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Der schneereiche und lange Winter ist zu Ende gegangen und Plauen erblüht im ersten Frühlingsgrün. Kate Schulz, Mike Köhler sowie Jasmin und Omar Amri sind eben aus Amerika zurückgekehrt, wo Kates ehemaliger Kollege, Spezialagent Ben Thomson geheiratet hat. Als am Montagmorgen Hauptkommissar Mike Köhler seine Kollegin Kommissarin Jäger, nicht wie gewohnt in ihrem Büro antrifft, beschleicht ihn ein ungutes Gefühl. Noch ehe er sie anrufen kann, kommt ihr Mann Torben ins Polizeipräsidium und meldet seine Frau als vermisst. Sofort findet eine umfangreiche Suchaktion statt, aber man findet nur Mariannes Wagen auf dem Deck eines Einkaufscenters. Die Tür ist unverschlossen, der Fahrersitz voller Blut. Wo ist Kommissarin Jäger und lebt sie überhaupt noch?
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Der schneereiche und lange Winter ist zu Ende gegangen und Plauen erblüht im ersten Frühlingsgrün.
Kate Schulz, Mike Köhler sowie Jasmin und Omar Amri sind eben aus Amerika zurückgekehrt, wo Kates ehemaliger Kollege, Spezialagent Ben Thomson, geheiratet hat.
Als am Montagmorgen Hauptkommissar Mike Köhler seine Kollegin Kommissarin Jäger, nicht wie gewohnt in ihrem Büro antrifft, beschleicht ihn ein ungutes Gefühl.
Noch ehe er sie anrufen kann, kommt ihr Mann Torben ins Polizeipräsidium und meldet seine Frau als vermisst.
Sofort findet eine umfangreiche Suchaktion statt, aber man findet nur Mariannes Wagen auf dem Deck eines Einkaufscenters. Die Tür ist unverschlossen, der Fahrersitz voller Blut.
Wo ist Kommissarin Jäger und lebt sie überhaupt noch?
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Nachwort
„Das war eine wirklich tolle Zeit“, schwärmte Jasmin nicht zum ersten Mal und sah zu Omar, der seinen SUV über die Autobahn steuerte. Als dieser nickte, sah sie in den Rückspiegel. Kate hatte ihren Kopf an Mikes Schulter gelegt und die Augen geschlossen.
„Jetlag?“, murmelte sie in Richtung Mike, als Kate die Augen aufschlug.
„Nein, eher innere Einkehr“, sagte sie und spürte, wie Mike leise lachte. Dann legte er den Arm um sie.
„Bereust du es, wieder mit zurückzumüssen?“, fragte er und Kate setzte sich aufrecht hin.
„Die Frage meinst du nicht wirklich ernst, oder?“
Sie zog die Augenbrauen in die Höhe und Mike grinste. „Ich wollte es nur hören.“
„Ich habe festgestellt“, mischte sich Omar hier ein, „FBI-Agenten scheinen eine ziemliche Menge an Alkohol zu vertragen.“
Scheinbar hielt er es für geraten, ein anderes Thema anzuschneiden.
Mike legte wieder seinen Arm um Kates Schulter.
„Wobei meine liebe Frau hier wohl die Ausnahme bildet.“
Omar sah kurz über die Schulter nach hinten.
„Sag mal Kate, gibt es dafür eigentlich einen Grund?“
Diese tippte Omar leicht auf die Schulter.
„Sagt der Richtige.“
Dieser hob die Hand leicht vom Lenkrad ab.
„Bei mir ist es der religiöse Hintergrund, aber bei dir ist doch Alkohol erlaubt?“
Jetzt sah auch Jasmin nach hinten. Zwar pflegte sie immer zu frotzeln, wenn Omar und Kate keinen Alkohol tranken, es wäre wie ein Treffen der Anonymen Alkoholiker, aber niemand hatte Kate je gefragt, was eigentlich der Grund für ihren Verzicht auf Alkohol war.
Diese seufzte etwas auf.
