Maria Stuart: Historischer Roman - Stefan Zweig - E-Book

Maria Stuart: Historischer Roman E-Book

Zweig Stefan

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Beschreibung

In "Maria Stuart: Historischer Roman" entführt Stefan Zweig die Leser in die faszinierende Welt des 16. Jahrhunderts, in der sich Machtspiele und tragische Schicksale um die schottische Königin Maria Stuart ranken. Zwei Frauen, Maria und ihre Cousine Elisabeth I. von England, stehen sich in einem Kampf um den Thron und die Herzen ihrer Untertanen gegenüber. Zweigs eindringlicher Schreibstil kombiniert psychologische Tiefe mit historischer Genauigkeit, was es dem Leser ermöglicht, die Tragik und Komplexität der Charaktere nachzuvollziehen. Der Autor schafft es meisterhaft, die politischen Intrigen und persönlichen Konflikte zu verweben, die die Geschichte dieser außergewöhnlichen Frauen prägten, und setzt den historischen Kontext in ein bemerkenswertes Licht. Stefan Zweig, ein herausragender österreichischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, war nicht nur für seine Romane bekannt, sondern auch für seine biografischen Werke und Essays. Seine umfangreiche Bildung und seine Lebensumstände, geprägt von der politischen Instabilität und der Exilsituation in den Jahren der Weltkriege, geben seiner Betrachtung der menschlichen Psyche und der thematischen Tiefe in "Maria Stuart" eine besondere Dimension. Als jemand, der sich intensiv mit den großen Fragen der Menschheit auseinandersetzte, war Zweig fasziniert von den Tragödien historischer Figuren. Dieses Buch ist eine eindringliche Empfehlung für Leser, die sich für historische Romane begeistert und die Nuancen von Macht, Verrat und menschlichem Schicksal erkunden möchten. Zweigs brillante Erzählweise und sein feines Gespür für das Drama der Geschichte machen "Maria Stuart" zu einem unverzichtbaren Klassiker der Literatur, der nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken über die menschliche Natur anregt. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine Autorenbiografie beleuchtet wichtige Stationen im Leben des Autors und vermittelt die persönlichen Einsichten hinter dem Text. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Stefan Zweig

Maria Stuart: Historischer Roman

Bereicherte Ausgabe. Eine Darstellung historischer Tatsachen und eine spannende Erzählung über das Leben einer leidenschaftlichen, aber widersprüchlichen Frau
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547676959

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Synopsis
Historischer Kontext
Autorenbiografie
Maria Stuart: Historischer Roman
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate
Notizen

Einführung

Inhaltsverzeichnis

An der Schnittstelle von persönlicher Leidenschaft und staatlicher Macht entzündet sich ein Drama, das eine junge Königin in Europas Mühlen gefangen hält. Stefan Zweigs Maria Stuart führt in eine Epoche, in der Entscheidungen für das Private unweigerlich öffentliche Folgen haben. In seiner dichten, erzählerisch geprägten Darstellung lotet er die seelische Spannung zwischen Pflicht und Begehren, Glauben und Staatsräson aus. Nicht die Chronik allein trägt das Werk, sondern die Frage, wie Charakter und Augenblick ein Schicksal formen. Dieses Spannungsfeld, knapp und konzentriert erzählt, zieht die Lesenden in den Bann, noch bevor die großen Konflikte offen ausbrechen.

Als Klassiker gilt das Buch, weil es historische Erkenntnis mit literarischer Intensität verbindet. Zweig erprobt hier eine Kunst der Biografie, die psychologische Tiefenschärfe mit dramaturgisch gestalteten Szenen vereint. Seine Sprache ist präzise und bilderreich, sein Blick zugleich empathisch und kritisch. Dadurch prägt er über Generationen das Bild einer Herrscherin, deren Menschlichkeit nicht hinter Insignien verschwindet. Das Werk demonstriert, wie Geschichte durch erzählerische Verdichtung verständlich und memorabel wird. Leserinnen und Leser erleben keine trockene Abfolge von Daten, sondern das lebendige Ringen einer Persönlichkeit im Spiegel Europas – ein Modell, das viele spätere Lebensbeschreibungen beeinflusst hat.

Stefan Zweig (1881–1942), österreichischer Schriftsteller von Weltgeltung, veröffentlichte Maria Stuart 1935. Das Buch entstand in den unruhigen 1930er Jahren, als politische Spannungen den Kontinent erschütterten und Zweig sich zunehmend im Exil bewegte. Es handelt sich nicht um einen Roman, sondern um eine historische Biografie, die wie ein Roman gelesen werden kann. Der Autor verbindet sorgfältige Quellenlektüre mit erzählerischem Zugriff, um eine Gestalt des 16. Jahrhunderts in ihrer Zeit zu verorten. Diese Mischung aus Sachlichkeit und dichterischer Gestaltungskraft gibt dem Band seinen besonderen Rang innerhalb von Zweigs umfangreichem biografischen Werk.

Im Mittelpunkt steht Maria Stuart, Königin der Schotten, deren Kindheit und Jugend vom französischen Hof geprägt sind. Nach Jahren fern der Heimat kehrt sie in ein religiös und politisch gespaltenes Schottland zurück, wo Anhänger verschiedener Glaubensrichtungen um Einfluss ringen. Zugleich blickt die Inselmacht England wachsam auf jede Bewegung im Norden, denn Verwandtschaft und Erbfolge öffnen Spielräume und Gefahren gleichermaßen. Zweig zeichnet die ersten Schritte dieser Herrscherin im Labyrinth der Interessen nach, ihre Versuche, Autorität zu festigen, Bündnisse zu knüpfen und der Öffentlichkeit ein Bild von Stärke zu vermitteln – unter Bedingungen, die kaum sichere Wege zulassen.

Zweig gestaltet Geschichte als spannungsvolle Folge von Entscheidungsmomenten. Er schiebt erklärende Passagen nicht trocken voran, sondern baut sie in Szenen ein, in denen Motive, Stimmungen und Konstellationen sichtbar werden. Dabei bleibt er auf überprüfbare Tatsachen gestützt, wagt jedoch psychologische Deutungen, wo die Quellen Lücken lassen. Die Figuren erhalten so Kontur, ohne zu Erfindungen zu werden. Der Autor arbeitet mit Kontrasten, leitmotivischen Rückgriffen und präziser Tempoführung, um die Dynamik von Hof, Rat und Öffentlichkeit spürbar zu machen. Diese erzählerische Methode erklärt den bleibenden Reiz: Aus Vergangenheit wird Erfahrung, aus Akten wird gelebtes Leben.

Die nachhaltigen Themen dieses Buches sprechen über die Epoche hinaus. Zweig verhandelt Verantwortung und Selbstbestimmung, die Konstruktion politischer Bilder und die Verletzlichkeit von Reputation. Er zeigt, wie Geschlechtserwartungen Macht begrenzen oder verschieben, wie Religion als Überzeugung und Werkzeug zugleich wirkt und wie Loyalitäten in Krisen erprobt werden. Ebenso zentral ist die Frage nach Identität: Was bleibt von einer Person, wenn die Öffentlichkeit sie dauernd deutet? In Maria Stuart wird Politik zu einem Kampf um Deutungshoheit, in dem Worte, Gesten und Allianzen Schicksalskraft entfalten. Diese Reflexionen machen das Werk zu mehr als einer Lebensbeschreibung.

Maria Stuart gehört zu den bekanntesten Biografien Zweigs und hat die populäre Wahrnehmung der Titelfigur im deutschsprachigen Raum nachhaltig geprägt. Viele Lesende begegnen der schottischen Königin zunächst durch diese Darstellung und gewinnen über sie Zugang zur europäischen Frühneuzeit. Die Verbindung von Anschaulichkeit und Reflexion wirkt in schulischer, universitäter und allgemeinbildender Lektüre fort. Auch zeitgenössische Schriftstellerinnen und Schriftsteller verweisen auf Zweigs Kunst, psychologische Spannung ohne fiktive Ausschmückung zu erzeugen. So bewahrt das Buch seine Lebendigkeit: Es lädt dazu ein, historische Stoffe nicht als ferne Kulissen, sondern als existenzielle Räume zu verstehen, in denen Entscheidungen zählen.

Der Entstehungszeitraum verleiht dem Werk eine besondere Resonanz. In den 1930er Jahren beobachtete Zweig, wie Europa erneut von Ideologien, Machtkämpfen und Propaganda ergriffen wurde. Sein Interesse an der inneren Verfassung von Führungspersönlichkeiten spiegelt eine Sorge um das Verhältnis von Charakter und Macht. Indem er auf das 16. Jahrhundert blickt, liest er zugleich Gegenwartsfragen mit: Wie wirkt Loyalität im Druck? Was vermag Mäßigung gegen Fanatismus? Welche Rolle spielen öffentliche Bilder für Herrschaft? Diese unterschwellige Aktualität macht die Lektüre bis heute anregend, ohne dass das Buch je zu einem Schlüsselroman der Zeit würde.

Zweig gestaltet die Hauptfiguren als Gegensätze, die einander spiegeln. Maria erscheint als charismatische, sinnliche, zugleich verletzliche Herrscherin, deren Nähe zu Menschen Stärke und Risiko bedeutet. Ihr gegenüber steht in England eine souveräne, politisch klug kalkulierende Verwandte, die Distanz zur Kunst der Herrschaft erhebt. Zwischen beiden entspinnen sich Blicke, Botschaften und Strategien, die ohne direkte Begegnung Wirkung zeigen. Der Autor interessiert sich weniger für spektakuläre Effekte als für die Mechanik von Einfluss: wie Rat und Gerücht, Glauben und Staatskunst, Körper und Symbol ineinandergreifen. Dadurch entsteht ein vielschichtiges Bild von Führung und Verantwortung.

Das Buch steht in einer langen Tradition der Auseinandersetzung mit der schottischen Königin und behauptet darin eine eigenständige Position. Anders als dramatische Bearbeitungen zielt Zweigs Darstellung nicht auf die Bühne, sondern auf die innere Bühne der Entscheidung. Sein Werk zeigt, dass Biografie die Spannung eines Romans erreichen kann, ohne die Bindung an das Belegbare aufzugeben. Damit hat es die Erwartung geprägt, wie historische Persönlichkeiten erzählt werden: als denkende, fühlende Menschen in komplexen Systemen. Diese Perspektive hat Leserinnen und Leser weltweit überzeugt und die internationale Verbreitung von Zweigs biografischen Büchern befördert.

