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Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Der Knabe, der mit dem Riesen wettete. Der Knabe, der das Kind des Riesen in den Brunnen fallen ließ. Die Riesenstube, deren Dach aus bloßen Würsten bestand. Die Stube, deren Dach aus bloßen Käsen bestand. Das Schwert, die Goldhühner, die Goldlampe und die Goldharfe. Die Goldlampe, der Goldbock und der Goldpelz. Das Goldpferd, die Mondlampe, und die Jungfrau im Zauberkäfich. Der Halb-Troll, oder die drei Schwerter. Silfwerhwit und Lillwacker. Wattuman und Wattusin. Der Hirte. Das schöne Hirtenmädchen. Lilla Rosa und Långa Leda1. Jungfrau Swanhwita, und Jungfrau Räfrumpa1. Das schöne Schloß, östlich von der Sonne, nördlich von der Erde. Das Land der Jugend. Das Mädchen, das Gold aus Lehm und Schüttenstroh spinnen konnte. Die drei Großmütterchen. Das Schloß, welches auf Goldpfeilern stand. Die drei Hunde. Der Königssohn und Messeria. Der Königssohn und die Prinzessin Singorra. Das verzauberte Froschweibchen. Die Prinzessin in der Erdhöhle. Knös Lasse, mein Knecht! Der Skalundariese Stompe Pilt Alter Riesenhupf! Der Köhlernils und die Trollfrau Der arme Teufel Wie Smaland und Schonen entstanden sind Der Böse und Kitta Grau Die Herrin auf Pintorp Das Gespenst in Fjelkinge Die Lumme.
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Seitenzahl: 468
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Märchen aus Schweden
Inhalt:
Geschichte des Märchens
Märchen aus Schweden
Der Knabe, der mit dem Riesen wettete.
Der Knabe, der das Kind des Riesen in den Brunnen fallen ließ.
Die Riesenstube, deren Dach aus bloßen Würsten bestand.
Die Stube, deren Dach aus bloßen Käsen bestand.
Das Schwert, die Goldhühner, die Goldlampe und die Goldharfe.
Die Goldlampe, der Goldbock und der Goldpelz.
Das Goldpferd, die Mondlampe, und die Jungfrau im Zauberkäfich.
Der Halb-Troll, oder die drei Schwerter.
Silfwerhwit und Lillwacker.
Wattuman und Wattusin.
Der Hirte.
Das schöne Hirtenmädchen.
Lilla Rosa und Långa Leda1.
Jungfrau Swanhwita, und Jungfrau Räfrumpa1.
Das schöne Schloß, östlich von der Sonne, nördlich von der Erde.
Das Land der Jugend.
Das Mädchen, das Gold aus Lehm und Schüttenstroh spinnen konnte.
Die drei Großmütterchen.
Das Schloß, welches auf Goldpfeilern stand.
Die drei Hunde.
Der Königssohn und Messeria.
Der Königssohn und die Prinzessin Singorra.
Das verzauberte Froschweibchen.
Die Prinzessin in der Erdhöhle.
Knös
Lasse, mein Knecht!
Der Skalundariese
Stompe Pilt
Alter Riesenhupf!
Der Köhlernils und die Trollfrau
Der arme Teufel
Wie Smaland und Schonen entstanden sind
Der Böse und Kitta Grau
Die Herrin auf Pintorp
Das Gespenst in Fjelkinge
Die Lumme.
Märchen aus Schweden
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
www.jazzybee-verlag.de
Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com
Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).
Es war einmal ein Knabe, der Böcke hütete. Wie er im Walde herumirrte, kam er zur Stube des Riesen; als der Riese, der darin wohnte, Lärm und Geschrei in seiner Nachbarschaft hörte, kam er heraus, um zu sehen, was es gebe. Da nun der Riese, groß von Gestalt und grimmig von Aussehen war, ward dem Knaben bange, und er begab sich hinweg, so schnell er vermochte.
Abends, als der Hirtenknabe seine Böcke von der Weide trieb, war seine Mutter beschäftigt, Milch gerinnen zu lassen. Der Knabe nahm ein Stück vom frischen Käse, rollte ihn in die heiße Asche, und verbarg ihn sodann in seinem ledernen Quersack. Den folgenden Morgen ging er auf die Weide, wie es seine Gewohnheit war, und kam wieder zur Stube des Riesen. Als nun der Riese den Lärm des Hirtenknaben und seiner Böcke vernahm, ward er zornig, ging hinaus und ergriff einen großen grauen Felsstein, und zerdrückte ihn in der Hand, so daß weithin die Steinfliesen flogen. Der Riese sprach: "Wenn du nochmals hieher kommst, und dein Unwesen treibst, will ich dich so klein zermalmen, wie ich jetzt diesen Stein zerdrückte." Der Knabe ließ sich jedoch nicht erschrecken, sondern stellte sich, als ergreife er einen Stein, aber er nahm statt dessen den Käse, den er in die heiße Asche gerollt hatte, und zerdrückte ihn, so daß die Molke zwischen seinen Fingern floß, und auf den Boden niedertropfte. Der Knabe sprach: "Wenn du dich nicht entfernst und mich in Frieden läßt, will ich dich zerdrücken, wie ich das Wasser jetzt aus diesem Steine presse." Als nun der Riese erfuhr, daß der Hirtenknabe so stark war, fürchtete er sich und ging in die Hütte hinein. Damit schieden der Hirtenknabe und der Riese diesmal von einander.
Den dritten Tag begegneten sie sich wieder im Walde. Der Hirtenknabe fragte, ob sie von Neuem die Stärke miteinander prüfen möchten; der Riese willigte hierin ein. Der Knabe sagte: "Vater! ich denke, es ist ein guter Versuch für die Stärke, ob jeder von uns euer Beil so hoch werfen kann, daß es nicht wieder herabfällt." Der Riese bejahte, daß es so sein sollte. Sie sollten es nun erproben, und der Riese warf zuerst. Er schwang es mit aller Kraft, so daß das Beil hoch in die Wolken fuhr; aber wie er sich auch bemühen mochte, das Beil fiel immer wieder herab. Da sagte der Knabe: "Vater! ich glaubte nicht, daß eure Stärke so gering wäre. Wartet und ihr sollt einen bessern Wurf sehen." Der Knabe schwang es hierauf mit den Armen, gleichsam um es mit aller Kraft zu werfen; aber er ließ zu gleicher Zeit das Beil ganz schnell in den Quersack entwischen, der auf dem Rücken hing. Der Riese bemerkte nichts, sondern wartete lange, daß das Beil zu Boden fallen sollte; aber man hörte von keinem Beil. Nun dachte er bei sich, daß der Knabe sehr stark sein mochte, obschon er klein und zart gewachsen war. Hierauf schieden sie von einander, und begaben sich zu ihrem Wohnort.
Als einige Zeit verstrichen, begegneten sich der Riese und der Hirtenknabe von Neuem. Der Riese fragte, ob der Knabe, der so stark war, sich nicht in seinen Dienst begeben wolle. Der Hirtenknabe willigte hierin ein, verließ seine Böcke im Walde, und wanderte mit dem Riesen. Sie kamen solchergestalt zur Wohnung des Riesen.
Man erzählt, daß der Riese und der Hirtenknabe zum Walde gehen, und eine Eiche fällen sollten.
