Märchen von Tieren -  - E-Book

Märchen von Tieren E-Book

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

*** Auf dem FLIEGENDEN TEPPICH um die Welt: die schönsten Märchen endlich wieder lieferbar! *** Falsch wie eine Schlange, schlau wie ein Fuchs: Mit gewissen Tieren verbinden wir bestimmte menschliche Eigenschaften. Demgemäß ist es immer auch die Welt der Menschen, die es in den Tiermärchen zu entdecken gilt, sind es menschliche Tugenden und Gelüste, die hier zum Tragen kommen. Im Nachwort beschäftigt sich der Herausgeber mit ebendiesem Aspekt der tierischen Widerspiegelung menschlichen Verhaltens.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2014

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Märchen von Tieren

Märchen der Welt

Herausgegeben von Leander Petzoldt

FISCHER E-Books

Inhalt

[1] Die Tiersprache[2] Von der Schlange, die für ein Mädchen zeugte[3] Das Märchen von der Padde[4] Die drei treuen Tiere[5] Dankbarkeit[6] Die Gaben der Tiere[7] Der Hahn des Nachbars und die Henne der Nachbarin[8] Der Reiher, der Krebs und die Fische[9] Von treuer Freundschaft[10] Der Frosch, der Krebs und die Schlange[11] Der heilige Guinefortis, der eigentlich ein tapferer Hund war[12] Der alte Mann und der Wolf[13] Die Schwanenfrau[14] Der Schlangenbräutigam[15] Die Ziegenfrau[16] Die Königstochter und die Schorfkröte[17] Der Wolf und das Menschenkind[18] Minzerli, das Mäuschen[19] Ein Mann und eine Schlange[20] Katze und Hund, Wolf und Fuchs[21] Der Fuchs als Wettermacher[22] Undank ist der Welt Lohn[23] Von dem Hahn, der Papst werden wollte[24] Die Eselsbeichte[25] Der Hahn und die Henne in den Haselnüssen[26] Kater, Hahn und Füchsin[27] Die treulose Witwe[28] Der Mäuserich als Freier[29] Von der Fliege, die in die Schule ging[30] Der Glückstag des Wolfes[31] Das alte Weib und die magere Katze[32] Die Königswahl der Vögel[33] Der Fuchs und die Schnecke[34] Die Büffelkuh und das Fischlein[35] Die schmale BrückeNachwortQuellenhinweiseWeiterführende Literatur in Auswahl

[1] Die Tiersprache

In einem Dorfe lebte ein armes Mädchen, das weder Vater noch Mutter hatte und bei einer alten Frau im Dienste stand, deren Gänse es jeden Tag auf die Weide treiben mußte. Als das Mädchen wieder einmal mit ihren Gänsen auf der Wiese sich befand und ein Stückchen Brot aß, kam eine kranke Maus zu ihr und sagte: »Liebes Mädchen, gib mir ein Stückchen Brot, ich bin krank und kann mir keine Nahrung suchen.«

Das Mädchen gab der Maus einen Bissen Brot, worauf diese in ihre Höhle schlüpfte. Am nächsten Tag kam die Maus wieder und bekam abermals einen Bissen Brot. Dies wiederholte sich einige Tage hindurch, und da sagte einmal die Maus zum Mädchen: »Nun bin ich wieder gesund und kann mir die tägliche Nahrung selbst suchen. Ich bin arm und kann dir deine Güte mit nichts belohnen. Doch will ich dir einen Rat geben. Wenn du willst, so will ich es bewirken, daß du die Sprache aller Tiere verstehen sollst. Unter meiner Zunge wirst du drei Haare finden, reiße eines heraus und verschlinge es.«

Die Maus sperrte hierauf ihr Mäulchen auf, und das Mädchen riß ihr ein Härchen aus, welches sie dann verschluckte. Die Maus schlüpfte hierauf in ihre Wohnung, und das Mädchen zog weiter mit ihren Gänsen. Da sah sie zwei wilde Tauben auf einem Baume sitzen und hörte, wie die eine zur anderen sagte: »Wenn das arme Mädchen wüßte, daß sich die Füchse beredet haben, morgen ihre Gänse von der Weide zu rauben, würde sie gewiß ihre Herde morgen nicht hertreiben.«

Als dies das Mädchen hörte, kehrte sie heim und wollte am nächsten Tage die Gänse nicht auf die Wiese treiben. Da schlug sie die alte Frau und jagte sie aus dem Hause, sie selbst aber trieb die Gänse auf die Weide. Nun aber kamen unzählige Füchse herbei und raubten vor ihren Augen die Gänse. Da bereute es die alte Frau, daß sie das Mädchen fortgejagt und nahm sie nicht nur wieder zu sich zurück, sondern behandelte sie so wie ihre eigene Tochter. Nun trieb das Mädchen die Gänse, welche ihre Herrin gekauft hatte, wieder auf die Weide.

