Märchen aus Tschechien -  - E-Book

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Der lustige Schwanda. Das goldene Spinnrad. Der verrätherische Diener. Der Heiland unterwegs. Der Thiere Herbstgespräch. Wer hat die Tauben gegessen. Der Lange, der Breite und der Scharfäugige. Zitek, der Hexenmeister. Käthe und der Teufel. Die Teufelsfelsen. Rarasch und Schotek. Die Waldfrau. König Iltiß. Vom verstellten Narren. Die englische Prinzessin Afanasie. Der Kuckuck.

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Märchen aus Tschechien

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Märchen aus Tschechien

Der lustige Schwanda.

Das goldene Spinnrad.

Der verrätherische Diener.

Der Heiland unterwegs.

Der Thiere Herbstgespräch.

Wer hat die Tauben gegessen?

Der Lange, der Breite und der Scharfäugige.

Zitek, der Hexenmeister.

Käthe und der Teufel.

Die Teufelsfelsen.

Rarasch und Schotek.

Die Waldfrau.

König Iltiß.

Vom verstellten Narren.

Die englische Prinzessin Afanasie.

Der Kuckuck.

Märchen aus Tschechien

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Märchen aus Tschechien

Der lustige Schwanda.

Schwanda, der Dudelsackpfeifer, war ein lustiger Geselle, und wie jeder ordentliche Musikant, immer durstig, dabei ein großer Liebhaber des Kartenspiels, besonders des sogenannten Straschak.1 Hatte er den Zuhörern nach ihrem Gefallen vorgedudelt, machte er sich gern einen guten Tag, und sprach gewöhnlich solange dem Kruge zu, und setzte im Spiel, bis ihm Alles, was er verdient hatte, wieder aus der Tasche flog, und er so leer wegging, als er gekommen war. Dabei ergötzte er auch ohne Dudelsack die Gesellschaft mit seinen Späßen und witzigen Einfällen, so daß kaum Jemand die Schenke verließ, solange Schwanda dort war, und noch heutzutag pflegt man im Böhmischen statt: "Das ist ein Juks," zu sagen: "Das ist eine Schwande."

Es geschah eines Tages, daß Schwanda, nachdem er in Mokran am Kirchenweihfest von Mittag bis Mitternacht auf dem Dudelsack gepfiffen und manchen Silbergroschen erworben, den Dudelsack weglegte, trotz allem Drängen und Zureden des jungen Volks, das ihn bat, bis zum Morgen auszuhalten, und ihm reichen Lohn dafür verhieß. Schwanda verdroß es schon, nur fremder Fröhlichkeit zu dienen; er wollte auch sein Vergnügen haben. Er setzte sich daher unter die Nachbarn und begann auf eigne Rechnung zu trinken, und die Gesellschaft mit mancher Schnake und manch scherzhaftem Wort zum Lachen zu reizen. Endlich bekam er Lust, Karten zu spielen, und forderte die Nachbarn zum Straschak auf; doch fand sich wider Erwarten Niemand, der mit ihm gespielt hätte. Schwanda war nicht gewohnt, aus dem Wirthshaus zu geh'n, solang' er noch einen nicht verthanen Groschen in der Tasche hatte, und heut' hatte er sich hübsch viel Geld verdient, war also ungewöhnlich spiellustig. Dazu hatte er ein wenig zu tief in den Krug geguckt, und in seinem obern Stockwerk war es sichtbar nicht richtig. Er gab keine Ruh', er wollte spielen, und als er sah, daß ihm die Nachbarn durchaus nicht willfahrten, erhob er sich ärgerlich, bezahlte seine Schuld und verließ die Schenke. "In Dražic," sprach er unterwegs zu sich, indem er mit unsicherem Fuß dahinschritt, "dort ist Wallfahrt, und der Schulmeister und der Richter sind gern lustig und verachten ein Spielchen nicht. Ja, in Drazic will ich festsitzen, juchuchu!" Und dabei sprang er in die Höh' und schnalzte mit dem Daumen, daß er noch zehn Schritte forttaumelte, eh' er seinen Leib, da der Kopf allerdings etwas schwer war, in's Gleichgewicht brachte.

