Märchen aus Griechenland, Band 1 -  - E-Book

Märchen aus Griechenland, Band 1 E-Book

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung.

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Seitenzahl: 798

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Märchen aus Griechenland – Band 1

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Märchen aus Griechenland – Band 1

Vom Asterinos und der Pulja.

Aschenputtel.

Von dem Schönen und vom Drakos.

Vom eisernen Derwisch und dem Prinzen mit den drei Zwiebäcken.

Vom Prinzen, der dem Drakos gelobt wurde.

Vom Prinzen und seinem Fohlen.

Goldgerte.

Der halbe Mensch.

Von den drei dankbaren Tieren.

Das Mädchen im Krieg.

Die Wette der drei Brüder mit dem Bartlosen.

Vom Mordmesser, dem Wetzstein der Geduld und der Kerze, die nicht schmilzt.

Von der unter der Erde versteckten Prinzessin.

Das Ziegenkind.

Von dem Prinzen und der Schwanenjungfrau.

Von der Frau, die Gutes tut und Undank erfährt.

Der Mann mit der Erbse.

Der Bartlose und der Drakos.

Der Hundskopf.

Die erfüllte Prophezeiung.

Das Lorbeerkind.

Die Zwillingsbrüder.

Herr Lazarus und die Draken.

Janni und die Draken.

Der Schwager des Löwen, des Tigers und des Adlers.

Vom jüngsten Bruder, der seine geraubte Schwester vom Drakenberge holt.

Allerleirauh.

Von dem Mädchen, das Rosen lacht und Perlen weint.

Die Goldschmiedin und der treue Fischersohn.

Gilt Recht oder Unrecht?

Schlangenkind.

Der Sohn des Schulterblattes.

Von einem, der die Vogelsprache erlernte.

Bakala.

Der kluge Schäfer.

Das goldene Huhn.

Der Königssohn und der Bartlose.

Von einem, der Verstand, aber kein Geld hatte.

Lügenmärchen.

Der Fischersohn und die Prinzessin.

Vom Sonnenkinde.

Der Priester und die Bartlosen.

Die Schlange und ihre Eltern.

Von den Feigen, die Hörner erzeugen und Hörner vertreiben.

Der Traum des Prinzen.

Der Mann mit der Reisekiste.

Von den drei um die Braut streitenden Brüdern.

Der Spindelknopf.

Die Zederzitrone.

Von dem weiberscheuen Prinzen.

Der Zauberspiegel.

Die drei Brüder, die ihre geraubte Schwester suchen.

Belohnte Treue.

Der Jüngling, der Teufel und seine Tochter.

Vom Halberbschen.

Das Pfefferkorn.

Das Dohlenkind.

Von dem Manne, der in eine Frau und wieder in einen Mann verwandelt wird.

Lügenwette.

Die Sehergabe.

Der Jäger und der Spiegel, der alles sieht.

Die drei bösen Schnuren.

Der junge Jäger und die Schöne der Welt.

Der starke Hans.

Die Strigla.

Lemonitza.

Die Äffin.

Der Lehrer und sein Schüler.

Sonne, Mond und Morgenstern.

Der Goldäpfelbaum und die Höllenfahrt.

Zi, Ba, Achmet Zelebi.

Von der neuen Kirche und der Nachtigall.

Filek-Zelebi.

Die listige Mäherin.

Das Bärenkind.

Dionysos.

Der Bauer und die Elfin.

Die Elfenmühle.

Der Mann und die Elfen.

Die Frau und die Elfen.

Die Schnitterin und die Elfen.

Die Elfengelobte.

Die Elfin als Hausfrau.

Das Fischerkind und die Elfen.

Von dem Alten und der Alten mit dem Hahne und dem Huhne.

86. Von der Füchsin, dem Wolfe und dem Priester.

Vom Bauer, der Schlange und der Füchsin.

Vom Alten, dem Kater und dem Hunde.

Vom Wolf, der Füchsin und dem Honigtopfe.

Von der Füchsin Pilgerschaft.

Die Füchsin und der Igel.

Der Wolf, die Füchsin und der Esel.

Vom Wolfe und vom Esel.

Von der Bärin, dem Bauer und der Füchsin.

Vom Sinzirlis Minizirlis Mikrosinzirlaki.

Die Goldschale.

Hänschen, dem ein Mohr in den Mund speit.

Der dumme Junge, welcher Geld gewinnt.

Die kluge Jungfrau.

Vom klugen Sohne und den drei Karfunkeln.

Die heiratsscheue Prinzessin.

Georg und die Störche.

Die Zitronenjungfrau.

Der Dreiäugige.

Aschenbrödel.

Der Vater und die drei Töchter.

Von einem Königssohn und der Tochter eines Kräuterhändlers.

Der König und sein kluger Sohn.

Der Meisterdieb.

Die Schlange.

Der Mohr und die Fee.

Das Töpfchen.

Der närrische Knecht.

Die drei goldenen Äpfel.

Die heilige Paraskeve.

Märchen aus Griechenland, Band 1

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Märchen aus Griechenland – Band 1

Vom Asterinos und der Pulja.

Es war einmal eine Frau, die hatte zwei Kinder, einen Knaben, der hieß Asterinos, und ein Mädchen, das hieß Pulja. Eines Tages kam ihr Mann von der Jagd zurück und brachte ihr eine Taube, die sie zum Essen kochen sollte. Die Frau nahm die Taube, hängte sie an einen Nagel und ging vor die Türe, um mit den Nachbarinnen zu plaudern; da kommt die Katze, sieht die Taube am Nagel hängen, springt danach, erhascht sie und frißt sie. Als nun Essenszeit herankam, und die Weiber auseinander gingen, wollte die Frau die Taube holen, und da sie nichts mehr fand, so merkte sie, daß die Katze sie geholt habe, und hatte nun Furcht, daß ihr Mann zanken werde. Die Frau bedachte sich also nicht lange, schnitt sich die eine Brust ab und kochte sie. Da kam der Mann nach Hause und fragte: "he, Frau! hast du etwas zu Essen gekocht?" "Ja, ich habe etwas für dich", antwortete diese, und als sie sich zu Tische setzten, sagte er zu ihr: "setze dich zu mir", sie aber erwiderte: "ich habe schon vor einem Weilchen gegessen, weil du so lange ausgeblieben bist."

Nachdem der Mann gegessen hatte, sagte er: "was das für schmackhaftes Fleisch war, so habe ich noch niemals welches gegessen." Da sagte ihm die Frau: "so und so ist es mir ergangen, ich hatte die Taube an den Nagel gehängt und ging hinaus, um Holz zu holen, und als ich zurückkam, fand ich sie nicht, die Katze hatte sie geholt, da schnitt ich mir die Brust ab und kochte sie, und wenn du es nicht glauben willst, so sieh her"; und dabei zeigte sie ihm die blutende Brust.

Darauf sprach der Mann: "Wie schmackhaft ist doch das Menschenfleisch! Weißt du was wir tun? Wir wollen unsere Kinder schlachten und sie essen; wenn wir morgen in die Kirche gehen, so gehe du früher nach Hause und dann schlachte und koche die Kinder, und wenn sie fertig sind, so rufe mich."

Was sie da zusammen sprachen, das hörte aber das Hündchen, und da die Kinder bereits schliefen, so ging es an ihr Bett und bellte ap! ap!

Davon erwachten die Kinder und hörten eine Stimme, die sagte: "steht auf und flieht, sonst kommt eure Mutter und schlachtet euch." Doch die Kinder riefen: "still! still!" und schliefen wieder ein. Als aber der Hund abermals bellte und die Stimme nochmals sprach, da standen sie auf, und zogen sich an.

