Märchen der Suaheli -  - E-Book

Märchen der Suaheli E-Book

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Die Hausfrau und die Katze. Die Katze und die Maus. Die gehörnten Tiere und die Hyäne. Der Affe und der Leopard. Der Löwe und der Hase. Der Hase und die Hyäne. Die Hyäne. Das Kind des Reichen und das Kind des Armen. Geschichten des Abu Nuwasi. Geschichten des Abu Nuwasi. Andere Geschichten des Abu Nuwasi. Eine Geschichte des Abu Nuwasi. Eine Geschichte des Koodini. Der Sultan und Abu Nuwasi. Muhemedi und seine Ankläger. Nimm keinen Rat an von einer Frau. Ein unartiges Kind muss man züchtigen. Der kluge Lehrer. Die Wette. Dijoni und Tarafu. Der König und sein Vezier. Der fromme Lehrer und seine Verführer. Mohamedi. Das bucklige Kind. Drei Worte. Die freie Frau und die Sklavin. Kibwana und die junge Herrin. Binti Matari Schemschi. Ein schwieriges Urteil. Die drei Blinden. Die Geliebte der drei Brüder. Der Geizhals. Versteck Dich nicht, um die Worte anderer Leute zu hören. Die drei Dummköpfe. Der Sultan Ediri und der Sultan Ndozi Der Sohn des Sultans und der Sohn des Kaufmanns. Der weite und der nahe Weg. Der Faule und der Fleissige. Der reiche und der arme Häuptling. Das Kind des Sultans und das Kind des Häuptlings Msiwanda. Der Sultan und der Kaufmann. Sehnsucht nach Vater und Mutter. Die Macht der Zauberei. Heirate eine Frau, die die Deinige bleibt, heirate keine, die andere belästigt; vergiss nicht den Freund Deines Vaters. Der Sultan und der Arme. Der König und seine Kinder. Die Geschichte von den drei Worten. Der Verstand der Frauen.

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Seitenzahl: 361

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Märchen der Suaheli

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Märchen der Suaheli

Die Hausfrau und die Katze.

Die Katze und die Maus.

Die gehörnten Tiere und die Hyäne.

Der Affe und der Leopard.

Der Löwe und der Hase.

Der Hase und die Hyäne.

Die Hyäne.

Das Kind des Reichen und das Kind des Armen.

Geschichten des Abu Nuwasi.

Geschichten des Abu Nuwasi.

Andere Geschichten des Abu Nuwasi.

Eine Geschichte des Abu Nuwasi.

Eine Geschichte des Koodini.

Der Sultan und Abu Nuwasi.

Muhemedi und seine Ankläger.

Nimm keinen Rat an von einer Frau.

Ein unartiges Kind muss man züchtigen.

Der kluge Lehrer.

Die Wette.

Dijoni und Tarafu.

Der König und sein Vezier.

Der fromme Lehrer und seine Verführer.

Mohamedi.

Das bucklige Kind.

Drei Worte.

Die freie Frau und die Sklavin.

Kibwana und die junge Herrin.

Binti Matari Schemschi.

Ein schwieriges Urteil.

Die drei Blinden.

Die Geliebte der drei Brüder.

Der Geizhals.

Versteck Dich nicht, um die Worte anderer Leute zu hören.

Die drei Dummköpfe.

Der Sultan Ediri und der Sultan Ndozi.

Der Sohn des Sultans und der Sohn des Kaufmanns.

Der weite und der nahe Weg.

Der Faule und der Fleissige.

Der reiche und der arme Häuptling.

Das Kind des Sultans und das Kind des Häuptlings.

Msiwanda.

Der Sultan und der Kaufmann.

Sehnsucht nach Vater und Mutter.

Die Macht der Zauberei.

Heirate eine Frau, die die Deinige bleibt, heirate keine, die andere belästigt; vergiss nicht den Freund Deines Vaters.

Der Sultan und der Arme.

Der König und seine Kinder.

Die Geschichte von den drei Worten.

Der Verstand der Frauen.

Der Sultan von der Insel und der Sultan vom Festlande.

Geschichte einer Frau, welche Vater und Sohn heiratete.

Eine alte Geschichte.

Sultan Harun Alraschid und sein Vezier.

Die List der Frauen.

Die Geschichte vom schlechten Menschen.

Der Zimmermann und das Amulett.

Kriegslist.

Kriegsrat.

Der Sparsame und seine Kinder.

Abu Nuwasi und der Vezier des Sultans.

Makame.

Ursprung der bösen Geister.

Ursprung der Zauberei.

Die Banyanen und der böse Geist.

Fragespiele.

Märchen der Suaheli

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Märchen der Suaheli

Die Hausfrau und die Katze.

Es lebte einmal eine Katze im Hause einer Frau. Eines Tages sprach die Hausfrau zu ihr: "Katze, ich werde Dich zu meinem Aufseher machen." Die Katze antwortete: "Ich bin damit einverstanden den Aufseher zu spielen; aber welcher Art soll die Wache sein, die Du mir übertragen willst?" Die Frau erwiderte: "Ich werde Dir die Wache dort in meiner Küche übergeben, wenn ich gekocht habe; Dir werde ich es überlassen, auf die gebratenen Fische Acht zu geben. Nämlich, wenn ich mit Kochen fertig bin, mache ich gerne ein kleines Schläfchen." Die Katze antwortete: "Ich nehme den Dienst an."

Eines Tages, als die Frau gekocht hatte, sprach die Katze zu ihr: "Lass die Bratpfanne offen stehen." Die Frau willigte ein und liess sie offen.

Sobald die Frau eingenickt war, schaute sich die Katze die Fische in der Pfanne an, und das Wasser lief ihr im Munde zusammen. Schliesslich sprach sie: "Ich werde sie essen." Als die Frau erwachte, entdeckte sie, dass in dem Topfe nichts mehr drin war. Sie sprach zu ihr: "Wie kommt denn das, warum ist nichts mehr in dem Topfe?" Die Katze antwortete ihr: "Gehen wir hin das Gesetz befragen, ob der, welcher den Aufseher spielt, nichts zu essen bekommt!" Die Frau schlug sie, jagte sie weg und gab nun selbst auf ihre Töpfe Acht; auch deckte sie dieselben fortan zu.