Da hörte sie einmal zwei Raben sich einander erzählen, daß die Wölfe beschlossen hätten, in der kommenden Nacht die Schafe der Dorfbewohner zu stehlen. Sie kehrte heim und erzählte das den Leuten. Da paßten sie alle den Wölfen auf und erschlugen dieselben, dem Mädchen aber gab jeder, welcher im Dorfe Schafe hatte, je nachdem eins bis drei Schafe, so daß sie nun dreißig Schafe besaß. Die Schafe vermehrten sich, und bald war sie im Besitz einer großen Schafherde.

Einmal saß das Mädchen im Garten und hörte, wie zwei Katzen einander erzählten, daß in der vergangenen Nacht Räuber in das Schloß des jungen Grafen eingebrochen seien und alle seine Schätze geraubt hätten, welche sie dann im Walde in der und der Höhle verborgen hielten. Da eilte das Mädchen zum jungen Grafen und teilte ihm das Gehörte mit. Sie gingen nun von vielen Dienern begleitet in den Wald, wo sie in der Höhle die gestohlenen Schätze fanden und nach Hause brachten. Der junge Graf fand an dem Mädchen Gefallen und heiratete sie. Nun lebten sie beide in Freude und Glück viele Jahre hindurch, und wenn sie noch nicht gestorben sind, so leben sie auch jetzt noch.

Meine Geschicht’ ist aber aus, Teufel lad’ Euch zum Hochzeitsschmaus!

[Märchen der transsilvanischen Zigeuner]

[2] Von der Schlange, die für ein Mädchen zeugte

Es war einmal eine Frau, die war so arm, daß sie in einer ganz wilden einsamen Gegend leben mußte, und hatte eine einzige Tochter, die war schöner als die Sonne.

Die Mutter sammelte Kräuter und brachte sie in die Stadt zum Verkauf, die Tochter aber blieb zu Hause, wusch und kochte.

Eines Tages war die Mutter wieder in die Stadt gegangen mit ihren Kräutern, die Tochter aber war allein geblieben. Da kam der Königssohn in die einsame Gegend. Er war auf die Jagd gegangen und hatte sich von seinem Gefolge verirrt.

Als er nun das Häuschen sah, stieg er ab vom Pferde, klopfte an und bat um ein Glas Wasser, denn er war sehr durstig. Das Mädchen aber öffnete nicht die Türe, sondern nur das Fenster und reichte ihm das Glas Wasser zum Fenster hinaus. Als er nun ihre große Schönheit sah, ward er von einer bösen Lust ergriffen und verlangte mit Ungestüm, sie solle ihm die Türe aufmachen. Sie aber wollte nicht. Da brach er in seiner wilden Begierde die Türe auf, drang in das Häuschen und tat ihr Gewalt an. Sie rief und schrie, aber es hörte sie niemand. Wie sie sich nun so vergeblich nach Hilfe umsah, erblickte sie eine Schlange, die eben vorüberkroch. »Wenn mich denn niemand hört in meiner Not«, sprach sie, »so rufe ich diese Schlange an, die soll für mich zeugen, daß du keine andre heiraten darfst, denn mich.«

Als sie das gesagt hatte, tat sie dem Königssohn den Willen; dann verließ er das Häuschen. Sie erzählte aber ihrer Mutter nichts davon.