"Was sollen wir mitnehmen?" fragte der Knabe die Pulja. – "Was wir mitnehmen sollen? Ich weiß es nicht, Asterino," antwortete das Mädchen, "doch ja! nimm ein Messer, einen Kamm und eine Hand voll Salz." Das nahmen sie und auch den Hund, machten sich auf den Weg und liefen ein Stück, und indem sie so liefen, sahen sie von weitem ihre Mutter, die sie verfolgte; da sagte Asterinos zu seiner Schwester: "sieh, dort läuft die Mutter uns nach, sie wird uns einholen." "Lauf, Herzchen, lauf", erwiderte das Mädchen, "sie holt uns nicht ein." "Jetzt hat sie uns, lieb Pulja." – "Wirf das Messer hinter dich." Das tat der Knabe und daraus ward eine ungeheure Ebene zwischen ihnen und der Mutter, diese aber lief schneller als die Kinder und kam ihnen wieder nahe. "Jetzt packt sie uns", rief der Knabe wiederum. – "Lauf, Herzchen, lauf, sie holt uns nicht ein." – "Da ist sie!" – "Wirf den Kamm hinter dich." Er tat es und daraus ward ein dichter, dichter Wald. Die Mutter arbeitete sich aber auch durch das Dickicht, und als sie zum dritten Male die Kinder erreichte, warfen sie das Salz hinter sich, und das ward zum Meere, da konnte die Mutter nicht durch. Die Kinder blieben am Rande stehen und sahen hinüber. Die Mutter aber rief ihnen zu: "Kommt zurück, liebe Kinder, ich tue euch nichts", und als diese zögerten, drohte sie ihnen und schlug sich vor Zorn an die Brust. Da erschraken die Kinder, wandten sich um und liefen weiter.

Als sie nun ein gut Stück gelaufen waren, sagte Asterinos: "Pulja, mich dürstet." – "Geh' zu", erwiderte diese, "da vorne ist die Quelle des Königs, da kannst du trinken." Sie gingen ein Stück weiter, da rief er wieder: "mich dürstet, ich verschmachte"; und indem er so klagte, erblickte der Knabe eine Wolfsspur, die voll Wasser war, und da sagte er: "davon will ich trinken." "Trinke nicht", rief Pulja, "denn sonst wirst du ein Wolf und frissest mich." "So will ich nicht trinken und leide lieber Durst."

Darauf gingen sie ein gut Stück weiter und fanden eine Schaafspur, die voll Wasser war. Da rief der Knabe: "ich halte es nicht länger aus, davon muß ich trinken." "Trinke nicht", sagte ihm das Mädchen, "sonst wirst du zum Lamme, und sie werden dich schlachten." "Ich muß trinken, wenn ich auch geschlachtet werde." Da trank er und wurde in ein Lamm verwandelt, lief der Schwester nach und blöckte: beh Pulja, beh Pulja. "Komm mir nach", sagte diese, und ging noch ein Stück weiter, fand die Quelle des Königs, neben der ein hoher Cypressenbaum stand, und trank Wasser; drauf sagte sie zum Schäfchen: "bleibe du hier mit dem Hunde, mein Herz"; und während das Lämmchen graste, betete sie zu Gott: "lieber Gott, giebst du mir nicht Kraft auf die Cypresse zu steigen?" So wie sie ihr Gebet vollendet hatte, hob sie die Kraft Gottes auf die Cypresse, und es ward dort ein goldener Thron, auf den sich das Mädchen setzte, das Lamm aber blieb mit dem Hunde unter dem Baume und weidete.

Bald darauf kamen des Königs Knechte, um die Pferde zu tränken; wie aber die Pferde in die Nähe der Cypresse kamen, da zerrissen sie die Halfter und liefen davon, denn sie scheuten vor den Strahlen der Pulja, die wunderschön war. "Komm herunter", riefen ihr die Knechte zu, "damit die Pferde saufen können, denn sie scheuen sich vor dir." "Ich tu's nicht", erwiderte sie, "ich hindere euch nicht, laßt die Pferde saufen, so viel sie wollen." "Komm herunter", riefen diese abermals. Aber sie hörte nicht auf sie und blieb auf dem Baume sitzen.

Da gingen die Knechte zum Sohne des Königs und sagten ihm, daß auf dem Cypressenbaume ein wunderschönes Mädchen sitze, mit ihren Strahlen die Pferde nicht saufen lasse und doch nicht herunter kommen wolle. Als der Prinz das hörte, ging er selbst zur Quelle und befahl dem Mädchen vom Baume zu steigen, aber sie weigerte sich, und zum zweiten und dritten Male rief er: "steige herunter, sonst fällen wir den Baum." "Fällt ihn immerhin, ich komme nicht herunter." Da holten sie Leute um den Baum umzuschlagen; während diese aber hieben, kam das Lamm herbei und leckte die Cypresse, und davon ward sie noch zweimal so dick. Sie hieben und hieben und konnten sie nicht umhauen. Endlich wurde der Prinz ungeduldig, schickte die Leute heim, ging zu einer alten Frau und sagte zu ihr: "wenn du mir jenes Mädchen von dem Baume herunterbringst, so gebe ich dir so viel Gold als in deine Haube geht." Die Alte versprach es ihm und nahm eine Mulde, ein Sieb und einen Sack Mehl und ging damit unter die Cypresse. Als sie nun vor dem Baume stand, stürzte sie die Mulde verkehrt in die Erde, nahm das Sieb verkehrt in die Hand und siebte. Da rief das Mädchen vom Baume: "herum mit der Mulde, herum mit dem Sieb!" Die Alte tat, als hörte sie nicht, und sagte: "wer bist du, Schätzchen? ich höre nicht." "Herum mit der Mulde, herum mit dem Siebe!" rief das Mädchen zum zweiten und dritten Male. Darauf sagte die Alte: "Schätzchen, ich höre nicht, wer bist du? ich sehe dich nicht, komm und zeige mir, wie man sieben muß, und Gottes Segen sei mit dir." Da kam das Mädchen nach und nach herunter, und während sie zur Alten ging, um ihrs zu zeigen, sprang der Prinz aus seinem Versteck hervor, hob sie auf seine Schulter und trug sie fort in das Königsschloß; das Lamm und der Hund folgten ihnen, und nach kurzer Zeit vermählte er sich mit ihr.

Der König aber liebte seine Schwiegertochter so sehr, daß die Königin neidisch wurde. Als daher der Prinz eines Tages ausgegangen war und seine Frau im Garten lustwandelte, befahl die Königin ihren Dienern, sie sollten ihre Schwiegertochter nehmen und in einen Brunnen werfen. Die Diener taten, wie ihnen die Königin befohlen hatte, und warfen sie in den Brunnen. Darauf kam der Prinz nach Hause und fragte seine Mutter: "wo ist meine Frau?" – "Sie ist spazieren gegangen", war die Antwort. Darauf sagte die Königin: "jetzt, wo diese nicht mehr da ist, wollen wir auch das Lamm schlachten." "Das ist recht", sagten die Diener. Als das Lamm das hörte, lief es zum Brunnen und klagte seiner Schwester: "lieb Pulja, sie wollen mich schlachten." – "Schweig still, mein Herzchen, sie tun dir nichts." – Das Lamm aber rief wiederum: "lieb Pulja, sie wollen mich schlachten." – "Sei ruhig, sie schlachten dich nicht." – "Sie wetzen die Messer, lieb Pulja! – sie laufen mir nach und wollen mich fangen, lieb Pulja! sie haben mich gefangen und wollen mich schlachten, lieb Pulja!" Da rief diese aus dem Brunnen: "Was kann ich dir helfen? du siehst, wo ich bin." – Die Diener aber brachten das Lamm zum Schlachten, und wie sie ihm das Messer an die Kehle setzten, da betete Pulja zu Gott und sprach: "lieber Gott! sie schlachten meinen Bruder und ich sitze hier im Brunnen." Sogleich bekam sie Kraft und sprang aus dem Brunnen, lief herzu und fand das Lamm mit abgeschnittenem Halse.

