Maria Geisenhof: Füssen in und nach den Kriegstagen 1943 bis 1950 -  - E-Book

Maria Geisenhof: Füssen in und nach den Kriegstagen 1943 bis 1950 E-Book

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Beschreibung

Maria Geisenhof aus Füssen führte in den Jahren 1943 bis 1950 Tagebuch über die weltgeschichtlichen und lokalen Ereignisse.

Das E-Book Maria Geisenhof: Füssen in und nach den Kriegstagen 1943 bis 1950 wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Füssen, Tagebuch, Zweiter Weltkrieg, Nachkriegszeit, Alltag

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Seitenzahl: 85

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

Wer war Maria Geisenhof?

Vorbemerkung der Verfasserin

Kriegsjahr 1943

Kriegsjahr 1944

Kriegsjahr 1945

Nachkriegsjahr 1946

Nachkriegsjahr 1947

Nachkriegsjahr 1948

1949

1950

Anlagen

Anmerkungen mit Abbildungs- und Anlagen-Verzeichnis

Wer war Maria Geisenhof?

Hierzu sei der Nachruf in dem Jahrbuch des „Historischen Vereins Alt Füssen“ von 1978 zitiert:

„Maria Geisenhof, geboren 15.4.1895, gestorben 15.10.1978, stammte aus einer der ältesten Füssener Familien. Ihr Großvater war von 1865 bis 1873 Füssener Bürgermeister, und die Großmutter empfing öfters im bürgerlichen Hause die Königinmutter Marie. Maria Geisenhof wuchs in dieser langen Tradition auf und entwickelte ein tiefes heimatgeschichtliches Bewußtsein. Sie sammelte mit sicherem Gespür Lebensbilder aus dem alten Füssen und schrieb sie in ihren selbstillustrierten Chroniken nieder. Daneben bildete ihre mundartliche Ausdrucksweise eine Fundgrube für den heimischen Dialekt. Die vor einiger Zeit vom Historischen Verein aufgenommenen Tonbänder bewahren dieses sprachliche Erbe.“

Abb. 1: Maria Geisenhof (Anm. 1)

Vorbemerkung der Verfasserin

Ihren Aufzeichnungen stellt Maria Geisenhof die folgenden Zeilen voran:

„Wie es dem Füssener Färber Hans Feigele in den Kopf kam, [während des Dreißigjährigen Kriegs] vom Neujahr 1618 an verschiedene seiner eigenen Erlebnisse wie auch Begebenheiten, was sich in der Stadt zugetragen hat, niederzuschreiben, so fiel es auch mir ein, mit dem Beginn des neuen Jahres 1943 manches zu notieren, an dem man Gefallen oder auch Anstoß findet, was nicht ganz in die Vergessenheit kommen soll.

Mit Beginn des neuen Jahres stehen wir bereits im 40. Monat des Zweiten Weltkrieges. Wohl sind wir bis jetzt im Vergleich zu dieser Zeit (des 30jährigen bösen Krieges) in Füssen mit allen Schrecken und Leid, was manche Länder erlebten, bis jetzt gnädig und gut weggekommen. Doch wissen wir nicht, wie lange noch die Brandfackel dieses Krieges Städte und Häuser zerstört und Menschen in Asche verwandelt.

Schon ruhen tausende wackerer, junger Männer in fremder Erde begraben, versenkt in den Tiefen der Weltmeere, und noch immer wütet der Tod, nicht schonend die Familien, die in den dunklen Kellern und feuchten Bunkerlöchern der Großstädte ihre letzte Zuflucht suchen.

Nur eines allein, der Aufblick nach Oben, läßt sich nicht verdunkeln, der Aufblick zu Gott.“

Kriegsjahr 1943

Januar

1.1.:

Bei strahlender Sonne schreiten wir in das neue Jahr ein. Möge Gott auch weiterhin seinen Sonnenstrahl der Güte über uns scheinen lassen.

3.1.:

Großes Schneetreiben setzt ein, wie es eben als Abwechslung für diese Jahreszeit gehört. In der Pfarrkirche wurde ein Krippenspiel aufgeführt, das sich eines guten Besuches erfreute.