Die Nacht war hell, der Mond glänzte wie ein Fischauge. Da kam Schwanda an einen Scheideweg, und erschrak und blieb steh'n, als er zufällig die Augen erhob. Eine Schaar Geier und Raben flog in die Luft, und vor ihm stand ein kleines Gebäude aus vier Säulen, oben mit Querbalken, und von jedem Querbalken hing ein halbverwester Leichnam herunter. Schwanda merkte, er sei unter einem Galgen, wie deren damals eine Menge auf Feldern und Straßen aufgerichtet war, den häufigen Räuberhorden zum Schrecken. Da zeigte sich plötzlich ein Herr, nicht hochgewachsen, mit bleichen Wangen, in schwarzem Gewand, und fragte ihn, herantretend mit leiser Stimme: "Wohin so spät, Freund Dudelsackpfeifer?"

"Nach Dražic, schwarzer Herr!"

"Willst Du Dir mit Deinem Dudelsack nicht etwas verdienen?"

"Ei was, ich bin des Dudelns schon satt. Hab' mir einige Silbergroschen erpfiffen und will jetzt fröhlich sein."

"Was Silbergroschen! Wir wollen Dich mit Gold bezahlen!" sagte der schwarze Herr, und indem er eine Handvoll blinkender Ducaten hervorlangte, hielt er sie Schwanda vor die Augen hin. Der Dudelsackpfeifer war ganz überrascht; der Straschack war freilich eine große Lockspeise, allein das blinkende Metall hatte größere Macht über ihn und als ihn der schwarze Herr bei der Hand faßte, folgte er wie berückt. Schwanda'n dreht' es sich im Kopfe, und er wußte gar nicht, wo, wohin und wie lange ihn der Unbekannte führte; nur daran erinnerte er sich, daß er ihn öfters ermahnte, wenn ihm etwas angeboten würde, Geld oder zu trinken, so sollt' er nicht mit anderen Worten danken als: "Viel Glück, Bruder!" –

Auf einmal befand er sich in einer hellerleuchteten Stube, wo drei Herren beisammen saßen, die auf ähnliche Art gekleidet waren, wie sein Führer, und die große Haufen Goldes vor sich hatten, Straschak spielten, und tüchtig setzten. Dabei ging eine Kanne Wein in die Runde, woraus die Spieler einander zutranken.

"Brüder, ich bring' Euch Schwager Schwanda," sprach eintretend der Führer des Dudelsackpfeifers, "der im ganzen Lande so bekannt ist, und den zu hören wir schon lang' begierig waren. Ich hoff' Euch einen Gefallen zu erweisen; wir wollen ja heut lustig sein, wie sich's gehört, und die Musik wird uns auf's beste stimmen!"

"Wohl gethan!" rief einer der Spieler, und indem er sich zu Schwanda kehrte, sprach er: "Setz' Dich, Dudler, und trink zu!" und reichte ihm die Kanne mit Wein.

Schwanda nahm die Kanne, trank, stellte sie wieder auf den Tisch und sagte, indem er die Mütze abzog: "Viel Glück, Bruder!" so wie ihn sein Führer gelehrt.

"Und jetzt pfeif eins!" rief ein anderer der Spieler, und Schwanda setzte sich abseits auf eine Bank und blies seinen Dudelsack auf, während sich sein Führer zu den Spielern gesellte, einen mit Ducaten vollgepfropften Beutel aus der Tasche zog und ihn vor sich auf dem Tische ausleerte.

Da fing Schwanda's Dudelsack an zu pfeifen, und wunderbar war die Wirkung, welche die Musik auf die vier schwarzen Herren ausübte. Als ob sie gedoppeltes Leben durchströmte, geriethen sie auf einmal in lärmende Fröhlichkeit. Sie setzten rascher, die Ducaten flogen, und die Spieler jauchzten und rückten auf den Stühlen umher; ihr ganzer Leib bewegte sich, und es schien als ob jede ihrer Adern frohlockte. Die Kanne ging in die Runde, und auch Schwanda unterließ nicht, ihr häufig zuzusprechen. Das Wundersamste war jedoch, daß die Kanne niemals leer wurde und Niemand einschenkte. So oft Schwanda ein Stück beendigt hatte, erscholl ihm lautes Lob, und in seine Mütze regnete Gold, wofür er mit oft wiederholtem: "Viel Glück, Bruder!" nach Gebühr dankte. So währte es viele Stunden, bis Schwanda endlich einen Hüpfer zu dudeln begann, der den schwarzen Herren so in die Füße fuhr, daß sie vom Straschak ließen, sich plötzlich erhoben und sich mit wilden Sprüngen in der Stube herumtrieben, was sonderbar zu ihrem gesetzten Aeußern und den hohlen Gesichtern stand.