Da schrie und jammerte sie, sie sollten es loslassen, aber es war zu spät, es war schon geschlachtet. "Mein Lamm," rief Pulja, "mein Lamm!" und klagte und schluchzte so sehr, daß der König selbst herbeikam. Der sagte zu ihr: "was willst du? soll ich dir ein gleiches von Gold machen lassen? oder wie willst du es sonst haben?" – "Nein, nein," rief sie, "mein Lamm! mein Lamm!" – "Sei ruhig Kind, was geschehen ist, ist geschehen."

Als die Diener es nun gebraten hatten, da sagten sie zu ihr: "komm her und setze dich und iß mit." Die Pulja aber erwiderte: "ich habe schon gegessen, ich esse jetzt nicht noch einmal." – "Komm doch, Liebe, komm." – "Eßt, sage ich euch, ich habe schon gegessen." – Als sie nun vom Tische aufstanden, sammelte Pulja alle Knochen, legte sie in einen Krug und begrub sie in die Mitte des Gartens. Da aber, wo sie begraben waren, wuchs ein ungeheuer großer Apfelbaum und trug einen goldenen Apfel, und Viele versuchten ihn zu brechen, es gelang ihnen aber nicht, denn je näher sie ihm kamen, desto höher stieg der Apfel.

Da sagte die Pulja zum König: "Alle seid ihr hingegangen und habt ihn nicht pflücken können, laß mich doch auch einmal mein Glück versuchen, vielleicht pflücke ich ihn." – "Es haben es so viele geschickte Leute versucht und konnten es nicht dahin bringen, und nun willst du es zu Stande bringen?" – "Laß mich es doch einmal versuchen, tue mir den Gefallen!" – "Nun so geh in Gottes Namen", sagte der König. So wie sie zum Baume kam, senkte sich der Apfel mehr und mehr, bis sie ihn erreichen konnte, und als sie ihn gefaßt hatte, sagte er ihr leise: "ziehe, bis du mich gepflückt hast." So pflückte sie ihn und steckte ihn in die Tasche und rief: "lebe wohl, mein süßer Schwiegervater, aber über die Hündin von Schwiegermutter möge alles Unglück kommen!" Drauf ging sie fort und kam nicht wieder.

Aschenputtel.

Es waren einmal drei Schwestern, die spannen mit ihrer alten Mutter Lein, und machten unter sich aus, daß die, welcher der Faden risse und die Spindel zu Boden fiele, von den andern aufgegessen werden sollte. Da fiel der Mutter die Spindel zuerst zu Boden, und sie verziehen es ihr und fuhren fort zu spinnen; darauf fiel sie ihr abermals, und sie verziehen ihr wiederum; als sie sie aber zum dritten Male fallen ließ, sagten die beiden ältesten Schwestern: "nun aber wollen wir sie aufessen!" Doch die jüngste wehrte ihnen ab und rief: "tut es nicht! tut es nicht! Wenn ihr durchaus Fleisch essen wollt, so schlachtet lieber mich und laßt sie am Leben." Die beiden älteren Schwestern hörten aber nicht auf die Bitten und Tränen der jüngeren, sondern schlachteten und kochten ihre alte Mutter, und als sie sich zu Tische setzten um sie zu essen, luden sie die jüngste ein mitzuessen. Sie aber setzte sich auf einen Holzsattel, der unter der Hühnersteige stand und ganz mit Hühnerkot beschmutzt war, und weinte und verwünschte ihre Schwestern. Als die älteren abgegessen hatten, ging sie hin und sammelte alle Knochen und Knöchelchen der Mutter, begrub sie bei der Aschengrube und beräucherte sie täglich mit Weihrauch. Nachdem vierzig Tage vorüber waren, wollte sie sie von dort wegnehmen und sie an einen andern Ort bringen; aber wie sie den Stein aufhob, unter dem sie lagen, wurde sie von dem Glanze geblendet, der ihr entgegenstrahlte, und statt der Knochen fand sie drei kostbare Kleider; auf dem einen war der Himmel mit seinen Sternen, auf dem zweiten der Frühling mit seinen Blumen, auf dem dritten das Meer mit seinen Wellen gestickt; und dabei lag ein großer Haufen von Geldstücken aller Art.

Das Mädchen ließ diese Sachen da, wo sie lagen, deckte wieder den Stein darauf und setzte sich, wie sie gewohnt war, auf den Holzsattel, der unter der Hühnersteige stand. Als ihre Schwestern heimkamen und sie wieder dort sitzen sahen, machten sie sich über sie lustig und riefen sie bei dem Spottnamen Hühnerdrekkelchen, den sie ihr gegeben hatten.

Am nächsten Sonntag gingen die älteren Schwestern in die Kirche. Kaum waren sie aber weg, so wusch sich die jüngste, so schnell sie konnte, allen Schmutz ab, der an ihr war, zog das Kleid an, auf dem der Himmel mit seinen Sternen zu sehen war, steckte sich die Taschen voll Geldstücke und ging in die Kirche. Da staunte alle Welt über sie, und der Glanz, in welchem sie strahlte, blendete Aller Augen. Als die Kirche aus war, folgte ihr ein großer Haufen Volks, um zu sehen, wo sie hinginge; sie aber nahm das Geld mit vollen Händen aus ihren Taschen und streute es auf den Weg, um das Volk aufzuhalten, und kam so wirklich ungesehen nach Hause.

Dort schlüpfte sie rasch in ihre alten Kleider, und setzte sich auf ihren gewohnten Sitz, den Holzsattel, der unter der Hühnersteige stand. Als nun ihre Schwestern nach Hause kamen, sagten sie zu ihr: "komm her, du Ärmste, und laß dir erzählen von der schönen Dame, die heute in unsere Kirche kam; die war so schön, wie die Tochter der Sonne, und hatte dir Kleider an, die strahlten und glitzerten, daß einem davon die Augen weh taten, und unterwegs streute sie Geld aus. Da sieh her, wie viel wir gesammelt haben; wärst du mitgegangen, so hättest du auch welches sammeln können." Sie aber antwortete: "dummes Geschwätz! was kümmert mich die Fremde und ihre Goldstücke?"

Am andern Sonntag machte sie es gerade so, wie das erste Mal, und kam glücklich nach Hause, ohne daß es Jemand merkte.

Beim dritten Male verfolgte sie auch der Königssohn und war so nahe hinter ihr her, daß sie beim Laufen einen Pantoffel verlor und nicht Zeit hatte ihn aufzuheben. Der Königssohn sah ihn, und hob ihn auf, und darüber verlor er das Mädchen aus den Augen.

Der Königssohn hatte sich aber so sehr in die Unbekannte verliebt, daß er im ganzen Lande bekannt machen ließ, er wolle dasjenige Mädchen zur Frau nehmen, deren Fuß genau in den gefundenen Pantoffel passe. Er ging selbst in alle Häuser, um die Probe zu machen, doch es wollte ihm nirgends gelingen.

Das hörten auch die Schwestern des Hühnerdreckelchen und sprachen zu ihm: "dein Fuß ist so klein, geh doch einmal hin und probire den Pantoffel." Es wollte aber nichts davon hören und sagte: "wollt ihr etwa, daß ich den Pantoffel voll Hühnerkot machen soll, indem ich ihn anprobire?" Endlich entschloß sich der Königssohn, die Häuser der Reihe nach durchzunehmen, und kam so auch in das der drei Schwestern. Da luden dessen Begleiter auch die Jüngste ein, den Pantoffel zu probiren; die aber sagte: "ihr habt mich nur zum Besten." Sie ließen jedoch nicht ab ihr zuzureden, und so stand sie endlich von ihrem Holzsattel auf. Sowie sie der Königssohn erblickte, merkte er, daß sie die rechte sei. Es kostete ihm aber noch viele Mühe, bis er das Mädchen dahin brachte, den Pantoffel zu probiren, und siehe da, er paßte ihr vollkommen. Da rief der Prinz: "ich will dich zur Frau nehmen." Sie aber antwortete: "ich bin ein armes Ding, das solltest du nicht zum Besten haben." Doch er beteuerte ihr, daß es ihm Ernst sei, und als das Mädchen sich endlich davon überzeugte, ging sie hin, zog eins von den schönen Kleidern an und strahlte bei der Hochzeit in königlicher Herrlichkeit.

