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Seitenzahl: 254
Veröffentlichungsjahr: 2014
Märchen aus Ungarn
Märchen der Welt
Herausgegeben von Leander Petzoldt
FISCHER E-Books
Ein Junge fand einmal eine Erbse. Das ist freilich nichts Besonderes; aber unser Junge glaubte doch, jetzt sei er weiß Gott wie reich und es könne ihm an nichts mehr fehlen. Denn wenn er jetzt die Erbse säe, könne er in einem Jahre eine Maß, über zwei Jahre einen Kübel, über drei Jahre hundert Kübel, über vier Jahre tausend Kübel und so immer mehr und mehr davon haben.
Aber, fiel ihm ein, wohin sollte er dann seinen ganzen Reichtum schütten? Da wollte er doch gleich zum König gehen und ihn bitten, ihm tausend Säcke zu leihen.
Gedacht, getan. Der König hörte die Bitte des munteren Jungen freundlich an und fragte ihn ganz erstaunt, wozu er denn so viele Säcke brauche.
»Für meine Erbsen«, erwiderte der Junge keck und frohgemut.
Da dachte der König, der Junge müsse doch gewaltig reich sein, wenn er so viele Säcke brauche, und da er auch ein so frisches und hübsches Gesicht hatte und von schöner, schlanker Gestalt war, hätte er ihn gar nicht ungern zum Schwiegersohn gemacht, denn er hatte ein anmutiges Töchterlein, das schon in den richtigen Jahren stand, einen schmucken Bewerber zu erhören.
Doch er wollte nichts übereilen. So wies denn der König unserm Bauernjungen zunächst ein Lager von Stroh an, damit er darauf der Ruhe pflege. Er wollte ihn nämlich prüfen; denn er hatte gehört, wenn das Stroh unter einem Daraufliegenden immerfort raschle und rausche, und der Schläfer im Stroh keine Ruhe finde, so sei dies ein sicheres Zeichen, daß der ins Stroh Gebettete nicht arm sei.
Daher wies er einen Knecht an, bei der Tür zu lauschen, ob das Stroh, auf dem der Knabe lag, raschle.
Das war aber der Fall, denn unser Junge hatte im Stroh seine Erbse verloren. Deshalb warf er es durcheinander, daß des Raschelns und Rauschens kein Ende war. Als dies dem König berichtet wurde, war er darüber herzlich froh; denn nun zweifelte er nicht mehr, daß der hübsche Junge sehr reich sein müsse.
Deshalb sagte er am nächsten Tag zu ihm: »Wenn du nichts dagegen hast, so will ich dir meine Tochter zur Frau geben.« Ihr könnt euch nun wohl denken, daß der gute Junge nichts dagegen hatte, sondern gleich herzhaft einschlug, als ihm der König seine Hand entgegenstreckte.
So wurde denn Hochzeit gefeiert, und die nächsten Tage verflossen in eitel Jubel und Lust.
Als aber der König, nachdem die Festlichkeiten verrauscht waren, unsern Hans zur Seite nahm und ihm sagte: »Nun will ich aber einspannen lassen, damit wir zu deinem Schloß fahren und du uns alle deine Schätze zeigst«, da wurde es unserm Hans doch ein wenig bang, obwohl er sich nichts davon merken ließ, sondern ein frohes Gesicht dazu machte.
So wurde denn die goldene Königskarosse eingespannt. Der junge Prinz mußte sich zum alten König setzen, und fort ging es im munteren Trab der vier Rößlein hinaus vor die Stadt und in den Wald.
Auf die Frage des Königs nach der Richtung, in der das Schloß seines Schwiegersohns gelegen sei, machte dieser eine möglichst unschuldige Miene und deutete ganz keck nach Norden; denn eigentlich war ihm ja alles eins, weil er weder im Norden noch im Süden oder Westen und Osten ein Schloß sein eigen nannte.
Aber je länger man so dahinfuhr und je öfter der König fragte, wie weit es wohl noch bis zu dem Schloß sei, desto unruhiger rückte Hans auf seinem Sitz hin und her. Endlich hielt er’s nicht länger aus; er sagte zum König, er müßte nur geschwind mit einem nahen Förster ein Wörtlein reden; er werde im Augenblick zurück sein. Und er sprang aus dem Wagen und lief, so schnell er konnte, waldeinwärts, in steter Furcht, der Wagen des Königs werde ihm folgen.
