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*** Auf dem FLIEGENDEN TEPPICH um die Welt: die schönsten Märchen endlich wieder lieferbar! *** In den neugriechischen Märchen ist die Welt der olympischen Götter verschwunden. Geblieben und verwandelt sind jedoch viele Gestalten der »niederen« Mythologie wie etwa Dämonen und Schicksalsgötter. In den sehr lebendig erzählten Märchen hat sich viel vom ursprünglichen Sprachduktus bewahrt.
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Seitenzahl: 171
Veröffentlichungsjahr: 2014
Märchen aus Griechenland
Märchen der Welt
Herausgegeben von Constanze Ott-Koptschalijski
FISCHER E-Books
Für Eberhard A. Ott
Einmal waren, und das zu irgendeiner Zeit, drei Geschwister. Das Haus, in dem sie lebten, befand sich genau gegenüber dem Palast des Königs. Jeden Morgen kam die jüngste der Geschwister, die man Margarona nannte, auf den Balkon hinaus, um ein Basilikumstöckchen zu gießen.
Eines Morgens nun, als Margarona wieder einmal das Basilikum wässert, erscheint der König am Fenster und ruft ihr zu:
»Basilikummädchen, Basilikummädchen. Du gießt so eifrig das Basilienkraut. Sage mir, wie viele Blätter hat das Basilikum?«
»Mein König, mein König, wenn du doch ein bißchen klüger wärst. So sage mir du, wieviel Sterne wohl am Himmel stehen?« entgegnet ihm schlagfertig das schöne Mädchen.
Der König war überrascht von dieser Redeweise, dann wurde er zornig, da er nicht wußte, wie viele Sterne der Himmel hatte. So beschloß er, sich an Margarona zu rächen.
Was soll er tun? Was soll er tun? Der junge König! Er verkleidet sich als Fischer.
»Frische Fische, hört, ihr lieben Leute, Fische, Fische!« begann er laut zu rufen. Das hört die Margarona und tritt auf den Balkon hinaus.
»Du guter Mann, was möchtest du für deine Fische?«
»Für dich verkaufe ich sie um ein Küßchen«, sagt der Fischer, der niemand anderer war als der König.
»Komm und hol dir eines«, antwortet ihm kokett das Mädchen. Und es gibt der König ihr einen Kuß.
Am nächsten Morgen kommt Margarona wieder auf den Balkon hinaus, um das Basilikumstöckchen zu gießen, gleichzeitig erscheint der König am Fenster und ruft ihr zu:
»Basilikummädchen, Basilikummädchen. Du gießt so eifrig das Basilienkraut. Sage mir, wie viele Blätter hat das Basilikum?«
»Mein König, mein König, wenn du doch ein bißchen klüger wärst. So sage mir du, wieviel Sterne wohl am Himmel stehen?« antwortet die Margarona.
»Erinnerst du dich, daß ich dich küßte?« sagt der König zu ihr.
»Ja, ja, ich erinnere mich, sogar sehr gut, aber warte nur, das werde ich dir heimzahlen«, sagt Margarona.
Gleich am nächsten Tag setzt sich das Mädchen hin und näht ein Kleid, das über und über mit kleinen Glöckchen behängt ist. Dann verständigt sie sich heimlich mit dem Diener des Königs, und als es dunkel wird, schleicht sie in den Palast.
Eins und zwei, schnell tritt sie in die Kammer, in der der König schläft. »Kling, klang, kling, klang«, machen die Glöckchen. Das hört der König und erwacht.
»Wer bist du, was willst du?«
»Ich bin ein Engel, der Erzengel. Ich bin gekommen, um deine Seele in den Himmel zu nehmen«, sprach Margarona mit verstellter Stimme.
»O weh, nimm noch nicht meine Seele, Engel! Ich gebe dir dafür, was du von mir verlangst.«
»Ich will nichts anderes, als meinen Namen in deinen Arm ritzen. Wenn du damit einverstanden bist, kannst du deine Seele behalten.«
»Das will ich«, sagte der König ohne zu zögern. Und dann ritzte Margarona ihren Namen in den Arm des Königs.