Die Katze und die Maus.

Eine Katze fand eine Maus, die eben aus dem Wasser gekrochen war. Sobald sie dieselbe sah, wollte sie sie fassen und auffressen. Die Maus hatte jedoch einen schlauen Einfall und sagte: "Warte noch, jetzt habe ich noch zu viel Wasser auf meinem Körper, warte, bis ich trocken bin." Sie gingen und liessen sich auf einem trockenen, sandigen Boden nieder.

Da wollte sich die Katze schon wieder der Maus nähern, aber diese sprach: "Noch nicht, ich bin noch nass." Sie scharrte unterdessen ganz vorsichtig hier und da ein wenig; plötzlich verschwand sie und rief der Katze noch zu: "Komm, fasse mich jetzt." So entkam sie.

Die gehörnten Tiere und die Hyäne.

Nunmehr folgt eine Geschichte, die wir schon von unsern Vorfahren gehört haben. Sie sagten also: Vor Zeiten trafen die Tiere im Walde zusammen und sprachen: "Lasst uns ein Fest feiern, jedoch dürfen zu demselben nur gehörnte Tiere kommen; ein Tier, das keine Hörner hat, wird nicht zugelassen." So kamen nun alle gehörnten Tiere zusammen und feierten ein grosses und reichhaltiges Fest.

Die Hyäne hörte davon und wollte hingehen, um sich das Fest anzuschauen. Sie hatte jedoch keine Hörner. "Was fange ich nur an, um zu dem Fest zu kommen?" sagte sie. Plötzlich kam ihr ein guter Gedanke und sie begab sich auf die Suche nach einem gehörnten Tiere, das im Walde verendet war. Sie fand eins und nahm die Hörner dieses verendeten Tieres an sich. Dann suchte sie Wachs, klebte sich dasselbe auf den Kopf, richtete die Hörner darauf zurecht und begab sich zu dem Feste.

Im Laufe des Tages war es immer heisser geworden, so dass das Wachs in der Sonne schmolz. Das Fest war jedoch noch nicht zu Ende. Da erfasste sie die Hörner und hielt sie mit den Vorderfüssen fest und sagte: "Macht schnell alle so, denn einige von uns haben schlechte Hörner." Bei sich dachte sie: "Einige haben Hörner, die leicht abfallen." Die andern Tiere wussten jedoch, dass die Hyäne keine Hörner hat. "Sie will uns blos zum besten halten", sagten sie und jagten sie fort.

Der Affe und der Leopard.

Es war einmal ein Affe. Der sagte: "Ich bin nicht kräftig, ich werde mir einen Stärkeren aussuchen und mit ihm Freundschaft schliessen." Er begab sich zu einem Leoparden und schloss Freundschaft mit ihm.

Sie lebten zusammen. Eines Tages brachen sie auf und gingen, bis sie an einen grossen Baum kamen, und ruhten dort aus. Jener Baum aber hatte sehr viele Dornen. Der Leopard sagte nun zum Affen: "Du Affe, kannst Du auf den Baum klettern? klettere hinauf und sieh nach, von welcher Seite Krieg, von welcher Friede kommt."

Der Affe kletterte auf den Baum, und als er bis zur Mitte gekommen war, riss er sich an den Dornen, so dass Blut heruntertröpfelte. Als der Leopard das Blut seines Freundes gewahrte, leckte er es auf. Der Affe sah vom Baum herab nach unten und bemerkte, dass sein Blut von seinem Freunde aufgeleckt wurde; da bekam er Angst. Der Leopard fragte den Affen: "Von welcher Seite kommt Krieg?" "Ich habe mich nach allen Seiten umgeschaut", erwiderte der Affe, "ich habe nichts Feindliches bemerkt; aber von unten vom Baume her droht die Gefahr, dort sieht's kriegerisch aus." Der Affe hatte solche Furcht bekommen, dass er nicht wieder vom Baume herabstieg, und mit der Freundschaft war es zu Ende.

Der Löwe und der Hase.1

Ein Löwe sandte einmal einen Hasen aus und sagte zu ihm: "Gehe da und da hin, komm aber schnell zurück." Der Hase ging hin, um sich seines Auftrages zu entledigen, jedoch wusste er nicht mehr, weshalb er vom Löwen geschickt worden war. Er blieb lange aus, denn er fürchtete sich zurückzukehren. Der Löwe wurde ärgerlich und schickte Soldaten aus, um ihn einzufangen. Als er ankam, sprach der Löwe zu ihm: "Warum hast Du Dich dort so lange aufgehalten, wo ich Dich hingeschickt habe?" Er erwiderte: "Ich traf mit Deines Gleichen zusammen, der hinderte mich, zurückzukehren; er befindet sich an dem und dem Orte." "Gut", sprach der Löwe, "lass uns dorthin gehen."

Sie gingen, bis sie an einem grossen Brunnen anlangten; in demselben war viel Wasser. Der Hase sprach nun zum Löwen: "Dein Gefährte ist dort im Brunnen." Der Löwe schaute hinein und sah sich selbst, nämlich sein Ebenbild, im Wasser, aber er erkannte sein eigenes Gesicht nicht. Sobald er den Löwen im Wasser erblickte, glaubte er, es sei der andere, sprang in den Brunnen, um ihn anzugreifen, und ertrank.

Fußnoten

1 Der Hase spielt bei den Suaheli in der Tierfabel die Rolle unseres Reinecke Fuchs. Dieselben halten ihn deshalb für ein schlaues Tier, weil er grosse, kluge Augen hat und den Mund beständig bewegt, als ob er zu allem sein Urteil abgeben wolle.

Der Hase und die Hyäne.