Auf einmal hielt ihn jemand beim Rockzipfel fest und fragte ihn, wohin er denn so laufe. Junker Hans entgegnete rasch, er müsse seinem Schwiegervater und seiner Frau, der jungen Königstochter, davonlaufen, denn er solle sie in sein Schloß führen und er habe doch keines und sei ein armer Bauernjunge.
»Wenn’s so ist«, meinte der Fremde und lächelte ganz so höhnisch, wie der Teufel zu lächeln pflegt, »so brauchst du nicht davonzulaufen. Siehst du in der Ferne zwischen den Bäumen das Schloß? Das gehört dir und neun Schweine noch dazu. Nur eine Bedingung stelle ich: Wenn ich nach sieben Jahren wiederkomme und dir neun Fragen vorlege und du bleibst mir nur auf eine einzige die Antwort schuldig, so gehörst du mir mit Haut und Haaren, wie du bist. Ist’s dir recht?«
Unser Junker sagte nicht nein, denn er hatte Eile, und das Schloß in der Ferne nahm sich recht stattlich aus.
Der Fremde verschwand, und Hans lief eiligst zum Wagen zurück, wo der König und sein Töchterlein schon recht ungeduldig warteten und den Junker nicht eben freundlich empfingen.
Aber ihre Laune wurde rasch wieder besser, als man nun in das Schloß einfuhr, dessen Zinnen im Abendlicht glänzten und dessen Gemächer alle gar prächtig eingerichtet waren.
So lebte denn Hans mit seiner jungen Frau herrlich und in Freuden in dem schönen Schloß. Je näher aber das Ende des siebenten Jahres heranrückte, desto übler wurde es Hansen zumute, und als er so an einem Winterabend recht traurig durch den Garten ging und seine üble Lage bedachte, stand plötzlich ein altes Männlein vor ihm und fragte ihn freundlich, warum er wohl so in Gedanken sei.
Da faßte Hans Vertrauen und erzählte dem Alten ganz genau, wie es um ihn stehe und was ihn erwarte. Da meinte der Graue: »Fasse nur Mut; ich will dir schon gute Gedanken eingeben, daß du auf jede Frage die richtige Antwort findest.«
So war denn Hans getröstet, und als am letzten Jahrestage der Fremde aus dem Wald sich wirklich pünktlich einstellte, hatte Hans guten Mut und antwortete ganz keck und ohne Zaudern auf die Fragen des Teufels; denn der war es, dem er sich verschrieben hatte.
Die erste Frage aber lautete: »Was ist eins und ist viel wert?«
Prompt kam die Antwort: »Ein guter Brunnen auf dem Hof ist dem Hauswirt viel wert.«
Mit dieser Antwort war der Teufel zufrieden, und er fragte sogleich weiter: »Was ist zwei und läßt sich schwer entbehren?«
Flugs antwortete Hans: »Wer zwei gesunde Augen hat, dem steht die Welt und der Himmel offen; wer sie verliert, dem sind beide verschlossen.«
Nun fragte der Teufel, der schon ärgerlich wurde, weiter: »Was ist drei und läßt sich gut brauchen?«
Alsbald erfolgte die Antwort: »Wenn jemand eine gute dreizackige Gabel hat, so kann er gut essen und Heu machen.«
Und so ging’s fort, Frage um Frage und Antwort um Antwort.
»Was ist vier und ist sehr nützlich?«
»Wer vier starke Räder am Wagen hat und vier flinke Pferde davor, kommt rasch vorwärts.«
»Was ist fünf und ist ein nützlich Ding?«
»Wer fünf Ochsen hat, kann eine große Last auf seinen Wagen aufladen; denn wenn der vierte fällt, kann er den fünften einspannen.«
»Was ist sechs und macht glücklich?«
»Wer sechs Joch Acker besitzt, hat ein gutes Einkommen und braucht nicht betteln zu gehen.«
»Was ist sieben und ist was recht Gutes?«
»Wer sieben tüchtige Söhne hat, kann alle Arbeit im Jahr bestellen und sich dessen freuen.«
»Was ist acht und macht was Rechtes aus?«
»Acht Mädchen geben eine rechte Gesellschaft.«
Nun wurde der Teufel ganz wütend, denn er hatte sich niemals solcher klugen Antworten versehen.
