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Beschreibung

*** Auf dem FLIEGENDEN TEPPICH um die Welt: die schönsten Märchen endlich wieder lieferbar! *** Im Märchen repräsentieren die Handwerker die Alltags- und Arbeitswelt und stellen dank ihres schier unermesslichen Fleißes einen Bezug zur realen Lebenssituation her. Der Herausgeber widmet den Schneidern, Schustern, Schmieden, Müllern sowie den verfemten und verachteten Berufen ausführliche Kapitel. Aus dem Nachwort wird deutlich, woher die heute noch in unserer Alltagssprache vorhandenen Handwerks-Sprichwörter eigentlich stammen.

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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Märchen von Handwerkern

Märchen der Welt

Herausgegeben von Frieder Stöckle

FISCHER E-Books

Inhalt

Der SchneiderDer Schneider und die SintflutEin spanischer ChasseurDer Schneider als HeldDas Schneiderlein und die drei HundeDer SchusterMeister PfriemDie beiden WandererVom glücklichen SchusterVom armen SchusterVon dem listigen SchusterDer SchmiedDer Schmied und der TeufelDer eiserne HansDie drei SchmiedeDer MüllerMüllers TöchterleinDie schwarze KatzeDer Räuber und die HaustiereDer Müller HillenbrandDie verwunschene MühleVerfemte und verachtete BerufeDer KöhlerDie zwei HafnerDie goldene FlöteDas blutrote SeidenschafVom Vöglein, das goldene Eier legteNachwortQuellenhinweise

Der Schneider

Das Schneiderhandwerk war eines der am meisten verbreiteten Handwerke im Mittelalter. Gleichzeitig war es ein Handwerk mit geringen Einkünften. Oft lebten sie und ihre Familien in bitterster Armut. Der Schneider im Märchen geht wegen dieser Armut sogar so weit, daß er sich auf einen Pakt mit dem Teufel einläßt. Aber dank seines wachen Verstandes kann er seine Seele vor der Hölle retten.

Der Schneider und die Sintflut

Als vor langer Zeit die große Flut über die Welt hereinbrach und alles, was auf Erden lebte, jämmerlich hätte umkommen müssen, nahm sich Gott aus Mitleid seiner Geschöpfe an und bedachte, wie er wenigstens ein kleines Häuflein vor dem Tode des Ertrinkens retten könnte.

Er ließ einen kunstreichen Zimmermann zu sich rufen und sprach: »Baue ein großes Schiff, teile es klug in viele Stockwerke und Räume und bringe darin von allen Tieren der Erde, der Luft und des Wassers je ein Paar unter. Auch einem jungen und fleißigen Bauernpaar gib Herberge in der Arche, und nimm auch dazu von jedem Handwerk einen Meister und eine rechtschaffene Meisterin. Nur keinen Schneider! Hörst du? Ja keinen Schneider! Diese Besserwisser und Siebenmalklugen, die den ganzen Tag auf ihrem Tisch hocken, meckern und tüfteln und spintisieren und selbst mir, dem Herrgott, ins Handwerk pfuschen, die will ich allesamt im Meer ersaufen lassen! Hast du mich verstanden?«

»Glaub’s wohl, Herr!« antwortete der Zimmermann und ging alsbald an die Arbeit.

Nach kurzer Zeit war die Arche fertig. Pferd und Kuh, Ziege und Schwein, Katze und Hund, Hase, Fuchs und Reh, Vögel und Schmetterlinge, Bienen, Hummeln, Mücken und Käfer, Frösche, Kröten und Fische waren in den großen Kasten eingezogen. Auch Bauer, Wagner, Schreiner, Maurer, Schlosser und Schmied, Müller, Bäcker und Schuhmacher waren samt Weib und Handwerkszeug in den vielen Kammern und Stuben untergekommen.

Ohne daß es aber der Zimmermann merkte, hatte sich in dem Gewusel und Gedränge auch ein fadendünner Schneider eingeschlichen und unterm Bett der Frau Zimmermeisterin versteckt. Da saß er nun Tag und Nacht hungrig und durstig in der dunklen Ecke und durfte kaum schnaufen und sich regen, wenn er nicht entdeckt und ohne Erbarmen ins tiefe Wasser geworfen werden wollte. Darüber wurde er immer ärgerlicher, sann auf Rache und heckte in sieben Tagen einen böswilligen Streich aus: Er fing Flöhe, Wanzen, Bienen, Hummeln und Wespen, zwickte einen Haufen Stecknadeln ab und setzte sie ihnen als spitze Stacheln ins Hinterteil ein.