Ein Hase machte einst Freundschaft mit einer Hyäne, und sie lebten lange Zeit zusammen. Eines Tages sprach der Hase: "Ich möchte, dass wir in meine Heimat gingen." Die Hyäne erwiderte: "Lass uns gehen." "Mache sieben Brote zurecht", sprach er. "Gut", erwiderte sie und machte die Brote. Er sprach: "Wohlan, ziehen wir nun unseres Weges!" "Wohin gehen wir?" erwiderte die Hyäne. Er sprach: "In meine Heimat, um meine Eltern zu besuchen; gut also, lass uns gehen."

Sie zogen ihres Weges, bis sie unterwegs einen Fluss sahen, der viel Wasser mit sich führte. Der Hase sprach: "Erwarte mich hier; wenn Du aber siehst, dass ich mich verspäte, so setze über den Fluss und erwarte mich unterwegs; und wenn Dir während des Übersetzens gesagt wird: ›Wirf das Brot weg‹, so wirf es von Dir, dann kommst Du heil hinüber." Die Hyäne sprach: "Es ist gut." Dann gingen sie, bis sie am Flusse anlangten. Da sprach der Hase zu ihr: "Warte auf mich, ich habe etwas nötig; wenn Du aber siehst, dass ich mich verspäte, so setze schon über. Wird Dir beim Übersetzen gesagt: ›Wirf das Brot weg‹, so wirf es weg, um Dich retten zu können." Der Hase ging hin und tauchte an einer anderen Stelle unter, und als er zu lange ausblieb, setzte die Hyäne über.

Beim Übersetzen wurde ihr gesagt: "Wirf das Brot weg." Die Hyäne sagte: "Das ist's ja, was mir mein Freund, der Hase, gesagt hat." Und sie warf das Brot ins Wasser. Der Hase aber war unten und schnappte es mit seinem Munde auf und setzte langsam über. Was sagte er nun zur Hyäne? "Als ich übersetzen wollte, sollte ich getötet werden, aber das Schicksal wollte es nicht. Jetzt habe ich Hunger, ich esse jetzt meine Brote." Die Hyäne sprach: "Ich helfe mit." "Wo sind denn Deine Brote?" fragte der Hase. Die Hyäne erwiderte: "Hast Du mir nicht gesagt, wenn Du übersetzt und hörst: ›Wirf weg‹ – gut, dann wirf sie weg? Ich hörte das und habe das Brot weggeworfen." "Bist Du von Sinnen", sprach der Hase, "giebt es einen Menschen, der sagt: ›Wirf Brot weg?‹ Der Hase ass sein Brot, seinem Freunde gab er jedoch nichts."

Als er gegessen hatte, sprach er: "Lass uns gehen!" Sie gingen, bis sie an eine grosse Zuckerrohrpflanzung kamen. Da sprach der Hase zu der Hyäne: "Mein Freund, schlage dies Zuckerrohr, das Eigentum anderer Leute, nicht ab, schneide von dem trockenen Zuckerrohr1 ab, ich werde das auch thun." Der Hase ging hinten herum und schnitt sich saftiges Zuckerrohr ab, das grösser als er selbst war. Als sie an einem schattigen Orte ankamen, setzten sie sich und der Hase sprach: "Reiche mir mein trockenes Zuckerrohr." Die Hyäne schaute hin und bemerkte, dass es gutes saftiges Zuckerrohr war, und sie sprach: "So will auch ich mein Zuckerrohr herunternehmen", und sie schaute hin und sah nur trockenes. Da sprach sie: "Meins ist trockenes, mein Freund." Der Hase erwiderte: "Das hast Du Deiner eigenen Dummheit zuzuschreiben; warum hast Du kein gutes Zuckerrohr abgeschnitten, anstatt das trockene zu nehmen?"

Dann standen sie auf und gingen, bis sie an einen Ort kamen, wo ein grosser Baum stand. Da setzten sie sich nieder, und der Hase sprach: "Jetzt gehen wir dorthin zum Hause meiner Eltern; diese Arznei, die ich Dir hier zeige, ist gegen Fieber, diese andere gegen Leibschmerzen und diese hier gegen Anschwellung."

Sie brachen auf und setzten ihren Weg fort, bis sie im Hause der Eltern anlangten; dort wurde Essen für sie bereitet. Der Hase stellte sich plötzlich krank und sagte: "Mein Freund, ich bin krank, ich habe Leibschmerzen, geh und hole mir von dem Mittel gegen Leibschmerzen, das ich Dir dort gezeigt habe."

Die Hyäne machte sich schnell auf, um die Kräuter zu holen. Als sie sie brachte und zu dem Hasen kam, hatte dieser das Essen allein verzehrt und war von seiner Krankheit geheilt. Er sagte zu ihr: "Stelle die Arznei nur dort bei Seite."

Am Abend wurde ihnen ein Platz zum Schlafen zurecht gemacht; der Hase wurde in den Hühnerstall gesteckt und die Hyäne in den Ziegenstall. Die Hyäne hatte einen Hunger wie von zehn Tagen her, und als sie des Ziegenfleisches ansichtig wurde, konnte sie sich nicht mehr halten. Sie sprang auf eine Ziege los und tötete sie.

Fußnoten

1 Das weniger schmackhaft ist.

Die Hyäne.

Es waren einmal zwei Freunde, die wetteten miteinander. Der eine sprach: "Es giebt niemand, welcher eine Hyäne zum Islam bekehren könnte, alle Tiere lassen sich bekehren, so dass sie vernünftig werden, aber ich habe noch nicht gesehen, dass eine Hyäne bekehrt wurde." Sein Freund sagte: "Ich bin im stände eine zu bekehren." "Das kannst Du nicht", erwiderte sein Freund, "wenn Du es fertig bringst, werde ich Dir 180 Realen geben." "Abgemacht", sagte jener, "und ich, wenn ich es nicht fertig bringe, werde ich Dir 200 geben."

Sie gingen hin und fingen eine Hyäne und nahmen sie mit sich. Sein Freund sprach zu ihm: "So, nun mache Deine Bekehrungsversuche."

