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Nadja Rinke

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Beschreibung

Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2,0, Universität zu Köln, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Verfilmung literarischer Werke ist zunehmend zu einer Selbstverständlichkeit in der Literaturverfilmung Filmgeschichte geworden. als Gegenstandsbereich der Literaturwissenschaft ist allerdings weniger etabliert. Lange Zeit stand die Literaturwissenschaft dem Medium Film äußerst skeptisch gegenüber, und auch heute gibt es noch Methodenprobleme bei der Analyse verfilmter Literatur. Die Transformation eines literarischen Werkes in das Massenmedium Film ist eine Herausforderung, sowohl für die Literatur- als auch für die Filmwissenschaft. Der Film, als „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ und in seiner Eigenschaft als technisches Medium, ist für viele Schriftsteller der wichtigste Auftraggeber geworden. Dennoch sind Verfilmungen, vor allem klassischer Literatur, noch immer der Auslöser für den Missmut vieler Literaturkritiker, die in dem Medium Film einen der Massenunterhaltung dienenden Illusionsapparat sehen, der mit Kultur- und Literaturvernichtung identisch zu sein scheint. Nun ist das Medium Film nicht aus dem Nichts entstanden, sondern das Produkt einer schon existierenden und sich immer weiter entwickelnden Medienkultur. Die Entstehung neuer Medien geschah einerseits immer aus der Idee heraus, eine schnellere und weiträumigere Kommunikationstechnik zu finden. Andererseits ist Kommunikation ohne mediale Vermittlungssysteme, die die Aufzeichnung und Verbreitung kulturellen Wissens ermöglichen, nicht denkbar. Die zur Verbreitung dienenden Mittel reichen von der mündlichen Überlieferung bis hin zur heute existierenden Digitalisierung. Dass Weltwahrnehmung und Kommunikation notwendigerweise an Medien gebunden sind, hat schon Platon in seinem Höhlengleichnis zum Ausdruck gebracht. Auch Luhmann erklärt: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“. Diese Erkenntnis ist fast genauso alt wie die Tendenz medialer Systeme, zu interagieren und sich wechselseitig aufeinander zu beziehen.

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Veröffentlichungsjahr: 2006

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Crazy
1.2. Methodische Herangehensweise
2. Der Begriff des Mediums.
2.1. Termini der Intermedialitätsforschung.
2.2. Theoretische Modelle der Intermedialitätsforschung.
2.3. Intermediale Wechselbeziehungen von Film und Literatur
2.4. Transkriptivität
2.5. Theatralität
3. Der Film als Kunstform zwischen Erzähltext und Theater
3.1. Der Vorspann
3.2. Die Kamera als Erzähler
3.3. Inszenierung und Dramaturgie
3.4. Literarische Nullpositionen
3.5. Montage und Schnitt
3.6. Musik und Geräusche.
4. Analyse: Der Medienwechsel vom Buch Crazy zum Film Crazy.
4.1. Exposition.
4.2. Striptease in Rosenheim
4.3. Das Drehbuch als intermediale Zwischenstufe
4.4. Buch - Drehbuch - Film
5. Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis.
Einstellungsprotokoll Crazy

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Magisterarbeit zur Erlangung des Grades eines Magister Artium (M.A.)

Medienwechsel:

Transformation vom Buch zum Film

am Beispiel von Benjamin LebertsCrazy

Institut für Deutsche Sprache und Literatur

Philosophische Fakultät Universität zu Köln

Vorgelegt von Nadja Rinke

Köln, 2006

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1. Einleitung

Die Verfilmung literarischer Werke ist zunehmend zu einer Selbstverständlichkeit in der Literaturverfilmung1Filmgeschichte geworden. als Gegenstandsbereich der