Als sie hingekommen, fragte der Riese, ob der Knabe halten, oder hauen wolle. "Ich will halten," sagte der Knabe; entschuldigte sich aber zugleich, daß er den Wipfel nicht erreichte. Da faßte der Riese den Baum an, und bog ihn zur Erde; als aber der Knabe fest halten sollte, sprang die Eiche zurück, und warf ihn hoch in die Luft hinauf, so daß ihm der Riese mit genauer Noth mit den Augen folgen konnte. Der Riese stand lange und wunderte sich, wohin sein Knecht gegangen, griff hierauf nach der Axt und begann selbst zu hauen. Als nun eine Stunde verstrichen, kam der Knabe hinkend herbei, denn mit genauer Noth war er entkommen. Der Riese fragte, warum er nicht gehalten; der Knecht aber stellte sich, als wenn nichts geschehen wäre, sondern fragte zugleich, ob der Riese einen ähnlichen Sprung zu thun wagte, den er jüngst gemacht hatte. Der Riese verneinte es. Da sagte der Knabe: "Vater! wenn ihr das nicht zu thun wagt, so mögt ihr selbst sowol halten, als hauen." Der Riese begnügte sich hiermit, und fällte allein die große Eiche.
Als der Baum nun heimgebracht werden sollte, sagte der Riese zu seinem Knechte: "Willst du am Wipfel tragen, so will ich an der Wurzel tragen."
"Mein Vater!" antwortete der Knabe, "tragt selbst am Wipfel, ich habe Kraft genug, das große Ende zu tragen." Der Riese willigte ein, und hob das schmale Ende der Eiche auf seine Schultern. Der Knabe aber, der hintennach war, rief, er solle den Baum besser hinvorrücken. Der Riese that, wie man ihm befahl, und trug zuletzt den ganzen Stamm im Gleichgewicht auf seinen Achseln; der Knabe aber hüpfte selbst auf den Baum hinauf, und verbarg sich unter den Zweigen, so daß der Riese ihn nicht sehen konnte. Der Riese begann nun zu wandern, und meinte, daß der Knabe am andern Ende trage. Als sie so eine Stunde gegangen waren, schien es dem Riesen eine schwere Arbeit zu sein, und stöhnte schwer. "Bist du noch nicht müde?" fragte der Riese seinen Knecht. "Nein, das bin ich nicht," entgegnete der Knabe. "Vater ist wol auch nicht müde, von so kleiner Bürde?" Der Riese wollte nicht zu erkennen geben, daß es so war, sondern setzte seinen Weg fort. Als sie nun heimgekommen, war der Riese von der Fahrt beinahe halbtodt. Er warf den Baum auf die Erde; der Knabe aber war indessen herabgesprungen und stellte sich, als trage er am großen Ende der Eiche. "Bist du noch nicht müde?" fragte der Riese. Der Knabe erwiederte: "O! Ihr dürft nicht glauben, Vater, daß ich von so kleiner Bürde ermüde. Der Stamm schien mir nicht so schwer, als daß ich ihn nicht auch allein hätte schneiden können."
Den andern Morgen sagte der Riese: "Wenn es tagt, werden wir uns hinausbegeben und dreschen." "Nein," antwortete der Knabe, "mir dünkt, es ist besser, in der Morgendämmerung zu dreschen, ehe wir das Mahl einnehmen." Der Riese kam mit ihm darin überein, ging fort, und holte zwei große Dreschflegel, von welchen er selbst den einen nahm. Als sie nun dreschen sollten, vermochte der Knabe seinen Dreschflegel nicht zu heben, so groß und schwer war dieser. Er ergriff daher einen Stock und schlug ebenso geschwind auf den Boden, als der Riese drosch. Der Riese merkte nichts, und fuhr solchergestalt fort, bis es Tag wurde. Da sagte der Knabe: "Nun wollen wir heimgehen, und das Mahl einnehmen." "Ja," sagte der Riese, "mir dünkt, wir haben eine saure Arbeit zur Lockspeise für die Mahlzeit gehabt."
Einige Zeit darnach schickte der Riese seinen Knecht, um zu pflügen. Er unterwies ihn zugleich: "Wenn der Hund kommt, sollst du die Ochsen losmachen, und sie einstellen, wohin er voraus geht." Der Knabe versprach zu thun, wie man ihm befohlen hatte. Als aber die Ochsen abgelöst waren, kroch der Hund des Riesen unter den Grundfesten in ein Gebäude hinein, zu welchem man keine Thür fand. Der Riese hatte damit die Absicht, zu erfahren, ob sein Knecht genug stark war, das Haus allein emporzuheben, und die Ochsen in ihren Stall einzustellen. Der Knabe sann sehr lange nach, was wol jetzt zu thun sei; zuletzt fand er Rath, schlachtete die Lastthiere, und warf ihre Körper durch das Kellerloch hinein. Als er nun heimkam, fragte der Riese, ob er die Ochsen in den Stall eingeführt. "Ja," antwortete der Knecht, "wol führte ich sie ein, obgleich ich sie umgetauscht."
Nun begann der Riese Verdacht zu hegen, und überlegte mit dem Riesenweibe, wie sie den Knecht aus dem Wege räumen könnten. Das Weib sagte: "Es ist mein Rath, daß du deine Keule nimmst, und ihn bei Nacht todt schlägst, während er schläft." Dem Riesen schien dies ein guter Rath zu sein, und er versprach zu thun, wie sie gesagt hatte. Der Knabe aber stand auf der Lauer, und horchte auf ihr Gespräch. Als nun der Abend kam, legte er ein Milchfaß in das Bett, und verbarg sich selbst hinter der Thüre. Um Mitternacht stand der Riese auf, ergriff seine Riesen-Keule, und schlug auf das Milchfaß, so daß ihm das Flüssige in's Gesicht spritzte. Hierauf ging er zu seiner Frau, lachte und sprach: "Ha, ha, ha, ich schlug ihn so, daß das Gehirn hoch auf an die Wand spritzte." Da freute sich das Weib, pries die Kühnheit ihres Mannes, und meinte nun, daß sie ruhig schlafen könnten, nachdem sie sich nicht weiter vor dem verschmitzten Knecht fürchten dürften.
Aber kaum war es Tag, als der Knabe aus seinem Versteck hervorkroch, hineinging und die Riesenleute grüßte. Nun war der Riese sehr verwundert, und fragte: "Wie? Bist du noch nicht todt? Ich dachte, ich schlug dich mit meiner Keule todt." Der Knabe antwortete: "Mich dünkte Nachts, als fühlte ich, als hätte mich ein Floh gebissen."
Am Abend, als der Riese und sein Knecht essen sollten, hatte das Riesenweib Brei zum Abendmahl bereitet.
"Das war gut," sagte der Knabe, "nun werden wir wetteifern, wer am meisten essen kann, Vater oder ich." Der Riese war sogleich bereit, und sie begannen Alles zu essen, was verzehrt werden konnte. Aber der Knabe war verschmitzt; er hatte seinen Quersack vor den Bauch gebunden, und steckte einen Löffel Brei in den Mund, während er zwei Löffel in den Quersack stopfte. Als nun der Riese sieben Schüssel Brei gegessen hatte, war er satt, so daß er schwer stöhnte und nicht mehr vermochte; aber der Knabe fuhr noch gleich eifrig wie vorher fort. Da fragte der Riese, wie es komme, daß er, der dem Wachsthum nach zart war, dennoch so viel verzehren konnte. Der Knabe erwiederte: "Vater! das will ich euch gerne lehren. Wenn ich gegessen habe, so viel mich gelüstet, schneide ich den Magen auf, so kann ich nochmal so viel essen." Bei diesen Worten nahm er ein Messer, und schnitt den Quersack auf, so daß der Brei herausrann. Der Riese hielt dieses für eine gute Erfindung, und wollte es gleichfalls machen. Als aber der Riese sein Messer in den Magen stieß, begann das Blut zu strömen, und am Ende mußte er gar daran sterben.