Er hielt die Hyäne soundsoviele Tage in Gefangenschaft und gab ihr nur an jedem dritten Tage zu fressen. Die Hyäne wurde vom Hunger sehr geplagt und sprach: "Ich werde in der Gefangenschaft noch sterben." Jener aber sprach zu ihr: "Ich weiss Dir einen guten Rat, dass Du nicht stirbst; wenn Du auf meine Bedingungen Dich zu bekehren eingehst und die Religion befolgst, werde ich Dich losbinden und Dir zu fressen geben." Sie erwiderte: "Gut, ich werde mich bekehren lassen, aber sage mir, wie ist die Art des Bekehrens, wie gehört man zum Islam? Ich möchte, dass Du mir zunächst sagest, was verboten und was erlaubt ist." Jener antwortete ihr: "Wenn Du bekehrt sein willst, musst Du zunächst beten und im Koran lesen; wenn Du dann zu Gott bittest, vergiebt er Dir Deine Sünden, die Du begangen, und alles lässt er Dir zukommen, aber Du darfst kein Aas mehr fressen, denn das ist verboten, ebenso ist Menschenfleisch verboten. Wenn Du Fleisch von einem geschlachteten Tiere essen willst, das ist erlaubt".

Die Hyäne erwiderte: "Gut, ich werde kein Menschenfleisch noch Aas fressen, aber, wenn ich nun an einem Orte, wo weder ein Mensch noch Essen zu finden ist, auf dem Wege ein Aas liegen sehe, was mache ich dann? Frisst man da oder frisst man nicht?" Er erwiderte: "Man frisst es nicht, denn es ist verboten, warte dann in Geduld bis Du an einen Ort kommst, wo Menschen wohnen." "Gut, aber wie komme ich denn da vorbei, wenn das Aas auf dem Wege liegt?" Er sagte: "Gehe links oder rechts vorbei." "Wenn aber der Weg sowohl hier wie da eng ist, wie soll ich wohl vorbeikommen? Ich werde es dann doch berühren?" Er erwiderte: "Gut, so springe mitten drüber hinweg." "Wenn ich nun aber herunterfalle auf das Aas, was ist dann?" Er sagte: "Das heisst soviel, dass Du dann wieder zur Hyäne geworden bist und nicht mehr dem Islam angehörst." "Gut, so verzeih mir, sprach sie, ich kann dem Islam nicht angehören. Wenn man auf dieser Seite vorbeigeht und darf nicht an das Aas rühren, und wenn man auf der anderen vorbeigeht und darf nicht daran rühren, und wenn es verboten ist, beim Hinüberspringen darauf zu fallen, was ist dann erlaubt? Da ist es doch besser, ich kehre zu meinem Hyänentum zurück."

Das Kind des Reichen und das Kind des Armen.

Der Sohn eines reichen Mannes schloss einst Freundschaft mit dem Sohne eines armen Mannes. Des letzteren Vater und Mutter sagten oft zu ihm: "Du bist arm; weshalb schliesst Du Freundschaft mit dem Sohne des Reichen?" Das Kind blieb jedoch dabei, die Freundschaft mit seinem Freunde, dem Kinde des Reichen, zu pflegen.

So lebten sie Tage und Monate zusammen, bis jener Freund zu ihm sagte: "Komm, lass uns ins Innere reisen!" Er erklärte sich damit einverstanden. Dann bereiteten sie Brot für die Reise, schliefen bis zum nächsten Morgen, beschleunigten ihre Abreise, bestiegen die Pferde und, nachdem sie zu Gott gebetet, lenkten sie die Pferde auf den Weg und zogen von dannen, bis sie dort anlangten, wohin sie wollten.

Sie kamen an einen weit abseits gelegenen Ort und trafen dort eine Menge Esel und Pferde. Da sagte der Sohn des Reichen: "Was machen wir mit diesen vielen Pferden? Wir wollen sie mit nach Hause nehmen und verkaufen, damit wir Geld bekommen und dies ganz nach unsern Wünschen verbrauchen." Der Sohn des Armen sagte jedoch: "Das schickt sich nicht; das ist fremder Leute Eigentum, wir aber sind hierhergekommen, Handel zu treiben. Bleiben wir jedoch; vielleicht gehören sie Gott dem Herrn und sonst niemand, lass uns daher erst eine Frist von zehn Tagen abwarten. Gott wird es uns dann zu erkennen geben." Sie liessen die Esel und Pferde in Ruhe und blieben dort.

Da erschien ein Hase, der kam bittend daher und sagte: "Ich bin arm, ich bitte Euch, ich bekomme nirgends etwas; was giebt es doch für Leute heute, was sind das für Ungläubige?" Der Hase musste selbst lachen, als er so sprach. Der Sohn des Reichen trat heraus und sagte: "Was soll das heissen? Weisst Du nicht, dass es schlecht ist, ›ein Armer, ein Armer‹1 zu rufen, um alle Welt anzubetteln? Aber das ist so Sitte bei Euch Leuten, Ihr thut so, um mit allem reichlich versorgt zu werden."

Die Antwort, die der Sohn des Reichen dem Hasen gab, hörte der Sohn des Armen und sagte: "Verstehst Du das nicht? Dieser Hase will gar nichts von uns; wenn Du keine Ahnung hast, so will ich es Dir sagen, er will den Zweck unseres Kommens erfahren, den Grund, weshalb wir hierher gekommen sind." Der Sohn des Reichen sagte. "Wirklich, wenn dem so ist, dann ergreife und binde ihn!" Der Hase wurde ergriffen und gefesselt. Da sagte er: "Habt Ihr denn keine Kenntnis davon? Ich bin das Kind eines Königs. Mein Vater hat eine Tochter, und zwar eine sehr hübsche; er hat sogar deren zweie; sie sind für Euch. Wenn Ihr mich losbindet, werde ich jedem von Euch eine geben."

Nach diesen Worten erwachte in beiden Jünglingen das Verlangen, denn sie waren schon viele Tage unterwegs und jeder von ihnen hatte Sehnsucht nach einer Frau. Sie banden den Hasen los und er lief in den Wald.