Am nächsten Morgen erschien Margarona wieder, um das Basilikumstöckchen zu gießen. Der König trat wieder ans Fenster.
»Basilikummädchen, Basilikummädchen. Du gießt so eifrig das Basilienkraut. Sage mir, wie viele Blätter hat das Basilikum?« fragte er wie gewöhnlich.
»Mein König, mein König, wenn du doch ein bißchen klüger wärst. So sage mir du, wieviel Sterne am Himmel stehen?« antwortete das Mädchen.
»Erinnerst du dich, wie ich dich täuschte und dich küßte?« neckte sie der König.
»Und du, erinnerst du dich, daß ich gestern abend den Herrn König übertölpelte? Du hast mich für den Erzengel gehalten! Sieh doch auf deinen Arm, da ist mein Name eingeritzt!« gibt es ihm die Margarona zurück.
Das hörte der König, er ärgerte sich und sah auf seinen Arm. Und was sieht er da? Der Name Margarona war eingeritzt. Jetzt wurde er rot vor Zorn.
›Was ist mir da passiert? Wie konnte mich dieses dreiste kleine Ding so hinters Licht führen?‹ dachte er und beschloß, sich an ihr zu rächen.
Der König nahm also Margarona zur Frau. Doch noch am selben Abend verließ er sie sogleich und befahl den Hofleuten, sie im Palast eingeschlossen zu halten. Neun Monate vergingen, da brachte sie einen Sohn zur Welt. Weil nun der Vater des Kindes, der König, nach Smyrna gezogen war, gab sie dem Kleinen den Namen Smyrnoupoli.
Einige Zeit verstreicht, und der König kehrt von seiner Reise zurück. Er findet seine Frau, wie er befohlen hat, im Palast.
»Lebst du noch?« fragte er sie.
»Ich lebe, werter Herr König, und fühle mich wohl, dank deiner Liebe«, spöttelt sie. Von dem Kind jedoch, das sie inzwischen geboren hat, verrät sie nichts. Sie hatte nämlich, während der König verreist war, ohne Wissen der Hofleute einen unterirdischen Gang gegraben und so das Kind heimlich zu ihrer Mutter gebracht.
Der König verweilte zwei, drei Wochen im Palast und ging bald wieder auf große Fahrt. Und wieder verließ er seine Frau. Margarona aber, die von ihm schwanger war, gebar ein zweites Knäblein und gab ihm den Namen Kritikoupoli, weil der König sich diesmal in Kreta aufhielt. Wieder versteckte sie das Kind im Haus ihrer Mutter, und wieder kam der König von seiner Reise zurück.
Nach kurzer Zeit jedoch ging er zum drittenmal auf Reisen und verließ zum drittenmal seine Frau, die wieder schwanger war. Nach neun Monaten und zehn Tagen wurde Margarona von einem Mädchen entbunden, das sie Alexandra nannte. Und auch das dritte Kindlein versteckte sie im Haus ihrer Mutter.
Und auch diesmal kehrte der König von seiner Fahrt zurück. Als er jedoch in den Palast kam und sah, daß seine Frau noch immer kein Kind geboren hatte, wurde er böse, sehr böse, und er war bereit, sie aus dem Palast zu jagen.
Nanu, was wird die junge Frau jetzt tun? Sogleich verläßt sie heimlich den Palast und eilt ins Haus ihrer Mutter.
Dort kleidet und schmückt sie die drei Königskinder und weist sie an, in den Palast des Königs zu gehen. Die Kinder laufen also los, es sieht sie der König und ist sofort wie geblendet von ihrer Schönheit.
»Wem gehört ihr, Kinder?« fragt er sie neugierig.
»Den König haben wir zum Vater und die Margarona zur Mutter«, antworten die Kinder wie aus einem Mund.
Hört ihr es? Jetzt verstand der König endlich, daß er einen Fehler gemacht hatte in der Art und Weise, wie er Margarona beurteilte. Um nicht viele Worte zu machen, er bat sie also, in den Palast zurückzukehren als seine Frau, als Königin – und sie lebten gut, und wir aber noch besser.