»Warte nur«, sagte er, »nun kommt noch die neunte Frage, und wenn du darauf keine Antwort weißt, mußt du mit mir; es hilft dir kein Sträuben und Zappeln. Also, was ist neun und ist gleichfalls was Gutes?«
Da lachte Hans und sagte: »Die neun Schweine im Stall, die du mir versprochen hast, sind was Gutes, nicht wahr? Und die sind nun mein und das Schloß auch dazu.«
Da mußte der Teufel wohl oder übel Fersengeld nehmen, und Hans hatte nun Ruhe vor ihm und lebte mit der Königstochter in Glück und Frieden, und nach dem Tode seines Schwiegervaters wurde er sogar noch König.
Und alles nur durch eine Erbse, die er einst auf der Straße gefunden hatte. Ja, man soll kein Ding gering achten, mag es auch noch so klein und unscheinbar sein. Wer weiß, wozu es einst gut ist. Vielleicht wird man gar König wie unser Hans.
Wo war’s – wo war’s nicht? Weit über dem Operenzmeere war einmal ein König, der hatte drei Söhne und drei Töchter. Der König war sehr alt und stand schon mit einem Fuße im Grabe. Wie er nun nahe am Sterben war, ließ er seine Söhne rufen und sagte zu ihnen: »Hört, meine Söhne! Eure Schwestern müßt ihr dem ersten geben, der um sie anhält. Wenn ihr im Walde jagt, hütet euch vor dem großen Pappelbaum, und wenn ihr euch in der Nacht einmal dort verspätet, so geht nie und legt euch drunter schlafen.« Nicht lange drauf starb der alte König, und das Königreich kam an seinen jüngsten Sohn.
Einmal am Abend, wie sie alle zusammen beim Abendessen saßen, sagte jemand am Fenster: »Gebt mir doch eure älteste Schwester!« Die Söhne wollten dem Befehl ihres Vaters gehorsam sein und gaben sie ihm gleich durchs Fenster. Tags darauf um dieselbe Zeit forderte jemand die mittlere Tochter, die gaben sie dem auch. Am dritten Abend forderte wieder eine Stimme die jüngste, auch die steckten sie ihm zum Fenster hinaus. So waren nun die drei Königssöhne ganz allein.
Einmal gingen sie in dem Wald jagen, und wie es Abend wurde, waren sie zufällig grade unter dem Baum, den ihnen ihr Vater verboten hatte. Seine Warnung fiel ihnen wohl ein, aber sie wollten doch auch gern wissen, warum er’s ihnen verboten hatte. Sie legten sich also drunter schlafen, weil sie so müde waren, und der älteste Königssohn hielt Wache. Ein großes Feuer brannte, und er legte tüchtig nach; auf einmal merkt er, daß etwas an dem Feuer frißt und es nach und nach verzehrt. Wie er näher zusieht, sieht er, daß es ein großer Drache mit drei Köpfen ist. Gleich geht er mit dem Säbel auf ihn los, sie kämpfen eine Weile, am Ende aber besiegt er den Drachen, gräbt ihm eine Grube unter dem Baum und begräbt ihn darin. Als es wieder Tag wurde, standen die beiden jüngeren Brüder auf, aber von der Nachtgeschichte wußten sie nichts, und ihr großer Bruder sagte ihnen auch kein Wort davon.
Nach einiger Zeit gingen sie wieder in den Wald jagen und legten sich für die Nacht auch wieder unter den Baum. Diesmal wachte der mittlere Sohn, weil die andern schliefen. Auf einmal, wie er so mit gezogenem Säbel unter dem Baum auf und ab geht, merkt er, daß etwas am Feuer frißt und es verzehrt; wie er näher hinsieht, sieht er, daß es ein sechsköpfiger Drache ist. Gleich haut er mit dem Säbel nach ihm, lange kämpfen die beiden, aber am Ende tötete der Königssohn auch den Drachen und begrub ihn unter dem Baum. Am Morgen standen die andern Brüder auf, aber von dem, was in der Nacht geschehen war, wußten sie nichts.