6.1.:

Das Fest der Hl. 3 Könige durfte nicht mehr als Feiertag gehalten werden!

7.1:

Für meine 5 Neffen [Scheibel], welche die 2. Kriegsweihnacht in Rußland erleben, schickte ich kleine Päckchen mit Pfefferminztee und Süßstoff, auf die sie immer warteten und sich darüber freuten.

18.1.:

Fliegeralarm von nachts 11 ½– 12 ¼ h trieb uns in den kalten Keller.

21.1.:

Einer meiner Neffen schrieb mir aus Rußland.

„Am hl. Tag Weihnachten mußten wir marschieren bis zu den Knien im Dreck, über Pferdekadaver und toten Russen.“

– Wer denkt da nicht an den sinnlosen Feldzug Napoleons nach Rußland? Wie wird dieser Feldzug enden?

24.1.:

Bei uns ist das Wetter wärmer. Am Wasserfall holte ich die ersten Erika. Schickte ein paar Blümlein nach Rußland, als Vorfrühlingsgruß aus der Heimat.

26.1.:

Wieder Fliegeralarm von früh ½ 2 – 3 h. Furchtbare Tage unserer Soldaten um Stalingrad.

Februar

2.2.:

Lichtmeß sehr stürmisches Wetter, wie man es nach alter Bauernregel gerne sieht.

15.2.:

Fliegeralarm von ¾ 11 –½ 2 h. Schönes Winterwetter, viel Schneefall.

20.2.:

Fliegeralarm von ½ 11 – 12 und von ¾ 3 – 3 ¼ h.

Wie es Vorschrift ist, suchten wir den unteren Raum des Hauses auf, unsere Waschküche mit einer Mauerstärke von 1.20 m, die Stärke der einstigen Stadtmauer.

März

2.3.:

Begann mit schönem Wetter.

Fliegeralarm von ½ 1 – 1 ¼ mittags, von 12 – 2 h nachts. Feindliche Flieger haben München, Nürnberg und Stuttgart angegriffen, großen Schaden angerichtet.

Von München und Stuttgart ist öfters der Einschlag zu hören.

15.3.:

33Fliegeralarm von ½ 12 – 1 ¼ h mittags.

21.3.:

Heldengedenktag für die Gefallenen.

9 h am Schulhausplatz, jetzt Adolf Hitlerplatz, war Heldenehrung. Die Musikkapelle der Marineschule von Hohenschwangau verschönerte die Feier.

April

4.4.:

Tag der deutschen Wehrmacht. Mit klingendem Spiel zog in der Frühe die „Gebirgsmarine“ durch die Stadt. Im Zuge marschierten Soldaten und Matrosen von Hohenschwangau.

6.4.:

Mein Neffe R.

(

Anm. 2

)

kam in Urlaub. Aus der großen Schlacht bei Orel

(

Anm. 3

)

kam er glücklich in die Heimat.

7.4.:

Aus Polen kam Neffe T.

(

Anm. 4

)

in Urlaub. In der Stadtpfarrkirche war Osterbeichte der Soldaten. Acht Beichtväter fertigten den großen Haufen von Soldaten schnell ab. Wildes Wetter, viel Sturm und Regen.

16.4.:

Fliegeralarm v. 1 – 3 h nachts. Angriff auf Neuburg an der Donau.

17.4.:

Frühlingswetter setzt ein. Heiß scheint die Sonne.

23.4.:

Karfreitag. Zur Feier dieses Tages wurden bei St. Mang die „Sieben Worte Jesu“ gesungen.

25.4.:

Hl. Osterfest! In der Stadtpfarrkirche erklang die ewig schöne Theresienmesse v. Haydn. Wie erhebend wirkt solche Musik! Hoffentlich bleibt unser Kirchenchor dieser herrlichen Musik für immer treu. Im Garten konnte man den ersten Rhabarber schneiden. Nach 26 Monaten kam Neffe A.

(

Anm. 5

)

das erstemal von Rußland in Urlaub nach Hause.