Es dauerte nicht lange, so wurde ihr Leib gesegnet, und als sie in die Wochen kam, benutzten ihre Schwestern, die auf ihr Glück neidisch waren, die Gelegenheit, um sie zu besuchen. Als sie zu ihr kamen, war gerade niemand anders im Gemache. Da steckten sie sie schnell in einen Kasten und warfen ihn in den Fluß.

Der Kasten schwamm aber auf dem Wasser, bis er an das Ufer getrieben wurde. Dort fand ihn eine Alte, mit deren Verstand es nicht ganz richtig war, und trug ihn zu ihrer Feuerstätte, um ihn als Brennholz zu benutzen. Wie sie ihn mit ihrer Axt zerhauen wollte, da sprang er von einander und die Königin setzte sich auf; darüber erschrak die Alte so sehr, daß sie auf und davon lief und nicht mehr wiederkam. Die Königin blieb also allein in der Wildnis und hörte rings umher die Wölfe heulen und die Eber grunzen und die Löwen brüllen. Da setzte sie sich nieder und weinte und bat den lieben Gott: "lieber Gott! gieb mir eine Hülle, um den Kopf hinein zu stecken, damit ich nicht das Geschrei der wilden Tiere zu hören brauche!" Der liebe Gott gewährte ihr, um was sie ihn gebeten hatte. Darauf rief sie abermals: "lieber Gott, mache die Höhle noch etwas größer, damit ich mit dem halben Leibe hineinschlüpfen kann!" und als ihr auch dieses gewährt wurde und sie merkte, daß sie erhielt, um was sie bat, da bat sie zum dritten Male um ein großes Schloß, mit aller zum Leben erforderlichen Einrichtung. Kaum war sie mit ihrer Bitte zu Ende, so saß sie auch schon in einem herrlichen, mit Allem wohlversehenen Schlosse, und aller Hausrat, der darin war, konnte reden, und antwortete auf ihre Fragen, und hörte auf ihre Befehle. Wenn sie hungrig war, so rief sie nur: "komm herbei, Tisch, mit allem nötigen Gedecke"; "kommt her, ihr Löffel, Messer, Gabeln, Gläser, Flaschen"; "kommt her, ihr Speisen!" und sogleich erschien Alles, wonach sie gerufen. Wenn sie aber abgegessen hatte, so rief sie: "seid ihr noch vollzählig? fehlt nichts?" und darauf erwiderte das Tischgeräte: "nein, es fehlt nichts."

Eines Tages verirrte sich der Königssohn auf der Jagd und geriet in jene Einöde. Als er nun das Schloß erblickte, ging er hin, um zu sehen, wer darin wohne. Er fand das Tor verschlossen und klopfte also an. Seine Frau hatte ihn schon von weitem erkannt; sie ließ es sich aber nicht merken, sondern rief: "wer klopft an der Pforte?" Er antwortete: "ich bins, mache auf!" Da rief sie: "öffne dich, Pforte!" und sogleich tat sich diese auf und er trat ein, stieg die Treppe hinauf und fand dort seine Frau auf einem Throne sitzend, aber er erkannte sie nicht. Da sprach er zu ihr: "guten Tag!" und sie erwiderte: "sei willkommen!" und sogleich rief auch das ganze Hausgeräte, was im Schloße war: "sei willkommen! sei willkommen!" Darauf rief sie einen Sessel herbei, und als dieser herangekommen war, lud sie ihren Gast ein, sich darauf zu setzen, und frug ihn nach der Ursache seines Besuches. Als sie hörte, daß er sich auf der Jagd verirrt habe, sagte sie ihm, er solle über Tisch bleiben und dann nach Hause zurückkehren.

Darauf rief sie den Tisch herbei, und dieser kam mit allem nötigen Gedecke. Dann sprach sie: "kommt, ihr Wasserkannen und Waschbecken und Handtücher, damit wir uns waschen!" Nachdem sie sich gewaschen: "kommt nun, ihr Speisen von zehnerlei Art!" und alles, was sie befahl, kam sogleich herbei.

Als sie abgegessen hatten, nahm der Königssohn heimlich einen Löffel weg und steckte ihn in seinen Stiefel. Wie sie aber von der Tafel aufstanden, rief die Hauswirtin zu seinem großen Schrecken: "Sage mir, Tisch, ob du dein ganzes Tischzeug hast?" Der antwortete: "ja!" "Sagt mir, ihr Löffel, ob ihr noch alle da seid!" Die aber sagten: "ja, bis auf einen!" und dieser rief: "ich stecke in dem Stiefel des Gastes." Die Wirtin aber tat, als habe sie es nicht gehört, und fragte abermals: "hört, ihr Löffel, seid ihr noch alle da?" Da warf der Prinz den Löffel heimlich weg und wurde dabei ganz rot. Sie aber rief: "warum wirst du denn rot? ich habe wohl gemerkt, was du getan hast, doch du brauchst dich nicht zu fürchten, denn ich bin deine Frau und so und so ist es mir ergangen."

Da herzten und küßten sie sich, und jedes erzählte dem andern alles, was sich mit ihm seit ihrer Trennung zugetragen. Darauf befahl die Königin ihrem ganzen Schlosse, sich nach der Hauptstadt ihres Gemahles auf den Weg zu machen, und sogleich fing das an, nach jener Gegend hinzurücken. Als die Leute in der Stadt hörten, daß ein großes Schloß herzuwandere, liefen sie alle heraus, um dies mit anzusehn, und als dasselbe endlich stille stand und der Königssohn mit seiner verlorenen Gemahlin heraustrat, entstand ein ungeheurer Jubel, und sogleich begannen große Festlichkeiten, um ihre Rückkehr zu feiern. Der Königssohn aber ließ die beiden Schwestern seiner Frau kommen und hieb sie mit eigener Hand in Stücke und lebte von nun an glücklich und zufrieden mit seiner Frau.

Von dem Schönen und vom Drakos.

Es war einmal ein Mann, der verpraßte seine Jugend in jeder Art von Lust und Vergnügen. Nachdem er sich aber ausgetobt hatte, entschloß er sich, zu heiraten. Seine Frau gebar ihm zwei Knaben, von denen der jüngste sehr schön war, und daher von seinem Bruder sehr gehaßt wurde. Als sie nun eines Tages zusammen in den Wald gingen, da packte der Ältere seinen Bruder, band ihn an einen Baum und ging seiner Wege, indem er hoffte, daß der schöne Knabe so verschmachten müsse.

Der Zufall wollte aber, daß ein alter und buckliger Schäfer mit seiner Heerde an dem Baume vorüberzog, an dem der Knabe gebunden war, und als dieser ihn erblickte, fragte er: "sage mir doch, mein Sohn, warum sie dich so an den Baum gebunden haben." Dieser antwortete: "weil ich sehr buckelig war, haben sie mich an den Baum gebunden, und davon ist mein Rücken ganz grade geworden." "Willst du mich nicht auch binden", sagte darauf der Schäfer, "damit auch mein Rücken grade werde?" "Ei warum sollte ich dir nicht den Gefallen tun?" antwortete der Knabe, "wenn du mich losbindest, so will ich dich daran binden, so gut ich es nur vermag." Da löste der Schäfer die Stricke, mit denen der Knabe gebunden war; er band nun den Schäfer an seiner Statt an den Baum; und mit dieser List nahm er dem Schäfer seine Heerde und zog damit fort. Darauf begegnete er einem Pferdehirten und betrog ihn um dessen Heerde, und dann begegnete er einem Ochsenhirten und nahm auch dem seine Heerde.