Als der Riese todt war, nahm der Knabe alle Habe, die sich in der Stube fand, und zog in der Nacht seines Weges. Und so endigt die Sage von dem verschmitzten Hirtenknaben und dem dummen Riesen.
Es waren einmal Riesenleute, die im Walde wohnten. Um ihre Stube herum waren üppige Wiesen, so daß das Vieh des Riesen immer gut gehalten war; aber die Leute in den nächsten angebauten Gegenden hatten schlechte und unfruchtbare Weiden. Dies verdroß sie, und sie ließen zuweilen ihr Vieh auf den Gründen des Riesen weiden. Dieses aber lief nicht immer gut ab; denn der Riese, welcher sehr grausam war, überfiel die Hirten und ermordete sie.
Nicht weit von dem Hofe des Riesen wohnte eine arme Frau, die hatte einen einzigen Sohn. Er war zart und klein gewachsen, aber sehr verschmitzt und dreisten Sinnes. Eines Tages sagte der Knabe zu seiner Mutter, daß sie drei Käse gerinnen machen sollte. Die Frau that nach seinem Begehren. Als nun die Käse fertig waren, rollte sie der Knabe in die Asche, so daß sie grau und widerlich aussahen. Hierüber wurde die Mutter verdrießlich, und schalt ihn aus, daß er die Gaben Gottes unnütz vergeudete. Der Knabe aber bat sie, sich zufrieden zu geben, sie könnte nicht wissen, was er im Sinne hätte.
Früh am Morgen zog der Knabe mit dem Vieh seiner Mutter zum Walde, und trieb das Vieh auf die Weideplätze des Riesen. Hier schweifte er ungehindert umher, so lange die Sonne am Himmel stand; gegen Abend rief er sein Vieh zusammen, und machte sich bereit, wieder nach Hause zu kehren. Aber während der Zeit hatte der Riese seinen Besuch wahrgenommen, und kam ihm jetzt mit großen Schritten entgegen. Der Riese war sehr erzürnt, und so grimmig anzuschauen, daß den Knaben trotz seiner Beherztheit die Angst befiel.
"Was thust du hier in meinem Gehege?" brüllte der Riese. Der Knabe antwortete, daß er gegangen war, um eine Weide für sein Vieh zu finden. Der Riese entgegnete: "Packe dich sogleich fort, sonst will ich dich zerdrücken, wie ich jetzt diesen Stein zermalme." Hierbei faßte er einen großen grauen Stein, der am Boden lag, und zerdrückte ihn, so daß der Stein in tausend Fliesen zerstob. Der Knabe sagte: "Du bist sehr stark; aber ich bin nicht geringer an Kräften, obschon ich klein gewachsen bin." Er nahm einen von seinen Käsen heraus, und drückte ihn, daß die Molke heraus rann. Als der Riese dieses sah, verwunderte er sich sehr, und meinte, daß darin irgend ein Betrug verborgen sein möchte. Der Riese nahm wieder einen Stein von der Erde, und zermalmte ihn in kleine Stücke, der Knabe aber nahm den andern Käse, und drückte das Wasser daraus, wie früher. Hierauf erneuerte sich das Spiel noch einmal, und der Knabe drückte das Wasser aus dem dritten Käse. Da sagte der Riese: "Ich dachte nicht, daß du so stark wärst. Folge mir zu meinen Hof, und diene mir treu, so werde ich dir drei Scheffel Gold geben. Aber wenn du nicht nach meinem Sinne bist, will ich drei breite Riemen aus deinem Rücken schneiden." Der Knabe erwiederte: "Dies scheint mir eine gute Bedingung zu sein, aber jetzt muß ich mein Vieh nach Hause treiben." Sie kamen dahin überein, daß sie sich den Tag darauf begegnen würden und hiermit endigte für diesmal ihr Gespräch.
Den andern Tag ging der Knabe zum Walde, und traf den Riesen, wie verabredet war. Sie gingen jetzt zur Stube des Riesen. Das Weib des Riesen aber war so groß, und von so barschem Aussehen, daß der Knabe sie mehr fürchtete, als den Riesen selbst.
Als eine Stunde verstrichen, sollten der Riese und sein Knecht zum Walde gehen, und Holz hauen. Der Riese sagte: "Weil du so stark bist, kannst du meine Axt tragen." Die Axt aber war so groß und schwer, daß der Knabe sie kaum heben konnte. Er entgegnete: "Vater! es ist besser, ihr tragt eure Axt selbst, so kann ich vorausgehen, und den Weg weisen." Hiermit war der Riese zufrieden, und sie zogen zur Stätte. Als sie nun zur Stelle kamen, blieb der Riese bei einem großen Baum stehen. Er sagte: "Weil du so stark bist, kannst du den ersten Hieb thun; ich will den andern thun." "Nein," erwiederte der Knecht, "ich bin nicht im Stande, mit einer so kleinen Axt zu hauen. Ihr könnt selbst den ersten Hieb führen, ich will dann den andern thun." Der Riese ließ sich hiermit zufrieden stellen, erhob die Axt, und hieb gewaltig in die Wurzel; der Hieb aber war so stark, daß der Baum mit einem starken Krachen zur Erde fiel. Der Knecht war solchergestalt befreit, diesmal eine Probe von seiner Stärke zu zeigen.
Da nun der Baum heimgebracht werden sollte, fragte der Riese: "Willst du am Wipfel oder an der Wurzel tragen?" Der Knecht antwortete: "Ich will am Wipfel tragen." Der Riese hob den Baum auf die Schultern, der Knabe aber rief, daß er sich besser beugen solle. Der Riese that, wie ihm gesagt wurde, und trug zuletzt das ganze Bauholz im Gleichgewicht auf den Achseln. Hierauf hüpfte der Knabe selbst hinauf, und verbarg sich unter den Zweigen des Baumes. Als sie nun zum Hofe gekommen, war der Riese sehr müde, der Knecht aber meinte, daß dieses kaum eine schwere Arbeit war.
Den Tag darauf sagte der Riese, daß er fortgehen wolle; der Knecht solle daheim bleiben, und der Mutter Butter machen helfen. Das Riesenweib nahm nun ein Butterfaß voll mit Milch; aber das Butterfaß war so groß, daß der Knabe den Stab des Fasses kaum zu heben vermochte. Er sagte: "Mutter! dies scheint mir eine leichte Arbeit zu sein, aber ich will gerne, daß ihr mir zeigt, wie ich mich dabei zu benehmen habe."
Das Riesenweib that nach seinem Begehren, und fing zu buttern an; der Knabe stand dabei, und sah zu. Gerade als dies geschah, begann das Riesenkind zu schreien. Da sagte das Weib: "Nimm die Kleine mit dir zum Brunnen, und wasche sie rein, ich will buttern, während du fort bist." Der Knabe ging und beeilte sich nicht. Als er nun zum Brunnen kam, und die Kleine waschen sollte, die kaum kleiner, als er selbst war, dünkte es ihm besser, daß er das Riesenkind in das Wasser hinabrolle und ertränke. Der Knecht meinte, es wäre ein geringer Schaden; dachte aber, daß es von nun an nicht räthlich wäre, länger bei den Riesenleuten zurück zu bleiben.