Für die heutige Lektüre bietet Maria Stuart Klarheit und Intensität. Der Text ist zugänglich, ohne zu vereinfachen, und reich an Kontext, ohne zu überfrachten. Wer mit der Epoche wenig vertraut ist, findet verlässliche Orientierung; Kennerinnen und Kenner entdecken feine Akzentuierungen der Motive. Besonders eindrücklich ist, wie Zweig historische Distanzen überbrückt: Er zeigt die Figuren in ihren Zwiespälten, so dass ihre Entscheidungen nachvollziehbar werden, auch wenn man sie nicht teilt. Die Sprache trägt, die Komposition hält Spannung, und die Konzentration auf entscheidende Knotenpunkte lässt das Geschehen mit Notwendigkeit und Offenheit zugleich erscheinen.

Heute, in einer Welt permanenter Öffentlichkeit, berührt das Buch Fragen, die nichts an Brisanz verloren haben: Wie entsteht Autorität? Wie wird ein Bild von Führung erzeugt, wie verteidigt oder zerstört? Was bedeutet Integrität unter Druck? Zweigs Biografie antwortet nicht mit Schlagworten, sondern mit genauer Beobachtung von Charakter, Zeitgeist und Umständen. Darin liegen ihre zeitlosen Qualitäten: psychologische Durchdringung, narrative Klarheit, Sinn für Ambivalenz. Maria Stuart bleibt so nicht nur eine Reise in die Geschichte, sondern eine Schule der Urteilskraft – ein Werk, das Denken anregt und das Gespräch über Macht und Verantwortung öffnet.

Synopsis

Inhaltsverzeichnis

Stefan Zweigs Maria Stuart entfaltet das Leben der schottischen Königin als dicht komponiertes Geschichtsbild, das psychologische Nähe mit analytischer Distanz verbindet. Der Autor führt in das religiös und politisch zerrissene Europa des 16. Jahrhunderts, in dem persönliche Entscheidungen sofort staatliche Folgen haben. Zweig verwebt Dokumente, Briefe und Chroniken zu einer Erzählung, die weniger protokolliert als deutet. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Temperament, Mythos und Machtinteressen ein Schicksal formen. So entsteht ein Panorama aus Hofritualen, wechselnden Allianzen und wachsendem Misstrauen, dessen Spannungsbogen von frühen Triumphen bis zu einer ausweglosen Zuspitzung reicht, ohne die Komplexität der Figuren auf einfache Gegensätze zu reduzieren.

Der Beginn schildert Marias Prägung am französischen Hof, wo sie Bildung, Selbstbewusstsein und die Kunst der Repräsentation erwirbt. Als Gemahlin des Thronfolgers steigt sie zur Königin von Frankreich auf, doch der frühe Tod ihres Gatten unterbricht die glanzvolle Perspektive abrupt. Die Rückkehr nach Schottland zwingt sie, höfische Eleganz in eine rauere politische Wirklichkeit zu übersetzen. Zweig zeigt, wie Erwartung und Realität kollidieren: eine junge, katholische Souveränin trifft auf ein Land, das religiös gespalten ist und in dem mächtige Adelsfraktionen um Einfluss ringen. Aus dieser Spannung erwächst das Grundmotiv von Anziehung und Widerstand, das die weitere Darstellung bestimmt.

In den schottischen Regierungsjahren untersucht Zweig die schwierige Balance zwischen persönlicher Ausstrahlung und institutioneller Festigkeit. Maria sucht Ausgleich zwischen Konfessionen, doch jeder Schritt wird taktisch ausgelegt. Hofintrigen, Predigerangriffe und die Eigeninteressen der Lords bilden ein Umfeld permanenter Bewährung. Der Autor akzentuiert, wie Kommunikation, Symbolik und Zeremoniell politische Wirksamkeit erzeugen, aber auch Erwartungen wecken, die kaum zu erfüllen sind. Besonders deutlich wird die Kluft zwischen dem Bild einer idealisierten Königin und den nüchternen Anforderungen einer fragilen Staatlichkeit. Daraus entsteht keine einfache Schuldzuweisung, sondern eine Studie über die Grenzen charismatischer Herrschaft in Zeiten beschleunigter Konflikte.

Die Heirat mit Henry Darnley markiert einen Wendepunkt, den Zweig als Mischung aus dynastischer Hoffnung und psychologischer Fehleinschätzung liest. Mit dem Versprechen gesteigerter Legitimität verbindet sich die Erwartung innerer Stabilität. Tatsächlich verschärfen Eitelkeiten, Rivalitäten und misstrauische Klientelnetze die Lage. Die Geburt eines Thronerben verstärkt den Druck: Wer gewinnt Zugriff auf die Zukunft des Königreichs? Zweig zeigt, wie Privates unentrinnbar öffentlich wird und wie Leidenschaft, verletzte Ehre und politisches Kalkül einander verwickeln. Das Augenmerk liegt weniger auf sensationellen Details als auf der Dynamik, die sich aus falschen Signalen, überzogenen Ansprüchen und unklaren Loyalitäten ergibt.

Als eine spektakuläre Gewalttat das Land erschüttert, treibt die Affäre um Schuld und Verantwortung die Handlung in eine neue Phase. Zweig schildert sie nicht als Kriminalfall, sondern als Machtprüfung, in der Indizien, Gerüchte und Deutungen zu politischen Waffen werden. Die Rolle eines aufstrebenden Adligen verdichtet die Krise, während öffentliche Meinung und Adelsopposition die Königin zunehmend in die Defensive drängen. Der Autor wägt Quellen gegeneinander ab und macht die Zerrissenheit sichtbar: zwischen juristischer Klärung und der Realität eines Systems, das Schuldzuweisungen nach Nützlichkeit verteilt. Reputation wird zur Währung, deren Wert in der Erschütterung rapide schwankt.

Der Verlust an Handlungsraum führt zu erzwungenen Entscheidungen, die neue Risiken eröffnen. Zweig führt vor, wie eine Flucht nach vorn in die Hände der Rivalen spielt und wie aus der Suche nach Schutz ein Netz aus Abhängigkeiten entsteht. Die Begegnung mit der englischen Krone formt den zweiten großen Deutungsrahmen des Buches: zwei Herrscherinnen, deren Interessen sich überkreuzen, beobachten und belauern einander. Die Grenze zwischen Solidarität unter Souveränen und Staatsräson verschwindet hinter Prüfungen, Audienzen und diplomatischem Taktieren. Daraus wächst eine Beziehung, die zugleich Spiegel, Kontrastfolie und Instrument politischer Selbstbehauptung ist.

Die lange Phase der Überwachung begreift Zweig als psychologisches Labor. Bewegungsspielräume schrumpfen, doch Schriftverkehr, Botenwege und die Bühne der Gerüchte halten Möglichkeiten offen. Im Zentrum steht die Frage, wie innere Standhaftigkeit gegen äußere Kontrolle behauptet werden kann. Der Autor zeigt, wie religiöse Identität, persönliche Würde und die Loyalität von Anhängern neue Energiequellen schaffen, aber auch Verdachtsfiguren nähren. Geheimhaltung und Gegenüberwachung steigern die Nervosität des Systems. Was als Fürsorge oder Sicherheit dargestellt wird, verwandelt sich in ein Regime der Interpretation, in dem jedes Wort, jedes Zeichen und jede Bekanntschaft politisch aufgeladen erscheint.

Als Kommissionen, Gutachten und Befragungen sich verdichten, rückt der juristisch-politische Grundkonflikt in den Vordergrund: Darf eine unabhängige Monarchin außerhalb ihres Reiches be- oder verurteilt werden? Zweig entfaltet die Argumente, vergleicht Rollenverständnisse und macht die Spannungen zwischen Recht, Moral und Zweckmäßigkeit sichtbar. Zugleich zeigt er, wie Rituale der Verfahren nicht nur entscheiden, sondern Geschichte erzählen: über Ordnung, Souveränität und Gefahrenabwehr. Die dramatische Zuspitzung führt zu einem Punkt, an dem die Logik der Staatsräson jede Geste der Nachsicht überlagert. Der Ausgang bleibt im Text hier bewusst als unausgesprochene Konsequenz präsent.

Am Ende bleibt ein vielschichtiges Porträt, das nicht endgültig richtet, sondern zum Nachdenken über Macht, Persönlichkeit und Darstellung anregt. Zweig betont, wie Lebensläufe durch Erzählungen geformt werden und wie stark Bilder von Weiblichkeit, Religion und Legitimität politische Entscheidungen prägen. Die dauerhafte Bedeutung des Buches liegt in seiner Fähigkeit, Tragik ohne Verklärung zu zeigen und die Grauzonen zwischen Schuld, Irrtum und Notwendigkeit offenzulegen. Damit wird Maria Stuart zur Studie über die Zerbrechlichkeit charismatischer Autorität im modernen Staat. Zugleich eröffnet die Darstellung einen Blick auf Mechanismen, die bis in die Gegenwart politischer Öffentlichkeit nachwirken.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Das Setting von Stefan Zweigs Maria Stuart liegt im Europa des 16. Jahrhunderts, insbesondere in Schottland, England und Frankreich. Dominant waren monarchische Souveränität, die Institutionen der Kirche sowie mächtige Adelsfraktionen. Der politische Rahmen wurde von der Reformation, konfessionellen Bürgerkriegen und dynastischer Konkurrenz bestimmt. Mary Stuart lebte von 1542 bis 1587, war von Geburt an Königin von Schottland und stand im Zentrum europäischer Machtpolitik. Zweigs Werk, das Mitte der 1930er Jahre erschien, blickt aus einer Zeit neuerlicher politischer Radikalisierung auf diese ältere Epoche zurück und nutzt sie als Spiegel für Fragen von Legitimität, religiöser Spaltung und staatlicher Gewalt.

Schottland war in Marys Minderjährigkeit von Regenten geführt: zunächst vom Earl of Arran, später von ihrer Mutter, der katholischen Mary of Guise. Das Land blieb lange mit Frankreich über die Auld Alliance verbunden, wodurch französische Truppen und Berater Einfluss ausübten. Die Krongewalt stand in einem Spannungsverhältnis zu einem eigenständigen, bewaffneten Adel, der lokale Machtzentren kontrollierte. Rat und Parlament spielten Rollen, waren jedoch stark von Adelsinteressen durchdrungen. Zweig betont diesen strukturellen Hintergrund: eine Monarchie, die ohne stabile Verwaltung und stehendes Heer auf Bündnisse mit Fraktionen angewiesen war und dadurch anfällig für Intrigen und Loyalitätswechsel blieb.