Literaturwissenschaft ist allerdings weniger etabliert. Lange Zeit stand die Literaturwissenschaft dem Medium Film äußerst skeptisch gegenüber, und auch heute gibt es noch Methodenprobleme bei der Analyse verfilmter Literatur. Die Transformation eines literarischen Werkes in das Massenmedium Film ist eine Herausforderung, sowohl für die Literatur- als auch für die Filmwissenschaft. Der Film, als „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“2und in seiner Eigenschaft als technisches Medium, ist für viele Schriftsteller der wichtigste Auftraggeber geworden. Dennoch sind Verfilmungen, vor allem klassischer Literatur, noch immer der Auslöser für den Missmut vieler Literaturkritiker, die in dem Medium Film einen der Massenunterhaltung dienenden Illusionsapparat sehen, der mit Kultur- und Literaturvernichtung identisch zu sein scheint. Nun ist das Medium Film nicht aus dem Nichts entstanden, sondern das Produkt einer schon existierenden und sich immer weiter entwickelnden Medienkultur.3Die Entstehung neuer Medien geschah einerseits immer aus der Idee heraus, eine schnellere und weiträumigere Kommunikationstechnik zu finden. Andererseits ist Kommunikation ohne mediale Vermittlungssysteme, die die Aufzeichnung und Verbreitung kulturellen Wissens ermöglichen, nicht denkbar. Die zur Verbreitung dienenden Mittel reichen von der mündlichen Überlieferung bis hin zur heute existierenden Digitalisierung. Dass Weltwahrnehmung und Kommunikation notwendigerweise an Medien gebunden sind, hat schon Platon in seinem Höhlengleichnis zum Ausdruck gebracht. Auch Luhmann erklärt: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“.4Diese Erkenntnis ist fast genauso alt wie die Tendenz medialer Systeme, zu interagieren und sich wechselseitig aufeinander zu beziehen. Bereits seit der Antike werden darstellende und erzählende Künste unter dem Gesichtspunkt des „Wettstreits der Künste“ (Paragone) sowie der Möglichkeiten ihrer wechselseitigen

1Trotz teilweise negativer Konnotationen bezüglich der verschiedenen Termini zur Bezeichnung der Transformation vom schriftlichen Medium ins audiovisuelle Medium, werden in der vorliegenden Arbeit die Termini Literaturverfilmung, Verfilmung, Adaption, Medienwechsel etc. abwechselnd, als gleichbedeutende, wertfreie Bezeichnungen für ein und dasselbe Phänomen verwendet.

2Vgl. Benjamin, Walter: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kultursoziologie“, Frankfurt/Main 1970.

3Vgl. z.B. Flusser, Vilém: „Medienkultur“, Frankfurt/Main 1999.

4Luhmann, Niklas: „Die Realität der Massenmedien“, 1996, zitiert bei: Sombroek, Andreas: „Eine Poetik des Dazwischen. Zur Intermedialität und Intertextualität bei Alexander Kluge.“, Dissertation, Universität zu Köln 2004, S.12.

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Bereicherung miteinander verglichen. Mit dem zum literatur- und kulturwissenschaftlichen Topos gewordenen Diktum des `ut pictura poesis` hat Horaz wesentlich zur Annäherung an die grundsätzliche Vergleichbarkeit der narrativen und darstellenden Künste beigetragen. Eine der kritischsten Haltungen gegenüber der `ut pictura poesis` Position des Kunstvergleichs findet sich in Lessings 1766 erschienen „Laokoon“, indem er die Notwendigkeit einer strikten Unterscheidung von Poesie und Malerei betont.5