Als der Knabe wieder zur Stube kam, hatte das Weib zu buttern geendiget. "Du hast lange gezaudert," sagte sie zum Knecht, "aber was hast du mit meinem Kinde gemacht?" Der Knabe antwortete: "Ja, als ich es gewaschen hatte, sprang es zum Walde, um seinem Vater zu begegnen." "Ja so," antwortete das Weib, "dann kommen sie wol bald zusammen nach Hause." Gegen Abend kam der Riese vom Walde heim, und war sehr ermüdet. Das Weib rief ihm entgegen: "Vater! was hast du mit unserm Mädchen gethan?" Der Riese antwortete: "Ich habe kein Mädchen gesehen!" Da erschrak das Riesenweib, und begann fürchterlich zu schreien und zu jammern. Der Knabe sagte, daß er und der Riese fortgehen wollen, um das Kind zu suchen. Sie zogen nun in den Wald, und suchten auf allen Plätzen, konnten aber Niemanden finden. Als der Riese und sein Knecht lange umhergeirrt waren, kamen sie zuletzt an die Gränze von den Besitzungen des Riesen. Da sagte der Hirtenknabe: "Vater! ich bin jetzt nicht weit von der Heimat. Erlaubt mir, zu meiner Mutter zu gehen, die mich erwartet. Am Morgen will ich wieder kommen, und euch suchen helfen." Der Riese entgegnete: "Du kannst gehen, weil du mir so treu gewesen, komm aber bald zurück." Bei diesen Worten nahm der Riese drei Scheffel Gold hervor, und gab sie dem Knaben als Lohn für seinen Dienst. Der Knecht aber dankte ihm, und sagte, das nächste Mal wolle er noch besser dienen. Der Riese und der Hirtenknabe zogen nun jeder nach seinem Wohnorte. Der Knabe ging zu seiner Mutter heim, und gab ihr all das Vermögen, das er gewonnen, so daß sie von diesem Tage an reich und glücklich waren. Der Riese aber streifte im Walde umher, um sein Kind zu suchen. Dort gehen er und sein Weib, und suchen noch heut zu Tage.
Es war einmal ein armer Hintersasse, wie es viele wol gibt; der wohnte tief im Walde. Er hatte zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Eines Tages sagte der Hintersasse, daß sie ausgehen, und kleines Reis hauen sollten. Die Kinder gehorchten; der Knabe nahm eine Axt, die Schwester folgte ihm, und so zogen sie in den Wald, um Reis zu hauen, wie ihnen ihr Vater befohlen. Aber wie sie vorwärts und zurückwanderten, konnten sie zuletzt nicht den Weg nach Hause finden. Der Mittag kam, der Abend kam, und je länger es dauerte, desto mehr vertiefen sich die armen Kinder in die Wildniß. Da ward das Mädchen ängstlich, und setzte sich auf einen umgefallenen Baum, und weinte bitterlich; der Knabe aber war guten Muthes und tröstete seine Schwester, so gut er es vermochte. "Weine nicht" sagte er, "ich will für uns eine Hütte bauen; am Morgen, wenn es tagt, finden wir schon wieder heim." Gesagt und gethan; er nahm seine Axt, und baute eine kleine Hütte aus kleinen Reisern; das Mädchen trocknete nun ihre Thränen ab, und so blieben sie über Nacht im Walde.
Am folgenden Morgen begannen die Kinder des Hintersassen wieder ihre Wanderung, aber eben so wenig wie den Tag vorher, konnten sie den Weg finden. Als sie nun Beide lange schon gewandert waren, ward das Mädchen müde und setzte sich nieder, und weinte bitterlich. "Weine nicht," tröstete der Bruder, "der Tag ist lang, und wir kommen wol heim, ehe die Sonne in den Wald geht." Das Mädchen sagte: "ich vermag nicht länger zu gehen, ich bin so hungrig, so hungrig." Der Knabe aber behielt seinen guten Muth, und meinte, er würde schon Hilfe für den Kummer finden. Er bat nun seine Schwester, zurückzubleiben, während er fortging, um ihr Nahrung zu verschaffen.
Als der Knabe eine Weile gewandert war, kam er zu einer kleinen Hölzung; mitten in der Hölzung war eine kleine Stube, deren Dach aus bloßen Würsten bestand. Da ward er frohen Sinnes und schlich ganz nahe hin, um zu sehen, ob er zu der schönen Speise kommen könnte. Man vernahm nichts, und der Knabe erdreistete sich zuletzt, auf das Dach der Stube hinaufzukriechen. Er guckte in diese durch ein Rauchloch hinab, und sah einen alten Riesen, der darin zugleich mit seinem Weibe wohnte. Da wollte der Knabe sich hinweg begeben, aber der Riese bemerkte das Gepolter, und rief mit rauher Stimme: "Wer ist es, der auf meinem Dache zappelt?" Der Knabe antwortete mit schwacher Stimme: "Blos ein kleiner, kleiner Vogel." "Ja so," brummte der Riese, "dann kannst du keinen Schaden thun." Der Knabe nahm einen Bund Würste, und sprang schnell zu seiner Schwester fort, die während der Zeit mit großer Angst und Furcht seine Ankunft abwartete.
Es waren so einige Tage vergangen, ohne daß die beiden Geschwister irgend einen Mangel erlitten, obschon sie den Weg aus der Wildniß nicht finden konnten. Als nun der Speisevorrath zu Ende war, mußte der Knabe sich wieder nach dem Orte begeben, um mehreres herbeizuschaffen. Er schlich sich daher zu der Stube des Riesen, deren Dach aus bloßen Würsten bestand, und kroch leise auf das Dach hinauf. Aber der Riese hörte das Geräusch und rief mit barscher Stimme: "Wer ist es, der auf meinem Dache zappelt?" Der Knabe antwortete mit schwacher Stimme: "Blos ein kleiner, kleiner Vogel." "Ja so," antwortete der Riese, "da kannst du keinen Schaden thun." Der Knabe nahm hierauf einen Bund Würste, wie das vorige Mal, und sprang eilig zu seiner Schwester fort, die mit Unruhe abwartete, wie seine Fahrt ablaufen mochte.
Nach einiger Zeit sollte sich der Knabe wieder hinwegbegeben, um Nahrung für sich und seine Schwester herbeizuschaffen. Diesmal wollte das Mädchen mitgehen, um zu sehen, wie es sich zutrage. Der Knabe willigte lange nicht in ihr Begehren ein, und meinte, es wäre besser, er ginge allein. Aber die Schwester war beharrlich, und wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, behielt sie zuletzt recht. Als sie nun zur Stube des Riesen kamen, ward dem Mädchen bange, und begann zu weinen. "O! schweig," tröstete der Bruder, "du sollst sehen, es ist nicht so gefährlich." Er kroch hierauf auf das Dach, und warf die Würste seiner Schwester zu, die unten stand. Als der Riese das Geräusch hörte, brummte er wie früher: "wer ist's, der auf meinem Dache zappelt?" Der Knabe antwortete mit heller Stimme: "Blos ein kleiner, kleiner Vogel." Das Mädchen konnte aber jetzt ihr Lachen nicht mehr zurückhalten, sondern schrie laut: "Hi, hi, hi." Da wurde dem Knaben bange, und er wollte forteilen; in demselben Augenblicke aber glitt er aus, brach auf dem Dache das Loch ein, und er fiel über Hals und Kopf durch die Oeffnung hinab. Als das Mädchen dieses Unglück sah, erschrak es sehr, und floh eilig in den Wald zurück.