Die schottische Reformation schuf ab 1559 eine neue Lage. Unter Führung von John Knox etablierten die Reformatoren 1560 eine protestantische Konfession und lösten sich von der päpstlichen Autorität. Das Parlament verabschiedete die Scots Confession und verbot die Messe, während die Kirchenorganisation der Kirk Gestalt annahm. Als Mary 1561 aus Frankreich zurückkehrte, fand sie ein Land mit tiefen religiösen Gräben vor. Zweig spiegelt diesen Konflikt, indem er die Auseinandersetzung zwischen persönlicher Frömmigkeit, politischer Zweckmäßigkeit und konfessioneller Frontbildung zeigt: eine Monarchin katholischer Prägung in einem zunehmend protestantischen Staatskörper.

Marys Kindheit und Jugend am französischen Hof prägten ihren Habitus, ihre Sprache und politische Bildung. 1548 nach Frankreich gebracht, heiratete sie 1558 den Thronfolger Franz, wurde 1559 Königin von Frankreich und 1560 Witwe. Am Hof der Valois lernte sie höfische Diplomatie, Repräsentation und das kulturelle Kapital der Renaissance kennen. Gleichzeitig zeichnete sich in Frankreich der Konflikt zwischen Katholiken und Hugenotten ab, der 1562 in offene Religionskriege mündete. Zweig verknüpft Marys französische Sozialisierung mit ihrer späteren Rolle: ein elegant gebildeter Hofmensch, der in die raueren, konfessionalisierten Machtkämpfe Schottlands hineinwirft.

In England bestieg 1558 Elizabeth I. den Thron. Ihre Herrschaft beruhte auf einem sensiblen Gleichgewicht aus religiöser Kompromisspolitik, juristischer Legitimation und vorsichtiger Außenpolitik. Mary Stuart hatte durch ihre Tudor-Abstammung einen dynastischen Anspruch, der von katholischen Mächten als Alternative zu Elizabeths Position gesehen wurde. Diese potenzielle Thronfolge schuf dauernde Spannung zwischen beiden Königinnen. Zweig zeigt, wie das Zusammenspiel aus jurischen Fragen der Erbfolge, internationaler Diplomatie und persönlichem Misstrauen die Handlung antreibt: England suchte Stabilität, während Mary für Gegner Elizabeths zur Projektionsfigur wurde.

Der politische Alltag der Epoche war von Gesandtschaften, Geheimverhandlungen und Spionage geprägt. In England professionalisierten William Cecil und Francis Walsingham Informationsbeschaffung und Überwachung. Verschlüsselte Briefe, Kuriere, Tarnschriften und Gegenüberwachung bestimmten das Klima. Die Enttarnung von Komplotten beruhte oft auf abgefangener Korrespondenz und entschlüsselten Chiffren, wofür Spezialisten wie Thomas Phelippes bekannt wurden. Zweig integriert diese Welt diskreter Botschaften in seine Darstellung: Die höfische Bühne wird von einem zweiten, unsichtbaren Theater der Intrige begleitet, in dem Verdacht, Beweissicherung und Deutungshoheit politische Schicksale entscheiden.

Schottische Politik war zugleich Adels- und Familienpolitik. Fraktionen sammelten sich um Häupter wie den protestantischen James Stewart, Earl of Moray, oder die mächtigen Hamiltons. Regionale Loyalitäten, konfessionelle Zugehörigkeiten und materielle Interessen verschränkten sich. Figuren wie der Earl of Bothwell oder der Earl of Huntly standen für militärische Machtmittel und Patronagenetze. Zweig zeichnet diese Konstellationen als ein bewegliches Gefüge, in dem Bündnisse wankten und moralische Vorwürfe oft politisch instrumentalisiert wurden. Die Krone musste vermitteln, kooptierten, drohen und verhandeln, ohne dauerhaft verbindliche Institutionen zu besitzen, die Autorität über den Clan- und Lairdverbund sicherten.

Ein Fokus der Ereignisse liegt auf Marys Ehepolitik. 1565 heiratete sie Henry Stuart, Lord Darnley, um ihren dynastischen Anspruch zu stärken. 1566 wurde ihr Sohn James geboren, der spätere James VI. von Schottland. 1567 erschütterte die Ermordung Darnleys das Reich; die Täterschaft blieb umstritten, doch politisch schadete der Verdacht Mary. Kurz darauf folgte ihre Ehe mit James Hepburn, Earl of Bothwell, eine Verbindung, die oppositionelle Kräfte mobilisierte. Die Erhebung der Lords, Marys Abdankung zugunsten ihres Sohnes und ihre Gefangenschaft sowie Fluchtversuche markieren die dramatische Mitte, die Zweig als tragische Verkettung deutet.

Marys Flucht nach England 1568 mündete in eine langjährige Haft unter wechselnden Bewachern. Elizabeth I. ließ Kommissionen in York und Westminster tagen, um die Vorwürfe gegen Mary zu untersuchen, ohne sie formell zu verurteilen. Politisch blieb Mary ein Katalysator für Verschwörungen, die von Kontakten mit kontinentalkatholischen Mächten genährt wurden. Mehrere Pläne, darunter das Babington-Komplott 1586, steigerten den Druck. 1587 endete Marys Schicksal mit der Hinrichtung, die Elizabeth nach langem Zögern und unter Druck aus Rat und Parlament genehmigte. Zweig bindet diesen Ausgang in eine Reflexion über Verantwortung und Staatsräson ein.

Parallel zur Politik wirkte eine Publizistik, die Meinungen formte. John Knox polemisierte bereits 1558 gegen weibliche Herrschaft. George Buchanan verfasste Schriften, die Mary schwer belasteten, während katholische Autoren Gegenbilder zeichneten. Pamphlete, Flugschriften und Chroniken kursierten in London, Edinburgh und Paris und schufen rivalisierende Narrative. Die Druckerpresse beschleunigte diese Prozesse, erhöhte jedoch auch die Gefahr von Fälschungen und Tendenzschriften. Zweig stellt diese Quellenlage als konflikthaft dar und zeigt, wie spätere Urteile über Mary auf einem Archiv der Parteilichkeit beruhen, das Entlastung und Belastung gleichermaßen ermöglicht.

Das wirtschaftliche Umfeld war von Agrarproduktion, regionalen Märkten und Seehandel getragen. Edinburgh und sein Hafen Leith verbanden Schottland mit den Niederlanden und Nordseehäfen; exportiert wurden unter anderem Wolle, Tierhäute und Fisch. Preissteigerungen im 16. Jahrhundert und fiskalische Engpässe setzten die Monarchie unter Druck, Söldnerheere und Hofhalt zu finanzieren. Ebenso beeinflussten Fehden und Unterbrechungen des Handels die Ressourcen der Fraktionen. Zweig verankert seine Figuren in dieser materiellen Welt: politische Entscheidungen hatten unmittelbare ökonomische Konsequenzen und umgekehrt, was die Volatilität von Loyalitäten und die Brüchigkeit staatlicher Ordnung erhöhte.

Militärisch prägten Feuerwaffen, Belagerungstechniken und befestigte Residenzen die Kriegsführung. Grenzregionen litten unter Reiver-Banden, deren Raubzüge die Autorität beider Kronen untergruben. Schottlands innere Sicherheit hing vom Zusammenspiel lokaler Milizen, Adelsaufgebot und gelegentlicher ausländischer Unterstützung ab. Seewege boten Chancen und Risiken; Bothwell verfügte als Admiral über maritimen Einfluss. Zweig nutzt dieses Umfeld, um die permanente Unsicherheit zu betonen, in der politische Entscheidungen gefällt wurden: Jede Versammlung konnte zur bewaffneten Konfrontation eskalieren, jeder Brief zur Anklage werden, jeder Schutzbrief zur Falle geraten.

Konflikte über weibliche Souveränität prägten das Denken der Zeit. Theologische und juristische Autoritäten debattierten, ob Frauen gottgewollt regieren dürften oder unter männliche Vormundschaft gehörten. Mary und Elizabeth mussten ihre Herrschaft nicht nur politisch, sondern auch geschlechterpolitisch legitimieren. Heirat wurde zur Staatsfrage: Partnerwahl konnte Bündnisse stiften oder zerstören. Zweig greift diese Dimension als Brennpunkt der öffentlichen Wahrnehmung auf: Weibliche Herrschaft wurde strenger beurteilt, Fehlentscheidungen moralisch zugespitzt, Intimität politisiert. So verschmilzt Privates mit Staatsangelegenheiten, und die Biografie wird zur Bühne europäischer Ideendebatten.

Rechtlich bewegte sich die englische Krone zwischen Souveränität, Präzedenzfällen und parlamentarischen Forderungen. Nach verschiedenen Verschwörungen verschärften Bond of Association und weitere Maßnahmen in den 1580er Jahren die Grundlagen, um Bedrohungen der Königin zu ahnden. Die besondere Schwierigkeit lag darin, eine gesalbte, ausländische Königin festzuhalten und zu verurteilen, ohne die sakrale Aura monarchischer Unantastbarkeit zu beschädigen. Zweig schildert die juristische Gratwanderung als Ausdruck politischer Moderne: Sicherheitspolitik, Beweisführung und Rechtsformeln bilden einen Rahmen, der Loyalität erzwingt und zugleich neue Formen der Verantwortlichkeit für Staatsfeinde etabliert.

Die Überlieferung zu Mary Stuart speist sich aus Briefen, diplomatischen Berichten, Ratsprotokollen und späteren Chroniken. Viele Dokumente sind parteiisch, durch Zensur, Auswahl oder Rhetorik geprägt. Zweig arbeitet mit einer kritisch-synthetischen Methode: Er stützt sich auf edierte Quellenbestände und Forschung seiner Zeit, ordnet widersprüchliche Zeugnisse und hebt psychologische Motive hervor. Dabei verbindet er quellengestützte Rekonstruktion mit erzählerischer Verdichtung. Sein Ziel ist kein Gerichtsprotokoll, sondern ein plausibles, historisch informiertes Charakterbild, das die Handlungsmächte der Epoche – Religion, Ehre, Furcht, Ruhm – in ihrer Wechselwirkung sichtbar macht.

Die Entstehungszeit des Buches erklärt seine Tonlage. Nach 1933 wurden Zweigs Werke im Deutschen Reich verboten, er arbeitete im Ausland und sah, wie Propaganda, autoritäre Politik und politisierte Justiz den öffentlichen Raum prägten. Diese Gegenwartserfahrung schärft in Maria Stuart den Blick für Mechanismen der Diskreditierung, für Schauplätze kontrollierter Öffentlichkeit und für die Gefährdung individueller Freiheit. Zugleich bleibt das 16. Jahrhundert präsent als Epoche struktureller Gewalt, in der religiöse Überzeugung und Staatsinteresse unlösbar verknüpft sind. So reflektiert das Buch historische Distanz und zeitgenössische Analogie gleichermaßen.