Das Verhältnis von Wort und Bild ist dementsprechend nicht erst mit dem Aufkommen technisch-apparativer Medien zum Gegenstand kontroverser kultur-und

literaturwissenschaftlicher Debatten geworden. „Was seit der frühen Neuzeit als `Wettstreit der Künste` die Geschichte der Beziehungen zwischen darstellenden und erzählenden Künsten begleitet hat, hat sich angesichts der Dominanz technisch-apparativer Medien seit dem 19. Jahrhundert und insbesondere seit dem 20. Jahrhundert zur Beschreibung eines Phänomens der interaktiven Verbindungen oder Vermischungen auf einer den Künsten und Medien gemeinsamen Ebene ihrer Medialität entwickelt.“6In einer Zeit in der Mobiltelefone den Zugang zum Internet7ermöglichen und fotografieren können, Bücher nicht nur les- sondern auch hörbar sind und Filme zu Computerspielen transformiert werden, erscheint es wenig sinnvoll, mediale Systeme noch als isolierte Monomedien zu betrachten und disziplinintern zu analysieren. Das Phänomen der zunehmenden Grenzüberschreitungs- und Vernetzungstendenzen der Medien wird seit Mitte der 90er Jahre mit dem sehr offenen Begriff der Intermedialität erfasst. Die mit diesem Terminus verbundene neue Forschungsperspektive zielt vor allem auf eine umfassendere Öffnung der philologischen bzw. literaturwissenschaftlichen Disziplinen im Hinblick auf die `anderen Medien`8und liefert neue Ansatzpunkte zur Analyse komplexer, medialer Konfigurationen. Das Konzept der Intermedialität ist zu einer Plattform geworden, auf der sich die unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen9begegnen. Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand der Literaturverfilmung verspricht diese

Perspektivenverschiebung bzw. -erweiterung neue Aufschlüsse und Erkenntnisse vor allem

5Vgl. u.a. Gebauer, Gunter (Hrsg.): „Das Laokoon-Projekt“, Stuttgart 1984.

6Kim, Mookyu: „Mediale Konfigurationen. Ein Beitrag zur Theorie der Intermedialität“, Dissertation, Universität Konstanz 2002, S. 4.

7Das Internet als vernetztes Mediensystem ist sicherlich das beste Beispiel einer intermedialen Erscheinung.

8Vgl. Rajewsky, Irina: „Intermedialität“, Tübingen; Basel 2002.

9Zu nennen sind hier vor allem die Medienwissenschaft, Literaturwissenschaft, Kunstwissenschaft und Theaterwissenschaft.

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bezüglich der medialen Bedingtheiten ästhetischer Wirkung10und medienspezifischer Bedeutungskonstitutionen.

In der vorliegenden Arbeit geht es darum, anhand eines konkreten Beispiels und in Anwendung intermedialer Verfahren, Kontinuitäten und Veränderungen zu skizzieren, die sich infolge des Transfers „von einem Medium in ein anderes mit seinem je spezifischen Code, seinen Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen ergeben“.11Inwiefern werden durch das Zusammenspiel literarischer und filmischer Strukturen neue Sinndimensionen eröffnet? Kann der Posttext12Funktionsweisen der Textvorlage und Teile des Textsubstrats sichtbar machen, die im Prätext nicht zum Tragen kommen? Welche bedeutungstragenden Aspekte der literarischen Vorlage sind im Film erhalten bzw. wiederzuerkennen und welche gehen beim Transformationsprozess verloren? Das Konzept der Intermedialität, das die Wirkung eines Mediums in einem anderen untersucht, bietet für die Beantwortung dieser Fragen den geeigneten Ansatzpunkt.

1.1.Crazy

Benjamin Leberts RomanCrazyhat bereits vor Erscheinen für Aufregung gesorgt. Nicht nur das junge Alter des Autors, sondern auch geschickte Vermarktungsstrategien des Verlages Kiepenheuer & Witsch trieben die Verkaufszahlen in die Höhe und sorgten für reichlich Zündstoff in den Medien. Das Vorhaben des Verlages, einen neuen und modernen Salinger zu `erschaffen`, schien im Hinblick auf den Erfolg des Romans geglückt.13Das im Roman dargestellte Thema Jugend ist literaturgeschichtlich gesehen nicht neu.14In gewissem Sinne neu ist allerdings die Tatsache, dass hier ein Selbstbetroffener autobiographisch und reflektierend von sich und seiner Zeit berichtet. Den Roman kennzeichnet weniger ein spannungsreicher Handlungsstrang, als vielmehr die persönliche und subjektive Beobachterperspektive des Protagonisten. Dementsprechend wird dem Roman in den meisten Rezensionen auch eine hohe Authentizität und