"Ja, nun sehe ich, was für ein kleiner Vogel du bist," sagte der Riese, als der Knabe durch das Stubendach herabfiel. Er sprach hierauf mit seiner Frau, und sagte: "Mutter! nimm den Knaben, und mäste ihn gut, daß wir in einigen Tagen einen guten Braten erhalten können." Das Riesenweib that, wie der Mann zu ihr gesprochen, ergriff den Knaben, und sperrte ihn in eine Stube ein. Hier fand er Nußkerne und süße Milch, so viel ihm zu essen gelüstete, und er wurde bald stärker und fetter, als er es vorher gewesen.
Es ging so einige Zeit vorbei, und der Riese wollte wissen, ob der Knabe schon hinlänglich gemästet war. Er ging daher zur Steige, und rief, daß der Knabe seinen Finger hervorstrecken sollte. Aber dieser ahnte Schlimmes, und streckte statt dessen eine Baumzwecke hervor. Der Riese griff darauf, und dachte, daß der Knabe noch sehr mager sein müßte, weil sein Fleisch so hart anzufühlen wäre. Der Riese ging nun zu seiner Frau, und sagte, daß der Knabe doppelt so viel Nußkerne und süße Milch erhalten sollte, als früher, was auch geschah.
Einige Tage darauf ging der Riese wieder zur Steige, um zu erfahren, ob der Knabe schon hinlänglich fett wäre. Dieser streckte eine Baumzwecke hervor, wie das vorige Mal. Der Riese wunderte sich sehr, daß der Knabe so wenig Fleisch habe, und ward auf seine Frau sehr verdrießlich. Aber das Riesenweib entschuldigte sich, und meinte, daß es wenig der Mühe lohne, ferner den Knaben zu mästen, weil er noch nicht fett geworden. Der Riese sagte: "Wenn es so ist, wie du sagst, will ich sogleich heute forteilen, und unsere Verwandten zum Schmause laden, du kannst unterdessen den Ofen heizen, und den Braten zubereiten." Dies schien dem Weibe ein guter Rath zu sein, und sie versprach zu thun, wie ihr Mann gesagt hatte. Hierauf sattelte der Riese seinen Zelter, und ritt seinen Weg.
Als der Riese fortgeritten war, zündete das Weib ein großes Feuer an, und machte den Ofen sehr warm. Sie holte den Knaben aus der Steige, und ließ ihn auf den Brotschieber setzen, um ihn in den Ofen einzuschießen. Aber der Knabe merkte, daß es sein Leben gelte, und fiel daher herab, so oft das Weib den Schaft der Backschaufel ergriff. Das Riesenweib wurde unwillig über eine solche Ungeschicklichkeit; der Knabe aber entschuldigte sich, daß er nicht recht wüßte, wie er sitzen solle. "Mutter!" sagte er, "setzt euch selbst auf den Brotschieber, so könnte ich es vielleicht lernen." Das Weib that, wie er gebeten, und setzte sich mit gekrümmtem Rücken auf die Schaufel. Sogleich war der Knabe bereit, faßte die Schaufel, und schoß das Weib in den glühendheißen Ofen hinein. Dies war der Tod des Riesenweibes. Als das Riesenweib todt war, raffte der Knabe in Eile zusammen, was er im Hause finden konnte, und ging hierauf, seine Schwester aufzusuchen. Er fand sie in der kleinen Reiserhütte, und jeder kann wol denken, was das für eine Freude war, als sie sich trafen, da sie nie mehr glaubten, sich einander wiederzusehen. Das Mädchen aber hatte während der Zeit sich von den Würsten ernährt, welche der Knabe vom Dache herabgeworfen hatte, als er von dem Riesen festgehalten wurde. Sie dachte nun, daß ihr Bruder längst aufgezehrt wäre, und hatte selbst die ganze übrige Zeit um ihn geweint.
Während sich alles das ereignete, kam der Riese wieder von seinem Ritt zurück, und wunderte sich, daß seine Frau ihm nicht entgegen ging, wie es ihre Sitte war. "Aber," dachte er im Stillen, "sie hat wol so viel mit dem Gastmahl zu schaffen, daß sie nicht abkommen kann."
Der Riese stieg nun vom Pferde, und ging hinein; aber das Weib kam nirgends zum Vorschein. "Vielleicht," meinte der Riese, "ist sie zum Walde gegangen; ich will unterdessen nach dem Braten sehen." Als er nun das Ofenloch öffnete, siehe, da saß sein eigenes Weib gebraten, und verbrannt im Ofen; der verschmitzte Knabe aber war entflohen. Als der Riese dies sah, und begriff, wie alles zugegangen sei, ward er so erzürnt, daß sein Herz barst, und er todt an der Feuerstätte niederstürzte.
Fern auf einem Berge im Walde wohnte eine böse Hexe, die, wie man behauptete, Kinderfleisch esse. Sie pflegte daher ihre Stube mit Käse zu bedecken, um damit kleine Knaben und Mädchen zu locken, die in der Nachbarschaft umherwanderten. Wenn sie aber irgend ein Kind gefangen, beatete sie es im Ofen und aß dasselbe auf. Nahe daran wohnte ein armer Hintersasse, der hatte einen Sohn, und eine Tochter. Als einst das Essen im Hause kaum hinreichte, sagte der Hintersasse eines Tags zu seinen Kindern, daß sie in den Wald hinausgehen und Beeren pflücken sollten. Die Geschwister gingen, und kamen zuletzt zu einem hohen Berg. Hier sahen sie eine Stube, deren Dach aus bloßen Käsen bestand. Da hielten die Kinder Rath mit einander, und überlegten, wie sie wol einen von den schönen Käsen bekommen könnten.
Der Knabe sollte nun sein Glück versuchen, und kroch leise auf das Dach. Als aber die Hexe das Geräusch vernahm, rief sie: "Wer ist's, der so knarpelt auf meinem Dache?" Der Knabe antwortete mit leiser Stimme: "Es ist blos Gottes kleiner Engel, Gottes kleiner Engel." "Knarple dann im Frieden," erwiederte die Hexe; der Knabe nahm so ein Stück Käse, und kam hierauf wohlbehalten wieder zu seiner Schwester.
Den andern Tag gingen die Kinder des Hintersassen wieder zum Berge, aber nun wollte das Mädchen durchaus ihrem Bruder zum Hause der Hexe folgen. Der Knabe stemmte sich dagegen; aber es half nichts. Als sie nun hinauf zum Stubendache gekommen waren und von den schönen Käsen zu nehmen begannen, rief die Hexe: "Wer ist's, der so knarpelt auf meinem Dache?" Der Knabe antwortete mit schwacher Stimme: "Es ist blos Gottes kleiner Engel, Gottes kleiner Engel." "Und ich, ich" fügte das Mädchen hinzu. Da übte die Hexe ihre Macht über die beiden Kinder, so daß das Dach entzwei brach, und sie über Hals und Kopf in die Stube herabfielen.