Durch diese und ähnliche Streiche wurde er nach und nach so berühmt im Lande, daß sein Ruf bis zu dem König drang und dieser neugierig wurde, den Menschen zu sehn, welcher alle Welt betrügen könne. Er befahl also seinen Leibwächtern, den Schönen einzufangen und vor ihn zu führen.

Als nun der Schöne vor den König gebracht wurde, sprach dieser zu ihm: "du hast durch die Streiche, welche du den Leuten gespielt, das Leben verwirkt; wenn du aber im Stande bist, mir das Flügelpferd des Drakos zu bringen, so will ich dir das Leben schenken; wenn du das nicht kannst, so lasse ich dich in Stücke hauen!" Da sagte der Schöne: "wenn es weiter nichts ist, das will ich schon holen." Er machte sich also auf, und ging grades Wegs in den Stall, wo das Flügelpferd des Drakos stand; so wie er aber die Hand ausstreckte, um es am Zaume zu fassen, da fing es, so stark es konnte, zu wiehern an. Der Stall war aber grade unterhalb der Stube, in der der Drakos schlief, so daß dieser von dem Wiehern des Gaules geweckt wurde und ihm zurief: "was hast du denn, mein Schätzchen, daß du so spektakelst?" Nach einer Weile versuchte der Schöne von neuem den Gaul loszubinden, der fing aber wieder so laut zu wiehern an, daß der Riese abermals aufwachte und den Gaul fragte, was er denn habe, daß er so spektakle. Als nun der Schöne abermals den Gaul abzubinden versuchte und dieser abermals wieherte und den Drakos zum dritten Male weckte, da wurde der böse, ging in den Stall, nahm eine Peitsche und gab dem Pferd eine derbe Tracht Schläge. Das verdroß aber den Gaul, und als sich daher der Drakos wieder niedergelegt hatte, und der Schöne von neuem versuchte, ihn abzubinden, so ließ er sich das ruhig gefallen. Da zog der Schöne den Gaul aus dem Stalle, setzte sich darauf, und rief, so laut er konnte: "he Drakos! Drakos! wenn dich einer fragt, wer dir deinen Gaul genommen habe, so sage, das sei der Schöne gewesen", und ritt darauf, so rasch er konnte, zum König.

Der König aber sagte ihm: "das Flügelpferd reicht mir nicht hin, du mußt mir auch die Bettdecke mit den Schellchen des Drakos bringen, sonst lasse ich dich in Stücke hauen." Da antwortete der Schöne: "wenn es weiter nichts ist; die will ich schon holen." Er ging also zum Hause des Drakos, stieg in der Nacht auf das Dach und öffnete die Dachluke, ließ die Kesselkette herab und versuchte mit dem Kesselhaken die Bettdecke herauf zu ziehen. Da fingen aber die Schellchen zu klingen an, und davon wachte der Drakos auf und rief: "Frau, du hast mich aufgeweckt!" und zog die Decke wieder an sich, und zugleich den Schönen aus der Dachluke herunter in die Stube. Da packte ihn der Drakos und band ihn und sprach zur Drakäna: "Morgen werde ich in die Kirche gehn, du aber mußt zu Hause bleiben und ihn schlachten und zurichten, und wenn ich aus der Kirche komme, so wollen wir ihn verzehren."

Als nun am andern Morgen der Drakos zur Kirche gegangen war, packte die Drakäna den Schönen, um ihn zu schlachten. Während sie ihn losband, sagte er zu ihr: "warte ein bischen, damit ich mich noch einmal vor dir verbeugen kann"; und wie sie ihm ein bischen Luft ließ, so daß er sich bücken konnte, da packte er sie bei den Beinen, riß sie zu Boden, schlachtete sie und steckte sie in den Backofen, den sie für ihn angezündet hatte; ihre Brüste aber schnitt er ab und hängte sie an den Nagel. Dann nahm er die Schellendecke und brachte sie dem Könige.

Der König aber sagte: "auch das ist noch nicht genug, du mußt mir den Drakos selbst holen, oder ich lasse dich in Stücke hauen." Da antwortete der Schöne: "auch das soll geschehen, aber du mußt mir dazu zwei Jahre Zeit lassen, damit mir der Bart wächst, und er mich nicht erkennt." Der König war das zufrieden, und nun wartete er zwei Jahre lang, bis ihm der Bart gewachsen war. Darauf machte er sich nach dem Hause des Drakos auf den Weg und begegnete einem Bettler, den fragte er, ob sie nicht ihre Kleider tauschen wollten; und da der es zufrieden war, so zog er dessen Kleider an und gab ihm dafür die seinigen. Darauf ging er grades Wegs in das Haus des Drakos und traf ihn, wie er grade einen Kasten zimmerte, und sprach: "guten Tag, deiner Herrlichkeit, gieb mir ein Stückchen Brot." Dieser aber sprach: "wart ein bischen, bis ich den Kasten fertig habe, dann gebe ich dir." Da fragte ihn der Bettler: "was hast du denn mit diesem Kasten vor?" Der Drakos erwiederte: "so und so ist es mir mit dem Schönen ergangen und darum habe ich diesen Kasten gemacht, um ihn hinein zu stecken, wenn ich ihn erwische." Da sprach der Bettler: "das ist in der Tat ein großer Bösewicht, denn der ist auch Schuld an meinem Elend und hat mich so herunter gebracht. Aber dein Kasten ist zu klein für ihn, denn er ist ein großer Mensch." "Ei was", antwortete der Drakos; "der Kasten ist ja für mich groß genug." Der Bettler sagte: "ja, aber der Schöne ist auch fast so groß wie du, geh her und probir's einmal, wenn du hinein gehst, so geht auch er hinein." Da legte sich der Drakos in den Kasten, und der Schöne machte den Deckel zu und rief: "drücke mal, um zu sehn, ob du den Kasten nicht sprengen kannst." Da drückte der Drakos, was er konnte, und rief dann: "er ist fest, mache nur auf!" statt dessen aber schlug der Schöne den Deckel mit Nägeln noch fester zu und schlug auch Nägel in die Bretter, damit er sich nirgends widerstemmen könne. Darauf lud er den Kasten auf den Rücken und trug ihn zum König. Dieser war aber so neugierig, den Drakos zu sehn, daß er ein Loch in den Kasten schnitt, um hinein zu sehn. Da, wo er das Loch schnitt, war grade der Mund des Drakos, und wie nun der König hineinsah, verschluckte ihn der Drakos auf einmal. Darauf nahm der Schöne die Königstochter zur Frau und wurde der König des Landes.

Vom eisernen Derwisch und dem Prinzen mit den drei Zwiebäcken.

Es war einmal eine Königin, die bekam keine Kinder, und war darüber sehr traurig. Als sie eines Tages vor ihrer Türe saß und über ihr Mißgeschick nachdachte, kam ein Derwisch zu ihr, und fragte sie: "warum bist du so traurig, Frau Königin?" Diese aber erwiederte: "gehe deiner Wege und frage mich nicht." "So sage mir's doch, vielleicht kann ich dir helfen." "Ich bin darüber so traurig, daß ich keine Kinder bekomme." "Wenn es weiter nichts ist, so kann ich dir helfen; wenn ich aber mache, daß du drei Kinder bekommst, giebst du mir dann eins davon?" Da rief die Königin: "wenn du machst, daß ich drei Kinder bekomme, so will ich dir gerne eins davon geben." Er gab ihr drei Äpfel, und als sie diese gegessen hatte, wurde ihr Leib gesegnet, und sie gebar drei Knaben, den einen nach dem andern.