Voller Schadenfreude ließ er sie hüpfen und davonfliegen, kicherte tückisch vor sich hin und sagte: »So, nun könnt ihr ans Werk gehen! Jetzt wird’s bald was zu jucken und zu zucken geben in dieser langweiligen Kiste!«

Und wahrhaftig, über eine kleine Weile ging es an allen Ecken und Enden des Schiffes zu, als ob der leibhaftige Teufel losgelassen wäre. Der erste Floh stach die Frau des Zimmermanns so gewaltig in den Schenkel, daß sie ein Wehgeschrei ausstieß, als ob sie am Messer steckte. Der zweite zwickte den Meister selbst in die Wade, und die Wespen und Bienen quälten die Tiere, daß sie wie toll umherrannten und sich nicht zu helfen wußten. In der Nacht aber ließen die Wanzen keinen Menschen zur Ruhe kommen.

»Wer hat diesen Viechern die Nadeln eingesetzt?« riefen Müllerin und Bäckersfrau.

»Das kann niemand anders gewesen sein als ein Schneider!« meinte der Schuhmacher.

»Ist ja gar keiner da!« brummte der Zimmermann.

»Einen Schneider durfte ich ja auf des Herrgotts ausdrücklichen Befehl gar nicht hereinlassen!«

»Eben drum! Dann hat sich halt einer eingeschlichen, durchs Schlüsselloch wahrscheinlich!« sagte lachend der Bauer.

Also durchsuchten sie miteinander das ganze Schiff und fanden den Schneider endlich unterm Bett der Frau Zimmermeisterin, wo er sich in der dunkelsten Ecke hinter einem Spinngewebe verborgen hatte.

»Hinaus mit ihm! Hinaus mit ihm!« riefen alle, die schon von den Flöhen und Wanzen gezwickt oder von den Wespen und Bienen gestochen worden waren.

Und dann warfen sie den Sünder Hals über Kopf ins Wasser. O weh, wie der arme Schneider schrie und zappelte und schnappte! Er hätte elendiglich ersaufen müssen, wenn nicht zu seinem Glück eine langbeinige Wasserspinne gerade in der Nähe gewesen wäre.

»Du kommst wie gerufen!« sagte das Schneiderlein, schwang sich flink auf ihren Rücken und ritt nun auf ihr so lange auf dem Meer herum, bis die große Flut sich verlaufen hatte und die Erde wieder trocken geworden war.

Wäre der arme Schneider damals nicht gerettet worden, so müßten wir noch heutigen Tags ohne Kleider umhergehen.

[Märchen aus Schwaben]

Ein spanischer Chasseur

Auf der Welt muß gestorben sein, sonst hätten ja die Jungen keinen Platz mehr. Was Wunder, wenn dann auch einmal ein Schneiderlein stirbt. Nun denn, der Schneider stirbt, und seine leichte Seele fährt geradewegs – wie eine Nadel am Faden – hinauf dem Himmel entgegen. Er findet auch die Tür und klopft manierlich an. Und wie er ein wenig geklopft hat, geht das Lädelein auf, und Sankt Peter fragt zum Himmel heraus, wer draußen sei.

Der Nadelheld läßt sich herzu und sagt: »He, ein Schneiderlein, mit Verlaub, möchte auch gern in den Himmel, Herr Peter.«

»Ein Schneiderlein? Ein Plätzchenfink? Derlei können wir im Himmel nicht brauchen!«

So putzt ihn unser Peter ab und tut das Lädelein wieder zu. Wie nun der Schneider vor dem Himmel so trauert und grochzt, sieht er eine alte Frau, die man im Himmelreich auch nicht hat brauchen können. Da haben die beiden einander getröstet, so gut es ging, und sich ihr Leid geklagt, wie sie jetzt vor dem Himmel draußen im Ledersack sein mußten.

Derweilen kommt ein mächtiger Husar angesprengt und ruft, er möchte in den Himmel. Den läßt Sankt Peter nicht lange warten, weil er ihm stracks zugerufen hat, er sei ein spanischer Chasseur.

Das schrieb sich der Schneider hinter die Ohren, eilt schnell zum Mütterchen und flüstert und flattiert mit ihr und sagt: »Wie wär’s, Frau Bas’, wenn wir zwei uns auch solcherweise in den Himmel hineinschmuggeln würden?

Es wäre, denk ich, nichts Gefehltes. Hör nun, Mütterchen, ich will dir einen vernünftigen Vorschlag machen: Ich bin der spanische Chausseur und du trägst mich durch die Himmelstür – für’s andere laß dann nur den Vogt geifern oder mich sorgen. Was gilt’s, wir kommen alle beide in den Himmel.«

Gesagt, getan. Mein Nadelreiter sprengt auf dem Mütterlein vor Sankt Peters Pforte.