Als er zu Hause ankam, bereitete er alles zu einem grossen Kriege gegen die beiden jungen Leute vor. Und der Krieg kam zu stände gegen jene beiden. Sie hatten beide viel Koran gelesen und den Krieg vorausgesehen. Der Sohn des Armen sagte: "Was ist nun zu machen? Du, der Du der Eigentümer unserer Güter bist, weisst Du, wie Du Dein Eigentum verbergen kannst? Verstecke es, damit wir es wiederfinden, falls wir nicht getötet werden, denn diese Waren sind zum Handel notwendig. Der blosse Wille ohne Waren macht keinen Handel." Er antwortete: "Ich weiss keinen andern Rat, als unser Eigentum zu verteilen und unseren Feinden zu geben, mögen sie es fortschleppen, wenn wir nur unser nacktes Leben retten." Der Sohn des Armen aber erwiderte: "Es ist nicht mein Wunsch, dass Du Dein Vermögen verlierst; wenn wir später nach Hause zurückkehren, könntest Du mir sagen ›mein Vermögen wäre nicht verloren gegangen, wenn der da nicht gewesen wäre‹. Eine solche Aeusserung Deinerseits möchte ich nicht."

Als jene Leute sich kriegsbereit näherten, stellte sich ihnen der Sohn des Armen allein gegenüber.. Er sprang auf sein Pferd, nachdem er sich mit Schwert und Dolch umgürtet und Speer und Flinte erfasst hatte, er allein gegen sie, während der Sohn des Reichen sich im Walde versteckt hielt. Er kämpfte allein, ohne Waffengefährten, und trieb sie alle in die Flucht, so dass sie davonstürzten und entkamen.

Dann kehrte er zurück und suchte seinen Freund. Als er seiner ansichtig wurde, sagte er: "Ich habe sie verjagt, sie sind geflohen, eine Menge habe ich getötet. Jetzt nimm Dein Eigentum, es möchte sonst doch verloren gehen; es ist daher besser, wir ziehen nach Hause."

Als sie unterwegs waren, sahen sie einen Hasen. Ob es der von früher war, weiss ich2 nicht, und sie ergriffen ihn und wollten ihn schlachten. Der Hase sagte: "Mein Fleisch ist ganz hart, das könnt Ihr wohl nicht essen; bindet mich mit einem Palmzweig, und zwar so, dass ich in der Sonne liege, dann wird mein Fleisch weich werden, Ihr werdet es gut essen können und es nicht hart finden." Sie wurden betrogen. Denn als jener Palmstrick trocken wurde, zerriss er ihn und lief fort in den Wald. Sie riefen hinter ihm her und sagten: "Der Hase hat uns hinters Licht geführt, wir sind von einem so kleinen Tierchen wie einem Hasen betrogen worden!"

Sie gingen nun ihrer Wege, bis sie in ihrer Stadt ankamen. Und ihre Väter und Mütter freuten sich sehr und fragten nach allem, was ihnen im Innern zugestossen, und sie erklärten alles und die Leute hörten ihnen zu.

Das ist mein Bericht über diese Erzählung, sie hat einen tiefen Sinn.

Fußnoten

1 Die Bettler rufen den Vorübergehenden maskini, maskini! ein Armer, ein Armer! zu.

2 Der Erzähler.

Geschichten des Abu Nuwasi.1

Der eigentliche Name des Abu Nuwasi war Muhamed. Sein Vater war Abdallah, ein Richter Harun Alraschids. Als sein Vater eines Tages erkrankte, rief er seinen Sohn herbei und sprach zu ihm: "Ich vermache Dir, mein Sohn, falls ich sterben sollte, folgendes: ›Werde nicht Richter noch Vezier bei einem Könige, gehe stets Deinen eigenen Angelegenheiten nach.‹"

Die Krankheit erfasste seinen Vater, den Richter Abdallah, sehr, so dass er dem Tode nahe war. Als sein Sohn Muhamed hörte, dass sein Vater im Sterben läge, ging er hin und versammelte eine Menge Kinder um sich und schlug eine dicke Stange in die Erde. Dann nahm er einen herabgefallenen Zweig einer Kokospalme und befestigte diesen oben auf der Stange. Nun schuf er ein Kameel, indem er Kokosfasern nahm und sie über dem Zweige ausbreitete, welcher auf der Stange befestigt war. Er kletterte hinauf und sprach zu den Kindern: "Dreht diesen Zweig." Sie drehten ihn rund, so dass das Ganze das Aussehen eines Kameels hatte, welches an der Ölmühle ging.

Alsbald kamen Leute, welche ihm die Nachricht brachten: "Dein Vater Abdallah wird sterben, er liegt ohne Besinnung." Die Antwort, welche er jenen Leuten gab, lautete: "Abu Nuwasi kennt nur seine eigenen Angelegenheiten und zwar hat ihm das sein Vater, der Richter Abdallah, vermacht."

Als sein Vater gestorben war, wurde ihm die Nachricht gebracht: "Dein Vater ist gestorben." Seine Antwort war: "Abu Nuwasi hat seine eignen Angelegenheiten, das geht ihn nichts an." Sie liessen ihn auf seinem Kameel von Kokosbaum sitzen, gingen weg und sagten: "Der ist verrückt geworden." Um die Mittagszeit begruben sie seinen Vater.

Als Abu Nuwasi erfuhr, dass die Leute zum Begräbnis auf den Kirchhof gegangen seien, ging er zur Moschee. Es war niemand in derselben. Er begab sich in den hintern Raum daselbst und setzte sich nieder. Er ging nicht eher heraus, sondern blieb drinnen, bis die Leute zum Beten kamen. Alle Leute beteten, Abu Nuwasi allein betete nicht; er ging eben seine eigenen Wege. Als das Gebet beendigt war, verliessen die Leute die Moschee.