Als die Knaben heranwuchsen und in die Schule geschickt wurden, kam eines Tags der Derwisch unterwegs zu dem jüngsten, gab ihm einen Apfel und sagte: "stecke ihn in den Busen, und wenn dich am Abend die Mutter auszieht und der Apfel auf die Erde fällt, da sage ihr: denke an das Versprechen, das du dem Derwisch gegeben hast."

Als am Abend die Mutter den Jüngsten auszog, fiel der Apfel zur Erde, und dabei fiel ihm der Auftrag des Derwisches ein, und er sagte zu seiner Mutter: "ein Derwisch hat mir diesen Apfel gegeben und mir aufgetragen, dir zu sagen, daß du dich an das Versprechen erinnern sollest, das du ihm gegeben hast." Die Mutter antwortete: "wenn er dir morgen wieder begegnet, so sage ihm, daß er zu mir kommen soll." Der Knabe tat, wie ihm geheißen, und als der Derwisch am andern Morgen zu ihm kam, sagte er ihm, was ihm seine Mutter aufgetragen hatte. Da ging der Derwisch zur Königin und verlangte von ihr einen ihrer drei Knaben. Die Königin aber beriet sich lange mit dem Könige, welchen von den dreien sie hergeben sollten; den ältesten? das ging nicht, weil er der erstgeborene war; den zweiten? – aber der war so klug und lernte so wacker; – den dritten? – aber der war ein so hübscher, lieber Junge. Sie wußten lange nicht, was sie tun sollten; endlich beschlossen sie, den jüngsten herzugeben, und auf dessen Schönheit nicht zu achten. Darauf sagten sie zu dem Derwisch, wenn die Knaben nach Hause kommen, so nimm denjenigen mit dir, auf den wir heimlich deuten werden.

Als nun die Knaben aus der Schule kamen und ihre Eltern begrüßt hatten, setzten sie sich der Reihe nach hin, und nun deuteten jene auf den Jüngsten. Da sagte der Derwisch zu diesem: "stecke mir die Pfeife an!" Der Knabe sah seinen Vater an, und da dieser nichts sagte, so tat er, was ihm der Derwisch geheißen hatte. Nachdem aber der Derwisch seine Pfeife ausgeraucht, sagte er zu dem Knaben: "nimm meine Pfeife und komm mit mir!" "Ich will nicht", antwortete der Knabe; der König aber befahl ihm, mit dem Derwisch zu gehn, und der Knabe mußte gehorchen. Er folgte jedoch dem Derwisch nur eine Strecke weit, und entschlüpfte ihm dann. Dieser lief ihm nach, konnte ihn aber nicht fangen.

Der Knabe kehrte darauf nach Hause zurück, und als ihn seine Mutter fragte, wie er dem Derwisch entkommen sei, sagte er: "Ihr habt mich wohl dem Derwisch gegeben, um mich zu fressen? Ich habe aber keine Lust, mich fressen zu lassen; gieb mir Geld und ein Pferd, und ich will mich schon vorsehn, daß er mich nicht fängt." Da gab ihm seine Mutter ein gutes Pferd und einen Gurt voll Geld, und der Knabe ritt fort, so schnell, als das Pferd laufen konnte.

Nachdem er eine Zeitlang geritten war, geriet er in eine Gegend, wo drei Draken waren, die Menschen fraßen, und als er zur Wohnung des ersten kam, traf er Lamia, dessen Frau, über dem Brotbacken, denn der Drakos fraß jeden Tag einen ganzen Backofen voll Brot. Die Lamia verstand sich aber nicht auf das Backen, denn sie nahm den Teig und warf ihn auf die glühenden Kohlen. Da zeigte ihr der Prinz, wie man Brot bäckt, und die Lamia war darüber so erfreut, daß sie zu ihm sagte: "für die Guttat, die du mir erwiesen, will ich dich vor dem Drakos schützen, und dich in den Schrank verstecken, und wenn er mir schwört, daß er dich nicht fressen will, so lasse ich dich heraus, wenn er es aber nicht tut, so bleibst du darin."

Als der Drakos nach Hause kam, rief er: "Lamia, bringe das Essen!" und war ganz vergnügt, denn er hatte unterwegs einen Menschen angetroffen und ihn gefressen. Die Lamia brachte ihm das Brot, und das schmeckte ihm vortrefflich, und als er fertig war, sagte er: "ach Lamia, heute habe ich so viel von deinem guten Brote gegessen, daß ich jetzt selbst Menschenfleisch stehn lassen würde." "Schwöre mir, daß das wahr ist", sagte die Lamia. Da schwor der Drakos, und darauf ließ sie den Prinzen heraus. Dieser verbeugte sich tief vor dem Drakos, küßte ihm die Hand und sprach: "ich bitte dich, errette mich von dem Derwisch, dem eisernen Manne." "Mein Kind", antwortete der Drakos, "der ist von Eisen und frißt selbst unsereinen; doch nimm diesen Brief und diesen Zwieback und gehe damit weiter abwärts zu meinem Bruder."

Da ging der Prinz weiter zu dem andern Drakos, und dort war es wie beim ersten, die Lamia verstund sich auch dort nicht aufs Brotbacken, er zeigte ihr, wie sie es machen solle, und die Lamia erwirkte ihm dafür Frieden von dem Drakos. Der Prinz bat ihn um Schutz vor dem eisernen Derwisch, der Drakos antwortete ihm aber gerade so, wie sein Bruder, doch gab er ihm einen Brief und einen Zwieback und sagte ihm, daß er damit weiter abwärts zu seinem Schwager gehn solle.

Wie er zu diesem kam, ging es ihm, wie die beiden ersten Male, denn auch hier war die Lamia seine Fürsprecherin bei ihrem Manne, und auch dieser gab ihm einen Zwieback und einen Brief und sagte: "du mußt nun noch eine Strecke weiter abwärts gehn, da wirst du an eine Quelle kommen; in diese wirf die Zwiebäcke und die Briefe und rufe: Leichter, Kluger und Schwerer, kommt heraus! und dann werden drei stattliche Kerle aus der Quelle hervorkommen, die allein im Stande sind, dich vor dem eisernen Derwisch zu schützen."

Da machte es der Prinz, wie ihm der Drakos gesagt hatte, er ging zur Quelle, warf die Briefe und die Zwiebäcke hinein und rief: "Leichter, Kluger und Schwerer, kommt heraus!" und sogleich sprangen die drei Löwen heraus und folgten ihm nach.

Nachdem er eine Zeit lang mit ihnen durch die Welt gezogen, erfuhr er, daß jenseits eines Sees eine Prinzessin allein mit ihren Mägden wohne. Er kaufte also das schönste Roß, was er finden konnte, ritt damit an den See und tummelte es dort, bis ihn die Prinzessin sah. Kaum aber wurde die ihn gewahr, so befahl sie ihren Mägden, den See mit der Rute zu schlagen, damit er sich teile, und der Prinz zu ihr hinüber kommen könne. Die Mägde taten, wie ihnen befohlen worden, und als sie ihn der Prinzessin brachten, nahm sie ihn zum Manne. Der Prinz vergnügte sich dort mit der Jagd und brachte allezeit viel Wild nach Hause, denn der Kluge wußte, wo es stand, der Leichte fing es, und der Schwere trug es nach Hause.