„Also gut. Ich war 17 und mit ein paar Freundinnen zu einer Party eingeladen. Einer der Jungs wollte sich wohl einen Spaß daraus machen und mischte uns richtige starke Sachen unter unsere alkoholfreien Drinks. Da unsere Drinks quitschesüß waren, haben wir wohl den hochprozentigen Schnaps nicht geschmeckt. Jedenfalls haben wir es nicht gemerkt und mich hat es besonders schlimm erwischt, denn ich hatte furchtbaren Durst und trank zwei großes Gläser auf Ex. Das Resultat war eine schwere Alkoholvergiftung. Ich lag zwei Tage faktisch im Koma. Mein Vater war völlig entsetzt, als ich in die Klinik eingeliefert wurde und erfuhr erst, als zwei meiner Freundinnen mit, wenn auch leichteren Symptomen, ebenfalls eingeliefert worden waren, dass wir uns nicht mit Absicht betrunken hatten. Ich hatte noch eine Weile mit den Nachwirkungen zu kämpfen und habe seitdem nie wieder einen Tropfen Alkohol angerührt.“
Jasmin stieß die Luft aus. „Oh je“, sagte sie leise.
„Und ich mache so meine Witze darüber.“
Kate legte ihr die Hand von hinten auf die Schulter.
„Schon okay. Jetzt weißt du es.“
„Jedenfalls war ich erstaunt, was Ben und Co. so in sich reingeschüttet haben“, bemerkte Omar.
Sie waren gemeinsam für knapp drei Wochen in Atlanta gewesen, wo Kates ehemaliger Partner beim FBI, Ben Thomson, geheiratet hatte. Nebenher hatten sich Omar und Mike mit neuen Ansätzen der Ermittlungstätigkeit beziehungsweise der Forensik informiert, während Jasmin und Kate die Zeit für ein paar „Mädelstage“, wie Jasmin es nannte, nutzten.
„Ja, die sind schon standfest“, bestätigte Kate und sah aus dem Wagenfenster. „Wir sind ja bald zu Hause“, stellte sie erleichtert fest und dehnte sich.
„Ich freue mich aber auch wieder auf mein eigenes Bett“, murmelte Omar und Jasmin kicherte. Das Problem mit den Hotelbetten war meist, das sie für den hünenhaften Pathologen zu kurz waren und ihm die Füße einschliefen.
Mike grinste. Dann sah er zu Omar nach vorn.
„Na, ich bin gespannt, was uns arbeitsmäßig erwartet“, sagte er und Omar zuckte die Schultern.
„Ich habe eine tüchtige Assistentin und du hast Marianne. Es wird sich also in Grenzen halten und uns bestätigen, es geht auch ohne uns.“
„Hört, hört“, sagte Jasmin und warf ihrem Mann einen Blick zu, den dieser lächelnd ignorierte.
„Na was? Kerstin ist überaus kompetent, schließlich hat sie von mir gelernt.“
„Bei dir, mein Lieber, bei dir. Schade, dass sie das nicht hören kann, welch positive Worte ihr Doktorvater für sie findet.“
Jasmin legte ihre Hand auf den Unterarm ihres Mannes, der gerade von der Autobahn abbog in Richtung Ausfahrt Plauen Ost.
„Das weiß sie“, murmelte der.
„Ich bin mir auch sicher, dass Marianne die Sache voll und ganz im Griff hatte, darum habe ich auch nicht angerufen. Das sieht immer so nach Kontrolle aus. Ich lasse mich morgen überraschen“, erwiderte Mike und schloss kurz die Augen.
Auch er war, trotz der schönen Zeit, wieder froh, zu Hause zu sein.
„Also, ich verbringe meinen letzten Urlaubstag heute definitiv auf dem Rücken von Lohengrin“, sagte Kate und trank ihren Kaffee aus.
„Du Glückliche“, murmelte Mike und stand vom Frühstückstisch auf.
Sie lächelte ihn an. „Tu bloß nicht so, du bist doch froh wieder dein geliebtes Polizeipräsidium von innen zu sehen“, neckte Kate ihn und streckte sich.
„Siehst du, ich habe kompetente Mitarbeiter und kann es mir leisten erst morgen aufzukreuzen.“
Lachend schüttelte Mike den Kopf, dann gab er ihr einen Kuss.
„Viel Spaß heute“, sagte er und sie hörte noch, wie die Tür ins Schloss fiel.