Zweig kommentiert seine Zeit, indem er eine frühneuzeitliche Krise der Legitimität erzählt: Eine Königin wird zur Projektionsfläche von Hoffnung, Furcht und Hass; Behörden definieren Sicherheit neu; Schrift und Gegenschrift kämpfen um Wahrheitshoheit. Ohne die Ereignisse zu verfälschen, lässt die Darstellung erkennen, wie fragile Ordnungen sich durch Überwachung, Verdacht und moralische Überbietung radikalisieren. Damit kritisiert das Buch implizit jene Dynamiken, die in den 1930er Jahren erneut an Macht gewannen. Maria Stuart wird so zur Tragödie von Recht, Gnade und Macht – und zum warnenden Echo über die Grenzen ihrer Epoche hinaus.

Autorenbiografie

Inhaltsverzeichnis

Stefan Zweig (1881–1942) gilt als eine der prägenden Stimmen der europäischen Moderne und als einer der international meistgelesenen Autoren der Zwischenkriegszeit. Als österreichischer Schriftsteller verband er elegante, klar rhythmisierte Prosa mit psychologischer Feinbeobachtung und einem ausgeprägt kosmopolitischen Blick. Sein Werk umfasst Novellen, Romane, Essays, Biografien und Dramen; wiederkehrende Themen sind Leidenschaft, Gewissenskonflikt, Scheitern und die Fragilität der Zivilisation. Zweig verstand Literatur als humanistische Vermittlung zwischen Kulturen und Generationen. Seine Bücher fanden früh weite Verbreitung, wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und prägten eine Generation von Leserinnen und Lesern, die in Europa tiefgreifende Umbrüche erlebte.

Aufgewachsen im kulturell vielstimmigen Wien der späten Habsburgermonarchie, studierte Zweig Literatur- und Philosophiegeschichte in Wien und Berlin und promovierte 1904 in Wien. Früh knüpfte er Verbindungen zur Wiener Moderne und zu Strömungen des französischen Symbolismus; prägend wurden seine Übersetzungen und Freundschaften mit frankophonen Dichtern, insbesondere Émile Verhaeren. Reisen durch Europa stärkten seinen paneuropäischen Horizont und sein Vertrauen in geistige Verständigung. Zugleich sammelte er Manuskripte und Autographen, um die sinnliche Nähe zur Tradition zu bewahren. Diese Doppelbewegung aus Weltoffenheit und Traditionssinn prägte seine Ästhetik: elegant, zugänglich, doch von psychologischer Tiefenschärfe und historischer Einbildungskraft getragen.

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg etablierte sich Zweig mit Gedichten, Essays und Novellen als vielversprechende Stimme der deutschsprachigen Literatur. Während des Krieges arbeitete er in administrativen Diensten und distanzierte sich zunehmend von nationalistischen Tönen. Mit dem dramatischen Oratorium Jeremias setzte er 1917 ein eindringliches Zeichen für humanistische Beharrlichkeit und moralische Selbstprüfung. Nach 1918 engagierte er sich publizistisch für Verständigung, schrieb Beiträge zur europäischen Einigungsidee und suchte mit literarischen Porträts nach Vorbildern geistiger Unabhängigkeit. Sein Stil gewann an Geschlossenheit: konzentrierte Form, psychische Spannung und ein Sinn für historische Konstellationen kennzeichneten die Texte.

In der Zwischenkriegszeit erreichte Zweig internationale Bekanntheit. Mit biografischen Studien prägte er ein populäres, doch quellengesättigtes Genre: Joseph Fouché, Marie Antoinette, Magellan sowie Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam zeigen historische Gestalten in Momenten ethischer Prüfung und politischer Zäsur. Daneben entwarf er in Sternstunden der Menschheit prägnante Miniaturen, die Augenblicke schicksalhafter Verdichtung ausleuchten. Als Vortragender und Essayist trat er für einen übernationalen Blick auf Kultur und Geschichte ein, ohne die Ambivalenzen der Moderne zu beschönigen. Seine Bücher wurden breit rezensiert, viel gelesen und trugen seinen Namen weit über den deutschen Sprachraum hinaus.

Besonders prägend wurden seine Novellen, in denen er psychische Ausnahmezustände kunstvoll verdichtet. Amok, Verwirrung der Gefühle und zahlreiche weitere Erzählungen zeigen Besessenheit, Schuld und die Zerbrechlichkeit bürgerlicher Selbstbilder. Mit Ungeduld des Herzens legte er seinen einzigen vollendeten Roman vor, eine Studie über moralisches Zögern und die Konsequenzen unklarer Verantwortung. Seine Prosatechnik verbindet klare Architektonik mit leitmotivischer Verdichtung und einer Musik der Perioden, die Spannung aus inneren Konflikten gewinnt. Die Figuren sind selten exemplarisch angelegt; sie tragen historische und soziale Spannungen in sich, ohne auf Thesen reduziert zu werden. Viele Texte fanden ein internationales Publikum.

Die politischen Radikalisierungen der 1930er-Jahre trafen Zweig hart: Seine Bücher wurden in Deutschland verbrannt, er verließ Österreich und lebte fortan im Exil, zunächst in Westeuropa, später in den Amerikas. In dieser Zeit entstanden Schriften über Toleranz und Gewissensfreiheit, darunter Castellio gegen Calvin, sowie das Erinnerungsbuch Die Welt von Gestern, eine eindringliche Bilanz der versunkenen mitteleuropäischen Kultur. 1941 veröffentlichte er Brasilien. Ein Land der Zukunft, Ausdruck seiner Dankbarkeit gegenüber dem Gastland. Die Schachnovelle, in den Exiljahren vollendet, verdichtet Erfahrungen von Isolation, Zwang und geistiger Selbstbehauptung in einer konzentrierten erzählerischen Form von großer Intensität.

Zweig starb 1942 im brasilianischen Petrópolis durch Suizid, erschüttert von der Zerstörung Europas und der Aussicht auf eine ungewisse Zukunft. Sein Nachlass enthält neben literarischen Manuskripten umfangreiche Korrespondenzen und Sammlungen, die seine europäische Vernetzungsarbeit dokumentieren. Postum erschienen zentrale Texte und fanden ungebrochene Leserschaft; Übersetzungen, Neuauflagen und Verfilmungen hielten sein Werk präsent. In literaturwissenschaftlichen Debatten gilt er heute als eleganter, zuweilen unterschätzter Stilist, dessen Humanismus bis in die Gegenwart wirkt. Schulen und Universitäten behandeln seine Texte als Zeugnisse einer bedrohten Zivilisation und als Beispiele präziser psychologischer Erzählkunst. Sein Blick auf Europa als geistige Heimat bleibt Anstoß zu Diskussionen über Kultur und Verantwortung.

Maria Stuart: Historischer Roman

Hauptinhaltsverzeichnis
Einleitung
Dramatis personae
Erstes Kapitel Königin in der Wiege
Zweites Kapitel Jugend in Frankreich
Drittes Kapitel Königin, Witwe und dennoch Königin
Viertes Kapitel Heimkehr nach Schottland
Fünftes Kapitel Der Stein kommt ins Rollen
Sechstes Kapitel Großer politischer Heiratsmarkt
Siebentes Kapitel Die zweite Heirat
Achtes Kapitel Die Schicksalsnacht von Holyrood
Neuntes Kapitel Die verratenen Verräter
Zehntes Kapitel Furchtbare Verstrickung
Elftes Kapitel Tragödie einer Leidenschaft
Zwölftes Kapitel Der Weg zum Mord
Dreizehntes Kapitel Quos deus perdere vult …
Vierzehntes Kapitel Der Weg ohne Ausweg
Fünfzehntes Kapitel Die Absetzung
Sechzehntes Kapitel Abschied von der Freiheit
Siebzehntes Kapitel Ein Netz wird gewoben
Achtzehntes Kapitel Das Netz zieht sich zusammen
Neunzehntes Kapitel Die Jahre im Schatten
Zwanzigstes Kapitel Die letzte Runde
Einundzwanzigstes Kapitel Es wird Schluß gemacht
Zweiundzwanzigstes Kapitel Elisabeth gegen Elisabeth
Dreiundzwanzigstes Kapitel »In meinem Ende ist mein Anbeginn«
Nachspiel

Einleitung

Inhaltsverzeichnis

Das Klare und Offenbare erklärt sich selbst, Geheimnis aber wirkt schöpferisch. Immer werden darum jene Gestalten und Geschehnisse der Geschichte nach abermaliger Deutung und Dichtung verlangen, die ein Schleier von Ungewißheit umschattet. Als das geradezu klassische Kronbeispiel für solchen unausschöpfbaren Geheimnisreiz eines historischen Problems darf die Lebenstragödie Maria Stuarts gelten. Kaum eine andere Frau der Weltgeschichte hat so viel Literatur gezeitigt, Dramen, Romane, Biographien und Diskussionen. Durch mehr als drei Jahrhunderte hat sie immer wieder die Dichter verlockt, die Gelehrten beschäftigt, und noch immer erzwingt sich mit unverminderter Kraft ihre Gestalt neue Gestaltung. Denn es ist der Sinn alles Verworrenen, nach der Klarheit sich zu sehnen, und alles Dunklen, nach dem Licht.