"Ja, das ist gewiß, und wahr, daß ihr Gottes schöne kleine Engel seid," sagte das Weib, als die Kinder durch das Dach herabrollten. Sie fügte hinzu: "Das ist gut, nun mache ich mir einen guten Braten." Eine Stunde darauf fragte sie: "Wie schlachtet eure Mutter ihr Schwein?" "Sie sticht es mit einem Messer," sagte das Mädchen. "Nein," verbesserte der Bruder, "sie schlingt ein blaues Band um seinen Hals, bis es erstickt." – "So will ich es auch machen," entgegnete die Hexe. Sie wickelte nun ein blaues Band zusammen, und schlang es um den Hals des Knaben, wobei dieser zu Boden fiel, als wenn er todt wäre. "Bist du nun todt?" fragte die Hexe. "Ja," antwortete der Knabe. "Nein," erwiederte das Weib, "du bist noch nicht wirklich todt; denn da könntest du nicht reden." Der Knabe entgegnete: "Ich will nur sagen, daß meine Mutter nie ihr Schwein zu schlachten pflegt, bevor dasselbe gemästet worden." – "So will ich es auch machen," sagte die Hexe.
Das Weib nahm nun beide Kinder, und sperrte sie in eine Steige ein. Einige Stunden darauf fragte sie: "Wie mästet eure Mutter ihr Schwein?" "Mit Trebern und Trank," sagte das Mädchen. "Nein," verbesserte der Knabe, "sie mästet es mit Nußkernen und süßer Milch." – "So will ich es auch machen," entgegnete die Hexe.
Eines Tages ging das Weib zur Steige, um zu sehen, ob die Kinder gutes Fleisch hätten. "Streckt den Finger heraus," rief sie, "damit ich fühlen kann, ob ihr genug gemästet seid." Das Mädchen that, wie das Weib befohlen. Der Knabe aber stieß sie schnell zurück, und streckte statt dessen eine Baumzwecke hervor. Die Hexe fühlte daran, und sagte: "Ihr seid sehr mager, ich will euch noch einige Zeit mästen." Sie gab ihnen hierauf doppelt so viel Nußkerne und süße Milch als vorher, so, daß sie weit mehr hatten, als sie davon verzehren mochten.
Nach einigen Tagen ging das Weib wieder zur Steige, um zu prüfen, ob die Geschwister schon hinlänglich fett seien. "Streckt einen Finger hervor", rief sie, "daß ich euer Fleisch befühlen kann." Der Knabe streckte nun einen Kohlstengel hervor, den er in der Steige gefunden. Die Hexe schnitt mit ihrem Messer hinein, und dachte, daß die Kinder fett genug wären. Sie nahm dieselben hierauf mit sich in die Stube, wo der Ofen geheizt und alles bereit war, um sie hineinzustecken.
Nun, sagte die Hexe, daß eines von den Geschwistern sich auf den Brotschieber setzen solle. Da ging das Mädchen hervor, und wollte thun, wie das Weib befohlen. Der Knabe aber stieß sie zurück, und setzte sich selbst statt ihr hin. Als ihn nun die Hexe in den Ofen schießen wollte, benahm er sich sehr ungeschickt, und fiel jedesmal herab, wenn das Weib den Schaft der Schaufel ergriff. Die Hexe ward sehr ungehalten darüber; der Knabe aber war verschmitzt, und bat sehr dringend, daß sie sich selbst auf den Brotschieber setzen, und es ihm zeigen wolle, damit es ihm das nächste Mal besser gelänge. Das Weib that nach seinem Willen, und setzte sich auf die Schaufel; aber der Knabe war schnell bereit, faßte den Schaft, schoß die Hexe in den Ofen, und versperrte das Ofenloch.
Die Kinder des Hintersassen nahmen nun alle Habe, die sie in der Stube fanden, und kehrten freudig zu ihrem Vater zurück. Ich weiß es aber nicht gewiß, ob die Hexe auch wirklich gebraten wurde, denn schwerlich hat Jemand das Ofenloch geöffnet, um darnach zu sehen.
Es war einmal ein armer Hintersasse, der hatte drei Söhne. Die beiden ältesten folgten ihrem Vater in den Wald und auf das Feld, und standen ihm bei der Arbeit bei; der jüngste Knabe aber hielt sich daheim bei der Mutter auf, und half ihr in ihren Geschäften. Deßwegen wurde er von seinen Brüdern gering geachtet, und sie verübten an ihm Schlimmes, so viel sie konnten.
Es geschah nach einiger Zeit, daß die Hintersassenleute starben, und die drei Söhne ihr Erbe theilen sollten. Da ging es, wie Jedermann wol denken kann, daß die älteren Brüder dasjenige nahmen, was von Werth war, und ihrem jüngeren Bruder nichts ließen. Als nun alles Andere vertheilt war, blieb nur ein alter zersprungener Backtrog übrig, den keiner in Besitz nehmen wollte.
Da sagte einer von den Brüdern: "Dieser alte Trog kann für unsern jüngsten Bruder passend sein, er backt und kocht so gerne." Der Knabe dachte wol, daß dies ein geringes Erbtheil sei, aber er mußte sich begnügen. Nach diesem Tage schien es ihm gleichwol nicht gut, daheim zu bleiben; er nahm daher Abschied von seinen Brüdern, und zog in die Welt hinaus, um sein Glück zu versuchen. Als er nun zum Seestrande kam, machte er mit Hanfwerg seinen Trog wasserdicht, und machte daraus ein kleines Boot, an welches er zwei Stöcke als Ruder befestigte. Hierauf ruderte er seines Weges.
Als der Knabe über den See gefahren war, kam er zu einem großen Königshof. Er ging hinein, begehrte mit dem Könige zu sprechen. Dieser fragte: "Woher stammst du, und was ist dein Gewerbe?" Der Knabe antwortete: "Ich bin der Sohn eines armen Hintersassen, der in der ganzen Welt nichts besitzt, außer einem alten Backtrog. Nun bin ich hierher gekommen, um Dienst zu suchen." Als der König dies hörte, lachte er, und sagte: "Da hast du ein geringes Erbe, aber das Glück wechselt oft wunderbar." Der Knabe wurde unter die Pagen des Königs aufgenommen, und von allen wegen seiner Kühnheit und Behendigkeit wohl gelitten.
Nun muß erzählt werden, daß der König, der über den Königshof herrschte, eine einzige Tochter hatte. Sie war sowol schön, als auch klug, so daß ihre Schönheit und ihr Verstand weithin gerühmt wurden, und Freier sowol von Osten als auch von Westen kamen, um sie zu begehren. Die Prinzessin aber wies sie alle ab, es sei denn, daß sie ihr zum Brautgeschenk vier kostbare Schätze bringen konnten, welche von einem Riesen an der andern Seite des Sees besessen wurden. Die kostbaren Schätze waren: Ein goldenes Schwert, zwei Goldhühner, eine Goldlampe und eine Harfe von Gold. Manche Kämpfer und Königssöhne waren fortgezogen, um diese Schätze zu gewinnen; aber keiner kam zurück, denn der Riese erhaschte sie alle, und aß sie auf. Dies hielt der König für schlimm; er fürchtete, es werde seine Tochter ohne Mann bleiben müssen, und er selbst nie einen Eidam bekommen, der sein Reich erben könne.