»Wer da?« ruft der drinnen mit dem Schlüssel.

»Ein spanischer Chasseur!« brüllt das Schneiderlein aus Leibeskräften.

Das Tor geht auf, und mein spanischer Reiter reitet gravitätisch hinein zu den anderen Leuten im Himmel.

So hat’s der Schneider gemacht.

Und drin haben’s darob gelacht.

Und hab ich’s recht vernommen,

so sind’s nicht wieder herausgekommen.

[Märchen aus der Schweiz]

Der Schneider als Held

Es war einmal ein Schneiderlein, das nähte um Lohn bei einer Bauersfrau. Als es nun recht fleißig war, da kam eine Fliege nach der anderen herbeigeflogen und plagte es. Dann aber ließen sie sich nieder auf den Milchtropfen, die das Schneiderlein beim Frühstück verschüttet hatte, so daß sich allmählich ein ganzer Schwarm dort zusammenfand. Als dieser Schwarm eben im besten Zuge war und trank, da nahm das Schneiderlein eine Fliegenpatsche und tat einen kräftigen Streich auf die ungebetenen Milchtrinker, so daß nur wenige entkamen. Da staunte das Schneiderlein über seine große Kraft und Gewandtheit und begann, die schwarzen Leichen zu zählen, und er zählte von eins bis dreißig. Da wurde es ihm ganz wunderbar zumute.

»Frau«, sagte es, »ich kann nicht länger Schneider bleiben!«

»Ei, warum denn nicht?« fragte die Wirtin.

»Zählt doch nur! Dreißig auf einen Schlag! Nein, ich bin zu anderen Dingen berufen!« rief das Schneiderlein, ließ Nadel, Schere und Fingerhut und all sein Geschirr liegen und schrieb auf ein Blatt Papier mit großen Buchstaben: »Ich hab ohne Zorn dreißig totgeschlagen auf einen Schlag!«

Dies Blättchen steckte es dann wie ein Schild an seinen Hut und wanderte hinaus in die Welt.

Als das Schneiderlein nun so mitten auf der Straße dahinzog, kam ihm ein schöner Wagen entgegen, darin saß ein vornehmer Herr. Da schritt es grad auf den Wagen los und wich weder zur Rechten noch zur Linken, so daß der Kutscher zuletzt anhalten mußte. Nachdem er aber gelesen, was an dem Hute des Schneiderleins stand, berichtete er es schnell dem Grafen, der in dem Wagen war, und dieser sagte: »Guter Freund, ist das auch wahr, was da an eurem Hute steht?«

»Ei«, sagte das Schneiderlein, »es muß ja wohl wahr sein, wie könnt’ es sonst da geschrieben stehen?«

Sprach der Graf weiter: »Wollt ihr in meine Dienste treten und das Land von den drei Riesen befreien, die auf dem Berge hausen, so will ich euch meine Tochter zur Gemahlin geben.«

Ja, dazu war das Schneiderlein sogleich mit Vergnügen bereit und zog auf den Berg, um die Riesen aufzusuchen.

Unterwegs traf er drei große Männer, die sagten: »Was willst du hier, du Erdenwürmlein?«

Da erzählte ihnen das Schneiderlein ganz aufrichtig: »Ein Graf hat mir seine Tochter versprochen, wenn ich die drei Riesen auf diesem Berg totschlüge, und deshalb bin ich hergekommen.«

Da sahen die drei Männer einander an und lachten, denn das Schneiderlein hatte gar nicht gemerkt, daß die drei Männer eben diese drei Riesen waren.

Als die drei Riesen nun aber die Worte am Hut des Schneiderleins lasen, stutzten sie und fragten, ob das wahr sei.

»Ei, freilich«, antwortete es, »wie könnt’ es sonst da geschrieben stehen?«

Darauf wünschten die Riesen, daß es doch eine Probe seiner Stärke ablegen möge.

»Gut«, sagte das Schneiderlein, »wir wollen sehen, wer der Stärkere von uns ist. Und das wollen wir daran erkennen, daß er Wasser aus einem Stein drücken kann.«

Da nahmen die Riesen harte Steine in die Hand und zermalmten sie zu Staub, aber Wasser wollte nicht herauskommen. Das Schneiderlein jedoch hatte zwei flache Steine gesucht und einen alten Käse, den es in der Tasche hatte, dazwischen gelegt. Und als es nun anfing zu drücken, da flossen wirklich schmutzige Wassertropfen aus den Steinen, daß die Riesen sich schier verwundern mußten und es nicht begreifen konnten.