Aber auch ebenso gegensätzlich wie häufig ist das Lebengeheimnis Maria Stuarts gestaltet und gedeutet worden: es gibt vielleicht keine Frau, die in so abweichender Form gezeichnet worden wäre, bald als Mörderin, bald als Märtyrerin, bald als törichte Intrigantin, bald als himmlische Heilige. Allein diese Verschiedenheit ihres Bildes ist merkwürdigerweise nicht verschuldet durch Mangel an überliefertem Material, sondern durch seine verwirrende Überfülle. In die Tausende und Abertausende gehen die aufbewahrten Dokumente, Protokolle, Akten, Briefe und Berichte: immer von andern und immer mit neuem Eifer ist seit drei Jahrhunderten von Jahr zu Jahr der Prozeß um ihre Schuld oder Unschuld erneuert worden. Aber je gründlicher man die Dokumente durchforscht, um so schmerzlicher wird man an ihnen der Fragwürdigkeit aller historischen Zeugenschaft (und damit Darstellung) gewahr. Denn wenn auch handschriftlich echt und alt und archivalisch beglaubigt, muß ein Dokument darum durchaus noch nicht verläßlich und menschlich wahr sein. Kaum irgendwo deutlicher als im Falle Maria Stuarts vermag man festzustellen, in wie wilder Abweichung zur selben Stunde ein und dasselbe Geschehnis von zeitgenössischen Beobachtern berichtet werden kann. Gegen jedes dokumentarisch bezeugte Ja steht hier ein dokumentarisch bezeugtes Nein, gegen jede Anschuldigung eine Entschuldigung. Falsches ist Echtem, Erfundenes dem Tatsächlichen so verwirrend beigemengt, daß man eigentlich jede Art der Auffassung auf das glaubwürdigste darzutun imstande ist: wer beweisen will, daß sie an der Ermordung ihres Gatten mitschuldig war, kann Dutzende von Zeugenaussagen beibringen, und ebenso, wer sie als unbeteiligt darzustellen bemüht ist; für jede Ausmalung ihres Charakters sind die Farben im voraus gemischt. Mengt sich dann in solche Wirrnis der vorliegenden Berichte gar noch die Parteilichkeit der Politik oder des Nationalpatriotismus, so muß die Verzerrung des Bildes noch gewaltsamer werden. Ohnedies schon vermag sich die menschliche Natur, sobald zwischen zwei Menschen, zwei Ideen, zwei Weltanschauungen ein Streit um Sein oder Nichtsein geht, kaum der Versuchung zu entziehen, Partei zu nehmen, dem einen recht zu geben und dem andern unrecht, den einen schuldig zu nennen und den andern unschuldig. Gehören aber, wie in dem vorliegenden Falle, die Darsteller meist selbst noch einer der beiden kämpfenden Richtungen, Religionen oder Weltanschauungen an, so ist ihre Einseitigkeit beinahe zwanghaft vorausbestimmt; im allgemeinen haben die protestantischen Autoren alle Schuld restlos auf Maria Stuart, die katholischen auf Elisabeth gehäuft. Bei den englischen Darstellern erscheint sie beinahe immer als Mörderin, bei den schottischen als makelloses Opfer niederträchtiger Verleumdung. Die Kassettenbriefe[1], das strittigste Diskussionsobjekt, beeiden die einen ebenso unerschütterlich als echt wie die andern als Fälschung, bis in das kleinste Geschehen mengt sich die parteiische Farbgebung aufdringlich ein. Vielleicht hat darum der Nichtengländer und Nichtschotte, er, dem jene blutmäßige Einstellung und Verbundenheit fehlen, eine reinere und vorurteilslosere Möglichkeit zur Objektivität; vielleicht ist es ihm eher gegönnt, an diese Tragödie ausschließlich mit dem zugleich leidenschaftlichen und doch unparteiischen Interesse des Künstlers heranzutreten.

Freilich, auch er wäre verwegen, wollte er vorgeben, die Wahrheit, die ausschließliche Wahrheit über alle Lebensumstände Maria Stuarts zu wissen. Was er erreichen kann, ist nur ein Maximum von Wahrscheinlichkeit, und selbst was er mit bestem Wissen und Gewissen als Objektivität empfindet, wird noch immer subjektiv sein. Denn da die Quellen nicht rein fließen, wird er aus Trübem seine Klarheit zu gewinnen haben. Da die gleichzeitigen Berichte einander widersprechen, wird er bei jeder Einzelheit in diesem Prozeß zwischen Entlastungs-und Belastungszeugnissen wählen müssen. Und so vorsichtig er auch wählen mag, manchmal wird er doch am redlichsten tun, seine Meinung mit einem Fragezeichen zu versehen und einzugestehen, daß die eine oder andere Lebenstatsache Maria Stuarts im Sinne der Wahrheit dunkel geblieben ist und wohl auch für immer bleiben wird.

In dem vorliegenden Versuche ist darum strenge das Prinzip gewahrt, alle jene Aussagen überhaupt nicht zu verwerten, die auf der Folter oder sonst durch Angst oder Zwang abgerungen wurden: erpreßte Geständnisse darf ein wirklicher Wahrheitssucher nie als voll und gültig annehmen. Ebenso wurden die Berichte der Spione und Gesandten (beinahe dasselbe in jener Zeit) nur mit äußerster Vorsicht benützt und jedes Schriftstück von vorneweg angezweifelt; wenn dennoch hier die Ansicht vertreten ist, daß die Sonette und zum Großteil auch die Kassettenbriefe für echt zu halten seien, so geschieht es nach strengster Überprüfung und unter Vorlegung der persönlich überzeugenden Gründe. Überall, wo in den archivalischen Dokumenten gegensätzliche Behauptungen sich kreuzen, wurden beide auf Ursprung und politisches Motiv genau untersucht und, wenn eine Entscheidung zwischen einer und der anderen unvermeidlich war, als letzter Maßstab gesetzt, inwieweit die Einzelhandlung psychologisch mit dem Gesamtcharakter in Einklang zu bringen war.

Denn an sich ist der Charakter Maria Stuarts gar nicht so geheimnisvoll: er ist uneinheitlich nur in seinen äußeren Entwicklungen, innerlich aber vom Anfang bis zum Ende einlinig und klar. Maria Stuart gehört zu jenem sehr seltenen und erregenden Typus von Frauen, deren wirkliche Erlebnisfähigkeit auf eine ganz knappe Frist zusammengedrängt ist, die eine kurze, aber heftige Blüte haben, die sich nicht ausleben in einem ganzen Leben, sondern nur in dem engen und glühenden Raum einer einzigen Leidenschaft. Bis zum dreiundzwanzigsten Jahre atmet ihr Gefühl still und flach, und ebenso wogt es vom fünfundzwanzigsten an nicht ein einziges Mal mehr stark empor, dazwischen aber tobt sich in zwei knappen Jahren ein Ausbruch von elementarer Großartigkeit orkanisch aus, und aus mittlerem Schicksal erhebt sich plötzlich eine Tragödie antikischen Maßes, groß und gewaltig gestuft wie die Orestie. Nur in diesen zwei Jahren ist Maria Stuart wahrhaft eine tragödische Gestalt, nur unter diesem Druck reißt sie sich über sich selbst empor, ihr Leben durch dieses Übermaß zerstörend und zugleich dem Ewigen bewahrend. Und nur dank dieser einen Leidenschaft, die sie menschlich vernichtete, lebt ihr Name noch heute in Dichtung und Deutung fort.

Mit dieser besonders komprimierten Form des inneren Lebenslaufs auf einen einzigen so explosiven Augenblick ist einer jeden Darstellung Maria Stuarts eigentlich von vornherein Form und Rhythmus schon vorgeschrieben; der Nachbildner muß einzig bemüht sein, diese so steil aufschießende und jäh in sich zurückfallende Lebenskurve in ihrer ganzen überraschenden Einmaligkeit in Erscheinung zu bringen. Man empfindet es deshalb nicht als Widerspruch, wenn innerhalb dieses Buches die breiten Zeitspannen ihrer ersten dreiundzwanzig Jahre und wiederum die der fast zwanzig ihrer Gefangenschaft zusammen nicht mehr Raum einnehmen als die zwei Jahre ihrer leidenschaftlichen Tragödie. Denn nur scheinbar ist in der Sphäre eines gelebten Schicksals die äußere und die innere Zeit dieselbe; in Wahrheit bedingt einzig Erfülltheit mit Erlebnis das Maß einer Seele – anders zählt sie von innen den Ablauf der Stunden als der kalte Kalender. Berauscht von Gefühl, selig entspannt und mit Schicksal befruchtet, kann sie unendliche Fülle erfahren in kürzester Frist und abgelöst von der Leidenschaft wiederum endlose Jahre der Leere empfinden, als gleitende Schatten, als taubes Nichts. Darum zählen in einer Lebensgeschichte nur die gespannten, die entscheidenden Augenblicke, darum wird sie nur in ihnen und von ihnen aus gesehen richtig erzählt. Einzig dann, wenn ein Mensch seine ganzen Kräfte ins Spiel bringt, ist er für sich, ist er für die anderen wahrhaft lebendig; immer nur dann, wenn ihm innen die Seele lodert und glüht, wird er auch äußerlich Gestalt.

Dramatis personae

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Erster Schauplatz, Schottland, 1542–1548

Zweiter Schauplatz, Frankreich, 1548–1561

Dritter Schauplatz, Schottland, 1561–1568 Vierter Schauplatz, England, 1568–1587

SchottlandJAMES V. (1512–1542), Vater Maria Stuarts

MARIE VON GUISE-LOTHRINGEN (1515–1560), seine Gattin, Mutter Maria Stuarts

MARIA STUART (1542–1587)

JAMES STUART, EARL OF MORAY (1533–1570), unehelicher Sohn James’ V. mit Margret Douglas, der Tochter des Lord Erskine, Stiefbruder Maria Stuarts, Regent Schottlands vor und nach Maria Stuarts Regierung

HENRY DARNLEY (STUART) (1546–1567), Urenkel Heinrich VII. durch seine Mutter Lady Lennox, die Nichte Heinrichs VIII. Zweiter Gatte Maria Stuarts und als solcher zum Mitkönig von Schottland erhoben

JAMES VI. (1566–1625), Sohn Maria Stuarts und Henry Darnleys. Nach dem Tode Maria Stuarts (1587) rechtmäßiger König von Schottland, nach dem Tode Elisabeths (1603) König von England als James I.