Als der Knabe hievon das Gerücht vernahm, dachte er im Stillen, daß es wol eines Versuches werth wäre, um die schöne Königstochter zu gewinnen. In solchen Gedanken ging er eines Tages zum König, und theilte ihm sein Unternehmen mit. Der König aber ward erzürnt, und sagte: "Wie willst du, der du ein geringer Junge bist, denken, dies auszuführen, was kein Kempe bisher vermochte?" Der Knabe blieb jedoch fest bei seiner Meinung, und bat um die Erlaubniß, sein Glück zu versuchen. Als nun der König seine Kühnheit sah, überwand er seinen Zorn und gab ihm Erlaubniß. Er sprach zu ihm: "Es gilt dein Leben, und ich will dich ungern verlieren." Nach diesem Gespräche schieden sie von einander.
Der Knabe ging nun zum Seestrande, suchte sein Boot auf, und sah sich genau auf allen Seiten um. Hierauf ruderte er über den See, und legte sich bei der Stube des Riesen auf die Lauer. Am Morgen aber, ehe es tagte, ging der Riese auf seine Dreschtenne, und drosch, daß es weit umher in den Bergen donnerte. Als der Knabe dies vernahm, sammelte er einen Haufen kleiner Steine in seinen Quersack, kroch auf das Dach hinauf und machte ein kleines Loch, so daß er hinabschauen konnte. Der Riese pflegte sein goldenes Schwert immer an der Seite zu tragen, und das Schwert hatte eine so wunderbare Eigenschaft, daß es jedesmal laut tönte, wenn er zornig wurde. Als nun der Riese im besten Dreschen war, warf der Knabe einen kleinen Stein, so daß er auf das Schwert fiel, wobei dieses einen starken Ton von sich gab. "Warum tönst du?" sagte der Riese unwillig, "ich bin ja nicht erzürnt." Er drosch wieder; doch das Schwert tönte von Neuem. Der Riese drosch weiter, und das Schwert tönte zum dritten Male. Da ward der Riese verdrießlich, schnallte es vom Gürtel ab, und warf das Schwert durch die Thür der Dreschtenne hinaus. "Lieg' dort," sagte er, "bis ich mit dem Dreschen zu Ende bin." Der Knabe aber wartete nicht, sondern kroch schnell vom Dache herab, ergriff das goldene Schwert des Riesen, sprang in sein Boot, und ruderte über den See. Hier verbarg er seine Beute, und freute sich, daß sein Abenteuer so gut abgelaufen.
Den andern Tag füllte der Knabe feinen Quersack mit Korn, legte ein Bündel Lindenbast in das Boot, und begab sich wieder zu der Stube des Riesen. Als er nun eine Weile auf der Lauer gelegen, sah er, wo die drei Goldhühner des Riesen an dem Seestrande gingen, und ihre Flügel ausbreiteten, so daß sie an der Sonne herrlich glänzten. Sogleich näherte er sich ihnen, lockte die Goldhühner so stille, so stille, und fütterte sie mit dem Korne aus seinem Quersack. Während die Vögel alles aßen, zog der Knabe sich in die Nähe des Wassers, und zuletzt waren alle drei Goldhühner in seinem kleinen Boote versammelt. Da sprang er schnell hinzu, stieß das Boot in das Wasser, und band die Goldhühner mit Lindenbast. Hierauf ruderte er eiligst hinweg, und verbarg seinen Raub am andern Ufer.
Den dritten Tag legte der Knabe eine Menge Salzstücke in seinen Quersack, und fuhr wieder über den See. Als die Nacht hereinbrach, bemerkte er, wie der Rauch über der Stube des Riesen emporwirbelte, und er schloß daraus, daß das Riesenweib beschäftigt war, das Essen zuzubereiten. Der Knabe kroch jetzt auf das Dach, spähte durch den Rauchfang und sah, daß ein sehr großer Topf über dem Feuer stand, und kochte. Da nahm er ein Salzstück aus seinem Quersack, und ließ es nach und nach in den Topf fallen. Hierauf schlich er sich vom Dache, und wartete ab, was geschehen würde.
Als eine Weile verstrichen, hob das Riesenweib ihren Topf vom Feuer, goß den Brei aus, und stellte die Schüssel auf den Tisch. Der Riese war hungrig, und fing sogleich zu essen an. Als er nun den Brei kostete, und merkte, daß er salzig und bitter war, stand er auf und ward sehr erzürnt. Das Weib entschuldigte sich, und meinten daß der Brei gut wäre; der Riese aber bat sie, selbst davon zu nehmen; ihm gelüstete nicht weiter von ihrem Gerüchte zu essen. Das Weib sollte nun den Brei kosten, aber sie grinste dabei recht böse; denn so schlechte Speise hatte sie früher nie zubereitet.
Das Riesenweib wußte sich jetzt keinen andern Rath, als einen neuen Brei für ihren Herrn zu kochen. Sie ergreift daher den Eimer, nimmt die Goldlampe von der Wand und eilt zum Brunnen, um Wasser zu holen. Als sie nun die Lampe auf die Kufe des Brunnens setzte, und sich niederbog, um Wasser herauf zu winden, war der Knabe gleich bei der Hand, faßte das Weib an den Füßen, warf es über Hals und Kopf in den Brunnen, und nahm die schöne Lampe mit sich. Hierauf entfloh er, und kam glücklich über den See. Während dem saß der Riese und wunderte sich, daß sein Weib so lange außen bleibe. Er ging zuletzt hinaus, um nachzusehen; aber Niemand war da, nur ein dumpfes Plätschern vernahm man aus dem Brunnen. Nun merkte der Riese, daß sein Weib in das Wasser gefallen, und half ihr mit großer Mühe wieder auf das Trockene. "Wo ist meine Goldlampe?" war des Riesen erste Frage, als das Weib wieder zu sich gekommen. "Ich weiß es nicht," antwortete das Riesenweib, "aber es schien mir, daß Jemand mich bei den Füßen faßte, und in den Brunnen warf." Da ward dem Riesen schlimm zu Muthe, und er sagte: "Drei von meinen Schätzen sind schon fort. Nun habe ich nichts übrig, außer meiner Goldharfe; aber die soll mir vor Dieben bewahrt bleiben, wer sie auch seien. Ich will die Harfe einschließen, unter zwölf Schlössern."
Während sich dieses bei dem Riesen ereignete, saß der Knabe am andern Ufer, und freute sich, daß Alles so gut abgelaufen war. Nun aber war das Schwerste zu bestehen, die goldene Harfe des Riesen zu gewinnen. Der Knabe sann lange nach, was hier gerathen wäre; er konnte aber keinen Ausweg finden. Er beschloß deßhalb über den See zur Stube des Riesen zu fahren, und dort die Gelegenheit abzuwarten, die sich eröffnen würde.
Gesagt, gethan. Der Knabe ruderte über den See, und legte sich auf die Lauer. Aber es kam anders; der Riese war wol auf seiner Hut, wurde des Knaben gewahr, sprang schnell hervor und ergriff ihn. "So habe ich dich nun endlich, du Dieb," sagte der Riese ergrimmt, "es ist Niemand anderer als du, der mein Schwert, meine drei Goldhühner und meine goldene Lampe gestohlen." Da ward dem Knaben bange, denn er glaubte, daß seine letzte Stunde gekommen wäre. Er antwortete demüthig: "Laß mir das Leben, lieber Vater! ich will nie mehr hieher kommen." "Nein," entgegnete der Riese "es soll dir so gehen, wie es den Uebrigen ergangen. Keiner entschlüpfte lebend meinen Händen." Der Riese ließ den Knaben in eine Steige sperren, und gab ihm Nußkerne und süße Milch, damit er gut gemästet werden möchte; bevor er geschlachtet und aufgezehrt werden sollte.