Nicht lange nachher verbreitete sich das Gerücht, der Königssohn werde nun bald eine schöne Prinzessin heiraten. Als nun die Mutter eines Tages wieder in der Stadt gewesen war, frug die Tochter sie am Abend: »Nun, liebe Mutter, was gibt es Neues in der Stadt?«

»O mein Kind«, sprach die Mutter, »man erzählt eine Geschichte, die ist so außergewöhnlich, daß sie niemand glauben kann. Denke dir, der Königssohn hat eine Schlange um den Hals, und niemand kann sie wegjagen, und wenn man sie wegreißen will, so schnürt sie sich nur fester um seinen Hals und erwürgt ihn fast.«

Da die Tochter das hörte, wußte sie wohl, welche Schlange das war, und machte sich am Morgen ganz früh auf den Weg, ohne ihrer Mutter etwas zu sagen, und ging auf das Schloß.

Als nun die Wache frug, was sie begehre, antwortete sie: »Meldet mich dem König an, denn ich habe ein Mittel, um den Königssohn von der Schlange zu befreien, die sich ihm um den Hals gehängt hat.«

Die Leute fingen an zu lachen und sagten: »Das haben so viele Ärzte und weise Leute versucht, und keinem ist es gelungen, und nun wolltest du es unternehmen?«

Sie aber sprach: »Meldet mich nur bei dem König an.« Als nun der König den Lärm hörte, frug er, was es gebe. Da sagten ihm seine Diener: »Unten ist ein Mädchen, das rühmt sich, es hätte ein Mittel, den Königssohn von seiner Schlange zu befreien.«

»Nun, laßt sie heraufkommen«, sprach der König, »wenn ihr Mittel nichts nützt, so wird es auch nicht viel schaden.«

Also wurde das schöne Mädchen vor den König geführt, und der König führte sie in das Zimmer seines Sohnes und ließ sie dort mit dem Königssohne allein.

Da stellte sie sich vor ihn hin und sprach: »Sieh mich einmal an; erkennst du mich?«

»Nein«, antwortete der Königssohn, aber alsobald schlang das Tier sich fester um seinen Hals. »Wie?« fuhr sie fort, »hast du denn vergessen, wie du in mein Haus mit Gewalt eingedrungen bist und mich gezwungen hast, deinen Willen zu tun? Weißt du nicht mehr, wie ich die Schlange angerufen habe, als Zeugen, daß du keine andre heiraten dürfest, denn mich?«

Er wollte gern wieder mit nein antworten, aber die Schlange zog sich so fest um seinen Hals, daß er endlich ja sagte. Da ließ auch die Schlange ein wenig nach mit ihrem Druck.

»Und nun willst du eine Königstochter heiraten und mich verlassen?« frug das Mädchen.

»Ja«, antwortete er, aber alsobald wickelte sich die Schlange wieder fester um seinen Hals, also daß er endlich versprach, die Königstochter nicht zu heiraten.

»So schwöre mir, daß du mich heiraten wirst«, sprach das Mädchen. Da schwor er es ihr zu, und alsobald fiel die Schlange von seinem Halse herab und verschwand.

Der Königssohn aber eilte zum König und sprach: »Lieber Vater, schicket meine Braut nur wieder zu ihrem Vater zurück, denn dieses Mädchen hat mich von der bösen Schlange befreit und soll nun meine Gemahlin werden.«

Also heiratete der Königssohn das schöne Mädchen, und sie ließ auch ihre Mutter auf das Schloß kommen, und so lebten sie glücklich und zufrieden, wir aber sind leer ausgegangen.

[Sizilianisches Märchen]

[3] Das Märchen von der Padde

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. Es lebte aber auch damals eine alte Frau, die hatte nur ein Töchterlein, welches Petersilie hieß. Der König schickte seine Söhne aus, um sich in der Welt umzusehen, seine und fremde Lande kennenzulernen, um so weise genug zu werden, dereinst ihr Erbteil beherrschen zu können. Die alte Frau aber lebte still und eingezogen mit ihrem Töchterlein, das den Namen davon hatte, daß es Petersilie lieber als alle andere Speise aß, ja einen rechten Heißhunger danach hatte.

Die arme Mutter hatte nicht Geld genug, immer und immerfort Petersilie für die Tochter zu kaufen, und es blieb ihr daher nichts übrig, da das Töchterlein gar zu schön war und sie auf keine Weise ihrer Schönheit nachteilig sein wollte, als nächtlich aus dem Garten des gegenüberliegenden Jungfrauenklosters die schönsten Petersilienwurzeln zu entwenden und das Töchterchen damit zu füttern. Das Gelüst der schönen Petersilie war nicht unbekannt, ebensowenig blieb der Diebstahl verborgen, und die Äbtissin war über ihre schöne Nachbarin nicht wenig erzürnt.