10Vgl. Hess-Lüttich, Ernest W.B.: „Code-Wechsel und Code-Wandel“, in: „Code-Wechsel. Texte im Medienvergleich.“, hrsg. v. Posner, Roland, Opladen 1990, S. 9-21.

11Rajewsky, Irina: „Intermedialität“, Tübingen:Basel 2002, S.23.

12Vgl. ebd.; Rajewsky verwendet den Terminus Prätext im Rahmen intertextueller Relationen für das jeweilige mediale Ausgangsprodukt eines Medienwechsels. Das Zielprodukt bezeichnet sie als Posttext.

13Der Verlag startete die erste Auflage mit 30.000 Exemplaren und knapp ein halbes Jahr später hatte der Roman schon die 6.Auflage.

14Erinnert sei an dieser Stelle an klassische Adoleszenzromane wie z.B.: R.Musil: „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906), H.Hesse: „Unterm Rad“ (1906), J.D.Salinger: „Der Fänger im Roggen“ (1951), U.Plenzdorf: „Die neuen Leiden des jungen W.“ (1973) etc.

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Glaubwürdigkeit zugesprochen.15Auch in den Kinos scheint das Thema Jugend nach wie vor aktuell und kommerziell viel versprechend zu sein.16Schon vor Erscheinen des Romans äußerten mehrere Produktionsfirmen ihr Interesse an den Filmrechten zuCrazy.Der Regisseur Hans-Christian Schmid, der durch die Coming-of-Age Filme23(1998) undNach fünf im Urwald(1995) bekannt wurde, begann noch im selben Jahr der Romanveröffentlichung mit den Dreharbeiten.17

Die Entscheidung, gerade diesen Roman und seine Verfilmung zum Gegenstand der vorliegenden Arbeit zu machen, wurde im Hinblick einer intermedialen Analyse durch folgende Überlegungen motiviert: Zum einen stellt sich die Frage, ob die in den Feuilletons mehrfach geäußerte Annahme, dass der Roman “Drehbuchreife“ habe und “leicht verfilmbar“ sei, ihre Berechtigung hat.18Zum anderen erweist sich die extrem individualistische und introspektive Autoren- bzw. Erzählperspektive des Romans in Bezug auf den Medienwechsel als interessanter Untersuchungsgegenstand, da den Medien Film und Buch bei der Vermittlung und Darstellung von Gefühlen ganz unterschiedliche Ausdrucksmittel zur Verfügung stehen. Da der RomanCrazyeine autobiographische Geschichte ist, interessiert zudem, welche Veränderungen sich bezüglich der individuellen und persönlichen Aspekte bei der Transformation ergeben. Bleiben die autobiographischen und persönlichen Elemente der literarischen Vorlage im Film erhalten oder entsteht mit dem Film etwas Neues, eine andere Geschichte?

1.2. Methodische Herangehensweise

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die vergleichende Analyse von Benjamin Leberts RomanCrazyund der gleichnamigen Verfilmung von Hans-Christian Schmid. Ziel der Analyse ist es, durch Gegenüberstellung einzelner Szenen von Roman und Film, medienbedingte Veränderungen und medienspezifische Bedeutungskonstitutionen

15Vgl. z.B. Heidenreich, Elke: „Ein Autogramm von Gott“, in: Der Spiegel, Nr.71, Februar 1999; Amend, Christoph: „Der erste Höhepunkt im Leben“, in: Der Tagesspiegel, Berlin, Februar 1999; Nentwich, Andreas: „Der junge Mann und die Medien“, in: Neue Zürcher Zeitung, März 1999; etc.