Als sie darauf wieder eine Weile miteinander gegangen waren, fragten die Riesen das Schneiderlein, ob es auch werfen könne.

»Das will ich meinen!« sagte das Schneiderlein, und da es gerade auf der Erde ein Lerchennest sah, in dem das Weibchen auf den Eiern brütete, so bückte es sich, fing flink die Lerche und rief: »Achtung, aufgepaßt!« und warf den Vogel in die Luft. Der aber freute sich nicht wenig, daß er so schnell wieder loskam und stieg in die Luft immer höher und war bald gar nicht mehr zu sehen. Da guckten die Riesen und guckten sich beinah die Augen aus, aber der Stein kam nicht wieder herunter, und sie glaubten fest, daß er bis in den Himmel geflogen sei. Das hätten die Riesen dem kleinen Männlein gar nicht zugetraut und kriegten ordentlich Respekt vor ihm. Und weil sie wußten, was er im Sinne führte, so luden sie es ein, bei ihnen zu übernachten und nahmen es mit in ihr Schloß.

Hier merkte das Schneiderlein endlich aus allem, was es dort sah, daß die drei großen Männer die Riesen sein mußten, und es war ihm gar nicht wohl bei der Sache, weil es seine Absicht schon verraten hatte.

Als es in seine Schlafkammer kam, untersuchte es deshalb genau sein Bett und fand einen Leichnam unter demselben. Da grauste es ihm zwar ein wenig, aber es zog doch den toten Mann hervor und legte diesen ins Bett, und es selbst kroch unter das Bett. Und das war sein Glück.

Denn die Riesen sagten, als sie allein waren: »Das Würmlein könnte uns doch noch was zu schaffen machen. Wir wollen ihm deshalb lieber gleich heute nacht sein Lebenslicht ausblasen.«

Und als es eben zwölf Uhr war, trat einer von den Riesen mit einer großen Eisenstange herein und tat ein paar mächtige Schläge auf den Leichnam im Bette, daß alles bebte, und sagte, als er fortging: »Der wird genug haben!«

Das Schneiderlein aber kroch darauf unter dem Bett hervor, legte die Leiche hinunter und sich selbst in das Bett und schlief ruhig bis in den Morgen.

Wie verwunderten sich aber die Riesen, als das Schneiderlein wohlgemut aus der Kammer trat.

»Wie hast du geschlafen?« fragte sie.

»O, recht gut«, sagte das Schneiderlein, »nur haben mich eure Flöhe ein wenig gestochen.«

Da wußten sie gar nicht, was sie sagen sollten und luden es ein, es möchte doch noch länger bei ihnen bleiben. Ja, das wollte es wohl und blieb da.

In der folgenden Nacht, als es zu Bette ging, machte es das Schneiderlein nun wieder ebenso wie in der ersten, es legte die Leiche ins Bett und sich selbst unter das Bett. Als es nun Mitternacht war, kamen zwei Riesen miteinander und hieben beide so schrecklich auf die Leiche los, daß es dem Schneider fast Angst wurde. Als sie aber fort waren, legte er die Leiche an ihren Platz, und er selbst schlief dann in dem Bett bis zum Morgen.

Da staunten die Riesen noch weit mehr, als das Schneiderlein abermals lebendig hervortrat, und sie fragten es sogleich, wie es geschlafen habe.

»Recht gut«, sagte es, »aber ich glaube, es haben mich Wanzen gebissen.«

In der dritten Nacht, so dachte das Schneiderlein, werden wahrscheinlich alle drei miteinander über mich herfallen, und dann will ich mich wehren. Das Schneiderlein versah sich deshalb in der dritten Nacht mit einem Beil und legte sich weder in, noch unter das Bett, sondern stellte sich hinter die Tür in die Ecke. Und richtig, als es zwölf schlug, machten alle drei Riesen mit eisernen Stangen sich auf, um das Schneiderlein totzuschlagen. Aber das stand hinter der Tür und paßte wohl auf, und als der erste Riese hereintrat, bekam er mit dem Beile einen scharfen Hieb in den Rücken, daß er tot umfiel. Ebenso erging es dem zweiten. Als das der dritte sah, fürchtete er sich vor dem Schneiderlein und floh und lief bis zur Treppe. Aber das Schneiderlein hüpfte schnell hinter ihm her und gab ihm einen Schuck [Stoß], daß er die Treppe hinabstürzte und den Hals brach. So waren alle drei Riesen tot, und nun begab sich das Schneiderlein zu dem Grafen und bat um die Tochter, die er ihm versprochen hatte. Die Tochter aber mochte das kleine Männlein nicht, und einige erzählen, das Schneiderlein habe erst noch allerlei tapfere Taten ausführen müssen, ehe der Graf ihm seine Tochter und seine Herrschaft übergeben habe. Soviel aber ist gewiß, daß die schöne junge Gräfin am Ende doch die Gemahlin des tapferen Schneiderleins geworden ist.