Der Derwisch aber suchte unterdessen in der ganzen Welt nach dem Prinzen und erfuhr endlich, wo er sei. Da kaufte er sich ein noch schöneres Pferd als jener, ritt damit zum Seeufer und tummelte es dort. Kaum erblickte ihn die Prinzessin, so befahl sie ihren Mägden, auch ihn herüber zu bringen. Da schüttelten die Mägde den Kopf und sprachen: "Frau, du hast ja einen sonnenentsprossenen Mann; was willst du denn mit jenem Raben anfangen?" Sie aber erwiederte: "ich will ihn, geht und holt ihn." Darauf schlugen die Mägde den See mit dem Stabe, bis er sich teilte, und der Derwisch hindurchreiten konnte. Als er zu der Prinzessin kam, sagte er zu ihr: "wir wollen den Mann aus dem Wege schaffen, den du hast, und dann sollst du mich heiraten; denn ich bin unsterblich und lebe ewig." "Wie sollen wir das anfangen?" fragte jene. "Am Abend mußt du mich in eine Truhe verstecken und nicht einschlafen, bis ich herauskomme und ihn totschlage." "Gut!" sagte sie.

Als das im Hause vorging, war der Prinz auf der Jagd, aber der Kluge verriet ihm, daß der Derwisch zu seiner Frau gekommen sei, und was sie mit einander ausgemacht hatten, und darauf sprach der Starke: "fürchte dich nicht, o Herr, du kannst ruhig schlafen, denn ich werde mich auf die Truhe setzen und ihn darin drücken, so stark ich kann." Als sie des Abends nach Hause kamen, ging der Starke stracks auf die Truhe zu und – plumps – ließ er sich auf sie fallen und blieb die ganze Nacht darauf sitzen, und drückte den Derwisch so, daß dieser sich nicht einmal umdrehen konnte.

Nachdem der Prinz und die Prinzessin zu Abend gegessen hatten, gingen sie zu Bett; der Prinz schlief fest, aber die Prinzessin tat kein Auge zu und wartete die ganze Nacht vergebens auf die Ankunft des Derwisches. Als am andern Morgen der Prinz auf die Jagd gezogen war, da ging sie in großem Zorne zur Kiste, öffnete sie und fragte den Derwisch, warum er nicht gekommen sei. Dieser aber antwortete: "ich weiß nicht, wie das zuging, aber ich konnte die Kiste nicht aufmachen, denn am Abend setzte sich etwas auf die Kiste und blieb die ganze Nacht darauf sitzen und drückte mich so, daß ich kein Glied rühren konnte. Am Abend mußt du mich in den Backofen verstecken und seinen Gefolgsleuten nicht erlauben, ins Haus zu kommen."

Doch der Kluge hörte auch dieses Gespräch und sagte es dem Prinzen auf der Jagd; der Schwere aber versetzte darauf: "fürchte dich nicht, o Herr! ich will mich vor das Ofenloch setzen und ihn drücken, wie gestern Nachts." Als sie am Abend von der Jagd zurückkehrten, wollte die Königin die Gefolgsleute nicht einlassen. Da bat sie ihr Mann und sprach: "lasse sie doch ein, sie tun dir gewiß nichts", und da konnte sie wohl nicht anders und mußte sie einlassen. Der Schwere ging aber stracks auf den Backofen zu und setzte sich mit dem Rücken an dessen Türe; da konnte sich der Derwisch die ganze Nacht über wiederum nicht rühren, aber auch die Prinzessin tat kein Auge zu, weil sie fort und fort erwartete, daß er kommen und ihren Mann totschlagen werde.

Als nun am andern Morgen der Prinz auf die Jagd gezogen war, da lief sie in großem Zorne an den Backofen und fragte den Derwisch, warum er nicht herausgekommen sei. Der antwortete: "Es ging mir in dieser Nacht, wie in der vorigen; aber ich sehe nun, daß es im Hause nicht geht und daß wir es im Freien versuchen müssen. Morgen mußt du deinen Mann nicht auf die Jagd lassen und ihn in einen verschlossenen Garten locken, seine Gefolgsleute aber aussperren und es so anstellen, daß er auf einen Fruchtbaum steigt. Für das Weitere werde ich dann sorgen."

Kaum hatten sie das ausgemacht, so sagte der Kluge zum Prinzen: "Herr! so eben haben sie sich verabredet, daß sie dich morgen in dem Garten totschlagen und uns davon aussperren wollen." Darauf sagte der Leichte: "fürchte dich nicht, o Herr! denn wenn der Derwisch morgen kommt und dich fressen will, so brauchst du uns nur zu rufen, dann springe ich über die Mauer, öffne den andern die Türe, und wir kommen und zerreißen den Derwisch in vier Stücke."

Am andern Morgen sprach die Prinzessin zu ihrem Manne: "Seit der Zeit, wo du hierher gekommen, bist du auch noch nicht einen einzigen Tag zu Hause geblieben, sondern hast mich stets allein gelassen, heute aber sollst du bei mir bleiben, und da wollen wir in unsern Garten gehn und Apfelsinen und andre Früchte pflücken." Der Prinz erwiederte: "wenn es dir Vergnügen macht, so wollen wir in den Garten gehn." Als sie aber zum Garten kamen und die Gefolgsleute des Prinzen ihnen in denselben folgen wollten, sprach die Prinzessin: "wenn diese da mitgehn, so traue ich mich nicht in den Garten und kehre um." Die drei blieben also vor dem Garten stehn, und die Prinzessin schloß die Türe zu.

Als sie eine Weile im Garten gewandelt waren, rief die Prinzessin: "sieh diese beiden Apfelsinen auf jenem Baume, steige hinauf und brich sie, die eine soll für dich und die andere für mich sein." Kaum war er aber oben, so erschien der Derwisch am Fuße des Baumes und rief: "habe ich dich endlich, du Hund, komme gleich herunter." Der Prinz erwiederte: "ich bin nun dein so wie so, lasse mich nur noch drei Worte sagen." "Nun so sage sie, aber schnell!" Da rief der Prinz: "Leichter, Kluger und Schwerer!" und wie ihn die drei rufen hörten, so war auch schon der Leichte über die Mauer gesprungen, hatte den andern das Tor aufgemacht und patt! patt! patt! kamen sie angetrappt, packten den Derwisch, der eine bei den Füßen, der andere bei den Händen, und rissen ihn in Stücke. Darauf töteten sie auch die Prinzessin, und der Prinz nahm eine von ihren Mägden zur Frau, und lebte von nun an herrlich und in Freuden.

Vom Prinzen, der dem Drakos gelobt wurde.

Es war einmal ein König, der bekam keine Kinder, und war darüber so betrübt, daß er einstmals ausrief: "ich wollte, ich hätte ein Kind, und möchte es auch der Drakos fressen." Und siehe da, auf diese Rede hin wurde der Leib der Königin gesegnet und sie kam mit einem Knaben nieder. Als aber dieser Knabe herangewachsen war, da trat der Drakos vor den König und sprach:

"gieb mir nun den Knaben, den du mir gelobt hast"; und dieser antwortete: "du sollst ihn haben." Darauf ließ der König seinen Sohn kommen und erzählte ihm die Sache, indem er sprach: "liebes Kind, so und so steht es mit dir, ich habe dich dem Drakos gelobt, und nun ist er gekommen, um dich zu holen." "Wenn dem so ist", antwortete der Sohn, "so will ich nicht warten, bis er wiederkommt, sondern hingehn und ihn aufsuchen und sehn, wer von beiden den andern tot schlägt."