Mike fuhr Richtung Freiheitsstraße und musste noch immer lächeln. Es war eine tolle Zeit in den Staaten gewesen, aber Kate hatte recht, er war auch froh, wieder arbeiten zu können. Bewusst hatte er sich auch gestern nach ihrer Ankunft nicht zurückgemeldet, sondern trat heute Morgen einfach den Dienst an.
Er fuhr auf den Parkplatz und sah nach rechts.
Dort parkte immer Marianne Jägers Ford. Vielleicht war sie heute zu Fuß gekommen oder ihr Mann hatte sie gefahren. Er ging in sein Büro, um seine Jacke abzulegen, als ihm schon auf dem Flur Frieder Lein entgegenkam.
„Hallo, Mike. Wieder im Lande? Wie war`s?“
Mike nickte ihm zu. „Bis auf den Flug, sehr schön.“
Der Kriminalanwärter grinste etwas. Er kannte inzwischen Mikes Aversion gegen das Fliegen.
„Frieder, sagst du bitte gleich Marianne Bescheid, wegen der Übergabe? In zehn Minuten im Beratungsraum?“
Der junge Mann sah ihn achselzuckend an.
„Marianne ist nicht da.“
Erstaunt sah Mike auf seine Uhr. Kurz vor 8.00 Uhr?
Um diese Zeit war Marianne immer längst da und hatte Kaffee gekocht, das war so ein Ritual, das sich in all den Jahren eingebürgert hatte.
„Naja, sie wird bestimmt gleich kommen“, sagte Frieder, aber Mike zog sein Smartphone aus der Tasche.
Keine Nachricht von ihr. Hoffentlich war sie nicht krank und gleich zum Arzt gegangen? Aber selbst da hätte sie ihm eine Nachricht hinterlassen.
Er beschloss noch etwas zu warten und dann anzurufen. In diesem Moment klingelte sein Telefon.
„Herr Hauptkommissar? Hier ist der Ehemann von Frau Kommissarin Jäger für sie“, sagte die diensthabende Beamtin.
„Schicken sie ihn hoch“, sagte Mike und legte auf. Er hatte plötzlich ein ungutes Gefühl.
In diesem Moment kam bereits Torben Jäger um die Ecke gebogen. Er war ein großer, kräftiger Mann, der durchaus Omar Amri Konkurrenz machen konnte, bewegte sich aber, im Gegensatz zu diesem, viel und gern. Er war der Typ Naturbursche, wie seine beiden Söhne, die darin ihrem Vater ähnelten.
Jetzt wirkte Torben Jäger eher verstört, als er an Mike herankam.
„Marianne ist verschwunden“, sagte er atemlos und Mike zog ihn in sein Büro.
„Setz dich erst einmal“, sagte er und nahm dann dem Mann seiner Kollegin gegenüber Platz.
„Was ist passiert?“, fragte er betont ruhig und sah, wie Torben Jäger seine großen Hände fest ineinander presste. Dann holte er tief Luft und sah Mike an.
„Sie hat sich gestern Abend mit einer ehemaligen Bekannten getroffen, die früher einmal in Plauen gewohnt hat.“
Er atmete wieder tief ein und aus. „Ich war gestern in Leipzig bei Niels, unserem Jüngsten. Ich hatte ihm in seiner Studentenbude ein bisschen geholfen, das eine und andere aufzubauen. Als ich zurückkam, war es schon nach Mitternacht und da wollte ich Marianne nicht stören. Ich weiß doch, dass sie früh raus muss.
Also habe ich mein Auto unter den Carport gestellt, weil ich dachte, ihr Ford steht in der Garage und habe im Kinderzimmer geschlafen.“
Mike wusste aus Mariannes Erzählungen, dass dies öfter der Fall war, wenn ihr Mann spät nach Hause kam.
Torben Jäger räusperte sich.
„Ich wollte sie dann heute mit einem Frühstück überraschen, bin also zeitig aufgestanden, habe den Tisch gedeckt und als ich sie wecken wollte, war das Bett unberührt. Ich bin gleich in die Garage, ihr Auto ist auch nicht da und ihr Smartphone ist ausgeschaltet.“
Jetzt war auch Mike alarmiert. Das Marianne vielleicht bei ihrer Bekannten übernachtet hatte, wäre ja noch im Bereich des Möglichen gewesen, aber nicht, dass sie ihr Smartphone ausschaltete.