Wieder übernachteten sie einmal unter dem Baum, da blieb der Jüngste Wache stehen. Weil er so mit blankem Säbel auf und ab geht, sieht er auf einmal, daß etwas am Feuer frißt und es verzehrt; diesmal merkt er’s aber erst, wie schon alles verzehrt war. Wie er genauer zusieht, sieht er, daß es ein neunköpfiger Drache ist. Wieder haut er gleich mit dem Säbel nach ihm, und sie kämpfen lange miteinander; zuletzt wird auch der Drache vom Königssohn besiegt und wie die vorigen unter dem Baum begraben.
Nun dachte der Königssohn aber gleich daran, wo er ein bißchen Feuer herkriegen könnte, und ging in den Wald suchen, wo er ein bißchen fände. Auf einmal sieht er ein kleines Licht flimmern; er geht also drauf zu, da sieht er, wie die Nacht sich mit der Morgenröte balgt. Da fragt er, warum sie sich balgten.
»Darum«, sagt die Morgenröte, »weil ich schon aufgehen möchte, die Nacht will’s aber nicht haben.« Da schnitt der Königssohn seine Hosenbundschnur auseinander und band sie jede an einen Baum. Nun ging er und nahm das kleine Licht, aber bis er dahin gekommen war, wo seine Brüder schliefen, war’s wieder ausgegangen. Nun mußt’ er sich noch einmal Licht suchen. So wandert er ohne Rast und Ruh durch den Wald: Auf einmal sieht er einen Fleck, da flackert ein gewaltiges Feuer himmelhoch.
Wie er hinkommt, sieht er drei Riesen um das Feuer liegen und schlafen. Zwischen denen geht er grade durch und faßt einen tüchtigen Feuerbrand; wie er aber umkehrt, da fällt dem einen Riesen ein brennendes Stück auf den Rücken. Der packt gleich den Königssohn und sagt zu dem zweiten Riesen: »Du, guck mal her, da hab ich ’ne Mücke gefangen!«
Sagt der andere: »Tu ihr nichts, das ist ja der kleine Königssohn; was sollen wir mit dem machen?«
Sagt der dritte: »Braten wollen wir ihn, braten und auffressen!«
Nun bat sie der Königssohn, sie möchten ihm doch nichts tun.
»Na!« sagt einer von den Riesen. »Wir wollen dir nichts tun, wenn du tust, was wir von dir verlangen.«
Der Königssohn versprach ihnen Gold und Gut, wenn sie ihn nur losließen. Sagt der größte Riese zu ihm: »Na hör’ einmal, der und der König hat drei Töchter; wir haben sie uns schon holen wollen, aber das ging nicht, denn da waren ein Hähnchen und ein Hündchen, die wittern gleich alles Fremde und melden es; wenn du uns nun die drei Königstöchter holst oder das Hähnchen und das Hündchen totschlägst, dann kannst du gehen, wo du hinwillst.«
Sagt der Königssohn: »Gut, das will ich tun; gebt mir nur einen Knäuel Bindfaden, das Ende laß ich hier, das muß einer von euch in die Hand nehmen; wenn ich dann den Faden anziehe, so kommt mir zu Hilfe.«
Nun ging der Königssohn fort ohne Rast und Ruh und war schon nahe an der Burg, da kam er an ein Wasser und wußte gar nicht, wie er drüberkommen sollte. Gleich zog er den Bindfaden an und gleich war auch einer von den Riesen da, der warf eine Eiche übers Wasser, da konnte der Königssohn hinüber.
Nun ging er ins Schloß; Hähnchen und Hündchen spürten nichts von ihm, weil der Wind grade entgegenwehte. Zuerst ging er in die Schlafkammer der ältesten Königstochter; da sah er sie auf einem kupfernen Bett liegen. Gleich zog er ihr den goldenen Ring vom Finger und steckte ihn an seinen. Weiter ging er in die nächste Kammer, da sah er die mittlere Königstochter auf einem silbernen Sofa liegen. Auch der nahm er den goldenen Ring und steckte ihn an seinen Finger. Nun ging er in die dritte Kammer, da sah er die jüngste und schönste Königstochter auf einem goldenen Sofa liegen. Auch der zog er den goldenen Ring vom Finger, aber er gewann sie auch zugleich sehr lieb, weil sie so schön war, und dachte gleich daran, wie er die Riesen umbringen könnte.