Auch Abu Nuwasi kam heraus und begab sich sofort zum Sultan Harun Alraschid und sprach zu ihm: "Verheirate mir Deine Tochter, damit ich sie zur Frau mache." Der Sultan war tief gekränkt und sprach: "Schämst Du Dich nicht, mir zu sagen, dass Du meine Tochter heiraten willst? Denn ich weiss, wenn ich Dir meine Tochter gebe, wirst Du auch bei ihr schlafen, und wenn Du das thust, wirst Du sie auch zur Frau machen, das war nicht nötig, mir zu sagen, daher gebe ich Dir meine Tochter nicht." Und er weigerte sich, ihm dieselbe zu geben.

Des Sultans Vezier Djaafari hörte nun, dass Abu Nuwasi die Sultanstochter heiraten wollte, dass der Sultan sie aber verweigert habe. Djaafari begab sich zum Sultan, überredete ihn und sprach: "Verheirate dem Abu Nuwasi Deine Tochter und verzeih' ihm, was er gesagt hat." Auf das Zureden seines Veziers Djaafari hin gab ihm schliesslich der Sultan seine Tochter.

Nachdem Abu Nuwasi dieselbe geheiratet hatte, lebte er lange Zeit, ohne mit ihr vertraut zu werden, er ass und schlief allein. Einige Leute fragten den Abu Nuwasi: "Warum schläfst Du nicht mit Deiner Frau zusammen? Man möchte doch wissen, ob es noch eine junge oder schon erwachsene Frau ist!" Abu Nuwasi erwiderte: "Ich fürchte mich, die Tochter des Sultans zur Frau zu machen."

Als jene Leute die Worte des Abu Nuwasi vernahmen, gingen sie zum Sultan und sprachen: "Die eigentliche Hochzeit ist noch nicht gefeiert, denn Abu Nuwasi fürchtet sich, Deine Tochter zur Frau zu machen." Da gab der Sultan seine Einwilligung und sie ward seine Frau.

Nach vierzig Tagen etwa, als sich die Frau wohl fühlte, wollte er ein Doppelspiel mit ihr treiben. Da schickte sie Nachricht zu ihrem Vater, dem Sultan, und teilte ihm ihre Angelegenheit mit Abu Nuwasi mit. Dieser liess Abu Nuwasi herbeirufen und fragte ihn: "Ist es wahr, was Du Deiner Frau anthun wolltest?" Abu Nuwasi gab es zu. Da sprach der Sultan: "Verlass' mein Kind!" Er liess sie alsdann dort bei ihrem Vater zurück.

Abu Nuwasi rief nun seinen Sklaven herbei und sprach zu ihm: "Bringe meinen Esel her!" Der Esel kam. Abu Nuwasi sprach weiter: "Bringe auch die Tragekörbe." Er schnürte dieselben auf und begab sich zu einer Lehmgrube. Dort belud er nur eine Seite der Tragekörbe mit Lehm. Die Leute sprachen zu ihm: "Abu Nuwasi, bist Du von Sinnen, die Tragekörbe nur auf einer Seite zu beladen?" Er erwiderte ihnen: "Ich fürchte den Sultan, den Esel gleichmässig zu beladen; wenn er das erfährt, lässt er mich schlagen."

Jene Leute gingen hin und sagten dem Sultan: "Abu Nuwasi gräbt Lehm, um ihn weiter zu schaffen, und den vollen Tragkorb hängt er nur auf eine Seite." Der Sultan liess Abu Nuwasi rufen und sprach zu ihm: "Bist Du denn ganz von Sinnen, Abu Nuwasi? Wie kommt es, dass Du den Lehm auf eine Seite lädst? Was ist das für eine Sitte? Wo hast Du gesehen, dass einseitig beladen wird?" Abu Nuwasi antwortete dem Sultan und sprach: "Du hast es mir früher ja selbst verboten und gesagt: ›Das schickt sich nicht.‹ Du warst Schuld, dass mich meine Frau verliess, wie kommt es nun, dass Du jetzt zu mir sagst, ich solle beide Seiten beladen? Du weisst doch, dass diese Dinge schwerwiegend sind." Der Sultan sprach: "Hole Dir Deine Frau wieder," So gab er seine Tochter ihrem Manne zurück.

Fußnoten

1 Abu Nuwasi war ein arabischer Dichter, geb. 762 n. Chr., gest. 815. Seine Liebeslieder gehören zu den besten der arabischen Poesie. Eine Menge heiterer Erzählungen wie diese und die folgenden laufen unter seinem Namen.

Geschichten des Abu Nuwasi.

Abu Nuwasi war ein grosser Verführer; sogar der Frau des Djaafari, des Veziers des Sultans, stellte er nach. Djaafari erhielt Kunde davon, dass seine Frau dem Abu Nuwasi Gehör schenke. Er begab sich daher zum Sultan und sprach zu ihm: "Wir wollen einen guten Plan erdenken, um Abu Nuwasi zu töten." Der Sultan entgegnete: "Dieser Abu Nuwasi ist ein schlauer Mensch, welch' listigen Plan könnten wir wohl ersinnen, um ihn hineinzulegen?" Der Vezier erwiderte: "Höre meinen Plan. Wir wollen ungefähr vierzig Mann hierher zusammenbringen. Jedem von ihnen geben wir ein Ei, das er in seine Kleider steckt, und nachher rufen wir Abu Nuwasi und sagen ihm: ›Wir sind vierzig Leute hier, jeder lege jetzt ein Ei und, wenn Abu Nuwasi sein Ei nicht legen kann, soll er getötet werden.‹ Der Sultan stimmte dem bei."