16Vgl. z. Bsp. Hollywood- Produktionen wieAmerican PieI-III, Eine wie Keine, Natürlich Blond I-II etc.; Deutsche Produktionen: Absolute Giganten (1999), Nichts Bereuen (2001), Fickende Fische (2002), Sommersturm (2004) etc.

17Der Roman wurde am 17.Februar 1999 veröffentlicht. Die Dreharbeiten begannen im Herbst des gleichen Jahres.

18Vgl. z.B. Amend, Christoph: „Der erste Höhepunkt im Leben“ in: Der Tagesspiegel, Berlin, Februar; Nentwich, Andreas: „Der junge Mann und die Medien“ in: Neue Zürcher Zeitung, März 1999.

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aufzuzeigen. Bezüglich speziell dieses Romans steht die Frage im Vordergrund, ob und wie es der Film schafft durch Kontrastierung von Bild und Inhalt, durch bewusste dramaturgische Komposition und durch schauspielerischen Einsatz, das innere Geschehen und die Gefühlswelt der Figuren offenbar werden zu lassen. Der Begriff der Intermedialität soll in dieser Arbeit für alle Phänomene verwendet werden, die in irgendeiner Form eine inhaltliche und formale Bezugnahme, einen Wechsel oder eine Mischung verschiedener Medien umfassen.

Aufgrund der in den verschiedenen Wissenschaftszweigen inflationären und bedeutungsdivergenten Verwendung des Intermedialitätsbegriffs, wird es Aufgabe des 2.Kapitels sein, anhand einiger ausgewählter Definitionen das weite Forschungsfeld der Intermedialität einzugrenzen und näher zu bestimmen, um dadurch eine theoretische Basis für die folgenden Überlegungen zu schaffen. Eine solche Einschränkung erscheint insofern notwendig, als der Gegenstandsbereich einer intermedialen Analyse immer von dem jeweiligen Verständnis des Medienbegriffs abhängt. Betrachtet man zum Beispiel Medien, im Sinne McLuhans19, als Ausweitung des Menschen, können theoretisch alle möglichen Beziehungen als intermedial bezeichnet werden.

Auf die nähere Bestimmung des Intermedialitäts- und Medienbegriffs folgt eine Erläuterung der intermedialen Konzepte der Transkriptivität und der Theatralität. Um die vielfältigen Veränderungen, Selektionen und Bedeutungsverschiebungen beim Transformationsprozess des textuellen Mediums in das audiovisuelle Medium zu fokussieren, wird für die Analyse das intermediale Verfahren der Transkription herangezogen. „Die Kategorie der Transkription erlaubt es, jene Praktiken in den Blick zu nehmen, welche die›Lesbarkeit‹von medialen Produkten jeglicher Provenienz allererst statuieren und sichern; sie schafft so eine geeignete Basis, um mit jeder Analyse das, historisch durchaus wandelbare, Text- und Lesbarkeitsparadigma immer wieder aufs Neue zu hinterfragen.“20Das Konzept der Theatralität erweist sich vor allem in Bezug auf dramaturgische Techniken und Verfahrensweisen des Films als geeignete Beschreibungskategorie. Insbesondere die mit der Übersetzung des literarischen in einen szenischen Text einhergehenden Veränderungen markieren die Möglichkeiten und Grenzen beider medialer Systeme.

19McLuhan, Marshall: „Die magischen Kanäle. Understanding Media, Basel 1994, S. 15.

20Sombroek, Andres: „Eine Poetik des Dazwischen. Zur Intermedialität und Intertextualität bei Alexander Kluge.“, Dissertation; Universität zu Köln 2004, S.32.