Die drei Prinzen kamen auf ihrer Wanderung auch in das Städtlein, wo Petersilie mit ihrer Mutter wohnte, und gingen gerade durch die Straße, als das schöne Mägdlein am Fenster stand und ihre langen, wunderprächtigen Haare kämmte und flocht. Entzündet von Liebe, stieg in einem jeden der Wunsch auf, die Schöne zu besitzen, und kaum war der Wunsch über die Lippen gekommen, als auch ein jeglicher, in blinder Eifersucht, seinen Säbel zog und auf seinen brüderlichen Mitbewerber losging. Der Kampf ward nicht wenig heftig.

Auch die Äbtissin trat an die Pforte, und kaum hatte die fromme Frau gehört, daß ihre Nachbarin die Ursache sei, als aller Grimm, früher und späterer, sich in ihr zu der Verwünschung sammelte. Sie wünschte, daß Petersilie in einen häßlichen Frosch verwandelt würde und unter einer Brücke am entferntesten Ende der Erde sitze. Kaum ausgesprochen, ward Petersilie ein Frosch und war verschwunden.

Die Prinzen, die nun keinen Gegenstand des Kampfes hatten, steckten ihre Degen ein, umarmten sich wieder brüderlich und zogen heim zu ihrem Vater.

Der alte Herr merkte indessen, daß er stumpf und schwach in den Regierungsgeschäften ward, und wollte daher das Reich abtreten. Aber wem? Dazu konnte sich sein väterliches Herz nicht entschließen, unter den drei Söhnen zu wählen. Das Schicksal sollte es bestimmen, und er ließ sie daher vor sich kommen.

»Meine lieben Kinder«, sprach er, »ich werde alt und schwach und will meine Regierung niederlegen, kann mich aber nicht entschließen, einen von euch zu wählen, da ich euch alle drei gleich liebe und denn doch auch dem Besten und Klügsten von euch mein Volk übergeben wollte. Ihr sollt mir daher drei Aufgaben lösen, und wer sie mir löst, der soll mein Erbe sein. Das erste ist: Ihr müßt mir ein Stück Leinewand von hundert Ellen bringen, das man durch einen goldenen Ring ziehen kann.«

Die Söhne verneigten sich, versprachen ihr Möglichstes zu tun und machten sich auf die Reise.

Die beiden ältesten Brüder nahmen viel Gefolge und viele Wagen mit, um alle die schöne Leinewand, die sie finden würden, aufzuladen; der jüngste ging ganz allein. Bald kamen drei Wege, zwei lustig und trocken, der dritte düster, feucht und schmutzig. Die beiden älteren Brüder nahmen die beiden ersten Wege; der jüngste nahm Abschied von ihnen und schlenderte den düstern Weg entlang.

Wo nur schöne Leinewand war, besahen sie die älteren Brüder und erstanden sie. Ihre Wagen krachten unter der Last. Und wo nur irgend der Ruf sie hinwies, dahin eilten sie auch und kauften. Sie kehrten reich versehen zurück. Der Jüngste dagegen ging mehrere Tagereisen auf seinem unwirtlichen Wege fort, nirgend wollte ihm ein Ort erscheinen, in dem er auch nur eine erträglich feine Leinewand gefunden, und so reiste er lange und ward immer mißmutiger.

Einst kam er an eine Brücke, setzte sich an dem Rande nieder und seufzte recht tief über sein böses Schicksal.

Da kroch eine mißgestaltete Padde aus dem Sumpf hervor, stellte sich vor ihn und fragte mit nicht ganz übel tönender Stimme, was ihm denn fehle.

Der Prinz, unwillig, antwortete: »Frosch, du wirst mir nicht helfen.«

»Und doch«, erwiderte der Frosch, »sagt mir nur Eure Leiden.«

Nach mehreren Weigerungen erklärte endlich der Prinz die Ursache, warum ihn sein Vater ausgesendet habe.

»Dir soll geholfen werden«, sagte die Padde, kroch in ihren Sumpf zurück und zerrte bald ein Läppchen Leinewand, nicht größer als eine Hand und nicht eben zum saubersten aussehend, hervor, das sie vor dem Prinzen niederlegte und ihm andeutete, das solle er nur nehmen.