„Hast du die Adresse der Bekannten von Marianne?“, fragte er jetzt, aber Torben Jäger schüttelte den Kopf. „Ich weiß ja nicht mal deren Namen. Ich habe einfach nicht richtig zugehört.“ Er schüttelte immer wieder den Kopf.
Mike stand auf und klopfte ihm auf die Schulter.
„Vielleicht war es ihr auch gar nicht so wichtig und darum hat sie es dir gegenüber nicht erwähnt, wer diese Bekannte ist. Ich lasse jetzt ihr Smartphone orten und sage den Kollegen Bescheid, sie sollen nach ihrem Auto Ausschau halten. Geh nach Hause, vielleicht ist sie schon auf dem Weg dorthin.“
Mike klang optimistischer, als er tatsächlich war, aber Torben Jäger nickte und erhob sich schwerfällig.
„Du benachrichtigst mich?“, fragte er noch einmal vorm hinausgehen und Mike nickte. „Aber natürlich.“ Kaum war er allein, griff Mike zum Telefon.
Noch ehe er wählen konnte, kam Frieder Lein zur Tür hereingestürzt.
Alarmiert sah Mike auf. „Mariannes Ford wurde auf dem Elsterpark- Parkplatz gefunden.“
„Und?“, fragte Mike.
Er sah, wie Frieder schluckte.
„Keine Spur von Marianne, aber das Auto ist offen und...“ Er holte tief Luft.
„Der Fahrersitz ist voller Blut.“
Mike hatte das Blaulicht auf seinen BMW gesetzt und raste Richtung Elsterpark. Alle möglichen Szenarien gingen ihm durch den Kopf. Mit quietschenden Reifen bog er in das Einkaufscenter ab, dessen oberen Parkplatz man hastig abgesperrt hatte.
Die Polizei leitete potenzielle Kunden mit ihren Autos auf den unteren Parkplatz um, sodass der obere Teil gesperrt und auch von innen nicht zugängig war.
Nichtsdestotrotz hatten sich einige Gaffer an der Innentür versammelt und starrten, die Augen mit den Händen abschirmend, durch das Glas der verschlossenen Automatiktür.
Mike war aus dem Auto gesprungen und kroch durch das Absperrband. Karsten Windisch hatte bereits sein Team vor Ort und kniete vor der offenen Fahrertüre des Ford. Als er Mike sah, gab er ihm ein Zeichen stehen zu bleiben und erhob sich dann.
Er wechselte ein paar Worte mit einem Mitarbeiter, dann trat er zu Mike. „Hallo. Na, das ist ja ein Schock nach deinem Urlaub.“
Als dieser nur stumm nickte, deutete der Leiter der Spurensicherung auf das Auto.
„Wir lassen es zu uns bringen. Erst einmal eine Grobeinschätzung. Der Fahrersitz ist blutverschmiert, besonders die Kopflehne. Die hintere Scheibe ist eingeschlagen, es könnte so gewesen sein, dass der Täter die Fahrertür öffnen wollte, aber die Fahrerin…“
Er räusperte sich und holte tief Luft.
„Also Marianne, die Gefahr erkannt und sich eingeschlossen hatte. Er hat die hintere Scheibe eingeschlagen, die Tür geöffnet, ist hinten eingestiegen und hat sie niedergeschlagen.“
Mike runzelte die Stirn. „Wieso niedergeschlagen?“
Karsten Windisch deutete zum Auto.
„Das Blut ist so verteilt, dass es einer Kopfplatzwunde entspricht, eher keinem Messerstich.“
Als er sah, das Mike erleichtert aufatmete, schüttelte er den Kopf.
„Wie gesagt, dass alles unter Vorbehalt. Wir nehmen das Auto mit, sowie wir die Spuren um den Tatort gesichert haben.“
Mike nickte und trat zu einem der Beamten.
„Haben sie irgendwo eine Spur zum Verbleib von Kommissarin Jäger?“
Der Angesprochene, ein bereits älterer Kollege, schüttelte den Kopf. Ihm war anzusehen, wie ihn die Sache mitnahm. Sicher kannte auch er Marianne seit vielen Jahren.