Es war einmal, und das in irgendeiner Zeit – ein König, der hatte einen Sohn. Es trug sich zu, daß dieser König sehr krank wurde und das Licht seiner Augen verlor. So viele gute und berühmte Ärzte auch zu ihm kamen, keiner konnte ihm helfen.
Eines Tages gelangte auch eine Alte an seinen Hof und sagte zu dem unglücklichen König, er werde nicht wieder sehend werden, wenn er nicht seine Augen mit dem Wasser bestreiche, das in dem Garten des Erotas fließe.
Als das der Sohn des Königs hörte, beeilte er sich sogleich zu erfahren, wo sich jener Garten befinde. Man sagte ihm, um dies zu erfahren, müsse er sich zu einem alten Mann begeben, der hoch in den Bergen hause, nur der werde ihm Auskunft erteilen können. Da machte sich der Jüngling auf den Weg dahin, und oben auf dem Berg angekommen, trat er vor den Alten und fragte ihn nach dem Garten des Erotas.
Der sagte ihm, er solle eines seiner besten Pferde besteigen und immer rechts reiten, dann, bei einer mit Säulen eingefaßten Straße, sich zur Linken wenden und den Berg, der dort sich erhebe, überschreiten, dahinter werde er den Garten des Erotas finden.
Am folgenden Tag also brach der Königssohn mit seinem besten Pferd auf. Er ritt, ritt und ritt, und nach drei Tagen schließlich erreichte er den Garten des Erotas. Neugierig trat er ein, und sogleich erblickte er eine junge Frau, die war die schönste auf Erden. Sie saß an der Pforte und spielte mit einem Knaben, der Flügel hatte und einen Bogen in der Hand hielt samt einer Menge von Pfeilen. Der Garten aber war über und über voll mit Rosen, und über ihnen flatterten eine Menge kleiner Knaben mit Flügeln, gleich Schmetterlingen. In des Gartens Mitte aber war eine Quelle, aus der das heilkräftige Wasser rieselte.
Als sich nun der Königssohn der Quelle näherte, bemerkte er in ihr eine andere wunderschöne Frau, weiß wie Schnee und leuchtend wie der Mond. Und es war auch wirklich Frau Luna, wie der Mond in den Ländern des Mittelmeers heißt, die hier ein Bad nahm.
Neben der Quelle saß eine weitere schöne Frau, das war die Mutter des Erotas. Freundlich fragte sie den Jüngling, ob er vielleicht etwas begehre, und als er ihr den Grund, warum er gekommen, angegeben hatte, reichte sie ihm ein mit dem heilenden Wasser angefülltes Fläschchen und gab ihm ihren Segen.
Noch ganz bezaubert von der wundersamen Erscheinung brach der Königssohn wieder auf. Als er aus dem Gartentor trat, sah er einen gewaltigen, einen ganz gewaltigen Menschen mit Riesenschritten herankommen. Das war Helios, der seinen Freund, den Erotas, besuchen wollte. Er ging nahe an dem Jüngling vorüber, aber er bemerkte ihn nicht – welch ein Glück –, denn hätte er ihn bemerkt, so würde er ihn sicherlich gefressen haben.
Der Königssohn kehrte nun schleunigst auf dem Weg zu seinem Vater zurück, auf dem er gekommen war, und übergab ihm das wertvolle Wasser. Und sowie der Vater seine Augen damit benetzt hatte, wurde er alsbald wieder sehend. Da umarmte er seinen Sohn und küßte ihn und gab ihm sein Königreich.
Der Jüngling dankte ihm, und nun leben beide glücklich, wir aber hier noch glücklicher.