Der Prinz hatte gar keine Lust, ein so übel scheinendes Läppchen anzunehmen, doch lag etwas in den Zuredungen der Padde, das ihn bereitwillig machte, und er dachte: ›Etwas ist doch besser als gar nichts‹, steckte daher sein Läppchen ein und empfahl sich dem Frosche, der mühsam sich wieder in das Wasser schob.

Je weiter er ging, je mehr merkte er zu seiner Freude, daß ihm die Tasche, in welche er das Läppchen gesteckt hatte, immer schwerer ward, und er wanderte daher mutvoll auf den Hof seines Vaters zu, den er auch in kurzem erreichte, als eben auch seine Brüder mit ihren Frachtwagen wieder anlangten.

Der Vater war erfreut, seine drei Kinder wiederzusehen, zog sogleich seinen Ring vom Finger, und die Probe begann. Auf all den Frachtwagen war auch nicht ein Stück, das nur zum zehnten Teile durch den Ring gegangen wäre, und die beiden ältern Brüder, die erst ziemlich spöttisch auf ihren Bruder, der ganz ohne alle große Vorräte gekommen war, sahen, wurden ziemlich kleinlaut. Wie ward ihnen zumute, als er aus seiner Tasche ein Gespinst zog, das an Zartheit, Feinheit und Weiße alles übertraf, was man je gesehen hatte. Es wallte in glänzenden Lagen und ging nicht allein höchst bequem durch den Ring durch, man hätte wohl noch ein Stück zu gleicher Zeit durch den Ring ziehen können, und dennoch gab das Maß richtige hundert Ellen.

Der Vater umarmte den glücklichen Sohn, befahl, die unbrauchbare Leinewand ins Wasser zu werfen, und sagte dann zu seinen Kindern: »Nun, ihr lieben Prinzen, müßt ihr die zweite Forderung erfüllen: Ihr müßt mir ein Hündlein bringen, das in eine Nußschale paßt.«

Die Söhne waren über eine so wunderbare Aufgabe nicht wenig erschrocken, aber der Reiz der Krone war zu groß. Sie versprachen, auch dies zu erfüllen zu suchen, und wanderten nach wenig Tagen Ruhe wieder aus.

Am Scheidewege trennten sie sich. Der Jüngste ging seinen feuchten, unscheinbaren Weg, er hatte schon bei weitem mehr Mut.

Kaum hatte er einige Zeit an der Brücke gesessen und wieder geseufzet, so kroch auch die Padde wieder hervor, setzte sich ihm wie das erstemal gegenüber, öffnete den weiten Mund und fragte, was ihm denn fehle.

Der Prinz setzte diesmal keinen Zweifel in die Macht der Padde, sondern gestand ihr gleich sein Bedürfnis.

»Dir soll geholfen werden«, sagte wiederum die Padde, kroch in den Sumpf und brachte ein Haselnüßlein hervor, legte es ihm vor die Füße, sagte ihm, er solle es nur mitnehmen und seinen Herrn Vater bitten, die Nuß sauber aufzuknacken, das andere würde er schon sehen.

Der Prinz ging vergnügt fort, und die Padde schob sich wieder mühsam in das Wasser hinab.

Daheim waren die Brüder auch schon zu gleicher Zeit angekommen und hatten eine große Menge sehr zierlicher Hündlein mitgebracht. Der alte Vater hatte eine beträchtlich große Walnußschale bereit und schob jedes Hündlein hinein, aber die hingen bald mit den Vorderfüßen, bald mit dem Kopf, bald mit den Hinterfüßen, bald ganz über die Walnußschale fort, so daß gar nicht daran zu denken war, daß ein Hündlein hineingepaßt hätte.

Als nun kein Hund mehr zu proben übrig war, überreichte der Jüngste mit einer zierlichen Verbeugung dem Vater seine Haselnuß und bat, sie auf das behutsamste aufzuknacken. Kaum hatte der alte König es getan, als aus der Haselnuß ein wunderkleines und niedliches Hündlein sprang, das gleich auf der Hand des Königs umherlief, mit dem Schwänzlein wedelte, ihm schmeichelte und gegen die andern auf das zierlichste bellte.