„Nein. Leider ist die einzige Überwachungskamera laut Centermanager defekt.“ Mike deutete auf Karsten Windisch und der Beamte nickte.
„Ich habe es ihm bereits gesagt, ein Kollege schaut sie sich an, ob sie vielleicht im Vorfeld manipuliert worden ist.“
Inzwischen war nicht nur Frieder Lein eingetroffen, eben hielt das Auto von Peter Kögler, dem ersten Polizeihauptkommissar und Leiter des Revier Plauen und damit Mikes Vorgesetzen. Dieser ging ihm gleich entgegen. Ohne sich lange mit einer Vorrede aufzuhalten, gab Mike ihm einen Überblick zur Lage.
Kögler holte so tief Luft, das sein Jackett zu platzen drohte.
„Gut“, sagte er. „Oder auch nicht. Fordern sie die Hundestaffel an. Wir müssen davon ausgehen, dass Kommissarin Jäger entführt wurde.“
Mike war sich noch im Unklaren darüber, ob er jetzt Torben Jäger informieren sollte. Einerseits war ihm bewusst, dass sich irgendwelche Gerüchte sehr schnell über die Kanäle von Facebook und Co. verbreiten würden, andererseits wollte er Mariannes Mann nicht in zusätzliche Panik versetzen. Außerdem war es ihm wichtig, hier vor Ort zu sein und den Einsatz zu koordinieren. Jemand anderen, einen ihm Fremden, wollte er Torben allerdings auch nicht zumuten.
Peter Kögler, der etwas abseits einige Telefonate getätigt hatte, stand plötzlich wieder neben ihm.
„Wenn sie nichts dagegen haben, werde ich Herrn Jäger auf den aktuellen Stand bringen. Ich denke, das ist das Mindeste, was wir für ihn tun können. Ich habe bereits einen Psychologen geordert, der mich begleitet.“
Mike schaute seinen Vorgesetzten verblüfft an, als habe dieser seine Gedanken gelesen, dann nickte er erleichtert.
„Danke“, sagte er nur knapp und Kögler nickte.
„Was immer sie brauchen, rufen sie mich an.“
Dann ging er zu seinem Wagen. In diesem Moment trafen zwei Fahrzeuge mit den Hunden ein.
Erleichtert ging Mike zu ihnen, als der ältere Beamte auf ihn zu gerannt kam.
„Herr Hauptkommissar, eine leblose Person wurde aufgefunden, nahe Kleinfriesen.“
Mike schloss für einen Augenblick die Augen, dann wandte er sich an den Hundeführer.
„Ich fahre schnell hin und gebe ihnen dann Bescheid.“
Im Laufschritt rannte er zu seinem Auto, schaltete das Blaulicht ein und raste los.
„Lass es nicht Marianne sein“, murmelte er immer und immer wieder gebetsmühlenartig vor sich hin und spürte, wie seine Hände kälter wurden, je mehr er das Lenkrad umklammerte. Er zuckte zusammen, als sein Smartphone klingelte und er sah Kates Nummer.
„Ja“, sagte er ungewöhnlich kurz angebunden, aber wenn jemand das verstehen würde, dann sie.
„Was ist mit Marianne?“, fragte diese sofort und Mike schüttelte unwillkürlich den Kopf. Woher wusste sie das schon? Steven, war sein erster Gedanke. Der Computernerd, der für Kates Schulz Security arbeitete, konnte sich zu jeder Zeit in den Polizeicomputer hacken.
„Torben hat mich angerufen“, sagte sie, als könne sie seine Gedanken lesen. Mein Gott, war er heute von Hellsehern umgeben?
„Warum?“, fragte er, biss sich aber gleich auf die Lippen. So eine dämliche Frage.
„Weil seine Frau verschwunden ist und ich sofort alle verfügbaren Leute zusammengetrommelt habe“,
sagte Kate ruhig.
„Sie ist nicht verschwunden, sie wurde wahrscheinlich entführt.“
Eine Weile war Stille in der Leitung.
„Mist“, sagte Kate schließlich. „Habt ihr schon eine Spur?“
Mike bog um eine Ecke und näherte sich dem Ziel, denn er sah Blaulicht durch einiges Gebüsch leuchten.