JAMES HEPBURN, EARL OF BOTHWELL (1536–1578), später Duke of Orkney und dritter Gemahl Maria Stuarts

WILLIAM MAITLAND OF LETHINGTON, Staatskanzler Maria Stuarts

JAMES MELVILLE, diplomatischer Vertrauensmann Maria Stuarts

JAMES DOUGLAS, EARL OF MORTON, Regent von Schottland nach Morays Ermordung, hingerichtet 1581

MATHEW STUART, EARL OF LENNOX, Vater Henry Darnleys, Hauptankläger Maria Stuarts nach dessen Ermordung

ARGYLL

ARRAN

MORTON DOUGLAS

ERSKINE

GORDON

HARRIES

HUNTLY

KIRKCALDY OF GRANGE

LINDSAY

MAR

RUTHVEN

die Lords, bald Anhänger, bald Widersacher Maria Stuarts, unablässig miteinander und gegeneinander im Bunde, fast ausnahmslos auf gewaltsame Weise endend

MARY BEATON

MARY FLEMING

MARY LIVINGSTONE

MARY SETON

die vier Marys, Jugendgespielinnen Maria Stuarts

JOHN KNOX (1505–1572), Prediger der »kirk«, Hauptgegner Maria Stuarts

DAVID RIZZIO, Musiker und Sekretär am Hofe Maria Stuarts, ermordet 1566

PIERRE DE CHASTELARD, französischer Dichter am Hofe Maria Stuarts, hingerichtet 1563

GEORGE BUCHANAN, Humanist und Erzieher James’ VI., Verfasser der gehässigsten Pamphlete gegen Maria Stuart

Frankreich

HEINRICH II. (1518–1559), seit 1547 König von Frankreich

KATHARINA VON MEDICI (1519–1589), seine Gattin

FRANZ II. (1544–1560), deren ältester Sohn, erster Gatte Maria Stuarts

KARL IX. (1550–1574), jüngerer Bruder Franz’ II., nach dessen Tode König von Frankreich

KARDINAL VON LOTHRINGEN

CLAUDE DE GUISE

FRANÇOIS DE GUISE

HENRI DE GUISE

die vier Guisen

RONSARD

DU BELLAY

BRANTÔME

die Dichter, Verfasser von Werken zu Maria Stuarts Ehren

England

HEINRICH VII. (1457–1509), seit 1485 König von England. Großvater und Urgroßvater Maria Stuarts und Darnleys

HEINRICH VIII. (1491–1547), sein Sohn, seit 1509 König

ANNA BOLEYN (1507–1536), zweite Gemahlin Heinrich VIII., als Ehebrecherin erklärt und hingerichtet

MARIA I. (1516–1558), Tochter Heinrichs VIII. aus der Ehe mit Katharina von Aragonien, nach dem Tode Eduards VI. (1553) Königin von England

ELISABETH (1533–1603), Tochter Heinrichs VIII. und Anna Boleyns, bei Lebzeiten ihres Vaters als Bastard erklärt, aber nach dem Tode ihrer Stiefschwester Maria (1558) Königin von England

EDUARD VI. (1537–1553), Sohn Heinrichs VIII. aus dessen dritter Ehe mit Johanna Seymour, als Kind Maria Stuart verlobt, seit 1547 König

JAMES I., Sohn Maria Stuarts, der Nachfolger Elisabeths

WILLIAM CECIL, LORD BURLEIGH (1520–1598), der allmächtige und getreue Staatskanzler Elisabeths

SIR FRANCIS WALSINGHAM, Staatssekretär und Polizeiminister

WILLIAM DAVISON, zweiter Sekretär

ROBERT DUDLEY, EARL OF LEICESTER (1532–1588), Liebhaber und Vertrauensmann Elisabeths, von ihr als Gatte Maria Stuarts vorgeschlagen

THOMAS HOWARD, DUKE OF NORFOLK, der erste Adelige des Reiches, Bewerber um Maria Stuarts Hand

TALBOT, EARL OF SHREWSBURY, von Elisabeth fünfzehn Jahre lang mit der Überwachung Maria Stuarts betraut

AMYAS POULET, der letzte Kerkermeister Maria Stuarts

DER SCHARFRICHTER VON LONDON

Erstes Kapitel

Königin in der Wiege

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1542–1548

Sechs Tage ist Maria Stuart alt, da sie Königin von Schottland wird:[1q] bereits im ersten Anfang erfüllt sich ihr Lebensgesetz, alles zu früh und ohne wissende Freude vom Schicksal geschenkt zu erhalten. An dem düsteren Dezembertag 1542, da sie im Schlosse von Linlithgow geboren wird, liegt gleichzeitig in dem nachbarlichen Schlosse zu Falkland ihr Vater, James V., auf dem Sterbebette, erst einunddreißig Jahre alt und doch schon vom Leben zerbrochen, der Krone müde, des Kampfes müde. Er war ein tapferer, ritterlicher Mann gewesen und ursprünglich heiteren Sinns, den Künsten, den Frauen leidenschaftlich freund und dem Volke vertraut; oft war er verkleidet zu den Festlichkeiten in die Dörfer gegangen, hatte getanzt und gescherzt mit den Bauern, und manche der schottischen Lieder und Balladen, die er gedichtet, lebten noch lange im Angedenken der Heimat fort. Aber dieser unselige Erbe eines unseligen Geschlechts war in eine wilde Zeit, in ein unbotmäßiges Land geboren und tragischem Geschick von Anfang an zubestimmt. Ein starkwilliger und rücksichtsloser Nachbar, Heinrich VIII., drängt ihn, die Reformation einzuführen, James V. aber bleibt der Kirche treu, und sofort nutzen die schottischen Adeligen, immer geneigt, ihrem Herrscher Schwierigkeiten zu schaffen, den Zwiespalt und treiben den frohmütigen und friedlichen Mann gegen seinen Willen unablässig in Unruhe und Krieg. Vier Jahre früher schon, als James V. um Marie von Guise als Gattin warb, hatte er klar das Verhängnis geschildert, das es bedeutet, König sein zu müssen gegen diesen halsstarrigen und raubgierigen Clan. »Madame«, hatte er in diesem erschütternd aufrichtigen Werbebrief geschrieben, »ich bin erst siebenundzwanzig Jahre alt, und das Leben bedrückt mich schon so sehr wie meine Krone … Waise von Kindheit an, bin ich der Gefangene ehrgeiziger Adeliger gewesen; das mächtige Haus der Douglas hat mich lange in Knechtschaft gehalten, und ich hasse diesen Namen und jede Erinnerung daran. Archibald, Graf von Angus, Georg, sein Bruder, und alle seine verbannten Verwandten wühlen unausgesetzt den König von England gegen uns auf, es lebt kein Adeliger in meinem Staate, den er nicht mit seinen Versprechungen verführt oder durch Geld bestochen hätte. Es gibt keine Sicherheit für meine Person, keine Bürgschaft für meinen Willen und für die gerechten Gesetze. Alles das erschreckt mich, Madame, und ich erwarte von Ihnen Kraft und Rat. Ohne Geld, einzig auf die Unterstützungen beschränkt, die ich von Frankreich empfange, oder dank den geringfügigen Spenden meiner reichen Geistlichkeit, versuche ich, meine Schlösser auszuschmücken, meine Festungen zu erhalten und Schiffe zu bauen. Aber meine Barone betrachten einen König, der wirklich König sein will, als unerträglichen Rivalen. Trotz der Freundschaft des Königs von Frankreich und der Unterstützung seiner Truppen und trotz der Anhänglichkeit meines Volkes fürchte ich, den entscheidenden Sieg über meine Barone nicht erringen zu können. Ich würde alle Hindernisse überwinden, um den Weg der Gerechtigkeit und der Ruhe für diese Nation frei zu machen, und ich würde dieses mein Ziel vielleicht erreichen, stünden die Adeligen meines Landes allein. Aber der König von England sät zwischen sie und mich unablässig Zwietracht, und die Ketzereien, die er meinem Staate eingepflanzt hat, fressen verheerend bis in die Kreise der Kirche und des Volkes fort. Nun beruhte von je meine und meiner Ahnen Kraft einzig auf der Bürgerschaft der Städte und auf der Kirche, und ich muß mich fragen: Wird diese Kraft uns noch lange verbleiben?«

Alles Unheil, das der König in diesem Kassandrabrief vorausgesehen, erfüllt sich, und noch Schwereres fällt über ihn. Die beiden Söhne, die ihm Marie von Guise schenkt, sterben in der Wiege, und so sieht, gerade in den besten Mannesjahren, James V. noch immer keinen Erben für die Krone, die ihm von Jahr zu Jahr schmerzhafter die Stirne drückt. Schließlich treiben ihn gegen seinen Willen seine schottischen Barone in den Krieg mit dem übermächtigen England, um ihn dann in entscheidender Stunde verräterisch im Stiche zu lassen. Bei Solway Moss[2] verliert Schottland nicht nur eine Schlacht, sondern auch seine Ehre: ohne recht zu kämpfen, laufen die führerlosen Truppen, verlassen von ihren Clansherren, jämmerlich auseinander; der König selbst aber, dieser sonst so ritterliche Mann, ringt in dieser Entscheidungsstunde längst nicht mehr mit fremden Feinden, sondern mit dem eigenen Tod. Fiebernd und müde liegt er zu Bett in dem Schlosse von Falkland, des sinnlosen Kampfes, des lästigen Lebens satt.

Da, an diesem trüben Wintertag, am 9. wezember 1542, Nebel verdunkelt das Fenster, pocht ein Bote an die Tür. Er meldet dem Siechen, dem Sterbensmüden, eine Tochter sei ihm geboren, eine Erbin. Aber die ausgeschöpfte Seele James’ V. hat nicht mehr Kraft zu Hoffnung und Freude. Warum ist es kein Sohn, kein Erbe? Der Todgeweihte kann in allem nur mehr Unglück erblicken, Tragik und Niedergang. Resigniert antwortet er: »Von einer Frau ist die Krone auf uns gekommen, mit einer Frau wird sie dahingehen.« Diese düstere Prophezeiung ist zugleich sein letztes Wort. Er seufzt nur mehr auf, dreht sich in seinem Bette zur Wand und gibt auf keine Frage mehr Antwort. Wenige Tage später ist er begraben und Maria Stuart, noch ehe sie recht die Augen ins Leben aufgeschlagen, Erbin seines Königreiches.