Schwanda hörte auf zu musiciren, der Dudelsack quiekte zum Schlusse und die Tänzer machten zuletzt noch einige Purzelbäume. Da trat Einer von ihnen zum Tische, und indem er des Dudelsackpfeifers Mütze nahm, schüttete er alles Gold, was da war, in sie und sprach, sie Schwanda reichend: "Da hast Du weil Du uns so köstlich erheitert!" Schwanda traute seinen Augen kaum; geblendet von dem Anblick solchen Reichthums, wußt' er vor Freude nicht, was anzufangen; er vergaß in seiner Verwirrung, wie er sich zu bedanken habe, und rief: "Vergelt' Euch's Gott tausendmal!" Noch hatte er nicht ausgeredet, so bedeckte ein Nebel seine Augen, und Alles, Stube, Karten und Herren, war verschwunden. –

Am folgenden Morgen fuhr ein Bauer Mist auf das Feld, und als er zu dem Scheidewege kam, wo der erwähnte Galgen stand, hörte er von ferne Töne. Er horcht, und je näher er kommt, um so gewisser wird er, das seien Dudelsacktöne; er horcht weiter, zweifelt wieder, bis er endlich das Stück erkennt und ruft: "Ei das ist Schwanda!" Als er unter den Galgen selbst kommt, vernimmt er, daß die Töne aus der Höhe schallen; er blickt empor, und sieh! auf einem Eck des Galgens sitzt Schwanda und pfeift eifrig auf dem Dudelsack, während der Morgenwind die Leichen der Gehängten hin und her bewegt.

"Ei, zum Kuckuk, Schwager Schwanda," ruft der Bauer, "was macht Ihr da oben?" Schwanda fährt zusammen, läßt den Dudelsack fallen, reibt sich die Augen, und indem er um sich schaut, gewahrt er mit Entsetzen, wo er sich befindet. Nicht ohne Mühe hilft ihm der Bauer herab und Schwanda, der indeß nüchtern geworden, erzählt ihm, was ihm begegnet. Er erinnert sich an die Ducaten, durchsucht die Mütze, kehrt die Taschen um, findet aber keinen Heller.

Der Bauer bekreuzt sich und sprach: "Euch hat der liebe Gott gestraft, und hat böse Geister über Euch gesandt, weil Ihr so gierig nach den Karten war't!"

"Ihr habt Recht," erwidert Schwanda, an allen Gliedern zitternd, "ich entsag' für immer dem Kartenspiel."

Er hielt Wort, und zum Dank, daß er ohne Schaden so großer Gefahr entronnen, hing er den Dudelsack, auf dem er den Teufeln zum Tanz gespielt, in seiner Geburtsstadt Strakonic2 als Opfergeschenk in der Kirche auf, wo er zum Andenken bis auf unsere Zeit blieb und Veranlassung gab, daß der Strakonicer Dudelsack sprüchwörtlich wurde. An einem Tag im Jahre, wo Schwanda auf dem Galgen den Teufel aufgespielt, soll er von selbst gebrummt haben.

Das goldene Spinnrad.3

Eine arme Wittwe hatte zwei Töchter, die Zwillinge waren. Sie glichen sich in ihrem Aeußeren so sehr, daß man sie nicht unterscheiden konnte. Um desto verschiedener waren sie in ihrem Wesen. Dobrunka4 war gehorsam, arbeitsam, freundlich und verständig kurz, ein überaus treffliches Mädchen; Zloboha5 dagegen war schlimm, rachsüchtig, unfolgsam, faul und hoffärtig, und hatte überhaupt alle Untugenden, die zusammen bestehen können. Dennoch hatte die Mutter Zloboha weit lieber, und erleichterte ihr's, soviel sie nur vermochte. Sie wohnten im Wald in einer kleinen Hütte, wohin sich selten wer verirrte, obwohl es nicht weit von der Stadt war. Damit Zloboha etwas lerne, brachte sie die Mutter nach der Stadt in einen Dienst, wo es ihr ziemlich gut erging. Dobrunka mußte indeß die kleine Wirtschaft führen. Wenn sie früh die Ziege gefüttert, das schlichte Mahl bereitet, Stube und Küche rein gekehrt und in Ordnung gebracht hatte, mußte sie sich noch, wofern's nicht nothwendigere Arbeit gab, zum Spinnrad setzen und spinnen. Ihr feines Gespinnst verkaufte dann die Mutter in der Stadt, und kaufte von dem Gelde nicht selten ein Kleid für Zloboha; die arme Dobrunka erhielt niemals das Geringste davon. Dessenungeachtet liebte sie ihre Mutter, und obwohl sie den ganzen Tag kein freundliches Gesicht von ihr bekam, noch ein gütiges Wort hörte, so gehorchte sie ihr doch stets ohne Unwillen und Widerrede, und murrte nicht einmal in Gedanken gegen sie.