Mai

1.5.:

Nationaler Feiertag. Zum erstenmal hörte man den Ruf des Kuckucks, der immer Freude in uns weckt.

2.5.:

In der Nacht um 3 ¼ h war wieder leichtes Erdbeben zu verspüren.

10.5.:

Auf dem Kalvarienberg wurde das Fest der Schutzfrau Bayerns feierlich begangen. Auch die Soldaten unserer Kaserne umstanden in 3 großen Gruppen aufgestellt den Platz auf der Hirschwiese.

(

Abb. 2

und

Anm. 6

)

Nachmittags schneite es wie mitten im Winter.

15.5.:

Von ¾ 2 – 2 mittags war Fliegeralarm.

18.5.:

Von ½ 1 –½ 2 nachts durch Fliegeralarm wieder aufgeweckt. Es war kein schöner Posten als Blockwart

(

Anm. 7

)

für mich, in solchen Nächten Kontrolle zu stehen. Die Leute sind teilweise betreff Nicht-Verdunkeln- Wollen sehr unvernünftig. Sind böse wenn sie aufmerksam gemacht werden, daß da und dort der Lichtschein aus den Fenstern dringt. Und ist doch wirklich ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Bei nächtlichem Fliegeralarm auf den Sonntag darf von jetzt ab erst um 10 h Gottesdienst gehalten werden. Die Kirchen bleiben geschlossen.

20.5.:

Fliegeralarm v. 2 – 3 ½ nachmittags.

25.5:

Neuschnee auf den Bergen.

28.5.:

In der Nacht um ¾ 3 h abermals Erdstöße.

30.5.:

Sonntag! Letzte Maiandacht. Zum Schlusse hörten wir auf Schallplatten das schöne Geläute unserer Glocken, die 1942 vom Turm abgenommen wurden.

31.5.:

Mit der Zuweisung von Lebensmitteln wird es immer schlechter. Ab heute trifft es pro Person pro Woche 250 gr. Fleisch, Kinder 100 gr., zuvor 350 gr. und 200 gr. pro Monat: 8000 gr. Schwarzbrot, 2800 gr. Weißbrot oder 2100 gr. Mehl. 1 Pfd. Butter, 130 gr. Käse, 125 gr. Topfen, 100 gr. Speiseöl, 300 gr. Margarine, für Juli 6 Stck. Eier und pro Kopf 900 gr. Zucker. Bittwoche: Die öffentlichen Bittgänge durften nicht abgehalten werden. Nur in der Feldkirche, Gottesackerkirche und Frau am Berg-Kirche war eine hl. Messe. Eine kleine Schar von Buben verschönerten mit Singen den Bittgottesdienst.

Juni

Abb. 2: Soldaten auf dem Kalvarienberg im Kriegsjahr 1943 (Anm. 6)

4.6.:

Es regnet jeden Tag in Strömen.

13.6.:

Pfingstfest: ebenfalls schlechtes Wetter. Trotzdem ließen sich die Wallfahrer von der Wildsteig nicht abhalten, zum hl. Magnus zu kommen. Sie blieben bis jetzt ihrem Gelübde treu.

21.6.:

Fliegeralarm von ½ 3 – 4 h früh. Angriff auf Friedrichshafen.

24.6.:

Heilig Fronleichnam kein Festtag mehr. Sogar die Abendmesse war verboten. Die zur Zeit in unserer Kaserne untergebrachten österreichischen Gebirgs jäger sind ein lustiges Völkchen. Singen und Jodeln den ganzen Tag. Es sind lauter junge Burschen.

27.6.:

Fronleichnam am Sonntag gefeiert. Prozession durch die Stadt. Weder an den Häusern noch in der Kirche durften zum Schmucke keine Birken verwendet werden.

Juli

9.7.:

In den Bergen großer Schneefall, im Tal Regen. Großer Fliegerangriff auf Köln.

13.7.:

Fliegerangriff auf Aachen. Auch der Dom soll bombardiert worden sein.