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Das 3. Kapitel richtet den Blick auf das Medium Film und seine spezifischen medialen Ausdrucksmittel. In einem ersten Schritt gilt es den Film in Abgrenzung zu anderen medialen Systemen näher zu bestimmen. Welche bedeutungstragenden und bedeutungskonstituierenden Funktionen die filmischen Elemente in ihrem Zusammenspiel ausüben, soll an praktischen Beispielen genauer untersucht werden. Ziel ist es, dabei vor allem Aussagen über strukturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden medialen Varianten zu treffen.

Im 4. Kapitel geht es darum, anhand ausgewählter Einzelszenen des Films den Vorgang der Transkription transparent zu machen, um die sich beim Übergang von der einen zur anderen Form ergebenden semantischen Verschiebungen bzw. bedeutungsgenerierenden Prozesse, wie auch formale und inhaltliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Film und Buch herauszuarbeiten. Die Analyse schließt mit einer szenischen Gegenüberstellung von Buch, Drehbuch und Film, bei der vor allem das Drehbuch als intermediale Zwischenstufe der Transformation den Wechsel vom Darbietungsmodus der Erzählung zum Darbietungsmodus der Darstellung verdeutlichen soll.

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2. Der Begriff des Mediums

„Alles, was wir über die Welt sagen, erkennen und wissen können, das wird mit Hilfe von Medien gesagt, erkannt und gewusst.“21

Aufgrund der zahlreichen Definitionen von Medium erscheint es sinnvoll und notwendig, zunächst die den folgenden Überlegungen zugrunde liegende Begriffsbestimmung zu konkretisieren. Nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch in den verschiedenen Wissenschaften wird der Medienbegriff unterschiedlich verwendet. Die Mehrdeutigkeit dieses Terminus erklärt sich einerseits dadurch, dass die mit den verschiedenen Disziplinen verbundenen unterschiedlichen Erkenntnisinteressen und Problem- bzw. Fragestellungen, „jeweils andere Aspekte des vielschichtigen Begriffs beton[en].“22Andererseits erschwert ein oftmals sehr weit gefasster Medienbegriff, „der von Geräuschen und Lichtwellen über Sprache und Schrift, Raum und Zeit bis hin zu komplexen Formen der Erzählung alles umfasst“23, eine differenzierte Bestimmung. Geht man vom lateinischen Wortstamm aus, lässt sich Medium zunächst ganz allgemein als “Mittler“ bzw. Bote für etwas und “Träger“ von etwas bestimmen. In diesem Verständnis kann von den menschlichen Sinnen, Sehen, Riechen, Hören etc., über artifizielle Ausdrucksformen, wie z.B. Literatur, Malerei usw. bis hin zu technisch generierten Aufzeichnungs- und Speicherungsformen, wie Fotografie, Fernsehen und Film, alles als Medium fungieren und als solches bezeichnet werden. Diese Begriffskomplexität führt zu entsprechend zahlreichen und divergierenden Analyseansätzen, die sich sowohl in ihrer methodischen Herangehensweise, als auch durch die spezifische Untersuchungsperspektive unterscheiden, bei der das Augenmerk auf jeweils andere Aspekte des Medienbegriffs gerichtet wird:

„auf den kommunikationssoziologisch-handlungspragmatischen Aspekt der institutionellen Verfasstheit von Medien, auf den physikalisch-technologischen der genutzten Übertragungskanäle, auf den physiologisch-kognitiven der involvierten Sinnesmodalitäten,

21Assmann, A.: „Schrift und Gedächtnis. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation“, in: Krämer, Sybille: „Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und neue Medien“, Frankfurt/M. 1998, S.73.

22Sombroek, Andreas: „Eine Poetik des Dazwischen. Zur Intermedialität und Intertextualität bei Alexander Kluge“, Dissertation, Universität zu Köln 2004, S.30.

23Mecke, Jochen: „Im Zeichen der Literatur: Literarische Transformationen des Films“, in: Mecke, Jochen; Roloff, Volker: „Kino-/(Ro)Mania. Intermedialität zwischen Film und Literatur“, Tübingen 1999, S.98.