Darauf nahm der Prinz ein Messer und zog fort, um den Drakos aufzusuchen. Als er eine Weile gewandert war, kam er an ein Gebirge, und als er das erstiegen hatte, und auf die Ebene herabblickte, die jenseits lag, sah er dort einen schwarzen Punkt, der sich bewegte. Da sagte er bei sich: "das wird der Drakos sein, ich will hin, und ihn entweder tot schlagen, oder von ihm gefressen werden." Er ging also mutig auf jenen schwarzen Punkt los; statt des Drakos fand er aber einen Löwen, einen Adler und eine Ameise, welche alle drei mit einander ein Aas gefunden hatten und nun nicht über dessen Teilung einig werden konnten. Als der Prinz sah, daß das nicht der Drakos war, da wollte er umkehren; sie riefen ihn aber herbei und sagten: "sei so gut und teile dieses Fleisch unter uns." Da teilte er es in drei Teile, einen großen, einen kleinern und einen ganz kleinen, und gab den großen dem Löwen, den kleinern dem Adler und den ganz kleinen der Ameise. Diese Teilung gefiel den drei Tieren und sie dankten daher dem Prinzen, als er Abschied von ihnen nahm; aber keines dachte daran, ihm für seine gerechte Teilung ein Gegengeschenk zu machen. Als er schon weit weg war, da fiel es der Ameise ein, und sie sprach daher: "hört, Gesellen, wollen wir denn dem, der uns so gut abgeteilt hat, zum Dank dafür nichts verehren?" "Du hast Recht", erwiederten die beiden andern; sie riefen ihn also zurück, und der Löwe sprach zu ihm: "du hast uns den Gefallen erwiesen und unter uns abgeteilt; wir wollen dir nun auch etwas Gutes dafür erweisen. Von mir aus gewähre ich dir, daß, wenn du zweimal: ›Löwe, Löwe!‹ rufst, du so stark werden sollst, als ich selber bin." Der Adler aber sprach: "und ich gewähre dir, daß, wenn du zweimal: ›Adler, Adler!‹ rufst, du zum Adler werden und wohin du willst, fliegen kannst, und wenn du sagst: ›Mensch, Mensch!‹ wieder zum Menschen wirst." Endlich sagte die Ameise: "Ich gewähre dir, daß, wenn du zweimal: ›Ameise, Ameise!‹ rufst, du zur Ameise wirst, und wohin du willst, kriechen kannst, und wenn du wieder: ›Mensch, Mensch!‹ rufst, du wieder zum Menschen wirst."

Da bedankte sich der Prinz bei den Tieren und wollte wieder nach Hause zurückkehren. Unterwegs kam er durch einen Wald, in dem die Schäferei eines Königs lag, und von dieser bis zu dessen Schloß war eine Stunde Wegs. In dieser Schäferei melkte man die Schafe, aber man konnte die Milch dem König nicht heiß ins Schloß bringen, um daraus Käse zu machen. Dieser hatte daher in seinem Reiche ausrufen lassen, daß, wer im Stande sei, die Milch aus der Schäferei heiß ins Schloß zu liefern, den wolle er zu seinem Schwiegersohne machen. Als der Prinz in die Nähe der Hürde kam, stürzten sich alle Hunde auf ihn, um ihn zu zerreißen, er aber sagte: "Adler, Adler!" und flog mitten in die Schäferei. Als ihn die Hirten sahen, wunderten sie sich und fragten ihn: "he, wie bist du hereingekommen, ohne daß dich die Hunde zerrissen haben?" Er aber sagte ihnen nicht die Wahrheit, sondern antwortete: "ich habe auf meinem Wege keinen Hunden begegnet." Als sie die Milch gemolken hatten und darüber sprachen, wie Schade es sei, daß sie keiner von ihnen dem Könige heiß bringen könne, sagte der Prinz: "gebt sie mir, ich will sie schon heiß hinbringen." Da spotteten die Hirten über ihn: "was! wir sind hier so viel gute Springer und können das nicht zu Wege bringen, und du solltest es im Stande sein?" Er aber sprach: "wenn ihr mir die Milch nicht gebt, so werde ich es dem König sagen, und der wird euch dafür strafen." Als sie das hörten, fürchteten sie sich und gaben ihm die Milch. Er ging also mit der Milch aus der Schäferei, und sie schützten ihn vor den Hunden. Als er so weit war, daß sie ihn nicht mehr sehen konnten, da rief er: "Adler, Adler!" verwandelte sich in einen Adler, nahm die Milcheimer in seine Krallen und flog geraden Wegs zum Schlosse des Königs. Dort klopfte er an das Tor, da ihm dies aber nicht schnell genug aufgemacht wurde, so rief er: "Ameise, Ameise!" verwandelte sich in eine Ameise, schlüpfte durch das Schlüsselloch und erschien vor dem König. Dieser wunderte sich, wie er hereingekommen sei; als er aber dann die Milch untersuchte und sie noch warm fand, da sagte er bei sich: "den werde ich zu meinem Schwiegersohne machen", und nachdem er ihn näher kennen gelernt hatte, gefiel er ihm so, daß er ihn wirklich mit seiner Tochter verlobte.

Grade um diese Zeit hatte sich aber gegen den König einer seiner Statthalter empört, und als er das hörte, sprach er zum Prinzen: "nun, Schwiegersohn, hast du Lust, statt meiner gegen diesen Empörer ins Feld zu ziehen?" und der antwortete, daß er es sehr gern tun wolle. Da versammelte der König ein großes Heer. Der Prinz aber sagte ihm: "ich brauche nur ein kleines, aber auserlesenes Gefolge", und nachdem er sich dieses ausgesucht, zog er damit gegen den Empörer. Als er nun mit dem feindlichen Heere zusammenstieß, da rief er: "Löwe, Löwe!" und ward so stark wie ein Löwe, vernichtete den Feind, nahm den Empörer gefangen und brachte ihn vor den König.

Darauf stellte der König die Hochzeit des Prinzen mit seiner Tochter an, und sie wurde mit größter Pracht gefeiert. Bald darauf ging jedoch der Prinz eines Tages an die Quelle, um Wasser zu trinken, und wie er sich darüber bückte, da kam daraus der Drakos hervor und verschluckte ihn.

Als das der König erfuhr, tat es ihm sehr leid, sowohl seinetwegen, weil er einen so wackeren Schwiegersohn verloren hatte, als auch seiner Tochter wegen, weil sie ihren Mann so sehr liebte, daß sie schwerlich einen andern Mann heiraten dürfte. Daher beschloß er, sie zu täuschen. Er verbot, ihr den Tod ihres Mannes zu melden, und schickte in aller Eile durch die ganze Welt, um Einen zu finden, der jenem gliche. Als man einen solchen gefunden hatte, da brachte ihn der König selbst zu seiner Tochter und sprach: "siehe, da ist dein Mann unverhofft wiedergekommen." Seine Tochter aber merkte sogleich, daß das nicht ihr rechter Mann sei, und sagte: "nein, der ist es nicht." "Ei was", rief der König, "ich werde doch meinen Schwiegersohn wohl kennen, der ist es und kein anderer." Seine Tochter aber sprach: "nun, wenn er es wirklich ist, so soll er mit mir in die Nebenkammer kommen, damit ich ihn etwas frage." Darauf ging sie dorthin voraus; jener wollte ihr folgen, bevor er aber in die Kammer konnte, machte sie ihm die Türe vor der Nase zu, und rief von innen: "Wenn du wirklich mein Mann bist, so komme herein." Denn ihr Mann hatte ihr alle seine Gaben anvertraut. Als nun der Fremde erklärte, daß er das nicht könne, da kam sie wieder heraus und sprach zu ihrem Vater: "siehst du, daß das mein Mann nicht ist, aber nun mußt du mir auch sagen, was aus ihm geworden ist." Als nun der König sah, daß er sie nicht hintergehen könne, da sagte er ihr: "liebe Tochter, mit deinem Manne ist es so und so ergangen." Sie aber sprach: "ich will ihn wieder aus dem Brunnen holen, aber du mußt mir über der Quelle ein Schloß bauen und es mit lauter Äpfeln füllen lassen." Um seine Tochter zu trösten, tat ihr der König den Willen und ließ über der Quelle ein Schloß bauen und es mit Äpfeln füllen, und als es fertig war, zog die Prinzessin hinein.