Der Knabe saß nun gefangen, aß und trank, und machte sich gute Tage. Nach einiger Zeit wollte der Riese wissen, ob er schon hinlänglich fett wäre. Der Riese ging daher zur Steige, bohrte ein Loch in die Wand und befahl dem Knaben einen Finger hervorzustrecken. Dieser aber merkte seine Absicht und streckte statt dessen, eine neu abgeschälte Erlenzwecke hervor. Der Riese schnitt hinein, so daß der rothe Saft aus derselben heraustropfte, da dachte er, daß der Knabe wol noch sehr mager sein müsse, nachdem sein Fleisch so hart anzufühlen wäre. Der Riese ließ nun dem Gefangenen noch mehr süße Milch und Nußkerne als früher geben.
Nach einiger Zeit ging der Riese wieder zur Steige, und gebot dem Knaben, seinen Finger durch die gebohrte Wand herauszustrecken. Der Knabe streckte nun einen Kohlstengel hervor, und der Riese schnitt mit seinem Messer hinein. Da meinte der Riese, daß der Gefangene hinlänglich gemästet sein mochte, da er so mürbes Fleisch habe.
Als der Morgen kam, sagte der Riese zu seinem Weibe: "Mutter, der Knabe ist sehr fett, nimm ihn heraus, und stecke ihn in den Ofen! Während dem will ich fortgehen, und unsere Verwandten zum Schmause laden." Das Weib versprach zu thun, wie ihr Mann gesagt hatte. Sie heizte den Ofen sehr warm, und ergriff den Knaben, um ihn hineinzustecken. "Setze dich auf die Backschaufel!" sagte die Riesenalte; der Knabe that es. Als aber das Weib den Schaft der Schaufel aufhob, taumelte er immer nieder, und so geschah es wol zehnmal. Zuletzt wurde das Riesenweib erzürnt, und schalt seine Ungeschicklichkeit. Der Knabe aber entschuldigte sich, daß er nicht wisse, wie er recht sitzen solle. "Warte, ich will es dich lehren," sagte das Weib, und setzte sich selbst auf die Backschaufel mit gekrümmtem Rücken und zusammengezogenen Knien. Kaum war sie hinaufgekommen, als der Knabe schon zur Hand war, den Schaft faßte, das Weib in den Ofen einschoß, und das Ofenloch zusperrte. Hierauf nahm er den Pelz des Riesenweibes, stopfte ihn mit Stroh aus, und legte ihn auf das Bett, nahm den Schlüsselbund des Riesen, öffnete die zwölf Schlösser, steckte die Goldharfe zu sich und eilte hinab zu seinem Boote, das am Seestrande im Wasser verborgen stand.
Nach einiger Zeit kam der Riese wieder heim. "Wo kann wol die Mutter sein," dachte er bei sich, als sein Weib nicht erschien; ja so, sie hat sich niedergelegt, um eine Weile zu ruhen, ich konnte es wol denken. Aber so lange das Weib auch schon schlief, wollte sie jetzt gleichwol nicht erwachen, obschon die Gäste bald erwartet wurden. Der Riese ging nun, sie zu wecken, und rief: "Wach auf, Mutter!" Aber Niemand antwortete. Er rief zum zweiten Male, aber noch keine Antwort. Da wurde der Riese mißlaunig und rüttelte sehr stark den Pelz, der im Bette lag. Nun merkte er erst, daß es nicht sein Weib war, sondern ein Strohbund, worüber man ihre Kleider gezogen. Bei dieser Entdeckung begann der Riese Schlimmes zu ahnen, und sprang hin, nach seiner goldenen Harfe zu sehen. Aber der Schlüsselbund war fort. Und als er zuletzt zum Ofenloch ging, um die Festmahlsspeise zu schauen, sieh! da saß im Ofen sein eigenes Weib gebraten, und grinste ihm entgegen.
Nun war der Riese außer sich vor Schmerz und Zorn, und stürzte hinaus, um sich an dem zu rächen, der an allem diesen Unglück Schuld war. Als er zum Strande kam, sah er, wie der Knabe in seinem Boote saß, und auf der Harfe spielte; die Harfenklänge aber tönten über das Wasser, und die goldenen Saiten glänzten ihm schön, wie die Sonne entgegen. Der Riese sprang nun in den See, um den Knaben zu ergreifen; aber dort war es zu tief. Er legte sich dann an's Land und begann zu trinken, um das Wasser auszuleeren. Als er dieses mit aller Macht trank, entstand dort ein solches Strömen, daß das kleine Boot immer näher und näher gegen das Land geführt wurde. Aber gerade, als der Riese es festnehmen wollte, hatte er zu viel getrunken, so daß er zerplatzte. Dies war der Tod des Riesen.
Der Riese lag nun todt am Lande; der Knabe aber ruderte mit großer Lust und Freude über den See zurück. Als er zum Strande kam, kämmte er sein schönes blondes Haar, zog kostbare Kleider an, band das goldene Schwert des Riesen an seine Seite, nahm die Goldharfe in die eine Hand und die Goldlampe in die andere, lockte die Goldhühner nach sich her, und trat so ausgerüstet in den Saal, wo der König mit seinen Mannen zu Tische saß. Als der König den muthigen Jüngling sah, freute er sich sehr, und blickte ihn gnädig an. Der Knabe aber ging zu der schönen Königstochter, grüßte sie höflich und legte die kostbaren Schätze des Riesen vor ihr nieder. Nun herrschte große Freude im ganzen Reiche des Königs, daß die Prinzessin die Schätze des Riesen gewonnen, und dazu einen Bräutigam, so schön und hold, bekommen hatte. Der König ließ hierauf die Hochzeit seiner Tochter mit großen Pomp und Lustbarkeiten feiern; als aber der alte König starb, wurde der Knabe zum König im Lande ausgerufen, und lebte dort wol lange und glücklich.
Seitdem erfuhr ich nichts weiteres.
Es war einmal eine arme Witwe, die hatte drei Söhne. Die beiden ältesten gingen auf Arbeit aus, um sich den Unterhalt zu verschaffen. Daheim nützten sie gleichwol wenig, weil sie selten der Mutter Willen erfüllten, was sie auch sagen mochte. Der jüngste Knabe aber hielt sich immer im Hause auf, und stand der alten Witwe in ihren Geschäften bei; deßwegen wurde er von seiner Mutter sehr geliebt, von seinen Brüdern aber verfolgt, die ihm Spottweise den Schimpfnamen Pinkel gaben. Eines Tags sagte die alte Witwe zu ihren Söhnen: "Nun müßt ihr euch in die Welt begeben und euer Glück versuchen, so gut ihr könnt. Ich vermag euch nicht länger daheim zu ernähren, seitdem ihr älter geworden." Die Knaben antworteten, daß sie nichts besseres wünschten, da es der Mutter unangenehm wäre, daß sie zu Hause blieben. Sie machten sich hierauf bereit; begaben sich auf den Weg, und wanderten eine geraume Zeit umher, ohne daß sie irgend einen Dienst erhalten konnten.