Die Freude des Hofes war allgemein, der Vater umarmte wieder den glücklichen Sohn, befahl abermals, die andern Hunde in das Wasser zu werfen und zu ersäufen, und sagte dann zu seinen Söhnen: »Liebe Kinder, die beiden schwierigsten Bedingnisse sind nun erfüllt. Hört nun mein drittes Verlangen: Wer die schönste Frau mir bringt, der soll mein Erbe und Nachfolger sein.«

Die Bedingung war zu nahe, der Preis zu reizend, als daß die Prinzen nicht sogleich, jeder auf seinem gewohnten Wege, wieder hätten aufbrechen sollen.

Dem Jüngsten war diesmal gar nicht wohl zumute. Er dachte: »Alles andere hat der alte Frosch wohl erfüllen können, aber nun wird’s vorbei sein. Wo wird er mir ein schönes Mädchen und noch dazu das schönste herschaffen können? Seine Sümpfe sind fern und breit menschenleer, und nur Kröten, Unken und anderes Ungeziefer wohnt dort.«

Er ging indessen doch fort und seufzte diesmal aus schwerem Herzen, als er wieder an der Brücke saß.

Nicht lange danach stand die Padde wieder vor ihm und fragte, was ihm fehle.

»Ach Padde, diesmal kannst du mir nicht helfen, das übersteigt deine Kräfte.«

»Und doch«, erwiderte der Frosch, »sagt mir nur Euer Leiden!«

Der Prinz entdeckte ihm endlich seine neuen Leiden.

»Dir soll geholfen werden«, sagte wieder der Frosch. »Gehe du nur voran, die Schöne wird dir schon folgen! Aber du darfst über das, was du sehen wirst, nicht lachen.« Darauf sprang er, wider seine Gewohnheit, mit einem herzhaften Sprunge weit in das Wasser hinein und verschwand.

Der Prinz seufzte wiederum recht tief, stand auf und ging fort, denn er erwartete nicht viel von dem Versprechen. Kaum hatte er einige Schritte gemacht, so hörte er hinter sich ein Geräusch. Er blickte sich um und sah sechs große Wasserratzen, die in vollem Trabe einen Wagen, von Kartenpappe gemacht, hinter sich herzogen. Auf dem Bock saß eine übergroße Kröte als Kutscher, hintenauf standen zwei kleinere Kröten als Bedienstete und zwei bedeutend große Mäuse mit stattlichen Schnurrbärten als Heiducken. Im Wagen selbst aber saß die ihm wohlbekannte dicke Padde, die im Vorbeifahren etwas ungeschickt, aber doch möglichst zierlich, ihm eine Verbeugung machte.

Viel zu sehr in Betrachtungen vertieft von der Nähe seines Glückes und wie ferne es nun sei, da er die schönste Schöne nicht finden würde, betrachtete der Prinz kaum diesen lächerlichen Aufzug. Noch weniger hatte er gar Lust zu lachen. Der Wagen fuhr eine Weile vor ihm her und bog dann um eine Ecke. Wie ward ihm aber, als bald darauf um dieselbe Ecke ein herrlicher Wagen rollte, gezogen von sechs mächtigen schwarzen Pferden, regiert von einem wohlgekleideten Kutscher, und in dem Wagen die schönste Frau, die er je gesehen und in der er sogleich die reizende Petersilie erkannte, für die sein Herz schon früher entbrannt war. Der Wagen hielt bei ihm stille, Bedienstete und Heiducken, aus der Tiergestalt entzaubert, öffneten ihm den Wagen, und er säumte nicht, sich zu der schönen Prinzessin zu setzen.

Bald kam er in der Hauptstadt seines Vaters an, mit ihm seine Brüder, die eine große Menge der schönsten Frauen mit sich führten. Aber als sie vor den König traten, erkannte sogleich der ganze Hof der schönen Petersilie den Kranz der Schönheit zu. Der entzückte Vater umarmte seinen Sohn als Nachfolger und seine neue Schwiegertochter. Die anderen Frauen wurden aber alle, wie der Leinewand und den Hündlein geschehen war, ins Wasser geworfen und ersäuft.

Der Prinz heiratete die Prinzessin Petersilie, regierte lange und glücklich mit ihr, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch.

[Märchen aus Mitteldeutschland]

[4] Die drei treuen Tiere