Einst ging die Mutter in die Stadt. "Das rath' ich Dir, daß Du nicht müßig bist, während ich fort bin!" sagte sie zu Dobrunka, die ihr ein Stück Weges das Bündel mit dem Gespinnst tragen half.

"Ihr wißt ja, Mütterchen, daß ich mich nicht zur Arbeit nöthigen lasse, folglich werd' ich auch heut, wenn ich zuvor aufgeräumt habe, fleißig spinnen, daß Ihr mit mir zufrieden sein sollt."

Als sie der Mutter das Bündel gereicht, kehrte sie in die Hütte zurück, und nachdem sie in der Stube und Küche alles in Ordnung gebracht, setzte sie sich zum Spinnrad und spann. Es war ihre Gewohnheit, daß sie, wenn sie allein zu Hause war, beim Spinnen sang; drum begann sie auch diesmal, nachdem sie sich gesetzt, mit heller Stimme alle Lieder nach einander zu singen, die sie kannte. Da hört sie außen plötzlich Pferdegestampf. Sie denkt bei sich: "Wer mag sich zu uns her verirrt haben? Muß doch seh'n!" Sie steht vom Spinnrad auf, und guckt durch das kleine Fenster hinaus, wo sie einen jungen Mann vom feurigen Rosse absteigen sieht. "Das ist ein schöner Herr!" flüsterte sie für sich, indem sie fortwährend beim Fenster bleibt. "Wie gut ihm der Pelz und wie gut ihm die Mütze mit der weißen Feder zu den schwarzen Locken steht! Jetzt bindet er sein Pferd an und geht zu uns. Muß doch seh'n, was er will."

In dem Augenblicke trat der junge Herr zur Thür herein; denn damals gab's noch keine Riegel und Schlösser, und ging doch Niemand was verloren. "Gott grüß' Dich, Maid!" sprach er zu Dobrunka. "Euch gleichfalls, Herr!" entgegnete Dobrunka. "Was wünscht Ihr?" "Etwas Wasser zum Trinken, ich habe großen Durst." – "Will Euch sogleich dienen. Setzt Euch indeß!"

Sie lief, nahm den Krug, spülte ihn rein aus, schöpfte Wasser am Brunnen, und brachte es dem Herrn. "Möcht' Euch gern mit etwas Besserem aufwarten, doch ich hab' nichts Anderes." – "Sieh, wie mir's geschmeckt!" versetzte der Herr, ihr den leeren Krug reichend. Dobrunka stellte ihn wieder an seinen Platz, ohne zu bemerken, daß ihr der Herr indeß einen Beutel mit Geld heimlich unter das Kissen gesteckt. "Dank für die Erfrischung, und erlaubst Du, komm' ich morgen wieder." – "Wenn's Euch Vergnügen macht, so kommt!"

Hierauf reichte er Dobrunka die Hand, ging hinaus, schwang sich auf's Roß und ritt davon. Dobrunka setzte sich wieder zu ihrem Spinnrad, doch das Bild des jungen Mannes schwebte beständig vor ihr. Noch niemals war ihr der Faden so oft gerissen, als diesmal.

Abends kam die Mutter nach Hause, und erzählte eine Menge, was Zloboha schon kenne, und wie sie von Tag zu Tag schöner werde. Zuletzt fragte sie: "Hast Du nichts gehört? Es soll hier eine große Jagd gewesen sein."

"Ach ja, ich vergaß Euch zu sagen, daß ein Herr bei uns einkehrte. Er bat mich um etwas Wasser, das ich ihm sogleich brachte. Er hatte ein schönes Pelzkleid an. Wißt Ihr, als wir in der Stadt waren, sahn wir auch Herren in solchem Pelzanzug, eine Mütze mit weißer Feder auf dem Kopf. Um die Schulter trug er eine Armbrust. Wahrscheinlich war es einer von den Jägern. Nachdem er getrunken, setzte er sich auf seinen Rappen und ritt fort." Das jedoch verschwieg Dobrunka, daß er ihr beim Scheiden die Hand gedrückt und versprochen, morgen wiederzukommen.