Er zog also den Bindfaden an, und gleich war auch ein Riese da und trat in das Haus. Nun war die Tür für seine Größe viel zu niedrig, so daß er sich bücken und den Kopf vorbiegen mußte. Den schlug ihm nun der Königssohn auf der Stelle so ab, als hätt’ er nie einen gehabt; seinen Leib aber schleppte er in einen Winkel. Nun zog er wieder den Bindfaden, da kam der zweite Riese, der bückte den Kopf ebenso, gleich schlug der Königssohn ihm den ab, ihn selber schleppte er in den Winkel neben den ersten. Zum dritten Mal zog er den Bindfaden, da kam der dritte Riese; auch mit dem macht’ er’s so, wie mit den andern.
Was sollte er aber jetzt machen? Auf einmal fiel ihm ein, daß er Morgenröte und Nacht nebeneinander an einen Baum gebunden hatte; auf der Stelle lief er hin und band sie los, gleich wurd’ es auch Tag. Dann ging er wieder unter den großen Baum, wo seine Brüder schliefen, und weckte sie. Da sagte der älteste Bruder: »Potztausend, Brüderchen, war das eine lange Nacht!«
»Ja«, sagte der kleine Königssohn, »gehörig lange, lieber Bruder!« Nun machten sie sich zusammen auf und gingen ohne Rast und Ruh, bis sie daheim waren.
Einmal sagte der kleine Königssohn zu den beiden älteren Brüdern: »Kommt, wir wollen uns Frauen suchen; ich weiß drei schöne Königstöchter.« Nun wanderten die drei ohne Rast und Ruh durch sieben und abersieben Länder, noch übers Operenzmeer. Da fanden sie eine Stadt, in der wohnten die drei Königstöchter.
Sagt der kleinste Sohn zu seinen beiden Brüdern: »Bleibt hier, ich will hinein und um die drei Königstöchter werben.« Seine Brüder blieben auch da, und er ging hinein; er war schon bis zum Schloßtor gekommen, wo der König wohnte. Da stand auf einmal ein Mann vor ihm und fragte ihn, wo er hinwollte. Er sagte: »Zum König; ich will für uns drei um seine drei Töchter werben.«
»Das ist nicht eher erlaubt«, sagte jener, »als bis er auf die Pauke hier geschlagen hat; und wenn er auf das, wonach sie fragt, nicht Antwort geben kann, so muß er sterben, wenn er auch tausend Seelen hat.«
Da schlug er drauf, sie fragte ihn allerlei über die Riesen, die er getötet hatte, und da antwortete er Wort für Wort auf die Fragen und bekannte auch, daß er sie erlegt hatte.
Da sagte der König zu ihm: »Wähle unter meinen Töchtern.« Gleich rief er die andern Brüder dazu, und so nahmen die drei die drei Königstöchter, natürlich kam auf ihn die jüngste; und da hielten sie eine so große Hochzeit, daß die braune Bratenbrühe von Lützelburg bis Michelburg floß. Der Vater der Mädchen hatte keinen Sohn, und darum übergab er das Königreich seinem jüngsten Eidam; aber er bat sich aus, daß sie zusammen wohnen möchten.
Nun wollte der kleine Königssohn einmal in das Königreich, das ihm sein Vater hinterlassen hatte, aber seine Gemahlin wollte er auch mitnehmen. Der alte König sagte: »Nimm sie nicht mit, mein Sohn, denn du behältst sie nur so lange, bis du an die Grenze kommst, da rauben sie sie dir den Augenblick.« Aber seine Gemahlin hatte doch auch große Lust, und so reiste sie doch mit ihm, und es begleiteten ihn wohl vierzig riesige Krieger. Auf einmal, wie sie über die Grenze gingen, rissen sie ihm die Königin so plötzlich aus der Kutsche, daß er gar nicht wußte, wie ihm geschah.