Als Abu Nuwasi gerufen wurde, sprach er: "Gut, zeigt, was Ihr könnt." Jene setzten sich alle nieder; ein jeder von ihnen zog ein Ei hervor, nur Abu Nuwasi blieb im Rückstand. Als er sah, dass alle Eier hervorgeholt hatten, nahm er seine Arme, schlug sie in die Seiten und geberdete sich wie ein Hahn und krähte: "Kokoiko." Dann trat er vor den Sultan, schlug in seine Seiten und krähte noch einmal wie ein Hahn: "Kokoiko." Jene Leute sprachen nun zu ihm: "Lege ein Ei, jeder von uns hat ein Ei gelegt, wie ihm gesagt worden." Er spielte jedoch wieder den Hahn und krähte. Nachher wurde er gefragt: "Was soll das bedeuten, wir haben alle Eier gelegt und Du weisst nur kokoiko zu rufen?" Er antwortete: "Ihr seid die Hühner, ich bin der Hahn"; "ich habe mit dem Eierlegen nichts zu thun, sondern ich sorge dafür, dass Ihr Eier legen könnt. Es ist nicht möglich, dass ein Huhn Eier lege ohne Hahn. Ihr seid alle Hühner, ich aber bin Euer Hahn; sonst nennt mir Euren Hahn, der Euch in stand gesetzt hat, diese Eier zu legen!" So wurden jene durch die Worte des Abu Nuwasi besiegt.

Nun ersannen sie einen zweiten Plan. Jener Vezier Djaafari sprach zum Sultan: "Wir wollen einen Stein nehmen und ihn spalten; dann rufen wir Abu Nuwasi, um den Stein zusammenzunähen; kann er es nicht, so wird er getötet." Als sie dies untereinander besprachen, war die Frau des Veziers Djaafari in der Nähe, und sie merkte, dass man ihren Liebhaber, den Abu Nuwasi, töten wolle. Deshalb schickte sie ihm Nachricht, um ihn dies wissen zu lassen.

Am nächsten Morgen wurde Abu Nuwasi gerufen und bekam einen Stein, welcher gespalten war, mit der Weisung: "Nähe diesen Stein zusammen; wenn Du ihn nicht zusammennähen kannst, werden wir Dich töten." Abu Nuwasi zog einen kleinen Stein aus seinen Kleidern hervor, den er dort eingewickelt hatte, und gab dem Vezier des Sultans denselben und sprach zu ihm: "Fädele erst den Faden ein, damit ich den grossen Stein damit nähen kann." Der Vezier des Sultans konnte den Faden nicht durchziehen; denn wie sollte es möglich sein, einen Faden durch einen Stein zu ziehen? So wurde der Vezier wiederum geschlagen, denn Abu Nuwasi sagte: "Ich nähe nicht eher, bis Ihr diesen Faden eingefädelt habt." Sie gaben ihn frei und er ging seiner Wege.

Der Vezier und der Sultan ersannen eine andere List, um dem Abu Nuwasi beizukommen, und sprachen: "Lasst uns Abu Nuwasi rufen und ihm sagen, er solle ein Haus in die Luft bauen; wenn er das nicht bauen kann, töten wir ihn." Sie riefen ihn herbei und teilten ihm dies mit. Abu Nuwasi sprach: "Gut, ich werde ein Haus in der Luft bauen."

Dann ging er nach Hause und strengte seinen Verstand an. Er suchte sich leichte Palmstangen und machte einen sehr grossen Drachen. Denselben befestigte er an einen Bindfaden und liess ihn fliegen, als der Wind wehte; und der Drache hob sich in die Höhe. Er fasste den Bindfaden fest und ging damit bis zum Sultan und seinem Vezier. Als er bei ihnen anlangte, setzte er sich und sprach: "Ich habe das Haus in die Luft gebaut, schaut, dort oben ist es, aber es ist noch nicht ganz fertiggestellt, ich wünsche, dass Ihr etwas Kalk und Steine nach oben bringt; es können ja Leute hingehen und Kalk nach oben bringen, ich werde alsdann die Arbeit beendigen."

Der Sultan und der Vezier schauten hinauf, aber es war niemand da, der bis zu dem Drachen klettern konnte, so lang war keine Stange, dass jemand hätte hinaufkommen können. Genug, der Sultan und sein Vezier waren besiegt und konnten ihn nicht töten.

Bald darauf begab sich Abu Nuwasi zum Vezier Djaafari und sprach zu ihm: "Du hast mir dreimal bös mitgespielt in der Absicht, mich zu töten, und ich bin doch nicht erlegen, jetzt werde ich Dir eine Sache anthun, dass Du getötet wirst." Der Vezier sprach: "Du bist ein Prahlhans, das kannst Du gar nicht."

Genug, Abu Nuwasi verliess jene Stadt vier Monate lang, dann kehrte er zurück. Er brachte ein Spiel mit sich, desi genannt; als die Leute das sahen, fanden sie grossen Gefallen daran. Djaafari, der Vezier, übte es so lange selbst, bis er es spielen konnte. Er begab sich dann zum Sultan und teilte ihm mit, dass Abu Nuwasi mit einem sehr schönen Spiele zurückgekommen sei. Auch der Sultan erlernte es, bis er es konnte.

Der Sultan hatte noch eine zweite Tochter im Hause, die noch nicht verheiratet war. Auch sie erlernte das Spiel, bis sie es spielen konnte. Der Vezier ging jeden Tag zum Spiele zum Sultan; letzterer wurde immer von dem Vezier geschlagen. Eines Tages kam Abu Nuwasi und sprach zum Sultan: "Lass den Vezier einmal mit Deiner Tochter spielen, denn Deine Tochter spielt dieses Spiel sehr gut." Der Sultan sprach darauf zu seinem Vezier: "Geh und spiele mit meiner Tochter." Er ging hin und spielte mit der Sultanstochter, und sie wurde in allen sechs Punkten geschlagen.

Abu Nuwasi begab sich nun zu dem jungen Mädchen und fragte sie: "Hast Du den Vezier geschlagen?" Sie erwiderte: "Ich habe ihn nicht geschlagen, er hat mich in sechs Punkten geschlagen." Da sprach Abu Nuwasi zu ihr: "Morgen, wenn er kommt, um mit Dir zu spielen, trage keinen Kopfschleier." Am nächsten Tage kam der Vezier und spielte mit ihr; sie trug keinen Schleier, wurde aber gleichfalls wieder in sechs Punkten geschlagen.