Und diesmal ein anderes Märchen. Es war einmal, da lebte in einem Dorf ein Mensch, der war ein Spanos. Alle lachten ihn aus, aber keiner wagte es, ihm offen vor das Angesicht zu treten und etwas gegen ihn zu sagen, denn er war überaus streitsüchtig. Die Leute redeten auch nicht gerne mit ihm, denn er plapperte den ganzen Tag nur über sich selbst. Im Kafenion beispielsweise, wo sie alle gemütlich beisammensaßen, tat der Spanos den ganzen Tag nichts anderes als sich gehörig zu rühmen:
»Hört nur, ich habe dieses getan. Wißt ihr, ich habe jenes getan, und das habe ich getan und das und das auch.«
»Geh, laß doch endlich das ewige Selbstlob sein«, sagte einmal sein Gevatter zu ihm.
»Pah! Stört es dich etwa, von meinen Taten zu hören?« erwiderte zornig der Spanos.
»Wenn du schon ein Held sein willst, dann kämpfe gegen die Draken«, sagte sein Gevatter.
»Das ist ein Wort. Sofort gehe ich!« Zufälligerweise grenzte das Dörflein, in dem der Spanos lebte, an das Dorf der Drakenmänner. Also nahm der Spanos seine Ziege, marschierte auf den Berg und rief laut und deutlich in die Luft hinaus:
»Hört, ihr Drakenleute! Wenn einer von euch mein Zicklein frißt, den werde ich töten.« Den Draken entgingen diese Worte nicht, und sie bekamen Angst. Das Zicklein nahm unbehelligt seinen Weg, und auf und davon war es.
Eines Tages nun, da trifft im Wald ein Drakenmann eine Ziege.
»Wem gehörst du?« fragte der Drakos vorsichtshalber, denn die Streitlust des Spanos war allseits bekannt.
»Dem Spanos.«
»Eh, dann fresse ich dich lieber nicht.« Am andern Tag, in einem andern Wald, da fand der Drakenmann eine andere Ziege.
»Wem gehörst du?«
»Dem Spanos.«
»Oh, dich fresse ich nicht. Ich habe Angst vor seiner Streitsucht.« Es wiederholte sich dasselbe und dasselbe, bis der Drakos es vor Hunger nicht mehr aushalten konnte. Er traf wieder eine Ziege, und er sagte zu ihr:
»Es soll geschehen, was will. Dich fresse ich!« Dann stürzte er sich auf das Tier und verschluckte es mit zwei Bissen. Als es Nacht wurde, hm, alle Welt versank in Schlaf, nur der Spanos wartet und wartet, daß die Ziege von der Weide heimkehrt. Nirgends ist die Ziege. Er zieht an der Leine, an der sie festgebunden war, er sieht am Ende der Leine Blut. Da läuft der Spanos auf den Berg hinauf und ruft laut und deutlich in die Luft, daß alle ihn hören:
»Drakenmann, der du meine Ziege gefressen hast, komm sofort hierher. Du kannst dich nur retten, wenn es dir gelingt, unbehelligt zwischen meinen Beinen hindurchzukommen.« Natürlich hörte das der Drakos, er fing vor Angst zu zittern an. Nun bereute er seine Gefräßigkeit, aber was konnte er anderes tun, als sich zu fügen? Er geht und trifft den Spanos, er versucht rasch zwischen seinen Beinen hindurchzuschlüpfen, es gelingt, er atmet auf und fällt in ein Netz. Der Spanos hatte nämlich hinterhältig ein Netz gespannt, und der Drakos war ihm ins Netz gegangen. Der Spanos faßt ihn, tötet ihn. Der ist schon weg.
Lassen wir einige Tage vergehen, bis der Neffe des Spanos einmal morgens losging, um seinen Acker zu bestellen. Dort hatten schon Drakenmänner auf ihn gewartet, sie packten und entführten ihn. Natürlich erfährt das der Spanos. Eins und zwei eilt er los, die Draken zu finden, um seinen Neffen zu befreien. Er ging los, nahm den Weg, nahm den andern Weg, bog um die Ecke, nahm noch einen Weg und eine Ecke und gelangte schließlich zum Palast der Drakenleute. Was sah er da? Nur einen alten Drakos, der das Tor bewachte, die andern waren bei der Arbeit. Als der Spanos nun vor das Palasttor kam, trat er ein und sagte:
»He, du törichtes Drakenmännlein! Ich bin gekommen, meinen Neffen abzuholen.«
»Und wer bist du, der du unverschämt streitsüchtig bist und einfach so in den Palast der Draken eindringst?«
»Pah, ich bin der Spanos!«
»Eh, jetzt wirst du was erleben, du Spanos«, schrie der Drakenmann und packte ihn fest bei der Hand. Als der Spanos vom Alten so an der Hand gefaßt wurde, traten ihm die Augäpfel wie Eier aus dem Kopf heraus vor Schmerz.