16.7.:

Von ½ 3 – 3 ¼ h früh bei uns Fliegeralarm.

17.7.:

Von ¼ 2 – 3 ¼ bei uns Fliegeralarm. Am Samstag früh sammeln sich die H.J. vor dem Heim an der Huterhalde. Die Kirchen jedoch dürfen vor 10 h nicht geöffnet werden.

18.7.:

Zum erstenmale wurde Rom bombardiert, eine der ältesten Kirchen Roms (St. Laurente) wie das Elterngrab Papst Pius XII. zerstört.

26.7.:

Das faschistische Italien ist heute Nacht gestürzt worden. Mussolini dankte ab. Der König übernahm die Regierung. Der Krieg geht weiter.

29.7.:

Durch Füssen gingen in der Nacht große Truppentransporte nach Italien.

30.7.:

Mittags ½ 1 –½ 2 h Fliegeralarm.

August

Seit 10 Tagen anhaltende Hitze.

Nachmittags von 3 h weg Fliegeralarm.

11.8.:

Abermals nachmittags Fliegeralarm.

War an diesem Tag beim Heuen in Lehern.

September

Trauerfeier auf dem Schulhausplatz für gefallenen General Kreß vom hiesigen Standort.

5.9.:

Schöne Feier des Magnusfestes bei St. Mang.

Am Abend Fliegeralarm von ¾ 7 – 7 ¼.

6.9.:

Auch am Magnustage selber durfte die hl. Messe wegen Fliegeralarm erst um 10 h gelesen werden.

Von 11 ¼– ¾ 12 mittags Alarm.

Großer Viehabtrieb bei herrlichstem Wetter.

7.9.:

Von 12 – 2 ½ nachts Fliegeralarm. Welle an Welle überflogen feindliche Flieger unsere Stadt. Als Ziel kam München daran. Der ganzen Bergkette entlang steckten die Flieger „Christbäumchen“, die in der Luft leuchtend die Fahrt anzeigten, Licht ausstrahlten wie die Weihnachtsbäume.

Von ½ 7 –¾ 7 früh nochmals Alarm.

8.9.:

Waffenstillstand in Italien. Mussolini wird vom König verhaftet. Im Sanitätsauto auf eine Insel entführt.

10.9.:

Rom hat kapituliert. Der Vatikan ist von Deutschen besetzt.

12.9.:

Deutsche Fallschirmjäger befreiten Mussolini aus seiner Verbannung. Seine Familie soll sich in Weilheim aufhalten.

15.9.:

Mussolini wird wieder Oberhaupt der faschistischen Partei in Italien.

17.9.:

Fliegeralarm von 1 ½ –¾ 2 mittags und von ¾ 2 – 3 h.

20.9.:

Starker Regen, auf den Bergen schneit es.

24.9.:

Füssen ein Tag ohne Wasser infolge großen Rohrbruchs. Ich holte das Wasser an den alten Quellen der Schwangauerstraße.

Oktober

1.10.:

Fliegeralarm von ½– 2 ¼ h mittags.

2.10.:

Fliegeralarm nachts von ¾ 11 –½ 2 h. In großer Zahl flogen Feindflieger Welle an Welle den Alpenrand entlang nach München. Leuchtkugeln weit sichtbar bis zu den Buchinger Bergen.

Erntedankfest. Auch an diesem Tag blieben die Kirchen verschlossen bis 10 h.

Die Stadt München hat bei diesem Angriff großen Schaden erlitten.

3.10.:

Nachmittags Fliegeralarm v. 5 – 6 h.

4.10.:

Luftgefahr gemeldet von 10 –¾ 11 h mittags. Luftgefahr bedeutet nicht unmittelbarer Kampfanflug der feindlichen Bomber, aber doch bedeutet soviel wie – es kann kommen. Die Füssner selber, die bis jetzt vor jedem Angriff verschont geblieben sind, nehmen die Warnungen nicht besonders ernst.

5.10.:

Fliegeralarm v. ½ 1 – 1 mittags. Da heißt es dann schnell die warme Suppe löffeln, denn stutzig wird man doch.