Da ging der jüngste Königssohn wieder vollends heim und sagte zu ihrem Vater: »Denk’ dir, Väterchen, sie haben mir meine Königin geraubt, grade wie mir mein königlicher Vater vorausgesagt hatte; aber ich werde nicht wieder ruhig, bis ich sie gefunden habe.« So bat er denn den alten König, er möchte ihm sagen, in was für ein Land sie seine Tochter wohl gebracht haben könnten. Der sagte aber: »Frage nur nach dem weißen Lande; wenn du sie da nicht findest, dann siehst du sie gewiß nicht wieder.«
So machte er sich denn auf den Weg und wanderte durch sieben und abersieben Länder; auf einmal kommt er an ein Schloß; er geht hinein, da findet er seine älteste Schwester, die fragt er: »Wohnst du denn hier?«
»Ja freilich«, sagte die; »mein Mann ist ein vierköpfiger Drache, mit dem leb’ ich, wie’s halt geht.«
Auf einmal kommt der Drache zu ihnen herein und sagt: »Grüß dich Gott, Schwager; wo willst du denn hin?«
»Ja, ich suche das Weißland auf; kann mir der Herr Schwager nicht sagen, wie weit’s dahin ist?«
»Ich wahrhaftig nicht«, sagte der Drache; »es müßte denn unter meinen Tieren eines davon was wissen.« Da rief er alle seine Tiere zusammen, aber keins hatte von Weißland auch nur gehört.
Da macht sich der Königssohn wieder auf den Weg und wandert ohne Rast und Ruh durch sieben und abersieben Länder; auf einmal kommt er an ein Schloß, er geht hinein, da trifft er seine zweite Schwester, deren Mann war ein achtköpfiger Drache. Fragt ihn der Schwager, wo er hinwolle. »Ja, Schwager«, sagte der Königssohn, »ich möchte gerne nach Weißland, wenn ich’s nur finden könnte; weißt du nichts davon?«
»Ich wahrhaftig nicht«, sagte der Drache; »es müßte denn unter meinen Tieren eins davon was wissen.« Gleich ruft er seine Tiere zusammen und fragt sie, ob sie Weißland nicht kennten, wie weit’s bis dahin wäre. Aber die sagten alle, sie hätten nicht einmal den Namen gehört.
Da macht sich der Königssohn sehr betrübt wieder auf den Weg und wandert weiter durch sieben und abersieben Länder. Auf einmal kommt er wieder an ein Schloß; er geht hinein, da sieht er seine jüngste Schwester sitzen, die noch jünger war wie er selber. Sie weinte und las in einem Buch; ihr Gatte war ein zwölfköpfiger Drache. Der fragte ihn auch: »Wo willst du hin?«
»Ja, Schwager«, antwortete der Königssohn, »ich will nach Weißland; hast du nichts davon gehört? Weißt du gar nichts davon, wie weit’s ist?«
»Ich wahrhaftig nicht«, sagte der, »es müßte denn von meinen Tieren eines was davon wissen.« Er rief also seine Tiere zusammen und fragte sie, ob sie nie etwas von Weißland gehört hätten; aber alle sagten, sie hätten nie was davon gehört. Auf einmal, wie die andern Tiere schon wieder weggelaufen waren, hinkte ein lahmer Wolf heran. Den fragte der Drache auch: »Hast du nichts von Weißland gehört?«
»I freilich«, sagte der Wolf, »ich habe mir ja dort das Bein gebrochen, wie ich ein Schaf holen wollte.«
»Na gut«, sagte der Drache zu ihm, »dann führe den Königssohn hier hin, du sollst auch ein paar Schafe dafür kriegen.«
»Nein, da geh’ ich nicht wieder hinein«, sagte der Wolf, »nicht um drei ganze Schafherden, höchstens bis an die Grenze begleit’ ich ihn.« Da kriegte der Wolf gleich ein Schaf zum voraus, auch der Königssohn aß sich erst satt, dann wanderten sie ohne Rast und Ruh durch sieben und abersieben Länder. Endlich führte der Wolf den Königssohn auf eine Bergspitze und sagte zu ihm: »Sieh, dort liegt Weißland; geh’ jetzt deinen Weg, ich kehre aber nun wieder um.«