»Ach, warum rollst du so deine Äuglein, mein lieber Spanos?« fragte der Drakos.
»Damit ich den höchsten Gipfel der Berge sehen kann, um dich von dort hinunterzuschleudern, Drakenmännlein«, erwiderte der Spanos. Hm, jetzt bekam es der Drakenmann doch mit der Angst zu tun und ließ sofort dessen Hand los. Er ließ ihn nicht nur frei, sondern lud ihn sogar zum Essen ein.
»Mit Vergnügen«, sagte der Spanos. Er setzte sich zu Tisch und ließ sich bedienen. Dann bereitete der Drake noch ein bequemes Ruhelager, und der Spanos legte sich schlafen.
Tipp, tapp, tipp, tapp – als sich der Spanos gerade hinlegt, kommen schon die andern Drakenleute, neununddreißig an der Zahl. Sie hatten von dem Drakenwächter gehört, daß der Spanos gekommen war, seinen Neffen zu holen, und daß er, als der Wächter ihn bei der Hand faßte, die Augen gerollt hat.
»Der ist gefährlich, den müssen wir umbringen«, entschieden die Drakenleute und nahmen sogleich einen Kessel voll mit kochendem Wasser, stiegen auf den Dachboden und gossen das Wasser in eine Fußbodenspalte, die genau über dem Ruhelager war, mit der Absicht, ihren Gast zu Tode zu verbrühen. Der Spanos aber, der tat nur so, als ob er schliefe. Er hatte alles gehört und versteckte sich. Die Draken gossen nun das kochende Wasser aus, und es rann durch die Ritzen des Fußbodens. Als die Drakenmänner am Morgen aufwachten, fanden sie den Spanos frisch, fröhlich und munter.
»Guten Morgen, was für eine heiße Nacht war das heute«, sagte der Spanos. Die Draken erstarrten, so etwas Unverschämtes hatten sie noch nicht erlebt.
»Hört einmal, der hat das kochende Wasser bloß für eine einfache Hitze gehalten. Was ist das für ein gefährlicher Kerl?«
Was sollen sie machen? Was sollen sie machen? Sie laden ihn ein, mit ihnen gemeinsam im Wald zu speisen. Also geht der Spanos mit seinen Gastgebern in den Wald, sie setzen sich zu Tisch, und da sie sehr hungrig sind, beginnen sie sogleich mit dem Essen. Auch der Spanos erhält seinen Teil, aber er vermag nicht so viel zu essen wie die Drakenleute. Er nimmt die Stücke Fleisch und wirft sie hinter sich, so daß die andern es nicht sehen können. Die Draken hingegen beobachten ihn und wundern sich:
»Du liebe Güte, der ißt ja wie ein Drakos.« Als sie ihr Mahl beendet hatten, sprachen die Draken zu ihrem Gast:
»Geh, Spanos, und hole Wasser mit diesem Krug, damit wir trinken können.«
»Ich gehe«, antwortete der Spanos und nahm den Wasserkrug, welcher so schwer war, daß man ihn nicht hochheben konnte, obwohl er leer war. Dann geht er zum Brunnen, holt aus seiner Tasche ein Garnknäuel und fängt an, den Brunnen zu umwickeln, rundherum, immer rundherum. In der Zwischenzeit sitzen und warten die Drakenmänner auf den Spanos, doch der kommt nicht.
Da sprach der Oberdrakenmann: »Geht hin und schaut, was der so lange macht.« Die Draken kommen zum Brunnen und finden den Spanos, wie er den Brunnen umwickelt, immer rundherum.