Aber es ist zwiefach dunkles Erbe, eine Stuart zu sein und eine Königin von Schottland, denn keinem Stuart ist bisher auf diesem Throne Glück beschieden gewesen oder Dauer. Zwei der Könige, James I. und James III., sind ermordet worden, zwei, James II. und James IV., auf dem Schlachtfeld gefallen, und zweien ihrer Nachfahren, diesem ahnungslosen Kinde und ihres Blutes Enkel, Karl I., hat das Schicksal noch Grausameres vorbehalten: das Schafott. Keinem aus diesem atridischen Geschlecht ist es gegönnt, die Höhe des Lebens zu erreichen, keinem leuchten Glück und Stern. Immer müssen die Stuarts im Kampf sein gegen die Feinde von außen, gegen die Feinde im Lande und gegen sich selbst, immer ist Unruhe um sie, Unruhe in ihnen. Friedlos wie sie selbst ist ihr Land, und die Ungetreuesten sind darin eben jene, die die Getreuesten sein sollten: die Lords und die Barone, dieses finstere und starke, dieses wilde und zügellose, dieses gierige und kriegsfrohe, dieses trotzige und unbeugsame Rittergeschlecht – »un pays barbare et une gent brutelle«, wie Ronsard, der Dichter, in dies nebelige Land verschlagen, unwillig klagt. Selber kleine Könige auf ihren Landsitzen und Schlössern, herrenmäßig und herdenmäßig ihre Bauern und Schäfer als Schlachtvieh mitschleppend auf ihre ewigen Kleinkämpfe und Raubzüge, kennen diese unbeschränkten Gebieter ihrer Clans keine andere Daseinsfreude als den Krieg, Streit ist ihre Lust, Eifersucht ihr Antrieb, Machtgier ihr Lebensgedanke. »Geld und Vorteil«, schreibt der französische Gesandte, »sind die einzigen Sirenen, denen die schottischen Lords lauschen. Ihnen Pflicht gegen ihre Fürsten, Ehre, Gerechtigkeit, Tugend, edle Handlungen predigen zu wollen hieße sie zum Lachen reizen.« Ähnlich den Condottieri Italiens in ihrer amoralischen Rauflust und Raublust, nur unkultivierter und hemmungsloser in ihren Instinkten, wühlen und streiten sie unablässig um den Vorrang, die alten mächtigen Clans der Gordons, der Hamiltons, der Arrans, der Maitlands, der Crawfords, der Lindsays, Lennox und Argylls. Bald scharen sie sich feindlich gegeneinander in jahrelangen Feuds, bald beschwören sie in feierlichen Bonds eine kurzfristige Treue, um sich gegen einen Dritten zusammenzuschließen, immer bilden sie Klüngel und Rotten, aber keiner hält innerlich zu keinem, und jeder, obwohl mit jedem versippt und verschwägert, bleibt des andern unerbittlicher Neidling und Feind. Etwas Heidnisches und Barbarisches lebt in ihren wilden Seelen ungebrochen weiter, gleichgültig, ob sie sich Protestanten oder Katholiken nennen – je wie es der Vorteil will –, in Wahrheit aber Enkelsöhne Macbeths und Macduffs sie alle, der blutigen Thane, wie sie Shakespeare großartig gesehen.

Nur bei einem Anlaß wird diese unzähmbare eifersüchtige Bande sofort einig: immer wenn es gilt, den gemeinsamen Herrn, den eigenen König niederzuhalten, denn ihnen allen ist Gehorsam gleich unerträglich und Treue gleich unbekannt. Wenn dieses »parcel of rascals« – Burns, der Urschotte, hat sie so gebrandmarkt – ein Schattenkönigtum über ihren Burgen und Besitzen überhaupt noch duldet, so geschieht dies einzig aus Eifersucht eines Clans gegen den andern. Die Gordons lassen den Stuarts nur deshalb die Krone, damit sie nicht an die Hamiltons falle, und die Hamiltons aus Eifersucht gegen die Gordons. Aber wehe, wenn ein König von Schottland einmal wirklich wagen will, Herrscher zu sein und Zucht und Ordnung im Lande zu erzwingen, wenn er im ersten Jugendmut dem Hochmut und der Raffgier der Lords entgegenzutreten sucht! Dann ballt sich sofort das feindselige Pack brüderlich zusammen, um seinen Herrscher machtlos zu machen, und gelingt es nicht mit dem Schwert, so besorgt verläßlich der Mörderdolch diesen Dienst.

Es ist ein tragisches, von düsteren Leidenschaften zerrissenes Land, finster und romantisch wie eine Ballade, dieses meerumfangene kleine Inselreich im letzten Norden Europas, und überdies noch ein armes Land. Denn alle Kraft zerstört hier der ewige Krieg. Die paar Städte, die eigentlich keine sind, sondern nur unter dem Schutz einer Festung zusammengekrochene Armeleutehäuser, können, weil immer wieder geplündert und verbrannt, nie zu Reichtum oder bloß zu bürgerlicher Wohlfahrt gelangen. Die Adelsburgen wieder, düster und gewalttätig noch heute in ihren Ruinen aufragend, stellen keine wirklichen Schlösser dar mit Prunk und höfischer Pracht; sie sind dem Krieg als uneinnehmbare Festungen zugedacht und nicht der milden Kunst der Gastlichkeit. Zwischen diesen wenigen großen Sippschaften und ihren Hörigen fehlt vollkommen die nährende, staatserhaltende Kraft eines schöpferischen Mittelstandes. Das einzige dichtbesiedelte Gebiet zwischen Tweed und Firth liegt zu nahe der englischen Grenze und wird immer wieder durch Einfälle zerstört und entvölkert. Im Norden aber kann man stundenlang wandern an verlassenen Seen, durch öde Weiden oder dunkle nordische Wälder, ohne ein Dorf zu sehen oder eine Burg oder eine Stadt. Nicht drängt sich wie in den überfüllten europäischen Ländern Ort an Ort, nicht tragen breite Straßen Verkehr und Handel ins Land, nicht wie in Holland und Spanien und England fahren von den bewimpelten Reeden Schiffe aus, um von fernen Ozeanen Gold und Gewürz heimzuführen; karg bringen sich hier noch mit Schafzucht und Fischfang und Jagd wie in patriarchalischen Zeiten die Leute durchs Leben: in Gesetz und Sitte, an Reichtum und Kultur steht das damalige Schottland hinter England und Europa zumindest um hundert Jahre zurück. Während in allen Küstenstädten mit dem Anbruch der Neuzeit schon die Banken und Börsen zu blühen beginnen, wird hier wie in biblischen Tagen aller Reichtum noch nach Land und Schafen gemessen; zehntausend besitzt James V., Maria Stuarts Vater, sie sind seine ganze Habe. Ihm eignet kein Kronschatz, er hat keine Armee, keine Leibgarde zur Sicherung seiner Macht, denn er könnte sie nicht bezahlen, und das Parlament, in dem die Lords entscheiden, wird nie seinem König wirkliche Machtmittel bewilligen. Alles, was dieser König über die nackte Notdurft besitzt, wird ihm von seinen reichen Verbündeten, von Frankreich und vom Papst, geliehen oder geschenkt, jeder Teppich, jeder Gobelin, jeder Leuchter in seinen Gemächern und Schlössern ist mit einer Demütigung erkauft.

Diese ewige Armut ist die eiternde Schwäre, die Schottland, diesem schönen edlen Lande, die politische Kraft aus dem Leibe saugt. Denn durch die Bedürftigkeit und Begehrlichkeit seiner Könige, seiner Soldaten, seiner Lords bleibt es ständig ein blutiger Spielball fremder Mächte. Wer gegen den König und für den Protestantismus streitet, erhält seinen Sold von London, wer für den Katholizismus und die Stuarts, von Paris, Madrid und Rom: alle diese auswärtigen Mächte zahlen gern und willig für das schottische Blut. Noch immer schwankt zwischen den beiden großen Nationen, zwischen England und Frankreich, die letzte Entscheidung, darum ist dieser nächste Nachbar Englands für Frankreich ein unersetzlicher Partner im Spiel. Jedesmal, wenn die englischen Armeen in die Normandie vorbrechen, zielt Frankreich schleunig mit diesem Dolch gegen Englands Rücken; sofort stoßen dann die allezeit kriegsfrohen Schotten über die »Border«, gegen ihre »auld enimies« vor, und auch in Friedenszeit bilden sie eine stete Bedrohung. Schottland militärisch zu stärken ist die ewige Sorge der französischen Politik und nichts darum natürlicher, als daß seinerseits England diese Macht durch Aufhetzung der Lords und ständige Rebellionen zu brechen trachtet. So wird dieses unglückselige Land zum blutigen Blachfeld eines hundertjährigen Krieges, und erst im Schicksal dieses noch ahnungslosen Kindes wird er sich endlich endgültig entscheiden.

Es ist ein prachtvoll dramatisches Symbol, daß dieser Kampf tatsächlich schon an Maria Stuarts Wiege beginnt. Noch kann dieses Wickelkind nicht sprechen, nicht denken, nicht fühlen, kaum seine winzigen Händchen im Steckkissen bewegen, und schon greift die Politik nach ihrem unentfalteten Körper, nach ihrer ahnungslosen Seele. Denn das ist Maria Stuarts Verhängnis, ewig gebannt zu sein in dieses rechnerische Spiel. Nie wird ihr gegönnt sein, ihr Ich, ihr Selbst unbekümmert auszuwirken, immer wird sie verstrickt bleiben in Politik, Objekt der Diplomatie, Spielball fremder Wünsche, immer nur Königin, Kronanwärterin, Verbündete oder Feindin sein. Kaum hat der Bote die beiden Nachrichten gemeinsam nach London gebracht, daß James V. gestorben und seine neugeborene Tochter Erbin und Königin von Schottland sei, so beschließt Heinrich VIII. von England, für seinen unmündigen Sohn und Erben Eduard eiligst um diese kostbare Braut zu werben; über einen noch unfertigen Körper, über eine noch schlafende Seele wird wie über eine Ware verfügt. Aber Politik rechnet niemals mit Gefühlen, sondern mit Kronen, Ländern und Erbrechten. Der einzelne Mensch ist für sie nicht vorhanden, er zählt nicht gegenüber den sichtlichen und sachlichen Werten des Weltspiels. In diesem besonderen Falle ist allerdings der Gedanke Heinrichs VIII., die Thronerbin Schottlands mit dem Thronerben Englands zu verloben, ein vernünftiger und sogar ein humaner. Denn längst schon hat dieser unablässige Krieg zwischen den Bruderländern keinen Sinn mehr. Auf derselben Insel im Weltmeer wohnhaft, vom selben Meere umschirmt und umstürmt, verwandter Rasse und ähnlich in den Lebensbedingungen, ist den Völkern Englands und Schottlands zweifellos eine einzige Aufgabe gesetzt: sich zu vereinigen; sinnfällig hat die Natur hier ihren Willen ausgesprochen. Nur die Eifersucht der beiden Dynastien, der Tudors und der Stuarts, steht diesem letzten Ziel noch hemmend entgegen; gelingt es aber nun, durch eine Heirat den Widerstreit der beiden Herrscherhäuser in Bindung zu verwandeln, so können die gemeinsamen Nachkommen der Stuarts und der Tudors zugleich Könige von England und Schottland und Irland sein, ein geeintes Großbritannien kann in den höheren Kampf eintreten: in das Ringen um die Oberherrschaft der Welt.