Abu Nuwasi kam wieder und fragte das Mädchen: "Hast Du den Vezier geschlagen?" Sie antwortete: "Ich habe ihn nicht schlagen können, er hat mich wieder in sechs Punkten geschlagen." Abu Nuwasi sprach zu ihr: "Morgen, wenn Du mit dem Vezier spielst, lege den Gesichtsschleier ab."

Am dritten Tage kam der Vezier, um mit der Sultanstochter zu spielen, und sie wurde wiederum in sechs Punkten geschlagen. Abu Nuwasi fragte sie: "Hast Du den Vezier geschlagen?" Sie antwortete: "Ich habe ihn nicht geschlagen, er hat mich wieder in sechs Punkten geschlagen." Da sprach er zu ihr: "Morgen, wenn Ihr spielt, ziehe nur ein Kleid an nach der Mode der Suaheli."

Der Vezier kam wieder und spielte mit ihr. Als er sie so mit nur einem Tuche bekleidet sah, fand er Gefallen an ihr. Er wurde in zwei Punkten geschlagen, während er das junge Mädchen in vier Punkten schlug. Der Vezier wurde geschlagen, wert er mit seinen Augen nicht nach dem Spiele, sondern nach dem Busen des jungen Mädchens hinschaute. Deshalb verlor er zwei Punkte.

Abu Nuwasi kam zu ihr und fragte sie: "Hast Du heute den Vezier geschlagen?" Sie antwortete: "Ich habe ihn in zwei Punkten geschlagen, während er mich in vier geschlagen hat." Abu Nuwasi sprach zu ihr: "Morgen suche eine Perlschnur1 hervor und trage sie um Deine Hüften. Suche ferner ein durchsichtiges Gewand und wirf es um; das sei Dein Kleid, ausser diesem ziehe kein anderes Kleid an."

Als der Vezier zum Spiele zu ihr kam, fand er das junge Mädchen nur mit einem Schleier bekleidet, so dass die Hüftenperlschnur sichtbar war. So wie er die Perlschnur des jungen Mädchens sah, war es mit seinem Verstande vorbei und er wurde in allen sechs Punkten geschlagen. Alsdann hegte der Vezier das Verlangen, mit jenem jungen Mädchen zusammen zu bleiben, und er blieb bei ihr, und des Sultans Tochter ward seine Frau.

Abu Nuwasi hatte dies durchschaut, und als er merkte, dass der Vezier bei dem jungen Mädchen geblieben war, ging er hin zu ihrem Vater, dem Sultan, und sprach: "Dein Vezier hat deine Tochter verführt." Der Sultan erwiderte: "Ist diese Nachricht wahr?" Abu Nuwasi sprach: "Es ist wahr; wenn Du es nicht glauben willst, so gieb mir ein Schwarzfärbemittel; ich werde es dem Sklavenmädchen geben, welches das Bett in ihrem Hause zurecht deckt, damit sie es an verschiedenen Stellen ins Bett lege. Zwischen der sechsten und siebenten Stunde, wenn der Vezier gegessen hat, wird er sich sicherlich niederlegen wollen. Wir beide nun, Du und ich, gehen zusammen und verstecken uns in der Nähe des Weges und schlagen plötzlich Feuerlärm, so muss er herauskommen; ist es nun wirklich so, dass er im Hause Deiner Tochter geblieben ist, dann werden wir das Zeichen davon, das schwarze Färbemittel, an seinem Kleide sehen."

Abu Nuwasi nahm das Färbemittel mit sich und suchte eine Sklavin des Hauses und gab ihr viel Geld; diese ging hin und steckte das Färbemittel ins Bett. Nach dem Essen zwischen der sechsten und siebenten Stunde legte sich der Vezier nieder, sein Oberhemd legte er jedoch nicht ab.

Plötzlich hörte er Feuerlärm und die Leute hin- und herlaufen. Auch er lief schnell heraus, um zum Feuer zu gelangen, ohne zu merken, dass sein Oberhemd geschwärzt war. Als er dort vorbei kam, wo der Sultan und Abu Nuwasi sich versteckt hatten, sahen sie, dass sein Oberhemd ganz schwarz gefärbt war. Der Sultan wusste nun, dass der Vezier in Wirklichkeit seine Tochter verführt hatte. Sofort befahl er den Leuten: "Ergreift den Vezier". Sie ergriffen ihn, und sowohl er wie seine Verwandten und Kinder wurden gefesselt und alle getötet.

Fußnoten

1 Die Suaheli-Frauen und -Mädchen tragen alle eine, zuweilen zwei Perlschnüre von den Hüften herabhängend auf dem blossen Leibe; dieselben werden nie abgelegt.

Andere Geschichten des Abu Nuwasi.

Eines Tages wurde Abu Nuwasi wegen seiner Schlechtigkeiten aus der Stadt vertrieben. Der Sultan sprach zu ihm: "Geh Deiner Wege, bleibe nicht mehr in meiner Stadt, suche Dir ein anderes Land, wo Du wohnen kannst." Sein Haus steckte man in Brand.

Abu Nuwasi wartete ab, bis das ganze Haus niedergebrannt war. Dann ging er in einen Laden und kaufte Säcke, fegte die Asche seines Hauses zusammen und mietete eine grosse Dhau1, in welche er die Asche verlud, bis das Fahrzeug voll befrachtet war; dann hisste er die Segel und fuhr ab.

Auf dem Meere angekommen, kam er mit Portugiesen zusammen, welche sieben Schiffe mit Silber mit sich führten; und sie fragten ihn: "Wo fährst Du hin?" Er antwortete; "Ich fahre zum Sultan." "Was führst Du denn mit Dir?" fragten sie. Er antwortete: "Ich habe Geschenke für den Sultan und zwar grosse Seltenheiten geladen." "Verkaufe sie uns", sagten sie. Er antwortete: "Ich verkaufe nichts davon, denn ich bringe sie dem Sultan zum Geschenk." Sie baten ihn jedoch sehr und gaben ihm schliesslich ein Schiff mit Silber beladen, sie selbst stiegen alle aus. Sein Fahrzeug überliess er ihnen und sie nahmen es ins Schlepptau und fuhren davon.