»Was machst du so lange, Spanos?«
»Was ich mache? Na, seht doch, ich schlinge Garn um den Brunnen, damit ich ihn dorthin ziehen kann, wo wir essen. So müssen wir nicht wegen des Wassers hin- und herlaufen.«
»Oho, aber kannst du den Brunnen hochheben?« fragen die Draken neugierig.
»Er läßt sich hochheben. Warum denn nicht?«
»He du, bist du noch klar im Kopf?«
»Pah, wenn ihr glaubt, daß ich verrückt bin, dann hebt doch selbst euren Wasserkrug«, und geht weg. Was bleibt den Drakenmännern anderes übrig, als den Wasserkrug zu nehmen, ihn zu füllen und zu Tisch zu bringen. Mit ein bißchen Klugheit und viel Unerschrockenheit hat sich der Spanos gerade noch gerettet. Doch die Drakenmänner ließen nicht locker, sie wollten ihn unbedingt bestrafen wegen seiner Dreistigkeit. Was werden sie machen?
»Ich werde euch sagen, wie wir es anstellen sollen«, sagte der kleinste der Drakenmänner.
»Was? Wie?«
»Wir schicken ihn los, damit er uns einen ganzen Baum holt, und wir tun so, als ob wir ihn unter den Kessel bringen wollten, um Feuer zu machen. Einen ganzen Baum wird er nicht allein tragen können, und so haben wir einen Vorwand, um ihn zu bestrafen.« Einstimmig wurde der Vorschlag von den Drakenmännern angenommen.
Und der Spanos geht in den Wald, er nimmt wieder das Garnknäuel und fängt an, alle Bäume des Waldes zu umwickeln. Die Draken warten auf den Spanos, sie warten, aber der kommt nicht.
»Los, los, seht, was der macht«, sagte der Oberdrakenmann. Sie suchen und entdecken den Spanos mitten im Wald, wie er gerade die Bäume umwickelt.
»Was tust du denn da, Spanos?«
»Was ich mache? Seht ihr denn nicht? Ich umschlinge die Bäume, damit ich den ganzen Wald zu euch bringen kann. Ihr sollt nicht die Mühe haben, jeden Tag hierherkommen zu müssen, um Holz zu holen.«
»Was? Kann man denn einen ganzen Wald herumschleppen?«
»Ich werde es auf alle Fälle tun.«
»Warum schlägst du nicht einfach einen Baum heraus und läßt den übrigen Wald in Ruhe?«
»Wenn ihr meinen Vorschlag annehmt, in Ordnung. Wenn nicht, so könnt ihr mich bald gern haben. Ich befasse mich nicht weiter mit solchen Kleinigkeiten.« Als die Drakenmänner das hörten, staunten sie.
»Was? So stark ist der Spanos?« riefen sie und entschieden sich, ihm die ganze Wahrheit zu sagen, was sie mit ihm vorgehabt hatten. Dieses und jenes sagten sie ihm: »Wir haben dich mit kochendem Wasser übergossen, wir haben das und das gemacht.« Sie erzählten ihm alles.
»Und was wollt ihr jetzt von mir?« fragte der Spanos.
»Wir wollen, daß du uns das Geheimnis deiner ungeheuren Stärke verrätst.«
»Ach so«, sagte der Spanos. »Mich, den ihr hier seht, hat meine Mutter in Kupfer gegossen. Deshalb bin ich so stark.«
»Wie hat sie das gemacht, dich in Kupfer gegossen?«
»Ach, das ist ganz einfach. Wollt ihr vielleicht so stark werden wie ich?«
»Ja, das wollen wir!«
»Los, nehmt eine Hacke und eine Schaufel und kommt, die Wiese umzugraben. Macht tiefe Löcher und klettert hinein.« Die Drakenleute machen eifrig die Löcher und springen hinein.
»So, und jetzt springt hinauf und kommt heraus«, sprach listig der Spanos. Aber das können die Drakenmänner nicht. Sie springen hin, sie springen her, aber sie können nicht hinaus, denn die Gräben waren viel zu tief.