So wanderte der Königssohn fürbaß ohne Rast und Ruh; endlich kommt er an eine kleine Quelle vor einer großen Stadt; da setzt’ er sich ein wenig hin. Das Wasser aus der Quelle aber machte jeden, der draus trank, auf der Stelle wieder ganz frisch. Auf einmal, wie er so dasitzt, sieht er seine Gemahlin mit einem kleinen goldenen Krug zu der Quelle kommen. Sie erkannten sich auf der Stelle wieder, umarmten sich und küßten sich. »Sieh, liebe Frau«, sagte der Königssohn, »ich bin nur um deinetwegen gekommen, um dich zu befreien.«
»Ja, aber wie das gehen soll, weiß ich wahrhaftig nicht«, sagte die Königin, »denn der weiße Ritter, der mich dir geraubt hat und bei dem ich jetzt noch bin, hat ein Pferd, das läuft so geschwind wie der Gedanke; und wenn ich mit dir fliehen wollte, so würde er uns ganz gewiß einholen, und dann ging’s uns allen beiden an den Kopf. Aber das kann ich dir jetzt sagen: Geh nur dahin, da ist eine alte Frau, die hat drei Stuten, das sind ihre eigenen Töchter; verdinge dich bei ihr als Kutscher, aber fordere keinen andern Lohn als erstens ein kleines Fohlen, dann einen alten Sattel, der liegt auf dem Oberboden und ist ganz voll Hühnermist, und drittens einen Zaum; wenn das Fohlen ausgewachsen ist, dann kannst du mich erretten, sonst nicht; denn meines weißen Ritters Pferd ist ebendaher, darum kann’s so geschwind laufen.«
So ging der Königssohn denn fort und wandert’ ohne Rast und Ruh bis dahin, wo die alte Frau wohnte. Da findet er auf einmal unterwegs einen kleinen Fisch auf dem Trocknen. »Tu mich wieder in den Teich, lieber Königssohn«, bat das Fischchen, »ich will dir’s auch vergelten.« Und so warf er das Fischchen wieder in den Teich; da gab es ihm dafür eine kleine Pfeife und sagte dazu: »Na, wenn du einmal in Not bist, dann blase nur auf der kleinen Pfeife, dann komm’ ich dir zu Hilfe.« Der Königssohn tat das Pfeifchen in seinen Sack und wanderte fort ohne Rast und Ruh. Auf einmal findet er eine Ameise, die kämpfte mit einer Fliege. »Schütze mich, lieber Königssohn«, sagte die Ameise zu ihm, »ich will dir’s auch vergelten.« Da rettete er die Ameise, und sie gab ihm auch eine kleine Pfeife; wenn er in Not käme, sollte er nur darauf pfeifen, dann wollte sie ihm zu Hilfe kommen. Auch die tat er in seinen Sack.
Weiter reiste der Königssohn ohne Rast und Ruh, da fand er einen lahmen Fuchs. »Ach, lieber Königssohn«, sagte der Fuchs, »tu ein wenig Pfeilkraut auf meinen Fuß und verbind’ ihn, ich will dir’s auch vergelten.« Der Königssohn legte von dem Kraut auf und verband den Fuß; da gab ihm der auch eine kleine Pfeife, auf der sollte er blasen, wenn er in Not käme, da wolle er ihm zu Hilfe kommen.
Auch die tat der Königssohn in seinen Sack und wanderte fort ohne Rast und Ruh, da traf er endlich die alte Frau, zu der ihn seine Gemahlin geschickt hatte, daß er ihr dienen sollte. Er ging nun zu ihr hinein und grüßte sie: »Guten Abend, alte Mutter!«
»Grüß Gott, mein Sohn!« sagte das alte Weib. »Was willst du hier?«
»Ja, ich suche einen Dienst, und da hab’ ich gehört, die alte Mutter braucht einen Kutscher.«
»Freilich brauch’ ich den«, sagte die alte Frau. »Verstehst du denn aber auch den Dienst? Denn da draußen auf den Pfählen stecken schon neunundneunzig Menschenköpfe; du wärst der hundertste, wenn du nicht bestündest.«
So verdingte sich der Königssohn auf ein Jahr als Kutscher, da galt aber ein Jahr bloß drei Tage. Am Abend setzte ihm die alte Frau eine gute Traumsuppe vor, und dann schickte sie ihn mit den Pferden hinaus.
