wirklich mies. Und das liegt nicht an der horrenden Stornogebühr, die mir das Reisebüro eben abgeknöpft hat. Auch nicht an den achtzig Euro, die ich vorhin diesem arroganten Schnösel von Fotografen dafür gezahlt habe, dass er jetzt einen freien Samstag hat. Nein. Es ist einfach alles zusammen. Betrübt laufe ich durch die stark bevölkerte Fußgängerzone, remple beinahe in einen Japaner, der das Rathaus fotografiert, obwohl um diese Uhrzeit gar kein Glockenspiel stattfindet. Ich sollte glücklich und aufgeregt sein, weil ich in wenigen Tagen heiraten sollte und nicht todunglücklich alle Hochzeitsvorbereitungen rückgängig machen. Nicht auszudenken, wie naiv ich in diese Ehe schlittern würde, wenn ich nicht früher aus dem Büro gekommen wäre. Ich schüttle den Kopf. Soll ich Cynthia jetzt dankbar sein, dass sie mich davor bewahrt hat, einen schlimmen Fehler zu begehen? Wäre es weniger schmerzhaft, wenn ich von Max Treuebruch erst nach der Hochzeit erfahren hätte, und somit nicht all die Rennereien hätte, die mich daran erinnern, dass ich den sogenannten schönsten Tag im Leben einer Frau wohl nie erleben werde? Wäre die Trennung von Max vielleicht auch einfacher, wenn ich im Job wieder fest im Sattel sitze? Trotzdem: Obwohl Gaby und Max vor meinem inneren Auge so exzessiv Sex haben, dass ich mich am liebsten schon wieder übergeben möchte, bin ich froh, dass ich die Wahrheit kenne und rechtzeitig die Reißleine ziehen konnte. Mit Max bin ich fertig. Trotzdem tut es weh und macht mir Angst vor den Scherben meines Lebens zu stehen. Ohne Mann, ohne Job, lauter Ausgaben am Hals, dafür kein Einkommen. Muss unbedingt zum Arbeitsamt. Oder soll ich doch noch mal mit Ulf reden? Vielleicht glaubt er mir jetzt. Vielleicht merkt er auch, wie wichtig ich für die Abteilung bin, und setzt den Wettbewerb für den Posten neu an. Mein Handy klingelt. Ulfs Foto ist auf dem Display. Ha! Wenn man vom Teufel spricht.
»Haberland?«, melde ich mich, obwohl ich weiß, dass es Ulf ist.
»Hallo Vicki. Dein Abgang gestern war ja äußerst unschön.«
»Ich weiß. Darüber wollte ich noch einmal mit dir in Ruhe …«
»Die arme Cynthia. Weißt du eigentlich, was du ihr angetan hast?«, fällt Ulf mir ins Wort.
»Ich ihr?«, frage ich fassungslos und wäre beinahe aus Versehen in einen Kinderwagen gelaufen.
»Deine haltlosen Behauptungen waren schamlos. Wie konntest du nur während einer Präsentation stören und um ein Vieraugengespräch bitten? Ich kann von Glück sagen, dass Cynthias Präsentation so perfekt war, dass Happy Kids trotz deines Verhaltens unterschrieben hat.«
»Ich weiß, dass die Präsentation perfekt war. Schließlich habe ich sie selbst vorbereitet«, sage ich frostig in das Telefon und bleibe mitten im Gewühl stehen.
»Fang nicht schon wieder davon an. Ich habe Cynthia gestern ausführlich befragt, und ich glaube ihr.«
»Verstehe«, sage ich kühl und überlege, ob die Befragung vor oder nach dem Sex stattgefunden hat.
»Sie hat sogar geweint, weil du versucht hast, ihren Ruf zu schädigen.«
Diese falsche Schlange scheint also auch noch schauspielerisches Talent zu haben.
»Dir ist natürlich klar, dass wir unter diesen Umständen nicht zu deiner Hochzeit kommen können.«
»Ja. Schon klar«, sage ich reserviert. Spar ich mir wenigstens zwei Absagekarten.
»Ich bedaure natürlich, dass du gehst, aber es wäre sicher schwierig geworden für euch beide. Und für das Betriebsklima wäre es auch nicht gut. Da würden sich nur Lager bilden. Ich will dir nur sagen, dass ich deine fristlose Kündigung akzeptiere. Holst du dir dein Zeugnis ab, oder soll ich es dir schicken?«
»Ich lasse es abholen«, sage ich, da ich keine Lust habe, Ulf und Cynthia zu treffen, aber auch nicht zugeben möchte, dass ich nicht mehr bei Max wohne.