„Man hat eine leblose Person gefunden. Ich bin gerade vor Ort“, sagte er und hörte Kate am anderen Ende leise aufstöhnen.
„Ruf mich an, wenn du kannst“, sagte sie schließlich und legte auf.
Mike war auch in dieser Ausnahmesituation dankbar, mit einer ehemaligen FBI-Agentin verheiratet zu sein. Keine unnützen Diskussionen oder Fragen.
Er hielt an und stieg langsam aus seinem Auto. An einem dichten Gehölz stand ein Rettungswagen mit Blaulicht, daneben der Notarztwagen.
Mike holte tief Luft. Das war doch ein gutes Zeichen?
Als er gerade auf einen der Beamten zugehen wollte, sah er, wie sich das Gebüsch teilte und eine hünenhafte Gestalt auf der kleinen Lichtung erschien.
Mike musste sich unvermittelt an seinem Wagen festhalten und schloss für eine Sekunde die Augen.
Professor Doktor Omar Amri, leitender Pathologe und Rechtsmediziner, war bereits vor Ort.
Mike sah, wie Omar auf ihn zukam und war wie gelähmt. Der Pathologe deutete seine Miene wohl richtig, denn er beschleunigte seinen Schritt.
„Es ist Marianne“, sagte er und legte Mike die Hand auf die Schulter.
Mike schossen ungewollt die Tränen in die Augen. Er hatte so viele Jahre mit Marianne zusammengearbeitet, sie kannten sich auch privat, aber besonders hatte er ihre warmherzige, mütterliche Art geschätzt, die so manche Situation deeskaliert hatte. Und jetzt das.
Mit der Hand fuhr er sich über die Augen und sah O-mar an. Der deutete zum Gebüsch, wo gerade zwei Notfallsanitäter mit einer Trage herauskamen, der Notarzt hielt eine Infusionsflasche.
Mike runzelte die Stirn. „Wer ist das?“, fragte er mit etwas brüchiger Stimme und räusperte sich.
„Marianne, sie ist sehr schwer verletzt und bewusstlos“, antwortete Omar, während er dem Notarzt zunickte.
Mike starrte den Pathologen an. „Sie lebt? Aber du…“ Omar winkte ab. „Kate hatte mich informiert und als die Meldung mit einer leblosen Person einging, bin ich sofort hierhergefahren. Aber sie hatte noch Puls, der Notarzt hat sie stabilisiert und jetzt kommt sie in die Klinik.“
Mike atmete aus und es klang, als ließe man Luft aus einem prall gefüllten Luftballon.
„Gott sei Dank“, sagte er, aber Omar schüttelte den Kopf.
„Es tut mir leid, aber ich sage es dir lieber gleich. Es sieht nicht gut aus.“
Dann klopfte er ihm auf den Rücken. „Ich fahre jetzt rüber in die Klinik. Ich denke, du solltest die Spurensicherung rufen und der Zeuge, der sie gefunden hat, sitzt da vorn. Keine Ahnung, wie sie hierhergekommen ist.“
Er nickte Mike noch einmal zu und stieg in seinen SUV. Mike atmete zwei Mal tief ein und aus, dann rief er seinen Chef an, um ihn auf den neusten Stand zu bringen. Es war gut, dass dieser gerade bei Torben Jäger war.
Dann rief er Karsten Windisch an.
„Hm“, brummte der. „Wir sind zwar hier noch nicht fertig, aber das Auto haben wir schon abtransportiert.
Kann Marianne uns etwas sagen, was vorgefallen ist?“
Mike schüttelte den Kopf und merkte erst dann, dass der Leiter der Spurensicherung ihn ja nicht sehen konnte. „Nein, so schnell nicht. Wenn überhaupt jemals.“ Er hörte, wie Karsten seufzte.
„Scheiße“, sagte der in seiner direkten Art. „Gut, ich komme.“
„Ach und Karsten, sag doch den Kollegen, sie sollen trotzdem die Hunde auf die Spur ansetzen. Ich würde gerne wissen, wie und auf welchem Weg Marianne hierhergebracht wurde.“
Dann legte er auf und wandte sich an den Zeugen, einen sportlichen Mann Mitte dreißig in Laufoutfit.