Der Königssohn war nun sehr müde, darum legte er sich hin und schlief fest ein. Auf einmal wacht er auf und sieht, daß es schon Tag geworden ist, aber die Stuten sind nirgends zu sehen. Was sollt’ er nun machen? Da fiel ihm die kleine Pfeife ein, die ihm der Fisch gegeben hatte; er blies darauf, sogleich erschien das Fischchen. »Nun, was fehlt dir?« fragte es. »Ach, meine Pferde sind ja fort!«
»Na, sei nicht so traurig und komm mit mir.« So gingen sie ohne Rast und Ruh, da führte der Fisch den Königssohn an einen Teich; am Rande des Teiches schwammen drei Goldfische. »Siehst du«, sagte das Fischchen zu ihm, »das sind deine Pferde; wirf ihnen nur den Zaum über und dann setze dich auf.« Da schlug er sie mit dem Zaume, setzte sich auf und eilte heim.
»I, bist du hier?« sagte die alte Frau zu ihm.
»Ja, wohl bin ich hier, alte Mutter.«
Da ging die Frau in den Stall, nahm die Heugabel und warf ihre Stuten aus einer Ecke in die andre. »Ihr abscheulichen Biester«, sagte sie zu ihnen, »ihr seid wohl gar verliebt in euern Kutscher?«
»Ach, Mutter«, sagten die Stuten, »der kann mehr als Brot essen!«
Am anderen Abend schickte sie wieder den Jüngling mit den Stuten aus, und diesmal legte er ihnen noch Fußfesseln an, ehe er einschlief. Morgens wachte er auf, aber die Pferde waren fort. Er sucht sie überall, kann sie aber nicht finden; auf einmal fällt ihm das Pfeifchen ein, das ihm die Ameise gegeben hatte. Er zieht es aus dem Sack und bläst drauf; gleich ist auch die kleine Ameise da und fragt: »Na, was fehlt dir?«
»Ach, ich habe in der Nacht wieder meine Pferde verloren und kann sie nirgend finden.«
»Na, bleib nur ruhig, wir wollen hier auf den Hügelabhang gehen, da finden wir einen Ameisenhaufen, aus dem werden drei rote Ameisen herauskriechen, denen wirf nur den Zaum über den Kopf. Das sind deine Stuten.« Sie gingen hin, da fanden sie den Ameisenhügel, aus dem kamen drei rote Ameisen heraus; gleich warf er ihnen den Zaum an, da wurden sie wieder zu Pferden, und er ritt auf ihnen heim.
Die Alte sagte wieder: »I, bist du hier?«
»Ja, freilich bin ich hier, alte Mutter«, sagte er. Da ging sie wieder in den Stall und warf die Stuten tüchtig hin und her, weil sie sich so schlecht hätten verstecken können. »Ach, Mutter«, sagten die, »der kann mehr als Ihr!«
Am dritten Abend gab sie dem Königssohn wieder eine tüchtige Traumsuppe zu essen, dann schickte sie die Stuten mit ihm fort, aber vorher sagte sie ihnen, sie sollten gleich wieder heimkommen; heute wollte sie sie selber verstecken. Der Jüngling führte die Stuten wieder fort, legte sich hin und schlief ein.
Am Morgen wacht er auf, und die Pferde sind wieder weg. Überall sucht er nach ihnen, kann sie aber nirgends finden; da denkt er an sein Pfeifchen, das ihm der Fuchs gegeben hatte, bläst darauf, und gleich ist auch der Fuchs da. »Was fehlt dir, mein lieber Königssohn?«
»Ach«, sagt der, »denk dir, ich kann meine Pferde nirgend finden.«
Da sagt der Fuchs: »Ja, jetzt sind sie an einem sehr schwierigen Ort; alle drei sind in Eier verwandelt, die Alte sitzt und spinnt auf einem Stuhl, unter dem Stuhl steht ein Korb, und da liegen sie drin. Nun hat aber die Alte einen goldnen Hahn und eine goldene Henne im Hühnerhaus. An die will ich mich machen und ihnen den Kopf abbeißen; wenn die Alte dann vom Stuhl aufspringt, dann geh du gleich in die Stube und wirf die Eier mit dem Zaume, dann werden sie gleich wieder zu Pferden.«
So gingen sie ohne Rast und Ruh, auf einmal kamen sie an das Haus der Alten; der Fuchs schlich sich auf den Oberboden und würgte die Henne und den Hahn. Gleich sprang die Alte auf den Boden. »Husch husch, Fuchs; die Hunde kommen und wollen dein Blut!«