[Märchen aus Schwaben]

Das Schneiderlein und die drei Hunde

Ein armes Schneiderlein hatte zu Hause nichts zu verlieren und ging auf Reisen. Es war schon lange marschiert, da kam es eines Tages in einen großen, dunklen Tannenwald, und es pfiff und sang und war von Herzen vergnügt.

Als es eine kurze Strecke im Walde gegangen war, kam ein großer Hund dahergelaufen, der bot dem Schneider die Zeit und fragte, ob er ihn mitnehmen wolle.

»Ich will dich schon mitnehmen, wenn du hinter mir herlaufen und mir untertänig sein willst.«

»Das will ich«, sprach der Hund und lief hinter ihm drein. Als das Schneiderlein ein Stück Wegs weitergegangen war, kam ein zweiter Hund gelaufen, bot ihm die Zeit und fragte, ob es ihn mitnehmen wolle.

»Eigentlich habe ich mit einem Hunde schon zuviel«, sprach das Ritterlein von der Elle, »wenn du mir aber untertänig und gehorsam sein willst, so magst du hinter mir herlaufen, dem anderen zur Gesellschaft.«

»Das will ich«, sagte der Hund.

So ging’s weiter, und als die drei Reisenden wieder ein Stück Wegs hinter sich hatten, kam ein dritter Hund, der fragte auch, ob das Schneiderlein ihn mitnehmen wolle. Da stutzte es aber, denn es wußte schon nicht, woher er das Futter für die zwei anderen Hunde nehmen sollte. Doch dachte es zuletzt: Aller guten Dinge sind drei, und sagte zu dem Hunde: »Wenn du mir treu und untertänig sein willst, magst du in Gottes Namen hinter mir herlaufen, wie die beiden anderen.«

Gegen Abend kamen sie aus dem Walde und sahen ein Dorf vor sich, und das erste Haus war ein Wirtshaus. Sprach das Schneiderlein: »Hunger haben wir alle vier, aber wie ein Sechskreuzerstück aussieht, habe ich seit langem vergessen.«

»Nichts weiter als das?« sagte der erste Hund.

»Geh du nur hinein und bestelle für vier Mann Essen und Trinken und kümmere dich nicht um das Bezahlen, dafür laß uns sorgen.«

Dem Schneiderlein wuchs der Mut, als er das hörte. Er schwang seine Elle dreimal über dem Kopf, ging in das Wirtshaus, schlug mit der Faust auf den Tisch und bestellte vier Gedecke und Essen, soviel das Haus vermöchte, Gesottenes und Gebratenes nebst Wein und Bier. Dann warf er sein Felleisen und seinen Hut auf die Bank, die Elle in die Ecke und sich selbst in einen bequemen Lehnstuhl.

Als nun das Essen aufgetragen war, ging die Tür auf, und die drei Hunde stürzten herein, sprangen jeder auf einen Stuhl und fingen an zu essen und zu trinken wie die Menschen, so daß die Wirtin über solchen Verstand die Hände über dem Kopfe zusammenschlug.

Nach dem Essen sprach der eine Hund: »Nimm den Weg zwischen die Beine, laß aber alles hier liegen, es kommt dir nichts fort!«

Da ging das Schneiderlein mir nichts, dir nichts weg, und die Wirtin ließ ihn gehen, weil er sein Felleisen, seinen Hut und seine Elle zurückließ. Er wird gleich wiederkommen, dachte sie, und will sich nur im Orte umsehen. Sobald die Wirtin aber den Rücken gewandt hatte, packte jeder der drei Hunde eines der drei Stücke, dann sprangen alle zur Türe hinaus und brachten alles wieder zu ihrem Herrn. Da hatte denn die Wirtin das Nachsehen.

Guten Mutes zog das Schneiderlein weiter. Einer der Hunde lief voraus und zeigte den Weg. Bald kamen sie wieder in den Wald, und nachdem sie darin schon so manchen Schritt und Tritt getan hatten, fanden sie auf einem freien Waldplatz ein großes Schloß. Da blieb der erste Hund stehen.

»Hast du Mut?« fragte er das Schneiderlein.

»Mehr als Geld«, war die Antwort.