Aber Verhängnis: immer wenn in der Politik ausnahmsweise eine klare und logische Idee in Erscheinung tritt, wird sie durch törichte Ausführung verdorben. Im Anfang scheint alles trefflich zu glücken. Die Lords, denen rasch Geld in die Taschen geschoben wird, stimmen freudig dem Ehevertrag zu. Doch ein bloßes Pergament genügt dem gewitzten Heinrich VIII. nicht. Zu oft hat er die Heuchelei und Habgier dieser Ehrenmänner erprobt, um nicht zu wissen, daß diese Unzuverlässigen ein Vertrag niemals bindet und daß sie bei höherem Angebot sofort bereit sein werden, die Kindkönigin an den französischen Thronerben zu verschachern. Darum fordert er von den schottischen Unterhändlern als erste Bedingung die sofortige Aushändigung des unmündigen Kindes nach England. Aber wenn die Tudors mißtrauisch gegen die Stuarts, so sind es die Stuarts nicht minder gegen die Tudors, und besonders die Mutter Maria Stuarts wehrt sich gegen diesen Vertrag. Als eine Guise streng katholisch erzogen, will sie ihr Kind nicht ketzerischem Irrglauben ausliefern, und auch sonst hat sie nicht große Mühe, in dem Vertrag eine gefährliche Fußangel zu entdecken. Denn in einem geheimen Artikel haben sich die von Heinrich VIII. bestochenen schottischen Unterhändler verpflichtet, falls das Kind vorzeitig sterben sollte, dahin zu wirken, daß desungeachtet »die ganze Herrschaft und der Besitz des Königreichs« an Heinrich VIII. fallen solle: und dieser Punkt ist bedenklich. Denn von einem Manne, der bereits zweien seiner Frauen das Haupt auf den Block gelegt hat, kann man allenfalls erwarten, daß er, um rascher ein so wichtiges Erbe anzutreten, den Tod dieses Kindes vielleicht etwas vorzeitig und nicht ganz natürlich gestalten könnte; so weist die Königin als sorgliche Mutter die Auslieferung ihrer Tochter nach London ab. Nun wird aus der Brautwerbung beinahe ein Krieg. Heinrich VIII. schickt Truppen aus, um sich mit Gewalt des kostbaren Pfandes zu bemächtigen, und von der nackten Brutalität jenes Jahrhunderts gibt sein Befehl an die Armee ein grausames Bild. »Es ist der Wille Seiner Majestät, daß alles mit Feuer und Schwert ausgetilgt werde. Brennt Edinburgh nieder und macht es der Erde gleich, sobald ihr alles, was ihr könnt, daraus geholt und geplündert habt … plündert Holyrood und so viele Städte und Dörfer um Edinburgh, als ihr vermögt, plündert und verbrennt und unterwerft Leith und alle anderen Städte, rottet Männer, Frauen und Kinder ohne Schonung aus, wo immer Widerstand geleistet wird.« Wie eine Hunnenschar brechen Heinrichs VIII. bewaffnete Banden über die Grenzen. Aber im letzten Augenblick werden Mutter und Kind auf das feste Schloß von Stirling in Sicherheit gebracht, und Heinrich VIII. muß sich mit einem Vertrag begnügen, in dem sich Schottland verpflichtet, Maria Stuart (immer wird sie wie ein Objekt verhandelt und verkauft) an dem Tage, da sie ihr zehntes Lebensjahr erreicht, nach England auszuliefern.

Abermals scheint alles auf das glücklichste geordnet. Aber Politik ist allezeit die Wissenschaft des Widersinns. Ihr widerstreben die einfachen, die natürlichen, die vernunftmäßigen Lösungen; Schwierigkeiten sind ihre liebste Lust, Zwist ist ihr Element. Bald beginnt die katholische Partei mit verdeckten Machenschaften, ob man das Kind – noch kann es nichts als lallen und lächeln – nicht doch lieber an den französischen Königssohn verschachern solle statt an den englischen, und als Heinrich VIII. stirbt, ist die Neigung, den Vertrag einzuhalten, bereits sehr gering. Jetzt aber fordert für den unmündigen König Eduard der englische Regent Somerset die Auslieferung der Kindbraut nach London, und wie Schottland Widerstand leistet, läßt er eine Armee vorrücken, damit die Lords die einzige Sprache vernehmen, die sie achten: die Gewalt. Am 10. September 1547 wird in der Schlacht – oder vielmehr Schlächterei – von Pinkie Cleugh die schottische Macht zerschmettert, mehr als zehntausend Tote bedecken das Feld. Noch hat Maria Stuart ihr fünftes Lebensjahr nicht erreicht, und schon ist um ihretwillen Blut in Strömen geflossen.

Wehrlos liegt jetzt Schottland den Engländern offen. Aber in dem ausgeplünderten Land ist wenig mehr zu rauben; für die Tudors enthält es eigentlich nur eine einzige Kostbarkeit: dieses Kind, das in sich selbst die Krone und das Kronrecht verkörpert. Doch zur Verzweiflung der englischen Spione ist Maria Stuart plötzlich spurlos aus dem Schlosse von Stirling verschwunden; niemand auch im vertrautesten Kreise weiß, wo die Königinmutter sie versteckt hält. Denn das schützende Nest ist unübertrefflich gut gewählt: bei Nacht und in größter Heimlichkeit hat man durch ganz sichere Diener das Kind in das Kloster Inchmahome[3] bringen lassen, das auf einer kleinen Insel im See von Menteith, »dans le pays des sauvages«, wie der französische Botschafter berichtet, unwegsam verborgen liegt. Kein Steg führt zu dieser romantischen Stätte: mit einem Boot muß man die kostbare Fracht zum Inselufer hinübersetzen, und hier halten Fromme Hut, die selber niemals das Kloster verlassen. Dort, in völliger Verborgenheit, abgeschieden von der aufgeregten und unruhigen Welt, lebt das unwissende Kind im Schatten der Geschehnisse, während über Länder und Meere die Diplomatie geschäftig sein Schicksal webt. Denn Frankreich ist inzwischen drohend auf den Schauplatz getreten, um die völlige Unterjochung Schottlands durch England zu verhindern. Heinrich II., der Sohn Franz’ I., sendet eine starke Flotte aus, und in seinem Namen wirbt der Generalleutnant des französischen Hilfskorps um die Hand Maria Stuarts für seinen Sohn und Thronerben Franz. Über Nacht ist das Schicksal dieses Kindes umgesprungen dank des politischen Windes, der scharf und kriegerisch über den Kanal stürmt: statt zur Königin von England ist die kleine Stuartstochter mit einmal zur Königin Frankreichs ausersehen. Kaum ist dieser neue und vorteilhaftere Handel gültig abgeschlossen, so wird am 7. August das kostbare Objekt dieses Schachers, das Kind Maria Stuart, fünf Jahre und acht Monate alt, nach Frankreich verpackt und verschickt, einem andern und ebenso unbekannten Gemahl für Lebenszeit verkauft. Abermals und nicht zum letztenmal formt und verwandelt fremder Wille ihr Schicksal.

Ahnungslosigkeit ist die Gnade der Kindheit. Was weiß ein dreijähriges, ein vierjähriges, ein fünfjähriges Kind von Krieg und Frieden, von Schlachten und Verträgen? Was sind ihm Namen wie Frankreich und England, wie Eduard und François, was all dieser wilde Wahn der Welt? Mit flatternden blonden Haaren läuft und spielt ein schlankbeiniges kleines Mädchen in den finsteren und hellen Räumen eines Schlosses, vier gleichaltrige Freundinnen zur Seite. Denn – ein reizender Gedanke inmitten einer barbarischen Zeit – von Anfang an hat man ihr vier gleichaltrige Gespielinnen mitgegeben, gewählt aus den vornehmsten Familien Schottlands, das Kleeblatt der vier Marys, Mary Fleming, Mary Beaton, Mary Livingstone und Mary Seton. Kinder, sind sie heute des Kindes lustige Gespielinnen, morgen werden sie Kameradinnen in der Fremde sein, damit ihr die Fremde nicht so fremd erscheine, später werden sie ihre Hofdamen werden und in zärtlicher Stimmung den Eid ablegen, nicht früher in den Ehestand zu treten, ehe sie nicht selber einen Gatten gewählt. Und wenn dann die drei andern im Unglück von ihr abfallen, eine wird sie weiter begleiten in das Exil und bis in ihre Todesstunde: ein Glanz seliger Kindheit leuchtet so hinüber bis in ihre dunkelste Stunde. Doch wie weit ist noch diese trübe und verschattete Zeit! Jetzt spielen die fünf Mädchen noch munter tagaus und tagein mitsammen im Schloß von Holyrood oder Stirling und wissen nichts von Hoheit und Würde und Königtum, nichts von seinem Stolz und seinen Gefahren. Dann aber kommt einmal ein Abend, und die kleine Maria wird hinausgetragen aus ihrem Kinderbettchen in die Nacht, ein Boot wartet an einem Teich, man rudert sie hinüber auf eine Insel, wo es still ist und gut – Inchmahome, Ort des Friedens. Fremde Männer grüßen sie dort, anders als andere Männer gekleidet, schwarz und in weiten wallenden Kutten. Aber sie sind freundlich und mild, sie singen schön in dem hohen Raum mit den farbigen Fenstern und das Kind gewöhnt sich ein. Doch abermals holt man sie weg eines Abends (immer wird Maria Stuart so reisen und fliehen müssen, des Nachts, aus einem Schicksal in das andere), und dann steht sie plötzlich auf einem hohen, mit weißen Segeln knatternden Schiff, umringt von fremden Kriegsleuten und bärtigen Matrosen. Aber warum sollte sie Angst haben, die kleine Maria? Alles ist ja sanft und freundlich und gut, der siebzehnjährige Stiefbruder James – einer der zahlreichen Bastarde, die James V. vor seiner ehelichen Zeit gezeugt – streichelt ihr das blonde Haar, und die vier Marys sind da, die geliebten Gespielinnen. So tollen und lachen unbesorgt zwischen den Kanonen des französischen Kriegsschiffes und den geharnischten Matrosen fünf kleine Mädchen, entzückt und beglückt wie Kinder von jeder unerwarteten Veränderung. Oben allerdings, im Mastkorb, steht ängstlich ein Seemann auf Ausguck: er weiß, die englische Flotte kreuzt im Kanal, um in letzter Stunde noch der englischen Königsbraut habhaft zu werden, ehe sie Braut des französischen Thronerben wird. Aber das Kind sieht nur das Nahe, das Neue, es sieht nur: das Meer ist blau, die Menschen sind freundlich, und stark und atmend wie ein riesiges Tier stößt sich das Schiff durch die Flut.

Am 13. August landet endlich die Galione in Roscoff, einem kleinen Hafen bei Brest. Die Boote fahren zum Ufer. Von dem bunten Abenteuer kindlich begeistert, lachend, übermütig und ahnungslos springt die noch nicht sechsjährige Königin von Schottland auf die französische Erde. Aber damit ist ihre Kindheit zu Ende, Pflicht und Prüfung beginnen.