»Gut. Ganz wie du willst. Bye.«
»Vicki, du bist einen Tag zu früh. Die Probefrisur stecken wir erst morgen«, schreit Lucy über das Blasen des Föns hinweg, als sie mich sieht.
»Ich muss absagen«, rufe ich laut zurück.
»Ich kann dich heute wirklich nicht unterbringen«, schreit Lucy wieder und zieht eine rostrote Haarsträhne ihrer Kundin mit der Rundbürste lang.
»Müssen Sie so schreien?«
Aufgeregt wippt die Kundin mit dem Kopf, sodass die Bürsten in ihren halbtrocknen Haaren lustig um ihren Kopf baumeln.
Sofort legt Lucy den Fön beiseite und kommt zu mir. »Vicki, ich bin voll. Heute kann ich dich beim besten Willen nicht einschieben. Höchstens am Freitagabend. In diesem Fall müssen wir uns aber ganz genau überlegen, was du willst, da ich nichts mehr besorgen kann.«
»Lucy, ich will meinen Termin nicht verschieben. Ich will ihn absagen.«
»Also ganz ohne Probefrisur? Davon rate ich dir dringend ab.«
»Ich sage alles ab. Die ganze Hochzeit.«
Ich spüre, wie mir eine Träne über die Wange kullert.
»Warum das denn? Du bist sicher nur nervös. Das ist ganz normal. Nimm doch Bachblüten. Die helfen ungemein.«
»Es ist doch nicht, weil ich nervös bin. Ich habe Max erwischt. Im Bett. Mit so einem jungen Ding mit riesigen Wundertüten.«
Jetzt heule ich richtig. Zu weh tut das Bild, das ich jetzt vor Augen habe. Die laut stöhnende Gaby, die auf Max reitet, während seine Hände ihre Brüste kneten. Lucy nimmt mich in den Arm.
»So ein Scheißkerl!«, schimpft sie leise. Na, der kann was erleben, wenn er jemals wieder in meinen Laden kommt. Besser er sucht sich einen anderen Friseur.
Es tut gut, endlich jemanden zu haben, der hinter mir steht. Nicht so wie meine Mutter, die meint, ich soll Max vergeben und trotzdem heiraten. Lucy nimmt mich in den Arm und flüstert:
»Du hast das Richtige getan. Ich finde deinen Entschluss sehr mutig. Weißt du, wie vielen Bräuten ich schon die Haare gemacht habe, die sehr gezweifelt haben und nicht deinen Mut hatten, die Konsequenzen zu ziehen. Hinterher waren sie entweder unglücklich oder nach kurzer Zeit geschieden.«
»Echt?«, frage ich ungläubig. »Woher willst du das denn wissen?«
»Hallo? Schon mal gehört, dass der Friseurbesuch den Seelenklempner ersetzt? Was glaubst du, was mir die Leute alles so erzählen? Kopf hoch! Auf Max bist du wirklich nicht angewiesen.«
»Ich weiß nicht?«
Ich mache zwei Schritte auf einen freien Frisierplatz zu. Kritisch betrachte ich mich im Spiegel. Meine sonst so strahlenden blauen Augen wirken stumpf. Die Wimperntusche ist über meine Backen verschmiert. Nur mein blonder Stufenhaarschnitt sieht einwandfrei aus. Hinter mir im Spiegel nehme ich Lucys dunklen Wuschelkopf wahr. Über den Spiegel nickt sie mir aufmunternd zu.
»Wasch dir mal das Gesicht und dann zaubere ich dir ein Make-up, dass du damit direkt über den roten Teppich flanieren könntest.«
»Schau mal Vicki, ich habe hier verschiedene Entwürfe.«
Lena legt diverse Karten auf den Küchentisch.
»Muss das jetzt sein?«, frage ich und löffle die Suppe aus.
»Was glaubst du denn? Heute ist Dienstag, am Samstag wäre die Hochzeit. Standesamt noch einen Tag früher. Wir drucken das heute aus und geben es morgen zur Post. Briefmarken habe ich schon besorgt.«
Ich stelle den leeren Suppenteller auf die graue Arbeitsplatte aus Naturstein und greife nach Lenas Entwürfen.
Wollen Sie einen Mann, der fremdgeht? Ich nicht. Aus diesem Grund lade ich Sie am Samstag, den 6. August, von meiner Hochzeit mit Max Lenting aus.
»Was soll das?«, frage ich. »Die Hochzeit wird komplett abgesagt. Niemand wird persönlich ausgeladen, oder?«
»Ist nur ein Entwurf. Nimm den nächsten.«